Behändigungsscheine und Postzustellungsurkunden

  • Liebe Sammlerfreunde,


    vor ca. 20 Jahren habe ich begonnen mich mit den Briefen mit Postzustellungsurkunde zu beschäftigen. Der Anlass war ein ganz simpler: Niemand in meiner ArGe konnte mir Auskunft über eine einfache Portostufe geben. "Da müßte man mal etwas machen..." war die einzige Auskunft, die ich neben Kopfschütteln und Achselzucken bekam. Also setzte ich mich hin und las mich in das Thema ein. Es gab kaum aktuelle Veröffentlichungen, aber die Dienstanweisungen und ein Artikel im Archiv für Post und Telegraphie waren ein guter Einstieg. So kam es dazu, dass ich mir ein neues Sammelgebiet erst einmal von der Literaturseite her erarbeitete und erst danach mit dem eigentlichen Sammeln begann. Ich habe es nicht bereut und mache es seither immer so.
    Vor 15 Jahren habe ich dann meine Erkenntnisse im Rundbrief (Nr. 114) der ArGe-Württemberg veröffentlicht. Leider ohne Abbildungen, da die Belege aus der Kreuzerzeit äußerst rar sind. Dies holte jedoch ein Sammlerfreund im Jahre 2009 im RB 166 nach und zeigte ein paar schöne Belege dazu.
    Ich habe meine Sammlung nicht nur auf Belege aus Württemberg beschränkt, sondern immer mein Augenmerk auf die gesamte Sendungsform innerhalb des Deutschen Reiches und darüber hinaus gelegt. So ist eine Sammlung von ca. 1850 bis zum Jahr 2000 entstanden, die auch mal nichtpostalische Formulare enthält.
    Es gibt hier im Forum schon ein paar Beiträge zu diesem Thema, aber diesen zerfasern immer schnell in der Diskussion und ich tue mich schwer den Überblick zu behalten. Außerdem hoffe ich auf kompetente Schützenhilfe von anderen Spezialisten wie jdj180 oder Erdinger, die sicherlich auch so manche tollen Belege beitragen können. Aber auch alle anderen Mitglieder sind herzlich dazu eingeladen ihre Belege hier zu zeigen.


    Ich fange mal mit einem Beleg aus Baden an, denn Belege aus den süddeutschen Staaten sind vor 1879 nicht leicht zu finden.
    Es handelt sich um einen Behändigungsschein für einen Brief aus Salem nach Heiligenberg vom 28. Juni 1873, der am folgenden Tag wieder Salem erreichte. Taxiert ist er mit 7 Kreuzern.


    Gruß


    wuerttemberger

  • Hallo württemberger


    dann zeige ich eine Postzustellungsurkunde vom 12.10.1869 von Magdeburg nach Charlottenburg. Frankiert ist diese mit 4 Groschen. In der Postverordung habe ich gefunden, dass die Insinuationsgebühr 3 Groschen betrug. Der restliche Groschen wird die Beförderungsgebühr sein.


    Leider ist der Inhalt nicht ganz komplett erhalten geblieben....


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Hallo wuerttemberger,


    danke für den "Experten" - ich habe erst vor kurzem angefangen, mich mit dem Thema intensiver zu befassen, aber mehr mit der "irregulären" Insinuation in Bayern. Sobald ich etwas mehr Zeit habe, hoffe ich hier etwas dazu sagen zu können. Belege sind auch in Bayern dünn gesät, selbst ab 1862, als zumindest für die Bezirksämter (also die Verwaltung) die Postinsinuation geregelt wurde. Bei der Justiz blieb es auch danach kompliziert, und von der Zustellung von Notariatsunterlagen will ich noch gar nicht reden. Erst ab 1.1.1872 gab es in Bayern einen Behändigungsschein, der diesen Namen trug. Da gibt es noch viel zu tun ... (eine bekannte Redewendung, ich weiß).


    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo zusammen,


    ein paar Belege kann ich dazu auch beisteuern. Viele habe ich nicht in meiner Kartei.


    Grüße von


    weite welle


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    hektographiertes Formular aus Oberdachstetten v. 19.6.1876, Insinuationsgebühr und Gebühr
    für die Rücksendung des Scheines frankiert
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    weite Welle

  • Liebe Freunde,


    ein ausgefallenes Thema mit tollen Belegen (vor allem denen mit "Background" von weite Welle). Klasse!


    Ich zeige morgen mal einen aus der Kreuzerzeit - dort sind sie auch nicht so häufig.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    ich möchte kurz die Historie des Postbehändigungsscheins in Bayern voraus schicken, ehe ich meinen zeige.


    Benötigte ein Absender über die erfolgte postalische Zustellung einen gerichtsverwertbaren Nachweis, so war gem. der VO Nr. 16983 vom 24.12.1871, gültig ab dem 1.1.1872 (Reichspost!), dem Brief der kaufbare Vordruck (4 Stück kosteten 1 Kr.) eines Postbehändigungsscheines (PBS) anzuhängen und dieses in der linken unteren Ecke des Briefes zu notieren.


    Hierfür fielen folgende Gebühren an:


    Das jeweilige Briefporto oder Franko, die Kosten für den PBS selbst in Höhe von 7 Kr. und 3 Kr. für die Rücksendung des PBS selbst. Eine Modifikation erfuhr diese Vorgehensweise am 10.4.1873 in soweit, als die Gebühr für den PBS in reinen Staatsdienstsachen auf 4 Kr. und ab dem 1.1.1875 sogar auf nur noch 3 Kr. abgesenkt wurde.


    Wichtig: Alle Gebühren, egal welcher Art, mussten stets von einem getragen werden, also entweder dem Absender, oder dem Empfänger! Eine Gebührenteilung war nicht statthaft.


    Der insinuierende Beschäftigte erhielt die Scheingebühr, den Rest die Postverwaltung.


    Nur bei am Ort bzw. im Lokalbezirk einer Postexpedition zuzustellenden PBS war die Rücksendung kostenlos. Briefe mit PBS durften nie in die Briefkästen eingelegt, sondern mussten immer am Postschalter aufgegeben werden. Sie konnten ach per Expreß oder eingeschrieben versandt werden - dergleichen habe ich in 35 Jahren aber noch nie gesehen, wie ich auch sagen muss, dass ich ca. 10 frankierte PBS und einen unfrankierten PBS kenne; letzteren kann ich hier zeigen.


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    Ein PBS aus Passau vom 4.7.1873 nach Saderreut bei Leoprechting. Absender war der kgl. Notar Marin in Passau. Es ging um eine Erbschaftssache für Magdalena Josepha Grünberger. Der Landpostbote Ludwig Dorfmann ließ besagte Damen den Vordruck innen unterschreiben. An Kosten fielen an:


    3 Kr. Postporto und 7 Kr. für den PBS = 10 Kr., die der Notar in Passau für ihn berappen durfte. Das Porto betrug nur 3 Kr., weil es eine Parteisache war, die auch unfrankiert nur mit der günstigen Frankotaxe zu belegen war, auch wenn das nicht auf dem PBS notiert wurde.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Das Thema hat nun schon einge Zeit geruht, so will ich ein paar Behändigungsschiene der Reichspost vorstellen.
    Ein besonderes Augenmerk verdienen manchmal die sogenannten Krone-Posthorn-Stempel (Innendienststempel), der zur Unterschrift des Briefträgers zu setzen waren.
    Hier ein Behändigungsschein, der 1878 von Magdeburg nach Bernburg zurück ging. Das Behändigungsformular in Querformat ist mir noch nicht so oft begegnet.


    Besonders ist hier der Krone-Posthorn-Stempel der Briefträger-Abfertigungs-Expedition Magdeburg.

  • Ein weiterer Behändigunsschein an das kaiserliche Postamt Schönebeck und zurück an das Königliche Kreisgericht zu Calbe an der Saale aus dem Jahr 1872. Die Erhalt der Verfügung des Kreisgerichts wurde vom Oekonomen Friedrich Becker bestätigt und die Zustellung (Insinuation) durch den Briefträger.



    Auch hier gibt es ein sehenswerten Dienstsiegel des Postamts Schönebeck.

  • Liebe Sammlerfreunde,


    hierzu folgender Beleg "Mit Behändigungsschein" , frankiert mit 20 Pfg. aus Viechtach vom 23. Juni 1881 nach Deggendorf. Ankunftsstempel Aushilfsstempel.



    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Hermann,


    der Brief hat alles, was es haben kann, allein schon der Ankunftsstempel dürfte sehr selten sein. Dazu sogar als Vordruck - habe ich so noch nicht gesehen. Herrlich ! :love::love:

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    das Thema Postzustellurkunde bleibt auch dann schwierig, wenn man sich durch Jürgen Vogels Buch »Die Postzustellurkunde 1879–1920« gearbeitet hat. Wenn man am Ende des Quellenanhangs angekommen ist, beginnt man unweigerlich mit dem Lesen wieder von vorne …


    So oder so hat mich dieser Beleg gefreut, bei dem etwas nicht ganz regelkonform verlaufen ist – zumindest verstehe ich das so.


    Der Absender (in diesem Fall ein Notar aus Freiburg) hatte die Wahl: sein Schreiben mit PZU komplett franko an den Adressaten zu senden (d.h. Briefgebühr der Hinsendung zu frankieren und Zustellgebühr plus Rücksendung bei Ankunft des vollzogenen Dokuments nachträglich zu begleichen) oder alles komplett porto (d.h. Empfänger trägt alle Gebühren) zu versenden.


    Die Postzustellurkunde wurde am 30. Oktober 1885 in Kaiserslautern vollzogen und mit 30 Pfennigen belastet nach Freiburg zurückgeschickt, wo sie am 31.10. eintraf. Auf ihr war handschriftlich vom Absender »frei« vermerkt, d.h. in Kaiserslautern ging man davon aus, dass der Absender alle Gebühren trug.


    Anscheinend war dies jedoch nicht der Fall. Am 2.11.1885 nämlich wurden in Kaiserslautern 30 Pfennig durch Marken nacherhoben und abgestempelt. Der Briefträger Hilbiler vermerkte: »Wird unfrankiert nicht angenommen«. Das müsste in Freiburg auf den Brief gekommen sein, leider ohne Datum.


    War es anders? Wo liegt mein Denkfehler?

  • Lieber Dietmar,


    30.10. von Kaiserslautern unfrankiert mit 30 Pfg. Porto belastet nach Freiburg.

    Am Folgetag dort angekommen und die Annahme = Zahlung von 30 Pfg. verweigert.

    Dann retourniert und am 2.11. in Kaiserslautern mit 30 Pfg. frankiert.


    Da hat die Pfalz halt locker 60 Pfg. für das gute Stück bezahlt.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber Ralph,


    unser heutiges Hauptproblem liegt wohl darin, dass die Tour-Briefe von den PZUs getrennt wurden und wir keine Möglichkeit mehr haben, das Problem aufzulösen, weil uns der entscheidende Indikator fehlt. Wenn der Tour-Brief frankiert war, war Kaiserslautern im Recht, wenn er es nicht war, dann hätte man in Freiburg nicht »frei« drauf schreiben dürfen.


    Macht die Knobelei aber auch ganz schön ...

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • ... vlt. findest sich der Tour-Brief noch? Kleiner Spaß, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. 8)

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Es ging auch anders – hier wurde anscheinend gleich alles im Voraus frankiert, wie die Expedition in Freyung notierte:


    »10 Pfg. Franco für Toursendungs u. 20 Pfg. Zustellgebühr wurden dem Schreiben in Francomarken aufgeklebt«.


    In Röhrnbach musste dann die PZU nur noch abgestempelt werden.


    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!