Zwangsarbeiter Ukraine-Frankreich

  • Hallo zusammen,

    Ich hätte gerne eine Erklärung zu dieser Karte.

    Es handelt sich um eine Karte, die aus Dymer in der Ukraine verschickt wurde und für einen Zwangsarbeiter bestimmt war, der in einer Kohlenzeche in Bruay sur l'Escaut (Nordfrankreich) angestellt war.

    Die Karte ist mit 6 Pf. unzureichend frankiert. Eine Karte nach Frankreich kostete 15 Pf. Die französische Post wandte daher ein Straforto von 2,90 Fr an, das sich wie folgt berechnet:

    - doppeltes Unterporto: 18 Pf oder 0.18 M

    - Verhältnis zwischen dem Preis für einen französischen Brief und dem Preis für einen deutschen Brief: 4 Fr/0.25 M= 16

    - Strafporto: 0.18 x 16 = 2.88 aufgerundet zu 2.90 Fr.

    Ich kann mir nicht erklären, warum die Karte über München lief. Gibt es dafür eine Antwort?

    Kann mir jemand bestätigen, dass das Porto von 6 Pf dem Sondertarif für Ostarbeiter entspricht?

    Und schließlich: Ist es möglich herauszufinden, wo die Karte geprüft wurde, da die Portomarken den Zensurstempel überdecken?


    Viele Grüsse.

    Emmanuel

  • Hallo Emmanuel,

    ein hochinteressantes Stück.

    Das war meines Erachtens kein Sondertarif für Ostarbeiter. In der besetzten Ukraine galt der deutsche Inlandstarif, und möglicherweise glaubte der/die Absender:in irrtümlich, 6 Pfennige reichten für eine Postkarte aus.

    Zensiert wurde die Karte in Berlin (mit Tilde ~ rechts neben dem Reichsadler und kleinem »b« am Stempelkreis, das ist wohl Prüfstempel BP 4.1 nach Horst Landsmann, soweit erkennbar), wo alle Post aus der Ukraine geprüft wurde. Leider hat ein Vorbesitzer offenbar nicht nur den Preis, sondern auch andere Bleistiftvermerke wegradiert, die auf die Bearbeitung durch einzelne Prüfer verweisen.

    Warum die Karte zusätzlich einen Poststempel in München bekam, kann ich auch nicht sagen. Gegen Postschmuggel dorthin spricht der Stempel »Dymer über Kiew 1«.

    Zu Iwan Opanasenko gibt es in Arolsen zwei Akten, hier die aufschlussreichere:

    Opanasenko wurde Anfang Juli 1943 in Glogau verhaftet, kam dann ins KZ Bergen-Belsen und von dort ins KZ Mittelbau.

    Ein weiterer Vorgang wurde für Mittelbau angelegt, aber darin gibt es keine Eintragungen mehr, was für das Schicksal dieses Menschen Schlimmes befürchten lässt.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo Dietmar,

    Danke für deine Antwort.

    Die Seite, auf die du verweist, ist sehr interessant.

    Ich glaube jedoch, dass es sich nicht um denselben Iwan handelt, da er in Glogau verhaftet wurde, während der Iwan von der Karte zu diesem Zeitpunkt bereits in Frankreich war.

    Opanasenko oder Apanasenko ist ein ziemlich häufiger Familienname.

    Was den Durchgang in München betrifft, nehme ich an, dass die Arbeiter aus den Ostgebieten von einer deutschen Organisation angeworben wurden und dass diese Organisation als Vermittler zwischen dem Arbeiter, seinem Arbeitgeber und seiner Familie diente, oder?

    Ich muss sagen, dass mir dieses Thema völlig unbekannt ist.


    Viele Grüsse.

    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,

    es gibt ein ziemlich gutes Buch von Rainer Lütgens zum Thema, das aber auch nicht alle Aspekte abdecken kann.

    Das Problem des Archivs in Arolsen ist, dass dort nur einsortiert ist, was 1945 noch vorhanden war. Die Informationen sind oft lückenhaft. In regionalen Archiven finden sich oft noch wesentlich genauere Angaben zu Einsatzorten etc., die den Angaben in den Stammkarten in Arolsen manchmal sogar widersprechen.

    Eine Vermittlungsstelle in München oder anderswo ist mir eigentlich nicht bekannt.

    Viele Grüße aus Erding!

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