1870/71 kriegsbedingte Leitungen über die Schweiz

  • Hallo Nils,


    ich gebe dir Recht - vlt. wäre der Terminius "kriegsbedingte Leitung" zutreffend.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    dann sind wir uns ja fast alle einig und das ohne eine Doktorarbeit zu schreiben :):)


    Lieber @BK und lieber nils:
    Euer Wunsch ist mit schon wieder Befehl daher ist der Name zu zweiten Mal geändert , habe mir
    lediglich Leitungen erlaubt, da es ja wohl gegenenfalls unterschiedliche gab. :P:P

    Beste Grüsse von
    Bayern Social




    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • und Vergebung, von was für einem Krieg sprichst Du eigentlich zum Zeitpunkt der Beförderung Deines Belegs Ende April 1871 ?


    Etwa von dem (völlig aussichtslosen) des tapferen Festungskommandanten Teyssier in Bitche, der weit nach Beendigung der entscheidenden Schlachten/Gefechte und weit nach dem Waffenstillstand Anfang 1871 noch bis Ende März 1871 gegen die dt. Übermacht Widerstand zu leisten glaubte, weil er von Paris keinen offiziellen Evakuierungsbefehl hatte ?


    Der Krieg an sich war Ende April 1871 doch längst vorbei. Selbst die noch im Februar 1871 zur Entsetzung der deutschen Belagerung von Belfort in die neutrale Schweiz Verdrängten der Boubarki Armée de l’Est waren im April 1871 wieder auf den Weg zurück nach Hause. Ich frage mich auch schon die ganze Zeit wie lange die Gültigkeit der von @vals eingebrachten VO währte.



    Liebe Sammlerkollegen,


    nun konnte ich zu den von Pälzer angeregten Fragen einen möglichen Grund herausfinden, warum im April 1871 eine Leitung über Paris nicht wöglich war und der Brief deshalb den von @Vals69 und @BK eruirten Weg über Basel und Südfrankreich genommen hat.
    (Auch wenn eine "sichere Erklärung" warum der Leitweg über die Schweiz und Südfrankreich gewählt wurde nach über 140 Jahren wohl nicht mehr möglich sein wird. Es geht hier also eher um Wahrscheinlichkeiten)


    Für den Weg über Paris fehlt Ihm eben der Stempel "baviere-strassburg 3", der bis etwa März 1871 in Paris als Eingangsstempel von der Französischen Post abgeschlagen wurde.
    (Siehe Beschreibungen und Beispiele der Briefe des lieben bayern klassisch in den vorherigen Posts, von denen erfreulicher Weise einer die Sammlung gewechselt hat)


    Es waren die Franzosen selbst, die ab April 1871 mit militärischen Angriffen auf die militärisch eher unorganisierten Kommunarden vorgingen und so für turbulente Zustände in Ihrer Hauptstadt sorgten.
    Die Informationen aus Wikipedia geben einigen Aufschluss darüber, wie die Zustände in Paris im April 1871 ausgesehen haben, die in dem Artikel mit der Überschrift "Pariser Kommune" detailliert erläutert werden.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Pariser_Kommune


    Zitat aus dem Artikel:
    "Am 2. April begann die Regierung in Versailles mit militärischen Angriffen auf die Stadt, die sich bald zu einer Belagerung entwickelten. Zunächst gelang es der durch den Krieg geschwächten französischen Armee nicht, sich gegen die Kommunarden durchzusetzen. Nachdem die Regierung die auch in der Provinz vereinzelt aufflammenden Aufstände mit Hilfe deutscher Unterstützung durch Waffenlieferungen und Freilassung der Kriegsgefangenen niedergeschlagen hatte, gingen die regulären französischen Truppen aber immer effektiver gegen die militärisch eher unorganisierten Kommunarden vor." (Anmerkung: mit "die Stadt" ist Paris gemeint)


    Den Höhepunkt erreichten diese Kampfhandlungen in der "blutigen Woche" im Mai 1871:
    "Im nächtlichen Paris herrschte Weltuntergangsstimmung. Durch massiven Beschuss fielen nacheinander die militärischen Forts Issy, Vanves und zuletzt Vincennes in Trümmer. Der Widerstand der Kommunarden blieb trotzdem aufrecht. Vom 21. bis 28. Mai folgte der Sturm auf Paris, die "blutige Woche" ( "Semaine Sanglante" ). Als die republikanischen Soldaten aus Versailles in Paris Haus für Haus, Straße für Straße und Barrikade für Barrikade zu erobern begannen, meist im Kampf Mann gegen Mann, standen Frauen in Männerkleidung oder in Uniformen auf den Ruinen und schossen auf ihre Gegner, die verhassten "Versaillais"."
    Zitiert aus der Wiener Zeitung. (http://www.wienerzeitung.at/na…7_Der-Krieg-um-Paris.html)


    Die Kamphandlungen begannen im Frühjahr 1871 und führten eben zu der oben beschriebenen blutigen Woche, dem traurigen Höhepunkt im Mai 1871.
    Somit passen diese Daten sehr gut zu dem Brief, der im April 1871, inmitten dieser bewegten Zeit von Augsburg nach Bordeaux läuft.


    Das dürfte eine zutreffende Erklärung für den ungewöhnlichen Leitweg des Briefes sein, von dem mir ein zweiter, quasi von Datum+Ort her ein "Schwesterchen" vorgelegen hat.
    Über Anregungen und Ergänzungen unserer Fachleute zu der Thematik freue ich mich natürlich. :)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social




    "Sammler sind glückliche Menschen"

    Einmal editiert, zuletzt von Bayern Social ()

  • Hallo BS,


    ich darf höflich darum bitten endlich einmal korrekt zu bleiben: Was Du da eben alles wieder aus wikipedia rausgepickt hast, ist ein revolutionärer nationaler Aufstand, aber kein Krieg, von dessen Auswirkungen Du eine Umleitung unterstellst. Ich habe langsam aber sicher den Eindruck Du willst hier sozusagen mit aller Gewalt, den Beleg, der ja schon recht interessant ist interessanter machen als er ist. Liefere handfeste Beweise, dann lasse ich mich gerne eines besseren belehren...so nicht.


    Gruß


    Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,


    Verzeihung so wollte ich mich nicht gerne verstanden wissen, es ging mir lediglich darum eine mögliche Erklärung für den Laufweg zu finden.
    Ob die Ereignisse nun Auswirkungen des vorangegangenen Krieges sind oder nicht möchte und kann ich nicht beurteilen.


    Nicht mehr und nicht weniger wollte ich mit dem Beitrag erklären, nichts für ungut.

    Beste Grüsse von
    Bayern Social




    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo BS,


    vlt. wäre der Terminius "kriegsbedingte Leitung" zutreffend.


    dann sind wir uns ja fast alle einig und das ohne eine Doktorarbeit zu schreiben


    Ich pflege die Leute immer beim Wort zu nehmen. Nennen wir es insofern "konfliktbedingte Leitung", dann sollte das für den Moment passen.


    Ebenso nix für ungut + Gruß


    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,


    Eventuell wäre die Beschreibung "Umleitung über die Schweiz aufgrund der Aufstände in Paris" durchaus zutreffend und etwas in der Art werde ich auch wählen,
    aber wie alles im Leben sind solche Details reine Geschmackssache, dass ist ja das schöne an unserer Postgeschichte.


    Für die vielen hilfreichen und freundlichen Beiträge nochmals ein herzliches Danke schön an alle Sammlerkollegen :)


    Viele Grüsse
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social




    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Liebe Freunde,


    manchmal prägt man sich ein Datum ein und sucht den passenden Brief dazu. Bei mir hat das 30 Jahre gedauert, aber ich bin fündig geworden und möchte mich bei einem netten Mitglied hier für seine Zurückhaltung bedanken, sonst wäre er noch teurer geworden, als er es wurde.


    Das magische Datum im Krieg 1870/71 ist der 19.7.1870. Nicht der 18.7., nicht der 20.7. - nein, es musste schon der 19.7.1870 sein und kein anderer Tag. Aber warum? Was unterschied einen Brief vom 17.7. oder 18.7. von einem des 19.7.1870? Nun ja, eine ganze Menge!


    Mit Verfügung vom 19.7.1870 wurden alle bayerischen Poststellen angewiesen, ihre Post nach und über Frankreich nicht mehr direkt dorthin zu kartieren. Demzufolge gab es mit dem 19.7. nicht mehr, was es von 1822, dem 1. bayerisch - französischen Postvertrag, bis zum 18.7.1870 gegeben hatte, nämlich den direkten Austausch der Briefpakete über Strasbourg, Forbach, Wissembourg oder Saargemünd - das alles war am 19.7. ein für alle Mal vorbei und sollte nie wieder kommen.


    Vor dem Auftauchen dieses Briefes galt in Insiderkreisen als fraglich, ob man es seitens der bayer. Postverwaltung überhaupt schaffen würde, rechtzeitig alle Poststellen (und das waren ca. 1.000, davon zu informieren, dass sich nun alles geändert hatte.


    Der Brief aus dem beschaulichen Baiersdorf zeigt uns aber, dass es genau so gewesen sein musste, denn er weist von der Hand des Absenders, und dergleichen hätte ich nie für möglich gehalten, den Vermerk auf "durch die Schweiz". Es musste also bereits vor dem Verfassen dieses Briefes dem Absender klar gewesen sein, dass Briefe nach Frankreich ab sofort über die neutrale Schweiz zu leiten waren und daher entschloß er sich, diesen Vermerk anzubringen, damit ihm die Post keinen Strich durch die Rechnung machte und ihn an den mittlerweile für die Post geschlossenen Grenzen abprallen ließ.


    Ich kann mir dies nur dadurch erklären, dass es in Zeitungen/Postzeitungen einen Trend zu dieser Vorgehensweise gab, als diese Maßnahme noch keiner wissen konnte.


    Die zeitliche Enge der postalischen Behandlung weist für mich eindeutig darauf hin, dass die Poststellen in Bayern bereits vorab per Expresstelegrammen von dieser Vorgehensweise in Kenntnis gesetzt worden sein mussten, anders wäre dies nicht zu bewältigen gewesen.


    Ausweislich der Siegelseite mit schlappen 11 Stempel Abschlägen wurde er über Erlangen 19.7. nach München 20.7. kartiert, was richtig war, weil ab dem 19.7. nur noch die Hauptbriefpostexpedition München mit ihrem Pendant in Paris Briefpakete austauschte und folglich alle Postsendungen Bayerns nach München, wie auch alle Postsendungen Frankreichs zentral nach Paris kartiert werden mussten.


    Da diese Briefpakete die Schweiz geschlossen transitierten, finden wir natürlich keine Schweizer Stempel auf derlei Briefen (wenn gleich einer mir bekannt ist aus 1871, der tatsächlich einen schweizer Transitstempel aufweist!).


    Vorderseitig sehen wir den Ankunftsstempel von Paris "Baviere Forbach 3", den es auf der Strecke von Forbach nach Paris nie gab (1 war die Tour, 2 die Retour und nur die Stempel - Nummer 3 lag in Paris).


    Aber, oh Schreck, der deutsche Empfänger in Mirmande bei Loriol war bereits abgereist, denn er wollte sicher dem Alptraum entfliehen, als "Deutscher" in einen Krieg hinein zu schlittern, dessen Ausgang äußerst ungewiß war.


    Folglich war der Brief zu retournieren und somit erneut nach Paris zu leiten. Siegelseitig sehen wir auch den Stempel von Paris mit der Bahnpostleitung nach Lyon, von wo aus der Brief über die Schweiz nach München lief. Entgegen der Vorschrift stempelte München nicht beim Eingang des Briefpakets auf Paris, sondern routete ihn gleich weiter nach Baiersdorf, wo er am 1.8.1870 ankam.


    Jetzt fehlt mir nur noch das Pendant aus Frankreich nach Bayern vom 19.7.1870 ... aber weitere 30 Jahre werde ich wohl keine Zeit haben, um diesen Erfolg feiern zu können.

  • Hallo bk,


    DAS ist ein DING ! :P


    Man sieht rückseitig die Bahnpoststempel Marseille a Paris und Paris a Marseille und Marseille a Lyon. Dann wird es wohl von Basel erst einmal nach Paris, dann mit der Bahnpost gen Süden und das Ganze schließlich wieder so zurück gelaufen sein. Wirklich ein Ober-Kracher.


    Eines habe ich auch noch nicht gewußt, dass es in Paris einen Auslandspost-Eingangs-(= nicht Grenzübergangs-)-stempel Baviere Forbach gegeben hat, der im vorliegenden Fall sogar einen Leitweg beschreibt, der gar nicht begangen wurde. Den habe ich sonst auch noch nie bei regulär über Forbach nach Frankreich geleiteten Briefen gesehen.


    Bemerkenswert finde ich es auch, dass die Schweiz vor Verschwinden des Briefes im geschlossenen Transitpaket keinen Durchgang gestempelt und das ohne selbst davon zu profitieren sofort nach der von Dir zitierten Verfügung vom 19.07.1870 so laufen gelassen hat. Oder gab es da irgendwelche Verrechnungen vom Franco zugunsten der CH in der Briefkarte ?


    Gruß !


    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,


    die CH hat diesen Brief und alle anderen auch zwischen F und BY nicht gesehen; ergo konnte sie auch nichts stempeln - ich bin mir sicher, ohne es beweisen zu können, dass man nach Gewicht verrechnete. Die Kosten (wie hoch sie waren, weiß niemand) wurden von BY und F hältig geteilt (ich denke, die CH hat je Brief 3x bekommen bzw. 1 Decimes). Mehr kann es nicht gewesen sein.


    Bemerkenswert scheint mir zu sein, dass man schon vor dem Krieg mit der CH und F dahin gehend eine Vereinbarung getroffen haben muss, diese Briefe so zu leiten - also muss der bayer. Gesandte in Paris und der in Bern fleißig gewesen sein um die Mitte des Monats Juli 1870. Aber besondere Anlässe verlangen halt besondere Tätigkeiten ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag


    Bemerkenswert scheint mir zu sein, dass man schon vor dem Krieg mit der CH und F dahin gehend eine Vereinbarung getroffen haben muss, diese Briefe so zu leiten - also muss der bayer. Gesandte in Paris und der in Bern fleißig gewesen sein um die Mitte des Monats Juli 1870. Aber besondere Anlässe verlangen halt besondere Tätigkeiten ...

    Hallo bayern klassisch


    Ein sehr interessanter Brief :)



    Es war wohl schon 13. Juli mehr oder weniger klar dass es gegen ein Krieg gehen wollte. Und klar waren auch ua Bayern darüber informiert welche Stellung Preussen in der spanischen Thronfolgedebatte genommen hatte. Und auch welche Massnahmen man zu benutzen bereit waren.


    Schweiz mit seine Erfahrungen als Postvermittler in Kriegszeiten und Friedenszeiten waren deshalb auch sicher ganz unmittelbar informiert geworden, was man falls und so weiter machen sollte. Vielleicht war es schon immer besprochen geworden. Und Schweiz waren für viele Fälle ein Schlüssel wegen ihre Neutralität


    So wie so ist meine Erfahrungen mit Postvermittlung in Kriegszeiten das man es immer ganz pragmatisch gelöst hat. Man wusste auch dass man von Postbeförderungen verdienen konnte und waren immer bereit die Postsacken weiter zu befördern.


    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,


    das ist sicher alles richtig, was du schreibst, aber es ist doch eine Riesensache vor 145 Jahren gewesen, dass man 3 Länder (und Baden, Württemberg, Preußen (es-Taxis) und Österreich) so schnell an einen Tisch bekommen hatte, um alles zu regeln.


    Wenn du sagst, dass am 13.7.1870 schon alles klar war, dann blieben nur 5 Tage (eher weniger), um alles zu regeln. Da hätte heute in Deutschland erst noch der Antrag formuliert werden müssen, wer wem was zur Unterschrift vorlegt (oder bin ich hier zu negativ?). :D


    Im Übrigen hat auch Belgien die Post vermittelt, wenn auch nicht von den Südstaaten; nur Frankreich hat die Post Belgiens nach den Südstaaten hin und wieder genutzt (ich kenne einen Brief), nur anders herum war es nicht möglich und Mainz war wohl die geographische Grenze zwischen Süd (Schweiz) und Nord (Belgien).

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Wenn du sagst, dass am 13.7.1870 schon alles klar war, dann blieben nur 5 Tage (eher weniger), um alles zu regeln. Da hätte heute in Deutschland erst noch der Antrag formuliert werden müssen, wer wem was zur Unterschrift vorlegt (oder bin ich hier zu negativ?).

    Hallo bayern klassisch


    Ja, eher weniger als 5 Tage. Aber man soll nicht vergessen dass man auch telegraphisch Bescheide schicken konnten, so es geht schneller als man erwarten konnten. Man soll hier auch nicht vergessen dass es um ein Krieg die rede war. Es gab kein Platz für Verzögerung, auch nicht in Schweiz.


    Derjenige der dieser Brief geschickt hat war den Gefahr sehr gut bewusst wenn er über die neutrale Schweiz schicken wollte. Vielleicht hat er es gleichen Tag oder den Tag vorher gelesen dass es Richtung Krieg geht und wollte seine Angehörige auch Bescheid sagen.


    Wenn man die Zeitungen von diesen Tagen finden konnten, dann würde man vielleicht Information finden was man durch die Zeitungen wissen konnten. Die Postämter sollten aber auch bescheid wissen, aber sicher nicht alle. Dass man es in Baiersdorf es schon wusste ist wohl ein Hinweis dass die Informationen weit verbreitet waren.


    Ja, so wird die Geschichte lebendig


    Viele grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,


    wir leben 1870 aber in einer Zeit, in der alles unterschrieben und gesiegelt werden musste, anders hätte es keine Rechtskraft gehabt. Es genügte daher nicht, eine oder mehrere Depesche zu schicken (nach Bern, nach Paris von München aus) und dann die Post einfach über die CH zu leiten. Da steckt hundert Mal mehr dahinter.


    Die Schweizer waren ja - im Gegensatz zu Frankreich und Bayern, wo eine Unterschrift des Königs bzw. Kaisers Napoleon gereicht hätte - demokratisch, so dass immer abgestimmt werden musste, was man zuließ oder eben nicht zuließ.


    Die Leitung von Post zwischen den süddeutschen Staaten musste ja erst einmal untereinander koordiniert werden, ehe man in Bern und Paris vorstellig werden konnte. Schon das ist ein Akt, der nicht einfach war, denn einen regulären Leitweg süddeutscher Korrespondenzen und Waren (!!) via CH nach Frankreich gab es nicht. Man musste also alles neu erfinden.


    Auch waren die Verrechnungen der deutschen und österreichischen Postverwaltungen einerseits, wie auch die Frankreichs und hinter Frankreich liegender Länder wie z. B. Spaniens und Portugals andererseits zu berücksichtigen, denn auch deren Briefe galt es sicher nach Mittel-, Nord- und Osteuropa zu transferieren.


    Die Zeitungen dieser Zeit kenne ich, besaß auch einige, und über den Krieg wurde praktisch immer via Sonder - Beilagen berichtet, weil das sonst den Rahmen normaler Zeitungen, die ganz anders aussahen, als unsere Heutigen, gesprengt hätte. Vermerke über die Post habe ich nirgends gefunden - ich denke, das waren Aushänge an den Tausenden von Poststellen in ganz Süddeutschland und Österreich, die die Korrespondenten darauf aufmerksam machten, was zu tun war. Offensichtlich war in Baiersdorf schon am 19.7. oder gar zuvor einer einzusehen, sonst hätte der Absender, der ja seinen Brief zu Hause schrieb und nicht im Postlokal, nicht schon dort "via Schweiz" notieren können.


    Du hast zwar Recht, dass es im Krieg oder in der Vorbereitungsphase schnell gehen musste, aber das musste es auch ohne den Krieg. Hat man zuvor 12 Stunden gearbeitet, dann waren es in Sondersituationen vlt. 16 oder 18 Stunden, die man den Leuten abverlangte. Wenn es im nationalen Interesse stand, war Müdigkeit kein Grund, seinen Dienstposten zu verlassen.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch


    Es ist ja richtig wie du schreibst, dass man etwas unterschreiben muss um ein Rechtskraft zu haben. Es ist aber auch einen Frage wie hoch man in die Hierarchie gehen muss, und welche Verwaltungen das eine oder das andere entscheiden dürfte um ein Rechtskraft zu haben. Die Postverwaltung hat sicher den König nicht alle Einzelheiten zu entscheiden überlassen.
    Sicher ist auch dass es Handlungen gab die nachher nicht Rechtskräftig in der Tat war, aber als richtig gemacht beurteilt geworden ist. Wie es in diesem Fall in die verschiedenen Länder war, muss man ganz genau studieren.


    Was wir mit deinem Brief habe ist auf jeden Fall ein Beweis dafür dass es jemand Bewusst war dass es diese Möglichkeit gab oder geben konnte. Wir wissen ja nicht was der Absender tatsächlich gewusst hat. Der Brief zeigt aber auch dass es so wie der Absender gewünscht hat auch geworden ist und dass es ab diesen Datum ein Verordnung gab.


    Es kann sein dass man auch vor den 13. Juli einige Massnahmen gemacht hatten. Vereinbarungen gemacht hatten. Alternativrouten abgesprochen hatten. Alles so dass wenn der Krise da war, die Alternative benutzen konnten.
    Man brauchte ja nicht nur Alternative wegen Krieg, auch bei Naturkatastrophen wie Überflutungen oder grosse Waldbrände um etwas zu nennen. Ich nehme an dass die Verwaltungen einige gekannte Alternative benutzt hatten und vielleicht auch vorher Abgemacht hatten. Alles selbstverständlich nicht nur so - ich kenne ja auch die deutsche Bürokratie.


    Sonst gibt es ja nicht bei Kriege kein 8 oder 12 oder 16 Stunden Arbeitstage. Man hat gemacht was notwendig war. Und wer es nicht macht.....


    Ich bin sicher dass es Werke gibt die diese kurze Zeit genauer beschreiben kann.



    Viele Grüsse
    Nils

  • Ich bin sicher dass es Werke gibt die diese kurze Zeit genauer beschreiben kann.


    Hallo Nils,


    ja wenn es so ist, hätte ich die gerne gewusst bzw. gekauft, weil das eine sehr interessante Episode der PO ist. Aber welche Werke sollen das sein? Vlt. kann @ 1870/71 mehr dazu sagen.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Hallo bayern klassisch


    Ob es Werke über die Postgeschichte gibt, weiss ich nicht. Aber man kann auch viel Postgeschichte durch normale politische Geschichte lernen, oder auch andere Zweige der Historieschreibung. Postgeschichte gehört ja auch die Welt. Dann kann man vielleicht auch feststellen wenn und wer etwas wusste.


    Viele Grüsse
    Nils

  • Liebe Freunde,


    heute zeige ich einen interessanten Brief aus Triest (Freihafen) nach Bordeaux vom 15.10.1870, also in der Kriegsphase und der Belagerungsphase von Paris.


    Er wurde tarifgerecht mit 25 Neukreuzern frankiert (Absender war die Firma Burgstaller dort). Der P.D. - Stempel von Triest, oft in schwarz, wurde hier mal richtig in roter Farbe abgeschlagen (immer kursiv dort!).


    Frontseitig haben wir den französischen Stempel Autriche - Strasbourg vom 17.10.1870 und siegelseitig den Ankunftsstempel von Bordeaux vom 19.10.1870.


    Dass der Brief im Oktober nicht mehr über Strasbourg laufen konnte, liegt auf der Hand. Dennoch fertigte Österreich seine Briefpakete so ab, als wäre noch alles beim alten geblieben. Tatsächlich lief er über München und die Schweiz nach Frankreich, wo er in Paris den ehemaligen Grenzübergangsstempel erhielt. Österreich musste also auf seinen Briefbund geschrieben haben "via München und Schweiz nach Paris" oder "via München nach Frankreich". Leider habe ich bislang keinen Briefbundzettel gefunden.


    Immerhin sind die Zeiten enorm: Triest über München und der Schweiz nach Paris in 2 Tagen sind schon ganz großes Kino und es erhebt sich die Frage, ob das in Friedenszeiten überhaupt schneller ging - ich meine kaum.


    Von Paris dann 2 Tage nach Bordeaux ist natürlich eine Zeitverzögerung von einem Tag, aber auch das dürften die damaligen Korrespondenten verschmerzt haben.


    Wer gut Französisch lesen kann, könnte mir vlt. mitteilen, ob der Inhalt etwas Interessantes aufweist, oder nur aus Lappalien besteht.

  • Hallo bk,


    ich frage mich dann schon über welchen Weg es dann in dermaßen - erstaunlich - kurzer Zeit im geschlossenen Transit durch die Schweiz nach Frankreich gegangen ist.


    Triest über München und der Schweiz nach Paris in 2 Tagen


    Den - mit Sicherheit zeitraubenden - Umweg über Paris kannst Du ausschließen, das befand sich schon ab 19.09.1870 im Belagerungszustand. Dennoch für die damaligen Verhältnisse eine Mega-Leistung.


    + Gruß !


    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Den - mit Sicherheit zeitraubenden - Umweg über Paris kannst Du ausschließen, das befand sich schon ab 19.09.1870 im Belagerungszustand.


    Hallo Pälzer,


    dann verrate mir doch, wo der Stempel "Autriche - Strasbourg" auf den Brief kam.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.