Insinuation / Zustellungsurkunde

  • Dass es in der Vormarkenzeit recht dünn mit Insinuationsvermerken aussieht ist mir auch schon aufgefallen.

    Verehrte Freunde,


    die Beobachtung ist richtig.


    Einerseits wurden wohl viele Insinuationen ganz regulär über Mandatare abgewickelt, was sich postalisch nur indirekt ausdrückte.


    Andererseits blieb die Praxis (nämlich "der Post zu insinuieren") wohl vor allem auf den kreativen und wagemutigen Teil der Juristen beschränkt (also nicht allzu viele, wenn wir den zeitweise als Anwalt tätigen Ludwig Thoma als Gewährsmann in Anspruch nehmen wollen, der darüber prononcierte Meinungen vertrat).
    Das Verfahren war immer wieder einmal Gegenstand richterlicher Aufmerksamkeit, bis hinauf zu den Appellationsgerichten. Schließlich legten die Prozessparteien die nach erfolgter Insinuation laufenden Fristen gar nicht so selten unterschiedlich, nämlich zu ihren Gunsten aus. Wer die Insinuation durch die Post nutzte (und damit auf einen Rückschein verzichtete), forderte solche Verwicklungen geradezu heraus.


    Als die Post erstmals öffentlich auf das Verfahren reagierte und sich etwas unwillig dazu herbeiließ, schrieb man bereits das Jahr 1852 - und da befinden wir uns in der Markenzeit. Vermutlich trug gerade diese Bekanntmachung im VO-Blatt dazu bei, das Verfahren tatsächlich bekannter zu machen.


    Mein bisher ältester Insinuationsbeleg, der wohl der Post insinuiert wurde, datiert von 1846 und stammt aus Kronach.


    Viele Grüße aus Erding!

  • Verehrte Freunde,


    eigentlich befinden wir uns hier zeitlich im Unterforum 1849–1875, aber im Thema wurden auch schon Belege aus der Vormarkenzeit gezeigt.
    Also mache ich einfach damit weiter.


    Am Dienstag, dem 2.11.1841, ließ das Landgericht Markt Bibart ein Schreiben an den Advokaten von Hornthal in Bamberg ab. Dieser hatte, entsprechend den Vorgaben der bayerischen Gerichtsordnung, einen Mandatar am Gerichtsort aufgestellt: den "Handelsmann Wekert dahier", dem ein Gerichtsdiener das Dekret überbrachte und insinuierte (siehe den Vermerk unten links). Weckert gab am folgenden Montag, dem 8.11., den Brief im nahen Langenfeld auf die Post, unfrei (der Expeditor notierte 4 Kreuzer für die erste Gewichts- und die zweite Entfernungsstufe), aber unter Chargé, wofür weitere 4 Kreuzer fällig wurden, die der Mandatar auslegte und seinem Auftraggeber sicher zusammen mit seinem üblichen Honorar (mindestens 12 Kreuzer pro Insinuation) auf die Rechnung setzte. Nach dem Präsentationsvermerk im Inhalt kam der Brief am Mittwoch, dem 10.11., in Bamberg an.


    Man sieht also, dass dieser Weg weder kostengünstig noch sehr schnell war.


    Obwohl die Aufstellung eines Insinuationsmandatars nach der Gerichtsordnung vorgeschrieben war, wenn eine Partei nicht am Gerichtsort ansässig war, findet man solche Briefe erstaunlich selten.


    Viele Grüße aus Erding!

  • Hallo zusammen,


    von meinem gestrigen Ausflug nach München habe ich ein paar Stücke mitgebracht die ich euch zeigen möchte.


    Zunächst ein (Fahrpost-)Brief aus Neuburg nach Augsburg mit zwei interessanten Vermerken:


    Oben links auf der Vorderseite: "Postvorschuß 1 f 39 kr erhalten, Unterschrift (Berthold?)"
    Siegelseitig: "Ins: den siebzehnten März, Unterschirft"


    Interessanterweise ist der Insinuationsvermerk nicht mit einer Jahreszahl versehen, deshalb kann ich den Brief leider auch nicht genau datieren.


    VIele Grüße,


    Nacktnasenwombat

  • Hallo Nacktnasenwombat,


    ich glaube, den habe ich auch in der Hand gehabt - die Unterschrift auf der Rückseite lese ich als "Fischer".


    Das angehängte Stück habe ich im vergangenen Jahr auf der Messe aus einer Grabbelkiste gezogen.
    Seit 1823 durfte "mit Umgehung von Insinuationsmandataren die Ladung unmittelbar durch die Post an die Fiskalate“ gerichtet werden, wenn der Fiskus als Partei in ein Gerichtsverfahren verwickelt war.
    Die Fiskalate haben sich historisch aus der fürstlichen Finanzverwaltung entwickelt, zu Behörden, die von Amts wegen die Rechte und Interessen des Landesfürsten vor Gericht wahrnehmen.

    Versteckt im Kopf dieses Briefs vom März 1835 von Landshut nach Regensburg steht ein Insinuationsvermerk vom Aufgabetag.
    Der auf der Vorderseite genannte "Dr. Briel" ist Dr. Philipp Briel, seit 8. November 1833 bis 3. Mai 1836 Regierungsassessor und "exponirter Fiscal-Adjunct bei der Regierungs-Finanzkammer des Isarkreises".
    Bei diesem Vorgang ging man auf Nummer sicher - so ganz wollte man offensichtlich nicht auf einen Mandatar verzichten -, denn Dr. Briel agierte als solcher für die Kollegen vom Fiskalat des Regenkreises in Regensburg.

    Viele Grüße aus Erding!

  • Hallo Erdinger,


    danke für den Tipp (jetzt erkenne ich den "Fischer" auch) und das zeigen deines schönen Briefes. Solche Briefköpfe sind immer hübsch anzusehen und einen innenliegenden Insinuationsvermerk habe ich auch noch nicht gesehen.


    Viele Grüße,


    Nacktnasenwombat

  • Hallo bayernjäger,


    ganz feines Stück - hätte er das mit der Post machen lassen, hätte er mehr bezahlt; da hat sich unser Notar also etwas gespart. Nur wenn die Post es verdaddelt hätte, hätte er weitere 3x investieren müssen, denn ohne Recommandation kein Nachweis.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo bayernjäger,


    ganz feines Stück - hätte er das mit der Post machen lassen, hätte er mehr bezahlt; da hat sich unser Notar also etwas gespart. Nur wenn die Post es verdaddelt hätte, hätte er weitere 3x investieren müssen, denn ohne Recommandation kein Nachweis.


    Hallo Zusammen,


    wenn das aber ein Postvorschussbrief war, mit der der "Schuld- und Hypothekenbrief" geschickt wurde, also Fahrpost? Wenn ich links unten lese, die Rücksendung der Quittung wird frei erbeten ... Es war also nur eine Bestätigung für die Akten des Notars, dass die Urkunde angekommen ist. Die Herren der Gemeindeverwaltung von Oberebelsbach, Herr Voll unterschrieb, haben diesen Wunsch entsprochen und auch die Stempelgebühr bezahlt (daher meine Vermutung des Postvorschusses).


    Schönes Stück - Rosarot :love:


    Luitpold

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).

  • Verehrte Freunde,


    mit viel Glück findet man in der Vormarkenzeit Briefe, die vorderseitig einen Vermerk über die Zustellung an einen Insinuationsmandatar tragen. Aus der Markenzeit kannte ich das bislang noch nicht, auch wenn der Brief von Nacktnasenwombat in #23–26 das natürlich nahelegte.


    Vergangenen Freitag wurde ich nun endlich fündig. Ein leider oben und rückseitig etwas ramponierter Brief an den Advokaten Haenle in Ansbach, der vom Boten des Bezirksgerichts Windsheim, Herbst, am 21. April 1863 dem vormaligen Posthalter Schirmer „dahier“ insinuiert wurde, wie uns der rückseitige Vermerk verrät. Darunter bestätigte der Insinuationsmandatar Schirmer den Vorgang und setzte das Expeditionsdatum, den 24. April, dazu. Dazu belohnte er die Nachwelt noch mit einer extrem ordentlich geschnittenen 6-Kreuzer-Marke.


    Viele Grüße aus Erding!

  • Lieber Erdinger,


    herzlichen Glückwunsch zu dieser Rosine - so ramponiert sieht er m. E. gar nicht aus und alle Stempel nebst Marke zeigen sich für mich attraktiv. :P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Erdinger,


    deinem nicht so ganz unähnlich ist der hier: Straubing 5.9.1864 vom Notar dort ans Landgericht in Landau an der Isar. Dort am 6.9.1864 eingeschlagen.


    Retour als Regierungs - Sache vom Gericht in Landau an der Isar an den Notar Hingerl nach Straubing vom 21.9.1864, in Straubing am 22.9.1864 angelandet. Rückseitig der Vermerk: "Ins. der K. Post dahier am einundzwanzigsten September 64 Karl Grehts (?)"

  • Liebe Freunde,


    für meine kleine Insinuationssammlung mal wieder ein schnuckeliger Neuzugang aus Bamberg vom 23.1.1839 (innen: 31.12.1838 ), der mit 3x Porto bis 6 Meilen tarifgemäß taxiert wurde.


    Wofür die Rötel - 3x stehen?

  • Lieber bayern klassisch,


    zu #51: Die Unterschrift auf der Siegelseite stammt von "Karl G[e]r[i ]chtsd[iener]", die letzten Buchstaben gehen in einem abschließenden Abkürzungsschlenker unter.


    zu #52: Meine Bezeichnung für solche Briefe lautet "Pseudo-Insinuation" - sieht aus wie eine, ist aber eigentlich keine ...
    a) Der Landgerichts-Scribent Geyer war nicht als Insinuationsmandatar aufgestellt - er domizilierte im gleichen Ort wie der eigentliche Empfänger und damit brauchte man keinen Mandatar.
    b) Es wird nur eine Rechnung übersandt, kein gerichtliches Erkenntnis.
    c) Das Schriftstück richtet sich (innen!) an Kaspar Engelbrecht und Konsorten, das heißt, Herr Geyer gehörte zu diesem Kreis wohl dazu.


    Ich kenne mittlerweile einige Briefe, auf denen außen etwas von Insinuation steht, die aber nur einen aus einer Gruppe oder den Vorsteher einer Institution als Adressaten namhaft machen. Die 3 Kreuzer auf der Rückseite könnten auch ein interner Rechnungsvermerk sein, der vom Kassenwart der Kläger- oder Beklagtengemeinschaft (vielleicht Herr Geyer?) angebracht wurde und die Portoforderung auf der Vorderseite wiederholt.


    Hier stritt man sich übrigens mit der örtlichen Landwehrkompanie um die Reluitionsbeiträge, d.h. um jenes Geld, das man aufbringen musste, wenn man sich vom zeitraubenden/lästigen Dienst bei der Bürgermiliz freistellen lassen wollte, der vor allem aus Exerzieren bestand.


    Einen interessanten Beleg konnte ich übrigens vor Kurzem zum Festpreis aus der Bucht angeln – einen Brief mit vorderseitigem Insinuationsvermerk eines bayerischen Gerichts (Memmingen) in die Schweiz (Lenzburg) von 1844. Vergleichbares ins Ausland kenne ich bisher nur von Briefen nach Württemberg.


    Viele Grüße aus Erding!

  • Lieber Dietmar,


    ja, so wird es wohl gewesen sein - Pseudoinsinuationen haben wir ja nun mehrere und es ist spannend, wofür man diesen terminus technicus so alles verwendet hat.


    Dein Beispiel ist natürlich großes Kino - noch nie habe ich eine Ins. nach der Schweiz gesehen, wiewohl ich annehme, dass es auch hierüber keine Vorschriften in der CH gab. Aber ich hatte ja mal eine mit einer Bayern Nr. 15 frankiert nach Österreich gezeigt, wo auch der Wunsch der Vater des Gedankens war.


    Wenn wir jetzt noch eine nach Frankreich finden, schlage ich einen Salto (gerne auch mehr, sollte ich sie finden). :D

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    heute zeige ich einen Dienstbrief des Appellationsgerichts von Mittelfranken (das in Ansbach war!) an den kgl. Advokaten Thiem in Pleinfeld.


    https://books.google.de/books?…MAhVM2hoKHT48A5MQ6AEIJDAB


    Als R. S. portofrei gestellt und mit der Expeditions - Nummer 8083 versehen, zeigt er uns unten links den Vermerk "geg(en) Ret(our) - Rez(episse" und "ins(inuirt) d(er) Post am vierten Juliy 1852 Schwemmer".


    Eine Reco - Nummer hat er nicht bekommen (4stellige Nummern auf Chargébriefen können keine bayer. Reco - Nummern sein).


    Ich nehme an, das Gericht in Ansbach schickte etwas nach Eichstädt (heute: Eichstätt) und von dort aus leitete man etwas an den Advokaten Thiem in Pleinfeld weiter, was sehr wichtig war. Leider ist kein Inhalt oder weiterer Stempel zu entdecken. Trotzdem ein außergewöhnliches Poststück mit Retour - Recepisse und Insinuirung, dazu mit fehlender Reco - Nummer, dafür aber mit dem alten Rötelkreuz für die Chargierung.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    die Requisition (eine Form der Insinuation) funktionierte so:
    Gericht A weiß, dass ein Prozessbeteiligter NN im Bezirk des Gerichts B wohnt.
    Gericht A bittet nun Gericht B, eine förmliche Zustellung bei NN vorzunehmen (vielleicht weil er im Gerichtsbezirk A noch keinen Insinuationsmandatar aufgestellt hat).
    Gericht B schickt nun einen Gerichtsdiener los, der das Schreiben förmlich bei NN zustellt und sich den Empfang in seinem Nachweisbuch bestätigen lässt.
    Daraus fertigt Gericht B einen Auszug an und schickt ihn an Gericht A zurück.
    So weit, so klar. Da haben wir hier schon einige Beispiele gesehen.
    Interessant wird die Geschichte, wenn Gericht A in Württemberg (Langenburg z. B.) sitzt und Gericht B in Bayern (Erlangen z. B.).

    Leider ist von diesem Stück aus dem Jahr 1848 nur der Inhalt bekannt, nicht der Brief mit den "postalischen Flächen".
    Ich fand es trotzdem interessant. Es lag auch noch die überaus fantasievolle Beschreibung eines früheren Besitzers bei ...

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Liebe Freunde,


    ein Brief des k. Oberstaatsanwalts bei dem k. Appellationsgerichte von Schwaben und Neuburg in Neuburg an der Donau lief an die K. Regierung von Mittelfranken Kammer des Inneresn nach Augsburg. am 9.5.1855.


    Da wundert sich der Laie und knobelt der Fachmann, wieso eine Behörde für Mittelfranken im schwäbischen Augsburg residieren soll ...


    Tatsächlich kam der Brief am Folgetag am Bahnhof Augsburg (Siegelseite) an, wurde auch in die Stadt zum Filialpostamt (das mit dem Zweikreisstempel) weiter geleitet, dort jedoch der offensichtliche Anschriftenfehler bemerkt, Augsburg gestrichen und Ansbach vermerkt, wo man tatsächlich für mittelfränkische Belange örtliche zuständig war. Als Zeichen der erneuten Postaufgabe (wer hatte ihn denn entgegen genommen?) stempelte die Stadt jetzt Aufgabe und leitete ihn am selben Tag weiter, wo er scheinbar noch am selben Tag ankam!


    Unten links lesen wir den Insinuationsvermerk der Absenderbehörde: Ins. d. neunten Mai 1855.


    Der Brief passt hier in 4 Sammlungen (Besonderheiten bei Dienstbriefen, Insinuationen, weitergeleitete Briefe und Contraventionen beim Absender) und ich knoble noch, wohin er final wandern wird ...

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch ()

  • Liebe Freunde,


    ein hübscher Brief aus Ludwigsstadt vm 3.6.1870 an die kath. Kirschstiftung in Kronach war als Parteisache portopflichtig - allerdings auch unfrei nur mit der günstigen Frankotaxe zu belegen. Hier notierte man 7 Kreuzer, was richtig sein konnte, aber nicht musste, weil man das mit den Parteisachen gerne missverstanden hatte.


    Siegelseitig lese ich den kürzesten Insinuationsvermerk der bayerischen Postgeschichte: "Am dritten Juni - Unterschrift". Die gerichtsverwertbare Zustellung war bei der Aufgabe erfolgt - am Folgetag erfolgte die Abgabe in Kronach, wie uns der sonderbar geschnittene Halbkreisstempel in Grotesk belegt.

  • Hallo Dieter,


    richtig - Kirchenstiftung. Was für ein akribischer Leser du doch bist. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.