Vermittlungsbriefe über Bayern 1849-1875

  • Lieber Ralph,

    eine schöne Geschichte, wunderbar erklärt, vielleicht bezüglich der Zahlen- und Gewichtsangaben ein wenig spekulativ. Trotzdem immer wieder ein Genuss, Deine Ausführungen zu lesen.

    Liebe Grüße von maunzerle:thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Hallo zusammen,

    hier mal ein "Vermittlungsbrief" aus Ravensburg (Württemberg) der Firma: J. C. Nick - Wichse und Masken -Fabrik.

    Am 19.12.1855 wurde der Brief, eine Rechnung beinhaltend, in Augsburg Bahnhof aufgegeben und an die bekannte Adresse Streng nach Dietmannsried geschickt. Genau genommen war die Aufgabe in Augsburg ein Umweg und eine Ersparnis in Sachen Porto war es auch nicht. Ich denke es war, wie in Beitrag #2 von bayernjäger geschrieben, das übliche Geschäftsgebaren, wodurch der Brief Bestandteil einer Warenlieferung war und vom Zwischenhändler an den Empfänger gesendet wurde.

    Die Entfernung zwischen Ravensburg und Dietmannsried beträgt 51 km (ca. 7 Meilen), zwischen Augsburg und Dietmannsried 77 km (ca. 10 Meilen). Der Postvereinsbrief bis 10 Meilen kostete 3 x und Briefe innerhalb Bayerns bis 12 Meilen kosteten ebenfalls 3 x (deswegen keine Portoersparnis).

    Dazu kam der Umweg (Ravensburg-Augsburg) von 116 km, welcher jedoch keine Rolle bezüglich des Portos spielt, da dieser Transport nicht durch die Post erfolgte.

    Viele Grüße,

    Christoph

  • Hallo Christoph,

    ein feines Stück - würde bei mir auch passen ... ;)

    Nach meiner bisherigen Erfahrung war es oft so, dass in Paketen viele Rechnungen für Kunden außerhalb Württembergs waren (um dieses Beispiel zu nennen) und daher etliche Briefe 3 oder gar 6 Kreuzer Porto sparten, wenn man sie in Bayern/Augsburg aufgabe. Dass welche keine Portoersparnis wie hier brachten, ist klar, aber wenn das Paket mal auf die Reise geht, sind die wenigen Briefe, die keine Erspranis bringen, in der Unterzahl.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... und wenn nicht, dann schaue ich mal nach, ob ich einen mit Augsburg - Bezug habe, so 50 - 60 lagern schon hier, da müsste zur Not etwas zu finden sein ... :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    wie sparte sich ein Gießener Unternehmen Geld, wenn der Kunde in Bayern residierte? Richtig - man schmuggelte seine Briefe näher an den Zielort und sparte sich so viel Geld, wie hier bei einem Brief vom 10.10.1858 der Firma Joh. Barth. Noll an Firma Simon Schneider in Erding.

    In dem Brief meldet er die Versendung von Cigarren "franco München" und diesem Paket legte er wohl auch den Brief ein, ob mit, oder ohne Marke wissen wir nicht. Jedenfalls wurde in München der Brief erst am 14.10.1858 der dortigen Post als Inlandsbrief bis 12 Meilen übergeben und am Folgetag konnte er in Erding zugestellt werden.

    Von Gießen (Thurn und Taxis Bezirk) aus hätte er 9 Kreuzer gekostet, so nur deren 3 - eine satte Ersparnis von 6 Kreuzern und der erste und letzte Briefe aus dieser tabaquieren Verbindung dürfte das auch nicht gewesen sein.

  • Liebe Freunde,

    am 5.8.1862 sparte man sich in Wien Geld, indem man einen einfachen Brief zwar mit seinem Firmenstempel versah, aber heimlich, still und leise ins bayerische Lindau im Bodensee verbrachte, wo man ein Abkommen mit dem Spediteur Martin Spengelin hatte, der dergleichen Briefe mit 3 Kreuzern frankierte und nach dem österreichischen Feldkirch aufgab.

    Bei korrekter Aufgabeweise in Wien (Postgesetz, Postzwang) hätte der Wiener 15 Neukreuzer zahlen müssen, die paritätisch 11 Kreuzern rheinisch entsprachen - so nur 3 Kreuzer rh., also eine satte Ersparnis von 8 Kreuzern rheinisch, eingem guten Mittagessen damals.

    Die Firma Spengelin druckte hinten sogar ihren eigenen Firmenstempel ab, für den Fall, dass die Empfängerfirma die Annahme verweigern würde. Sicher ist sicher !

  • Lieber Franz,

    die Geschichte der Post im 18. und 19. Jahrhundert ist die Geschichte der Umgehung von Kosten, oder wie man heute sagt: Von nichts, kommt nichts.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,

    die Reihe der beteiligten ist noch länger: Die Firma Schubert in Wien teilt den Versand von Waren durch eine Firma in Brünn mit. Das ist ein wirklich interessanter Brief, der auch mir Freude machen würde.

    liebe Grüße

    Dieter

  • Liebe Freunde,

    vielen, lieben Dank für eure wohlwollenden Kommentare - bin auch immer hingerissen von diesen Briefen. Leider kenne ich keinen bayer. Brief, der in Österreich aufgegeben nach Bayern retour laufen würde. Wer einen haben sollte, darf den gerne anbieten (mit Marke präferiert).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    ein Brief wurde am 25.6.1851 im schönen Chemnitz, damals noch Karl-Marx-Stadt ( ^^^^ ) von der Firma Alex(ander) Wiedemann geschrieben und an die Firma Hoffmann, Burckel und Co. in Wüstenselbitz bei Münchberg geschickt. Das waren Luftlinie 107 km, also über 10 bis 20 Meilen und diese Aktion hätte ein Franko von 2 Neugroschen (paritätisch 7 Kreuzern) gekostet. Aber das war dem sparsamen Sachsen natürlich zu viel Geld, das konnte er günstiger lösen.

    Also sandte er ihn "undercover" ins bayerische Hof, wo er am 28.6.1851 ankam und ließ ihn dort von einer befreundeten Firma (Jourdans Erben?) für nur 3 Kr. als einfachen Inlandsbrief bis 12 Meilen in Hof aufgeben. Noch am selben Tag erreichte er Münchberg und wohl auch das nahe Wüstenselbitz. Was tat man nicht alles, für 4 Kr. Ersparnis ... aber es werden u. U. noch mehr Briefe nach Bayern so eingelangt sein, so dass es nicht bei 4 Kr. bleiben musste.

  • ... ja, das gabs schon im 18. Jahrhundert, oder wie man heute sagt: Alles schon mal dagewesen. :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo und guten Abend,

    nachdem ab 01.01.1868 im Gebiet des ehemaligen Postvereins die Brieftaxen harmonisiert wurden lohnte sich der Versand von Vermittlungsbriefen eigentlich nur noch bei Kuvertierungen von Briefen, die dann als Ortsbriefe am Zielort expediert wurden sowie bei Briefen, die aus dem Postvereinsausland nach Vermittlung in den Postverein dort versandt wurden.

    Hier ein Beispiel aus Frankreich:

    Herr J.F. Stanglen aus Paris ließ im September 1871 in Nürnberg ein Kuvert von einem Agenten J.Wiss als einfachen Brief per Post an die Gebrüder Heubach im thüringischen Lichte bei Coburg versenden.

    Freundlicherweise spielte der bearbeitende Postbeamte mit und erfreut den heutigen Sammler mit sauberen Stempelabschlägen und einer sehr spät verwendeten, großzügig geschnittenen Wappenmarke.

    Zur Vervollstädigung der Dokumentation wurde Rückseitig der Stempel des Agenten

    sowie der Stempel der Postexpedition Wallendorf abgeschlagen.

    Der Brief muss einen geschäftlichen Hintergrund gehabt haben; waren doch die Empfänger seit 1840 Betreiber einer Porzellanfabrik.

    Viele Grüße,

    Wilfried/SYS1849

  • Lieber Wilfried,

    das ist ein Traum, zumal ein solches Vorgehen in Frankreich als Straftat gewertet wurde, daher kamen solche Briefe sicher nicht sehr oft vor. Glückwunsch ! :):)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    Vermittlungsbriefe aus Braunschweig kenne ich bisher nur von einer einzigen Firma, nämlich dieser hier: E. B. Denike & Co aus Braunschweig. Hier belegt (leider ohne Inhalt) auf einem "Ortsbrief" aus Würzburg vom 2.11.1864 mit der 1 Kreuzer gelb Nr. 8, wodurch sich eine Ersparnis von paritätisch 9,5 Kreuzern rheinisch nachweisen lässt (üblich von Braunschweig waren damals 3 Silbergrosch = 10,5 Kr., postalisch waren es nur 9 Kr., aber auch das ist viel gespartes Geld).

    Derzeit sind mir nur eine Handvoll dieser Briefe bekannt und ich bin sehr froh, diesen zeigen zu können (üblich waren wohl 3 Kr. Briefe aus München, die mir vorlagen, aber auch die sind äußerst selten) und die über die Firma Pichler seel. Erben in München abgewickelt wurden.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.