Krieg 1870-71 und Postfolgen

  • Hallo an Alle,


    Der Krieg 1870-71 hat mehrere Postfolgen gehabt, von denen eine, was man kennt, das heißt die Erhöhung der französischen Posttarife zum den 1. September 1871.
    Eine andere Folge, der wichtigsten, nach dem Sieg von Deutschland ist, daß ein Teil von Frankreich endgültig (bis zu 1918 annektierten Zonen) oder vorläufig ( besetzten Gebieten) abgezogen war.
    Die Postverhältnisse zwischen unbesetztem Frankreich und diesen Territorien ist den Gegenstand besonderer Postverträge und also besonderer Posttarife gewesen.


    Hier sind einige Briefe, die einen Fall von Postvertrag oder von einseitiger Entscheidung für Briefe von oder nach den Territorien vorstellen, die man dann als "besetzt" betrachtete.

    Der erste Brief ist von Maubeuge für Villerupt in der Mosel postiert. Der Brief ist teilweise mit 20 c frankiert aber mit 30 c von die Auswechslungsstelle von Versailles nachtaxiert.
    Am 24. März 1871 beschließe des NDP Post-Amt, mit der Bekanntmachung n°167, die teilfranco Briefe von Frankreich nach den besetzen Gebieten, mit 30 c nach zu taxieren (Oberpräsidial-Bureau Bekanntmachung n°167).
    Es handelt sich hier um eine einseitige Entscheidung, die im Widerspruch mit den Vereinbarungen unter Rosshirt und Rampont ist, die am 3. Februar 1871 signiert gewesen sind. Diese Vereinbarungen präzisierten, daß die Briefe die zwischen den unbesetzten Territorien und die besetzten Territorien zirkulierten ein Gebühr von 40 c vertragen werden (20 c für Frankreich und 20 c für das NDP).
    Dieser Brief ist interessant, weil die französische Post geglaubt hat, daß Villerupt im Juli 1871 noch besetzt war, und also legte der Brief ins Postsack, das zu den besetzten Gebieten (also zu Auswechslungsstelle von Versailles) ging.
    Jedoch zu diesem Zeitpunkt war Villerupt nicht mehr besetzt. Die Versailler Nachportostempel " 30 " ist also aufgehoben gewesen und der Brief ist in Paris zurückgesandt gewesen.

    Der zweite Brief ist in Lille für Mülhausen postiert gewesen, die von den Preußen dann besetzt war. Dieser Brief ist am 21. August 1871 postiert mit 20 c frankiert, die das Porto für 1. Gewichtsstufe von Lille bis zum Grenzpostamt decken.
    Seit dem 1. August (Oberpräsidial-Bureau Bekanntmachung n°261, 24. Juli) sind die Teilfranco Briefe die aus unbesetztem Frankreich herkommen durch NDP Post-Amt mit 20 c nachtaxiert (vorher 30 c) bis zu Ziel.
    Der Spediteur hatte die Möglichkeit, sich Besetzung-Marken zu verschaffen, damit der Empfänger die "deutsche" Nachporto (wie gesagt in Frankreich) nicht zu bezahlen hat.Diese Regel ist im monatlichen Postamtblatt von juli 1871 an die Seiten 295 und 296 erinnert. Zu bemerken, daß die Frankierung bis zum Grenz-Postamt obligatorisch war.
    Es kommt vor, daß Briefe völlig teilweise mit französischen Marken (für Porto bis zum Grenz-Postamt) und teilweise mit Besetzung Marke bis zu Ziel frankiert sind.Diese Briefe sind nicht so selten.

    Der dritte Brief stellt Fall eines Briefes vor, der mit 40 c von Lille für Schiltigheim frankiert ist. 40 c stellen das Porto eines Briefes in erster Gewichtsstufe (bis zu 10 g) für das deutsches Reich dar.
    Die Verhältnisse zwischen Frankreich und Deutschland sind ein wenig normalisiert und am 12. Februar 1872, ein neues Postvertrag mit den NDP ist unterschrieben gewesen(verwendbar am 25. Mai). Die Postverhältnisse mit den anderen deutschen Staaten sind durch die ehemaligen Postverträge immer bestimmt.
    Dieses Postvertrag gründet die Frankierung bis zu Ziel und erlaubt der Versand von unfrankiert Briefen auch.


    Hätte einer unter Ihnen eine Kopie von Bekanntmachungen n° 167 und 261?


    Grüss.
    Emmanuel.

  • Hallo vals59,


    drei schöne und interessante Briefe. Danke fürs zeigen.


    Leider habe ich keine Primärliteratur hierüber, aber 1870/71 könnte etwas haben. Er liest hier sicher gerne mit. ^^


    Kennst du diese Seite der Postverträge?


    http://www.dasv-postgeschichte.de/pv/pv_main.asp


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo bayern klassisch,


    Nein, kenne diese Seite nicht.
    Ich habe die bekanntmachungen nicht gefunden aber etwas anderes.
    Es scheint sehr interessant zu sein.Ich glaube, daß, daß ich dort einen Teil von meiner Freizeit verbringen werde.


    Danke. :thumbup:
    Emmanuel.

  • Lieber vals59,


    schön, dass du dieser interessante Thema mit ebenso interessanten Briefbeispielen gestartet hast. Ich schlage vor, wie diskutieren / analysieren jeden Brief separat. Bevor ich dir zu deinem ersten Brief (Maubeuge/Villerupt) antworte, bitte ich dich, mir die Briefrückseite zu zeigen.


    Gruss
    1870/71

  • Hallo vals59,


    gerne möchte ich dir meine Meinung zu deinem ersten Brief mitteilen.


    Maubeuge lag im unbesetzten Departement Nord, Villerupt im besetzten Departement Meurthe, das ab 24.3.1871 wieder von der französischen Post verwaltet wurde. Der Brief wurde korrekt mit 20 Centimes (Franko Inland) freigemacht. Die französische Post hatte keinen Grund zusätzlich vom Empfänger ein Nachporto von 30 C. zu fordern. Ebenfalls können wir ausschließen, dass die franz. Post in Amtshilfe für die deutsche Post den Taxstempel anbrachte. Ausweislich des rückseitig abgeschlagenen Kursstempels "Erquelines à Paris" lief der Brief über Paris, dann vermutlich über Nancy nach Metz. Bei der deutschen Bahnpost wurde irrtümlich der blaue Taxstempel abgeschlagen, da man vermutete, dass Villerupt in Deutsch-Lothringen lag. Dieser Irrtum wurde bei der Oberpostdirektion in Metz korrigiert und der Brief lief zurück an die französische Post.


    Dieser unscheinbare Brief zeigt uns, wie vielseitig und kompliziert die 1870/71er Postgeschichte sein kann. Die Periode der Doppelfreimachung vor dem 24.3.71 ist besonders anspruchsvoll, da das deutsche Militär große Teile der sogenannten besetzten Gebiete lediglich kontrollierte und die deutsche Post nicht in der Lage war diese Gebiete flächendeckend zu versorgen. Logischerweise ist in weiten Landstrichen viel Post (von den Deutschen geduldet) von den Franzosen während des Krieges befördert worden.


    Besten Gruss
    1870/71

  • Danke 1870/71,


    Wenn ich meinen post geschrieben habe, bin ich mich, schlecht ausgedrückt und habe du glauben lassen, daß die Franzosen den Brief nach zu taxieren hatten. Wirklich haben die deutsche Post nachtaxiert. Die Franzosen hatten kein Interesse, die Briefe zu den besetzten Gebieten nach zu taxieren und noch weniger die deutsche Post zu helfen, es zu tun.
    Deiner Meinung nach hätten die deutschen Postbeamten, versehentlich den Brief zu taxieren. Das ist sicher wahr aber nur, weil sich die französischen Postbeamten in die Beförderung geirrt haben.
    Eben nur im Juli 1871, veröffentlicht die französische Postverwaltung im monatlichen Amtblatt n°28, die Liste der unbesetzten Postämter, die sich in Deutschland abgegebenen Gebieten finden. Diese Postämter sind vorläufig mit einer nicht besetzten Departement verbunden.Man weiß, daß die Gemeinde von Villerupt vom Postamt Longwy abhing. Longwy und Villerupt waren in Departement von Moselle gelegt. Sie sind mit der Departement von Meurthe verbunden gewesen.

    Wie du es sehr wirklich sagst, war diese Periode von Post-Blickpunkt noch sehr gestört. Es ist möglich, daß die Französichen Postbeamten am 18. Juli 1871 keine Kenntnis dieser Veränderungen gehabt haben.
    Eine Frage: das Nachportostempel " 30 " ist dem Stempel "30 " in Frankreich seit Januar 1862 für die Unfrankierte Briefe(1. Gewichtstufe) benutzt, ähnlich. Wäre das also ein französisches Stempel, das durch deutsche Postverwaltung wiederbekommen ist?


    Grüss.
    Emmanuel.

  • Hallo vals59,


    endlich habe ich in dir einen Gesprächspartner gefunden, mit dem ich mich austauschen kann!!!


    Vermutlich lag der Irrtum bei der französischen und deutschen Bahnpost, denn Villerupt lag exakt an der Grenze zu Deutsch-Lothringen. Wir sollten uns immer wieder die katastrophalen Arbeitsbedingungen bei der Bahnpost vergegenwärtigen. In Anbetracht riesiger Postmengen, die in kürzester Zeit bearbeitet werden mußten, sind relativ wenige Fehler gemacht worden.


    Der Nachportostempel "30" ist ein von den Deutschen erbeuteter französischer Stempel, der in den besetzten Gebieten (AdP = Administration der Posten für die besetzten Gebiete) und in den Oberpostdirektionen Metz und Strassburg im Elsass vom September 1870 bis Ende Juli 1871 verwendet wurde. Die blaue Stempelfarbe ist selten!


    Anhängend zeige ich dir einen Brief, ebenfalls aus der Periode der Doppelfreimachung 24.3. bis 31.7.71, mit dem blauen "deutschen" Taxstempel 30, der bis Ende Juli 71 in Metz verwendet wurde.


    Gruss
    1870/71

  • Hallo zusammen,
    Ein Jahr nach dem Anfang dieses Thread, hier ist ein anderer Brief, daß ich für einige kleine Münzen in Sindelfingen gefunden habe. Er ist sicher nicht sehr hübsch, sondern stellt trotzdem ein anderes Taxstempel vor.
    Es handelt sich hier um das Taxstempel " 2 ", das wie das Taxstempel " 20 " zwischen dem 1. August 1871 und dem 24. Mai 1872 benutzt gewesen ist.
    Kennt man, wo dieses Taxstempel geschlagen gewesen ist? Mühlausen oder Colmar?
    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,


    es handelt sich um einen umgearbeiteten deutschen Taxstempel "20", bei dem die "0" entfernt wurde. Typisch ist der mitabgeschlagene Rand der Stempelplatte.


    Der Stempel wurde in Mühlhausen i.E. vom 1.1. bis 14.5.1872 verwendet.


    Es handelt sich um einen interessanten, aber recht häufigen Stempelabschlag.


    Gruss
    1870/71

  • Hallo Emmanuel,


    das hast du richtig verstanden!


    Beide Briefen ergeben eine schöne Dokumentation und der weite Weg nach Sindelfingen hat sich doch noch gelohnt.


    Ich war Donnerstag/Freitag in Sifi. Schade, dass wir uns nicht kennengelernt haben!


    Gruss
    1870/71

  • Hallo 1870/71,
    Offen gesagt, habe ich nicht viel in Sindelfingen gefunden. Ich war dort am Donnerstag Morgen und gab es schon viel (zuviel) Leute. Die Händler waren nicht leicht sich zu nähern.
    Ich habe die Gelegenheit gehabt, Ralph zu treffen und sehr kurz (zu kurz) HOS zu sehen. Ich sollte nach Frankreich nach Mittag zurückfahren. Viele Verlangsamungen auf dem Weg wegen Baustellen und ein Umfall.
    Es ist sicherlich mit einem sehr großen Vergnügen, daß ich nach Deutschland und wahrscheinlich zu Sindelfingen zurückkommen werde. Ich habe die Gelegenheit gehabt, vor Sifi den Schwarzwald zu besuchen eine sehr schöne Region, wirklich.
    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Hallo vals59,


    Die Händler waren nicht leicht sich zu nähern.


    Da hast Du ein wahres Wort angesprochen.


    Man kann in der Tat nicht umhin festzuhalten, dass der eine oder andere Händler offenbar mit dem linken Fuß aufgestanden ist. Verständnis muss man natürlich haben, wenn es für den einzelnen nicht so gut gelaufen sein sollte.


    Gleichwohl: Es ist allgemein bekannt, dass viele Sammler für Sifi z.T. sehr sehr weite Wege in Kauf nehmen. Dann darf man von dem einen oder anderen Händler durchaus auch einen etwas einladendereren Stil am Stand erwarten.


    Hoffen wir also gemeinsam auf Besserung + Gruß


    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo zusammen,


    Hier ein Brief von Cambrai ( Departement Nord) nach St Quentin ( Departement Aisne). Er ist am 8. Februar 1871 postiert gewesen. Es gibt kein Ankunftsstempel.
    Cambrai und St Quentin sind sehr nahe Städte (Entfernung 50 Km). Eine fand sich im freien Territorium (Cambrai), und war die andere ( St Quentin) von der preußischen Armee seit Januar 1871 besetzt.


    Der Waffenstillstand war am 28. Januar unterschrieben gewesen, die Post konnte also zwischen der unbesetzten Zone und der besetzten Zone zirkulieren. Die Post sollte also ein französisches Porto und ein deutsches Porto vertragen: 40 c für einen einfachen Brief((20 c für jedes Land) im Ganzen.
    Ich möchte zu kennen, wo das Taxstempel von 2 décime geschlagen gewesen ist. In St Quentin?
    Außerdem schlägt man mir das folgende Buch vor: " Doppelporto und Doppelfrankierung 1870 bis 1872" von F. Spalink. Ich werde gern kennen, ob es interessant ist oder ob es eine bessere Arbeit für die Periode des doppelten Doppelporto gibt?
    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,


    Friedrich Spalinks Buch über die Doppelfreimachungen kann ich nur empfehlen.


    Spalink hat mit vielen Ungereimtheiten, die in Frankreich leider immer noch kursieren, aufgeräumt und Fakten (= originäre Dokumente) sprechen lassen.


    Wer also ernsthaft seine Belege auswerten möchte, kommt um dieses Werk nicht herum.


    Gruß
    1870/71

  • Hoffe das passende Thema ausgesucht zu haben.


    Der nun gezeigte Faltbrief ist ein Winzling – gerade mal 4,8x8.7cm groß. Das Schreiben nach Paris wurde am 12.10.1870 in Archachon geschrieben also während der Belagerung von Paris September 1870 – Januar 1871 durch die deutschen Truppen. Es wurde wahrscheinlich von einem Boten befördert. Die Größe + die Falte lassen darauf schliessen dass das Schreiben irgendwo in einem Revers versteckt war. Man kann vermuten dass der Brief erst nach Aufhebung der Belagerung seinen Empfänger erreicht hat. Auch ist das Porto mit 15cts mir im Moment ein Rätsel. Es kommt einem frankierten Brief Paris-Paris gleich. Ein Kollege meinte dass der Brief irgendwo am Stadtrand von Paris abgegeben wurde und deshalb die Portorechung als Ortsbrief.



    Verfasst wurde das Schreiben von Juliette Pereire und geht an ihren Vater, den Notar Emile Fould. Ich habe einen Stammbaum der Foulds im WEB gefunden, Juliette wird nicht erwähnt. Einer anderen Webseite zufolge wäre sie die Tocher von Achille Fould. Der Inhalt des Schreibens gibt allerdings keine Zweifel auf: mon cher père ……… je t’embrasse tendrement ..… mille baisers aussi à mes chers frères. Fould war ein angesagter Notar bei den damaligen "Oberen Zehntausend".


    geboren 30.8.1803 in Metz verstorben 1884 in Paris. Notar in der rue Feydeau und rue St Marc 24. Tätig vom 7.11.1832 bis zum 6.8.1880. Am 24.11.1836 heiratet er Palimre Oulman. Juliette wurde 1839 geboren. Emile war der Cousin von Benoit Fould (Bankier) und Achim Fould (Minister der Finanzen)

    Phila-Gruß


    Lulu