Preussen - Hessen

  • Hier eine Ganzsache aus Neheim nach Wolfhagen (Hessen-Hassel) aus dem Jahr 1859. Entfernung über 10 Meilen. Hier ist anscheinend die Gebührenermässigung anerkannt wiorden (sonst 4 Silbergroschen bei einem Gewicht von 1 2/10 Lot).


    Die blaue Notiz 1/4 bezieht sich auf das in Hessen-Kassel (Thurn und Taxis) übliche Bestellgeld von 1/4 Silbergroschen.

  • Hallo preussensammler,


    die Entfernung war nur mit 10 Meilen bemessen worden (heute 77 km, aber man konnte damals nicht so genau messen, wie heute, daher 1. Entfernung im Postverein), daher 2. Gewicht mit 1 2/10 Loth gewogen, da inliegende Muster keine Vergünstigung nach sich zogen.


    Man kann hier auch schön sehen, dass das Bestellgeld bei Taxis unabhängig vom Gewicht notiert wurde.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo

    ich habe hier einen Portobrief von Wernigerode nach Schlitz / Hessen. Ich hoffe ich habe den Beleg erstmal richtig eingeordnet. Aufgabe Wernigerode am 11.2.(1854)

    Rueckseitig zeigt er fuer mich einen schoene Reihe an Durchgangsstempel: K2 Eisenach vom 12.2, R1 Fulda vom 13.2.1854, K2 Lauterbach vom 14.2. und abschliessend Ankunfststempel Schlitz vom 16.02.


    Aber vorne geht es mal wieder kreuz und quer. Ich nehme an es hat mit der Umrechnung Sgr in Kr zu tun, richtig?

    Ich lese 3 1/2 / 12 , dann 3 1/2 allein, ebenso 12 allein. Ebenso eine 1 durchgestrichen Und dann schwarz ueber alles 12 / 1, wobei wieder 1 durchgestrichen ist.

    Wie kann ich das interpretieren?


    LG Andreas

    Ein Frohes Weihnachten an ALLE!!!

  • Hallo Andreas


    zuerst wurden m.E. mittig 4 Sgr. notiert und als ungültig gestrichen - dann unten 12 Kreuzer - dies gestrichen und in 3 1/2 Sgr. mittig reduziert - dies wieder gestrichen und links daneben wieder 12 Kreuzer.

    Die oberen 3 1/2 Sgr. ist wieder die Reduzierung. - Jedoch hätte man es ebenso streichen müssen,

    Final wurden 12 Kreuzer Porto + 1 Kreuzer Bestellgeld notiert. Das Bestellgeld wurde nicht gestrichen, sondern ist nur die Unterstreichung der zuerst notierten 4 Sgr.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Lieber Andreas,


    der liebe Ulf hat in allem Recht, was er schreibt und das muss man erst einmal so herauslesen können aus dem Brief!


    Der Hintergrund ist, wie schon richtig vermutet, die Währungsparität zwischen Groschen und Kreuzern. Taxis war ja das einzige Gebiet, in dem beide Währungen galten. Daher war für die sog. Generalabrechnung, also die tatsächliche Berechnung des Saldos mit den anderen Postvereinsstaaten, wichtig, wie abzurechnen war.


    Im DÖPV gab es 3 Hauptwährungen, denen alle anderen unterzuordnen waren: Silbergroschen (Neugroschen gleichgestellt, da der Groschen statt auf 12 nur in Sachsen auf 10 Pfennige geteilt wurde), rheinische Kreuzer und Conventionskreuzer (später ab 1.11.1858 Neukreuzer).


    Bei einem Brief von einem Groschengebiet (Preussen) in ein Groschengebiet von TT (z. B. Kassel) war keine Umrechnung (Reduktion) nötig, da der Betrag, den Preussen forderte, in der gleichen Münze beim Empfänger eingehoben und bonifiziert wurde.


    Bei einem Brief von einem Groschengebiet (Preussen) in ein Kreuzergebiet von TT aber war das natürlich nicht der Fall. Solch einen Brief haben wir hier vorliegen. Schuld daran war die Differenz von postalischer Wertigkeit der beiden Währungen zueinander und der paritativen (also der tatsächlichen) Wertigkeit. Da 1 Groschen postalisch immer mit 3 Kreuzern rheinisch gerechnet wurde, paritativ aber 3,5 Kreuzer wert war, kam es zu Disbalancen in der Bilanz (Generalrechnung), wenn z. B. wie hier 4 Groschen = 12 Kreuzer postalisch paritativ eben 14 Kreuzer entsprachen. Ein mit 4 Groschen taxierter Portobrief wie hier hätte also paritativ mit 14 Kreuzern an Preussen vergütet (bonifiziert) werden müssen, obwohl man, liefe er in ein Kreuzergebiet von Taxis, nur mit 12 Kreuzern vom Empfänger bezahlt worden wäre.


    Taxis hätte also paritativ 2 Kreuzer an solch einem Brief verloren. Daher hat man die verlangten 4 Groschen in paritativ korrekte 3 1/2 Groschen reduziert, die tatsächlich den 12 Kreuzern entsprachen, die man vom Empfänger im Kreuzerbezirk auch physisch erhalten hatte und die man an Preussen auch nur weitergeben wollte.


    Je Quartal wurde in der Generalrechnung zwischen allen altdeutschen Postgebieten (nicht Staaten!) berechnet, wer eine sog. "Ablieferungsschuldigkeit" hatte, sprich, wer mehr Geld (Porto) von einem anderen zu bekommen hatte und wer weniger als der andere; diese Ablieferungsschuldigkeit war immer in der Münze des Postgebiets zu bezahlen, dessen Forderung höher als des anderen Postgebiets war.


    Hatte also Preussen (die Höhe der Beträge ist fiktiv gewählt) 5.000 Groschen von TT im 1. Quartal 1854 zu fordern, aber TT im selben Zeitraum nur 4.500 Groschen, dann musste TT an Preussen 500 Groschen paritativ bezahlen, also 500 mal 3,5 Kreuzer = 1.750 Kreuzer.


    Umgekehrt hätte Preussen im 2. Quartal 1854 von TT 4.500 Groschen zu fordern, aber TT diesmal 5.000 Groschen von Preussen, dann hätte Preussen 500 Groschen nach Frankfurt am Main überweisen müssen (physisch). Das wäre also ein Nullsummenspiel gewesen.


    Anders sah es aber aus, wenn Frankfurt (immer in Kreuzern saldierend) viele Groschen hätte an Preussen zahlen müssen, aber selbst nur wenig eingenommen hätte, weil die Post in den südlichen Kreuzerbezirk von TT ja nur 12 Kreuzer als Maximalporto vorsah und man wäre immer im Hintertreffen gewesen (um eben 2 Kr. wie oben geschildert).


    Auch bei Frankobriefen z. B. von TT nach Preussen hätte man maximal 9 Kreuzer Franko kassieren können (über 20 Meilen), bei einer Weiterleitung bzw. erneuten Postaufgabe von Preussen nach TT retour wären aber 4 Groschen Porto für Preussen in TT angefallen und man hätte paritativ 9 Kreuzer für die Tour erhalten, aber 14 Kreuzer für die Retour abführen müssen.


    Sorry für die Länge des Beitrages, aber DÖPV ist nicht einfach, auch wenn 99% der Sammler und 100% der Juroren genau das zu wissen glauben.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Vielen Dank fuer die genaue Ausfuehrung, lieber Ralph. Da kann man nur dazulernen. Ich werde mir diese Notizen irgendwie abspeichern, aber es scheint tatsaechlich ein kleiner Urwald zu sein.

    Lieber Ulf, die 4 haette ich nie gelesen. Aber dann macht natuerlich auch die Ausfuehrung von Ralph sehr viel Sinn, warum man selbst seinerzeit soviel auf einem Brief "herumgeschmiert" hat um das endgueltige Porto vom Empfaenger zu erhalten.

    Nur eine Frage des praktischen Ablaufes: nun sagt der Preussische Beamte "ich moechte 4 Sgr" aber der TT Beamte sagt, "gerne, aber ich gebe Dir nur 12 Kr.". Wer war denn dann verantwortlich fuer die korrekte Abrechnung? Hier Preussen oder TT? (im Sinne, der Leidtragende ist ja der der am Ende das Geld einkassiert. Sollte er weniger bekommen, kann er nicht mehr zahlen.).

    Letzte Frage: Wie kann man sich eigentlich das Bestellgeld praktisch vorstellen? Nun erreicht der Brief das Postamt; wurden Briefe normalerweise nicht ausgeliefert sondern dort abgeholt, und nur gewisse Herrschaftlichkeiten liessen sich die Briefe bis zur Haustuere bringen?

    Ein fuer andere wohl nicht interessanter Brief (Zuschlag mit gerade mal mit dem Preis einer 1/9 Bonatz-Pizza !). Dennoch ich finde ihn interessant, vor allem wegen dem Empfaenger Karl Graf von Goertz, genannt von Schlitz. Ich habe einen weiteren Portobrief mit ihm als Empfaenger, hier ist der Absender allerdings was besonderes (und nicht der Poststempel oder Laufweg): Alexander von Humboldt. Ich nehme an, unser Weltreisender und Forscher par excellance hatte Kontakt mit Graf Karl weil dieser selber von 1844 bis 1847 eine Weltreise gemacht und den Reisebericht erfolgreich in drei Baenden veroeffentlicht hatte (Carl von Görtz: Reise um die Welt in den Jahren 1844-1847. 3 Bde. Stuttgart : Cotta 1852–1854). Ein bibliographisches Unternehmen, das Alexander von Humboldt u.a. (fast) an den Rand des Bankrott gebracht hatte.


    Der Brief ist dieses Mal von vorne herein mit 12 Kr versehen, und ein Kr Bestellgeld. Laufweg Berlin-Frankfurt-Schlitz.


    LG Andreas


  • Lieber Andreas,


    Nur eine Frage des praktischen Ablaufes: nun sagt der Preussische Beamte "ich moechte 4 Sgr" aber der TT Beamte sagt, "gerne, aber ich gebe Dir nur 12 Kr.". Wer war denn dann verantwortlich fuer die korrekte Abrechnung? Hier Preussen oder TT? (im Sinne, der Leidtragende ist ja der der am Ende das Geld einkassiert. Sollte er weniger bekommen, kann er nicht mehr zahlen.).


    Die Aufgabepost hatte immer in der Währung der Abgabepost zu taxieren, also Preussen nach Bayern immer in rhein. Kreuzern, Baden nach Hannover immer in Silbergroschen (auch wenn dort noch in den 1850er Jahren die Gutengroschen kursierten). Also kassierte man bei TT 12x und rechnete diese paritätisch in 3 1/2 Sgr. zurück. Umgekehrt wollte man natürlich 4 Sgr. haben, die paritätisch ja 14 Kr. wert waren ...


    Letzte Frage: Wie kann man sich eigentlich das Bestellgeld praktisch vorstellen? Nun erreicht der Brief das Postamt; wurden Briefe normalerweise nicht ausgeliefert sondern dort abgeholt, und nur gewisse Herrschaftlichkeiten liessen sich die Briefe bis zur Haustuere bringen?


    Alle Poststücke wurden mit dem Bestellgeld versehen, deren Empfänger kein Postfach führten. Welche das waren, wußte man ganz genau - daher hat die Masse der Briefe den Bestellkreuzer oder 1/4 Sgr. oder andere Notationen, je nachdem, ob es eine Stadt-, oder Landbestellung war.


    BTW - toller Brief von von Humboldt!

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • "Die Aufgabepost hatte immer in der Währung der Abgabepost zu taxieren, also Preussen nach Bayern immer in rhein. Kreuzern, Baden nach Hannover immer in Silbergroschen (auch wenn dort noch in den 1850er Jahren die Gutengroschen kursierten). Also kassierte man bei TT 12x und rechnete diese paritätisch in 3 1/2 Sgr. zurück. Umgekehrt wollte man natürlich 4 Sgr. haben, die paritätisch ja 14 Kr. wert waren …"


    Vielen Dank Ralph, alles klar!

    Nach der Erklaerung von dem ersten Brief und Deinem Zusatz jetzt, finde ich jetzt den Humboldt'schen sogar postalisch interessant: der wurde ja bereits in Kr taxiert obwohl in Berlin aufgegeben.

    LG Andreas

  • So ist es - und ein von Humboldt - Brief ist ja immer auch ein Highlight (vor allem, wenn er noch Inhalt hat). :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Andreas,


    da bin ich ganz mit Ralph. Selbst ein leerer Umschlag muß sich erst mal finden. Die meisten dürften in mit Inhalt in Museen oder leer in Sammlungen schlummern. Schöner Fund.


    beste Grüße


    Dieter

  • Hallo Ralph, in deinem Beitrag #25 hast du das wunderbar erklärt, wie die Abrechnung Preussen/Taxis erfolgte.

    Taxis ist insofern kompliziert, da man ja auch noch im "Taxisschen Postbezirk" andere Tarife hatte, die nicht kompatibel zum DÖPV waren.

    Daher sind die Sammler von Taxis-Briefen gesegnet mit den Erläuterungen, die sie in den Sammlungen für die Belege anzufertigen haben, abgesehen vom Bestellgeld, was alleine eine Wissenschaft für sich ist.

    Und das ist gerade die Würze, die dieses Gebiet so spannend macht.

    Einen guten Rutsch wünscht

    Taxis107

    Mitglied im DASV

  • Lieber Heinrich,


    genau so ist es! Wer Taxis intensiv sammelt, hat alles richtig gemacht - ein wunderschönes Sammelgebiet, äußerst vielfältig, mit einer Riesentradition und alle Nase lang gibt es eine Neuentdeckung - so solls sein!


    Auch dir einen Guten Rutsch!

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Werte Altbrief- und Stempelexperten,

    anbei ein Brief von Langenberg/Preußen nach Biedenkopf/vermutlich Sachsen, wenn ich es richtig gelesen habe. Sollte das falsch sein, bitte ich um Verschiebung in den richtigen Bereich.

    Mit der Bitte um leicht verständliche Erläuterungen hoffe ich auf Erleuchtung.

    Liebe Grüße

    Peter

  • Hallo Peter,


    Biedenkopf liegt an der Lahn. An den Stempeln von Frankfurt und Biedenkopf kann man sofort sehen, daß sie von Thurn & Taxis sind. Dein Beleg legte über Frankfurt ca. die vierfache Strecke der Entfernung Langenberg - Biedenkopf zurück. Mit etwas Erfahrung wirst auch du das bald erkennen.

    Hast du schon Literatur zu deinem Sammelgebiet? Die wird dir bei grundlegenden Dingen wie Stempeln oder dergleichen helfen.


    beste Grüße


    Dieter

  • Die Entfernung Langenberg - Biedenkopf betrug knapp 15 Meilen. Das ergab für die zweite Entfernungsstufe ( 10 - unter 20 Meilen) eine Gebühr von 2 Silbergroschen, zuzüglich 2 Sgr. für die Rekommandation (Einschreiben) macht 4Sgr.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Peter,


    für Erleuchtung können wir hier nicht garantieren, aber dieser Brief ist deutlich leichter zu erklären wie dein voriger. :)


    Der Brief stammt von 1858, also zu einer Zeit, in der Preußen und Hessen Mitglieder im DÖPV waren. Hier wurden die Briefe, unabhängig von den einzelnen Staatsgebieten, nach Gewicht und Entfernung taxiert.

    Dein Brief lag in der 1. Gewichtsstufe bis zu 1 Loth Gewicht und in der 2. Entfernungszone von 10-20 Meilen (1.Zone: <10 Meilen, 3.Zone: >20 Meilen, es galt die Luftlinie).

    Dafür fielen 2 Silbergroschen an, wenn der Absender den Brief bezahlte. Überliess er die Kosten dem Empfänger, wurde für solche PORTO-Briefe (wenn der Absender zahlte FRANKO-Briefe) im Postverein 1 Sgr. Zuschlag fällig.

    Der Brief wurde Recommandirt (=als Einschreiben) aufgegeben, was nochmals 2 Sgr. kostete.

    Macht in Summe die notierten 4 Sgr. neben dem "frei"-Vermerk. Der blaue Strich durch die 4 kennzeichnet einen Kontrollvorgang hinsichtlich des korrekten Frankos.


    Anmerkung: In Preußen war vorgeschrieben, den Recommandirt-Stempel in rot abzuschlagen. Da ist dem Postler hier ein Fehler unterlaufen.


    Biedenkopf lag im Großherzogtum Hessen, in dem die Thurn&Taxis-Post das Postregal inne hatte (in Preußen war die Post staatlich organisiert).

    Verschiebe die Beiträge gleich.


    Gruß

    Michael