Fussacher Boten

  • Hallo Sammlerfreunde,


    diese Botenpost beschäftigt mich gerade, auch als Lindauer Boten oder Mailänder Boten bezeichnet. Da die Briefe dazu in verschiedenen Themen sind, starte ich mal ein neuen Thread.


    Gegründet im Mittelalter durch Lindauer Kaufleute war diese Botenpost lange die einzige Postverbindung zwischen Lindau und Mailand über Fussach, Feldkirch, Chur, den Splügen nach Mailand.


    Erst 1771 wurde in Bregenz ein vorderösterreichisches Postamt eingerichtet, mit eigenen Postkursen auf dieser Strecke, was dann 1825/26 zur Einstellung der Fussacher Boten führte.


    Hier ein erster Brief dazu aus 1795:






    Vorne notiert "fco Fußach", von St.Gallen nach Fußach wahrscheinlich mit einer privaten Botenpost von St.Gallen, durch die Stadt St.Gallen oder deren Kaufleute.


    Es gab auch die Lyoner Ordinari, also eine regelmäßige Botenpost aus Lyon nach St.Gallen und weiter, aber aus der Literatur die mir vorliegt, müsste die eher nach Feldkirch gelaufen sein.


    Kann jemand sagen was dieses "franko Fußach" für den Absender gekostet hat, oder gibt es dazu Literatur.


    Dann ging es weiter mit dem Fussacher Boten über Feldkirch nach Chur an das Bank-und Handelshaus Maßner, auch hier meine Frage, was dies kostete, wieviel zahlte der Empfänger in Chur.


    LG

    Christian

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  • Hallo,


    ich habe zwar einiges an Literatur über den Lindauer Boten, über Tarife steht da jedoch so gut wie nichts. Lediglich zum Vertrag Bregenz mit dem Lindauer Boten von 1773 gibt es eine Tax-Ordnung (siehe Anlage), die dir bei deinem Brief jedoch nicht weiterhilft.

    Das Problem ist zudem, dass nicht immer Taxen angeschrieben wurden. Hier 2 Briefe mit Taxen.

    Der erste Brief aus Bregenz von 1761 wurde von einem Boten nach Lindau gebracht, da es in Bregenz zu dieser Zeit noch kein Postamt gab. In Lindau übernahm der Lindauer Bote und beförderte ihn für 4 Kr. nach Chur.

    Der zweite Brief aus Augsburg von 1790 kam per Post nach Lindau. Hierfür bezahlte der Absender 8 Kr. In Lindau wurde der Brief wieder dem Lindauer Bote übergeben. Hier verlangte der 6 Kr. bis Chur.


    Grüße von liball

  • Hallo liball,


    danke für das Zeigen der Tax-Ordnung, d.h. für einfache Briefe bis 1 Lot aus Mailand 4x bis Feldkirch, was bedeutet dann doppelt in Spalte 2 im Zusammenhang mit Spalte 3 (über 1 Lot schwer)?


    hier noch ein Brief aus 1796 mit der Reichspost nach Lindau für 6x. Weiter nach Chur wahrscheinlich mit dem Lindauer Boten.





    LG

    Christian

  • Hallo Christian,


    mit der Progression komme ich auch nicht klar.

    Ich habe jedoch noch eine Tariftabelle von 1820 gefunden bei der die Progression eindeutig ist.

    Zudem noch ein Brief aus Chur in das von Bayern besetzte Wangen. Hier wurde in Chur der seltene Stempel der Fussacher Messagerie F.CHUR abgeschlagen, wobei das F als Abkürzung für Fussacherroute gesetzt wurde. Der Fussacherbote beförderte den Portobrief bis nach Feldkirch, wo er der bayerischen Post übergeben werden musste. Hierfür erhielt er 4 Kr.

    Ab Feldkirch bis Wangen lief er ausschließlich über bayerisches Staatsgebiet. Trotzdem weist er 2 Taxen auf, weil sich im Bodenseeraum bis zum 30.6.1808 zwei unterschiedliche Postorganisationen das Gebiet aufteilten.

    Die ehemaligen Vorderösterreichischen Posten im bayerischen Staatsgebiet unterstanden der Königlich Baierischen Post in Schwaben. Diese setzte für die Strecke bis Lindau weitere 3 Kr. an (= 7 Kr.). Das übrige Bayern mit Ausnahme von Tirol unterstand der Königlich Baierischen Lehenspostanstalt in Taxisscher Pacht. Diese beanspruchte für die Strecke von Lindau in das besetzte Wangen 2 Kr. = Gesamtporto 9 Kr.


    Grüße Karl

  • Hallo Karl,


    ein wunderschöner und sehr seltener Brief. Ich sehe über der vier eine eins und diese 1 Kreuzer waren für Christian Dalp. dazu kamen dann jeweils 2 Kreuzer, so daß es 1 + 4 + 2 + 2, 9 Kreuzer Porto wurden.


    Beste Grüße,

    Hermann

  • Hallo Hermann,


    vielen Dank für deinen Einwand.

    Ich glaube jedoch, dass dies keine 1 ist, sondern dass dieser Strich zu der "4" gehört und diese "4" in Feldkirch gestrichen wurde. Dieser Strich für die "1" passt genau zu der "4".

    Wenn dieser Kreuzer für Dalp gewesen sein sollte, dann hätte er den Brief nicht dem Fussacher (Lindauer) Boten übergeben, sondern hätte ihn selbst nach Feldkirch befördert (Feldkircherbote). Nur dann wäre der F.CHUR nicht auf den Brief gekommen.

    Dalp und der Stempel F.CHUR schließen sich meiner Meinung nach gegenseitig aus.


    Grüße Karl

    Einmal editiert, zuletzt von liball ()

  • Hallo Karl,


    vielen Dank für die Tariftabelle...sehr interessant.


    Wenn ich mir die Strecke Reichenau-Isola ansehe die für 5x angesetzt ist, kann ich mir vorstellen, dass die Strecke Chur-Feldkirch 4x und Feldkirch-Lindau 3x gekostet hat, wie bei deinem Brief nach Wangen angeschrieben wurde.


    Das ist aber eine grosse Differenz zur Tax-Ordnung von Bregenz, bei der Mailand-Feldkirch für 4x notiert ist für den einfachen Brief.


    Die Bregenzer Tabelle ist von 1773, die Tariftabelle von 1820, können die Tarife so gestiegen sein?


    LG

    Christian

  • hierzu noch ein Brief aus Leuven/Löwen im heutigen Belgien, damals Königreich der vereinigten Niederlande von 1819.


    Auch hier kommen die "3" und "4" auf dem Brief vorne vor, zusammen 7 in rot. Könnte sich um die Taxen von Lindau-Feldkirch und Feldkirch-Chur handeln. Ich denke auch mit dem Lindauer Boten befördert, nicht mit der österreichischen Landespost.




    Meine Taxinterpretationen (Korrekturen gerne gewünscht):


    4 Decimes? (Leuven bis 1815 französisch, dann Niederlande, wie war dort die Währung 1819?) bis zur Grenze Niederlande-Preußen/ franco Henri Chapelle. Dort wurde der Stempel Franco Grenzen abgeschlagen, ab 1817 dort belegt.

    Weiter nach Preußen...Aachen, Köln, Koblenz und dann Taxis, Frankfurt, Mergentheim, bevor es nach Bayern ging. Über Augsburg nach Lindau.

    Die Taxen unter dem Leuven-Stempel würde ich mit 11/30/7 sehen also insg. 48x für den Empfänger in Chur.

    11x Preußen, 30x für Transit Taxis und Bayern und die 7x wg. 3x Lindau-Feldkirch und 4x Feldkirch-Chur.


    LG

    Christian

    Einmal editiert, zuletzt von Leitwege ()

  • Lieber Christian,


    ich glaube, da wird der liebe Karl anderer Tax-Meinung sein - vor allem fehlen die Bluzger in deiner Beschreibung.


    4 Decimes bis zur preuss. Grenze "Franco Grenzen). 7 1/2 Gutegroschen für Preussen = 30x. Plus 4x = 34x, plus 14x = 48x.

    Dann die Umrechnung oben in roter Tinte f1 30 Bluzger.


    Aber der Karl weiß das, ich rate es nur mit Mieze auf Wampe. :P :P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Christian,


    auf Wikipedia habe ich die Information gefunden, daß der niederländische Gulden bis 1815 in 20 Stuiver (Stüber) unterteilt war. Das änderte sich 1816 mit der Einteilung in 100 Cent. Meine Belege fangen leider erst in den späten 1830er Jahren an und weisen alle eine Taxe in Cent auf.

    Für die ca. 93 km bis zum Grenzpunkt Henri-Chapelle (Welkenraedt) könnten 4 Déc passen. Auch in anderen Gegenden wurden zu der Zeit gerne noch Déc. angeschrieben, obwohl eigentlich bereits eine andere Währung galt.


    viele Grüße

    Dieter

    Einmal editiert, zuletzt von Klesammler ()

  • Lieber Ralph,


    vor allem fehlen die Bluzger in deiner Beschreibung


    :S das Verschnörkelte sind Bluzger, dann war meine Beschreibung wohl ziemlich daneben. Mal schauen was Karl dazu sagt.


    Hallo Dieter,


    Für die ca. 93 km bis zum Grenzpunkt Henri-Chapelle (Welkenraedt) könnten 4 Déc passen.


    ja könnte hinkommen. Meine auch schon andere Briefe aus jener Zeit aus Belgien mit Dec. gesehen zu haben.


    LG

    Christian

  • Hallo Karl,


    vielen Dank.

    Hierzu folgender Brief aus Fußach (Vorarlberg - Österreich) vom 17. Oktober 1796. Absender Gebrüder Schneider, einer der katholischen Fußacher Familien, die als Boten für das katholische Mailand als Fußacher Boten betraut wurden. Es war daher selbstverständlich, daß der Brief mit den Fußacher Boten nach Chur (Graubünden) bestellt wurde. Der Empfänger in Chur bezahlte 3 1/2 Kreuzer Porto.


    Beste Grüße,

    Hermann

  • Hallo Christian,


    meiner Einschätzung nach hat dieser Brief weder mit Bayern noch mit dem Lindauer Boten etwas zu tun, ansonsten hätte er andere Taxierungen.

    Sicher ist, dass der Absender 4 Stuiver bis zur preußischen Grenze bezahlt hat.

    Nun wird es kompliziert. Ich habe mehrere Briefe aus den Niederlanden in die Schweiz in meinem Archiv, die alle mit 7 1/2 gGr. belastet wurden und in der Schweiz in 34 Kr. reduziert wurden. Ich gehe daher davon aus, dass Preußen den Brief an Taxis übergab. Nachdem sich nur eine "deutsche Taxe" auf dem Brief befindet, muss der Brief im geschlossenen Transit vermutlich nach Schaffhausen gelaufen sein. Leider fehlt mit der Postvertrag Preußen-Taxis von 1817.

    Ab Schaffhausen dürfte der Brief auf der Zürcher-Route nach Chur gelaufen sein. Bis dorthin summierte sich das Porto auf 48 Kr. Umgerechnet waren dies 1 fl. 2 Blzg. + 1 Blzg. Bürogebühr in Chur = 1 fl. 3 Blzg.

    Steht nun auf dem Brief wie Ralph geschrieben hat 1 fl. 30 Blzg. oder nur 1 fl. 3 Blzg. Die 0 sieht deutlich heller aus, als die anderen Ziffern und Buchstaben. Mehr kann ich zu diesem Brief leider nicht beitragen.


    Grüße Karl

  • Hallo Karl,


    ich lese 1 f 30 Bluzger. Über die Zusammensetzung dieses Betrages kann ich leider auch nicht mehr sagen.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Hermann,

    Der Empfänger in Chur bezahlte 3 1/2 Kreuzer Porto

    bedeutet der Strich hinter der "3" 1/2 ? So bewußt noch nie gesehen.



    das wären dann die 2 + 1,5x für über 1 Lot schweren Brief aus der Taxordnung von 1773. Aber diese 2. und 3.Spalte verstehe ich nicht.


    LG

    Christian

  • Hallo Karl,


    Steht nun auf dem Brief wie Ralph geschrieben hat 1 fl. 30 Blzg. oder nur 1 fl. 3 Blzg. Die 0 sieht deutlich heller aus, als die anderen Ziffern und Buchstaben


    die 0 ist leicht heller, aber auch die 1 fl. ist dunkler als die 3...die Farbe verliert mit jeder Zahl an Farbe, ich denke das ist von der gleichen Hand geschrieben.


    Die rote 7 ist also eine 7 1/2 gGr., ziemlich kompliziert die Sache, also von Frankfurt über Baden nach Schaffhausen (Taxis) und dann mit der schweizer Post nach Chur?


    Danke nochmal für deine fachkundigen Ausführungen. :thumbup: :thumbup: :thumbup:


    LG

    Christian

  • beim Stöbern im Internet habe ich noch einen Tarif der Lindauer Boten von 1806 gefunden:



    wenn ich es richtig interpretiere...wurde auf der Route Lindau-Mailand ein einfacher Brief in Graubünden dem Lindauer Boten mitgegeben, kostete es 6 Bluzger, das müssten 4x gewesen sein. Einfacher Brief war 2 Quartblatt. Schönes Wort ^^


    LG

    Christian

  • Lieber Christian,


    postalisch war 1x rheinisch = 1,5 Bluzger.


    Paritätisch war 1 Batzen = 5 Bluzger = 4x rheinisch.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.