Bayern und der 1.Weltkrieg

  • Hallo zusammen,

    aus dem Text der nachstehend abgebildeten Postkarte geht ein interessanter Nebenaspekt des Krieges hervor:

    Ein Kriegsanleihenversicherungs-Antrag.

    In Deutschland wurden zwischen 1914 und 1918 insgesamt neun Kriegsanleihen ausgegeben, die rd. 98 Mrd Mark einbrachten und letztendlich 60 % (!) der deutschen Kriegskosten deckten.

    Ein Anteil von drei Milliarden Mark entfiel dabei auf die deutsche Versicherungswirtschaft. Wie das mit einer Kriegsanleihenversicherung genau von statten ging sei an dieser Stelle der Einfacheit halber verlinkt:


    https://books.google.de/books?id=7IyN-…cherung&f=false

    https://books.google.de/books?id=Bd6yB…cherung&f=false

    Erdinger: Antwort auf die Überseefrage erfolgt morgen...mit einem weiteren Beleg der endlich da ist :thumbup:

    + Gruß !

    vom Pälzer

    verwendete Quellen:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegsanleihe
    https://www.google.com/culturalinstit…position=20%2C0

  • Hallo Erdinger,

    zunächst möchte ich mich für die verzögerte Bearbeitung Deiner Frage entschuldigen, aber es sind - wie man weiter unten sieht - dazu noch ein paar Belege reingerutscht, deren Empfang es sich m.E. gelohnt hat abzuwarten. Der Vorrede von @bk in post94 möchte ich mich unbedingt anschließen. Ich selbst habe schon seit längerem einen Anfang des Jahres 1915 aus den - seinerzeit noch nicht in den Krieg eingetretenen - USA, der in Bayern vom II. Armeekorps in Ludwigshafen a.Rh. zensiert wurde, und auch ich frage mich seither: Wie ging da überhaupt der Überseetransport von statten ?

    Wie wir im Folgenden erkennen werden, sind ganz speziell die in der frühen Kriegsphase gelaufenen Überseebelege von größerer Bedeutung, an denen man durch Anbringung eines Ankunftstempels den vollen Postdurchlauf nachweisen kann. Bei der in post93 gezeigten Auslandspostkarte nach Chile fällt zunächst der lange inländische Laufweg von Erding zur Postüberwachungsstelle Köln-Deutz auf. In Anlage E/1 ( S.288 ) von K.H. Riemers großartigem Werk Die Postüberwachung im Deutschen Reich durch Postüberwachungsstellen 1914-1918 wird Köln-Deutz (Briefpostamt 10) zum 01.08.1915 als Postüberwachungsstelle u.a. für „ganz Amerika“ nachgewiesen.


    Die in der Nähe liegende Überwachungsstelle Emmerich war als Überwachungsstelle für den Austausch mit den Niederlanden und Niederländisch Indien bestimmt. Das alles impliziert einen Übersse-Postaustausch über die neutralen Niederlande. Allerdings hatten die Briten bereits drei Tage vor Kriegseintritt, d.h. zum 01.08.1914 eine Seeblockade durch Aufhebung der Londoner Deklaration über die Freiheit der Meere vom 26.02.1909 eingeleitet, welche von ihnen allerdings auch nie ratifiziert worden war.

    Die europäischen Kriegsparteien gingen 1914 von einer schnellen Entscheidung aus und dementsprechend hatte niemand Vorkehrungen für eine länger währende Auseinandersetzung getroffen, auch nicht das in besonderem Maße von Rohstoff- und Nahrungsimporten abhängige Deutschland. Da dies den Kontrahenten des Kaiserreichs nicht entgangen war, erklärte die britische Admiralität schließlich zum 02.11.1914 die gesamte Nordsee als Sperrgebiet. Die englische Navy betrachtete eine Fernblockade als wirksamstes Mittel, um die ihr zwar nicht an Größe, wohl aber an Effizienz gleichgestellte deutsche Kriegsflotte zu schwächen.

    Das Kaiserreich erklärte demgegenüber am 04.02.1915 das Seegebiet rings um Großbritannien zum Kriegsgebiet, hatte dessen Blockadepolitik aber nur den U-Boot-Krieg entgegenzusetzen. Dieser wurde innerhalb der o.g. Gewässer sowohl gegen Handelsschiffe Krieg führender als auch neutraler Staaten geführt. Nach Versenkung des britischen Passagierdampfers RMS Lusitania mit u.a. 114 us-amerkanischen Opfern wurde der U-Bootkrieg zum 13.05.1915 zwar eingeschränkt, letztendlich zum 01.02.1917 aber wieder aufgenommen, was bekanntlich zum Kriegseintritt der USA geführt hat.

    Um auch deren Handelsschifffahrt mit neutralen Staaten zu gewährleisten, hatten die Briten in ihren Sperrgürteln einige Routen für neutrale Schiffe festgelegt, auf denen diese nach Skandinavien und den Niederlanden fahren konnten. Hierüber konnte u.a. auch der Überseepostaustausch mit Deutschland abwickelt werden. Jenseits dieser Routen durften von den Briten auch neutrale Schiffe angegriffen und versenkt werden. Wie mir Sammlerfreund Lavar A. Taylor vom us-amerikanischen Frajola`s Board For Philatelists kurz bestätigt hat, konnte der Überseepostaustausch mit Deutschland bis zum Kriegseintritt Italiens am 23.05.1915 auch hierüber, d.h. hauptsächlich über den Hafen von Genua erfolgen.

    Wer denkt, dass das nun alles routiniert reibungslos abgelaufen ist irrt. Gemäß der klarstellenden Order in Council vom 20.08.1914 waren auf den erlaubten Seewegen auch dann neutrale Schiffe aufzubringen, sofern sie relative Kriegskontrabande (Bannware), also Rohstoffe und Lebensmittel für den deutschen Markt an Bord mitführten (Anm.: absolute Kriegskontrabande = Waffen). Bereits Ende August 1914 waren 52 Schiffe mit für die Niederlande oder Deutschland bestimmter Ware in englische Häfen abgeschleppt und durchsucht worden.

    Da man kaum zwischen für Deutschland und für den Eigenbedarf neutraler Staaten bestimmter Ware unterscheiden konnte behinderten die entsprechend langwierigen Untersuchungen und bisweilen schikanösen Entscheidungen der britischen Prisengerichte den freien Seehandel neutraler Staaten wie Schweden, Norwegen, Dänemark und die Niederlande in z.T. unerträglicher Weise. Dies wurde bis zu deren Kriegseintritt am 06.04.1917 auch von den USA als völkerrechtswidrig gesehen, da nach internationalem Recht nur wenige Güter legal aufgebracht werden durften.

    Das galt auch und im Besonderen für Briefpost, die zunehmend Gefahr lief beschlagnahmt zu werden. Hauptaugenmerk lag dabei auf propagandistische Schriften und Wertinhalte (z.B. Schecks). Briefe mit an sich unbedenklichen Inhalten drohten dadurch deutlich verzögert oder gar nicht weiterbefördert zu werden. Insofern erklären sich aus dieser Zeit Überssebriefe mit ungewöhnlich langer Laufzeit, was natürlich nur dann klar ersichtlich wird, wenn man - überhaupt - einen leserlichen Ankunftstempel vorfindet.

    Wie man weiter unten an dem ersten Beleg aus Nürnberg mit Destination Washington D.C. vom Januar 1916 sieht, ist das leider nicht selbstverständlich. Man kann - wie so oft - nur vermuten, dass er seinen Adressaten erreicht hat. Gleiches gilt für den zweiten Beleg aus der anderen Richtung, der im März 1915 in Brooklyn kurioserweise an einen sich im Felde befindenden deutschen Soldaten der Kraftfahrertruppe adressiert worden war. Wahrscheinlich wird es zum Ärgernis der Korrespondenzpartner auch zu Totalverlusten gekommen sein, denn die britische Blockade richtete sich im Kern auf eine Isolation des Kriegsgegners.

    Dieser war schließlich auch dazu übergegangen die britische Kontrolle trickreich zu umgehen. So wusste man schon relativ früh, dass die Deutschen die Briefpost zum schmuggeln von Paketgütern mit relativer Kontrabande missbrauchten. Briefe mit für die Briten fragwürdigen Inhalt wurden mit Nachrichten in unsichtbarer Tinte oder geschickt getarnt mit Codeworten verfasst. Sie wurden zur Umgehung der britischen Kontrolle auch über holländische Vermittler (Forwarder) versandt oder einem Angehörigen neutraler Staaten als Kurier übergeben.

    Aus Rücksichtnahme auf die durch neutrale Handelsschiffe durchgeführten Seetransporte hielt man sich bis etwa Februar 1916 mit einer von den Franzosen nachdrücklich geforderten strengen Postzensur noch zurück. Nachdem das Schmuggelproblem jedoch begann überhand zu nehmen, benutzte die britische Regierung den "bemerkenswerten" Vorfall, dass an Bord des aufgebrachten holländischen Handelsschiffs Tubantia Radiergummis bester Qualität mittels Briefpost nach Deutschland geschmuggelt wurden offiziell als Anlass zur Verkündigung einer Postzensur.

    Dazu sei weiter unten exemplarisch ein letzter, hoch interessanter Beleg vom Dezember 1916 aus Selb / Oberfranken gezeigt, der wie man unschwer erkennen kann den offiziellen Weg der deutschen und britischen Zensur durchlaufen hat. Ob das dazu geführt, hat, dass der Übersee-Briefpostaustausch mit für beide Seiten undenklichen Inhalten dann besser / schneller abgewickelt worden ist, wird man nur anhand einer gezielten Erforschung von Belegen mit datierbarer Ankunft aus beiden Phasen herausarbeiten können.

    Vor dem Hintergrund des w.o. dargelegten Hergangs der Dinge eine wie ich finde für den Postgeschichtler durchaus spannende Aufgabe.

    Nochmals sorry für die lange Bearbeitungszeit + Gruß !

    vom Pälzer


    verwendete Quellen:
    https://coronanachrichten.wordpress.com/tag/seeblockade-deutschlands/
    https://books.google.de/books?id=TReXA…20Meere&f=false
    https://books.google.de/books?id=AqSfB…%201914&f=false
    https://books.google.de/books?id=mWYKR…%201914&f=false
    http://www.history.com/this-day-in-hi…austria-hungary
    http://www.stahlgewitter.com/14_11_05.htm
    http://www.grin.com/de/e-book/1469…rsten-weltkrieg
    https://de.wikipedia.org/wiki/U-Boot-Krieg

  • Hallo Pälzer,

    für SOLCHE Beiträge nimmt man sich gerne die Zeit des Studiums - Chapeau!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Pälzer,

    herzlichen Dank für die große Mühe, die du dir hier gemacht hast - ich bin sicher, dass viele Leser im Netz ebenfalls dankbar sein werden.
    Es ist immer wieder erstaunlich, dass über viele Themen kaum konkretes Wissen vorliegt. Die Zensur ist relativ gut erforscht, aber was danach kam, verschwindet im Nebel der Vergangenheit. Es scheinen auch nicht mehr allzu viele Überseebelege - ausgenommen vielleicht in die USA - zu existieren.

    Hier hätte ich noch eine Karte mit Posthilfstellenstempel in die USA, ebenfalls von 1915. Hier fehlt allerdings der Zensurstellenstempel - es gibt jedoch keine Zurücksendungsvermerke, deshalb kann man von einem geglückten Versand ausgehen. Warum hier 15 Pfennige verklebt wurden, weiß ich nicht.

    Wollen wir etwas für unseren RB aus diesem Thema machen?

    Viele Grüße aus Erding!

  • Hallo Erdinger,

    es wäre mir Ehre und Vergnügen zugleich, wenn wir mit unserem Material im ARGE-RB eine Koproduktion vom Stapel lassen könnten.

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Erst kürzlich bin ich über folgenden Beleg gefallen. Eine Ganzsachenpostkarte mit Zusatzfrankatur aus Augsburg nach Breda/Niederlande vom 5. September 1916. Normalerweise wäre diese Karte in München oder spätestens in Emmerich zensiert worden. Diese Postkarte wurde aber in Stuttgart zensiert und das ist ganz und gar ungewöhnlich.
    Vorschrift war, dass jede Sendung in das Ausland der zuständigen Zensurstelle zugeleitet wird. Aus bayerischer Sicht wäre es logisch gewesen, wenn der Kartenschluß nach München oder eben nach Emmerich erfolgt wäre. In München bzw. Emmerich wäre die Postkarte aus dem Postlauf der militärischen Zensurstelle zugeführt und von dieser nach der Bearbeitung wieder in den Postlauf zurückgeführt worden. Ein Kartenschluß nach Stuttgart macht nur dann Sinn, wenn der Empfänger eine bekannte Deckadresse gewesen wäre. Laut diversen Aktennotizen haben sich verschiedene Zensurstellen auf solche Deckadressen spezialisiert. Diese Deckadressen und die zuständige Zensurstelle wurden per Rundschreiben den Zensurstellen bekanntgegeben. Bis jetzt habe ich leider kein einziges Rundschreiben mit Deckadressen in den Akten finden können.
    Vielleicht ist die Erklärung auch viel banaler: Die Karte ist in den falschen Postsack geraten und wurde in Stuttgart vor der Weiterleitung nach Holland der Militärzensur zugeführt.

    Gruß

    wuerttemberger

  • Hallo @württemberger,

    Nord-Brabant mit Breda war ein Zentrum der Lederwarenindustrie. Die Bezeichnung der Firma, an die die Karte gerichtet ist, lautet vollständig N.V. Leder- en Drijfriemenfabriek v/h Ph. P. van Baak. Eine Deckadresse würde ich dahinter eher nicht vermuten, zumal sich Spuren eines wirtschaftlich aktiven Unternehmens bereits deutlich vor und nach dem Ersten Weltkrieg nachweisen lassen.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo,

    This little place still in operation today (looks pretty cool). Here a card mailed from OBERSTDORF on the 27th of june 1916 to FÜRTH.

    Simple one but I like it a lot. Now to go back to the main subject of this thread, message sent during the first world war from a small hotel.

    I can't read everything so I loose the main subject on this card; If someone can help to translate to me.

    Other question by the side, What is the best translation in English for that round marking with the 3?

    Thank you

    Best regards

    Sylvain

  • Hello Sylvaini,

    "3" was a postmans - handstamp. In places with more than one postman, those handstamps were given to the postmen to print it on the frontside of all the postal items.

    Translation of the content of your card:

    "Mr Leo Bergmann, Furth in Bavaria

    Dear Sir,

    we told you on the 21st of this month, that we do not have the rooms you require, as we are whelmed with orders right now.

    Kind regards".

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (31. Januar 2016 um 20:13)

  • Hallo,

    So ''Postal clerk Handstamp'' should fit as description.

    Very nice message...Modern way to say it would be '' Wake up, we told you no vacancy for those dates!! Best Regards''. :thumbup:

    Thanks bk

    Sylvain

  • Hallo zusammen,

    wieder einmal ein Bayernbeleg während des 1.WK in die (noch neutralen) USA, diesmal sogar mit 3-fachen Zensurstellenabschlag. Viel lieber wäre mir allerdings einer davon weniger und dafür ein Ankunftsabschlag o.ä. in den USA, um endlich einmal zu dokumentieren, wie lange der Übersee-Transport seinerzeit gedauert hat. Ob das je in irgend einer Weise gelingen wird ? Bei dem Markenpaar gehe ich von einer MH-Entnahme aus, da am Unterrand angeschnitten.

    + Gruß

    vom Pälzer

  • Hallo zusammen,

    vor ein bischen mehr als einer Woche ausgesprochen...

    ...dafür ein Ankunftsabschlag o.ä. in den USA, um endlich einmal zu dokumentieren, wie lange der Übersee-Transport seinerzeit gedauert hat. Ob das je in irgend einer Weise gelingen wird ?

    ...und schon ließ sich gestern auf GT - schwupp - aus einer Wühlkiste für ein paar Groschen der nachstehende Beleg rausziehen, wie gerufen. Der Abschlag in Boechingen (bei Landau i.d.Pfalz) ist schwach, aber unter der Vergrößerung dann doch klar auf den 19. Juli 1915 zu datieren.

    Glasklar dann der auf der Rückseite angebrachte Ankunftsstempel von St. Louis vom 17. August 1915. Also eine etwas längere, aber angesichts der widrigen Umstände doch noch einigermaßen akzeptable Laufzeit von etwas unter einem Monat. Zum Vergleich: Die normale Transatlantik-Fahrtzeitdauer der damaligen Schnelldampfer betrug ca. 4-5 Tage:

    https://www.hl-cruises.de/blog/mythos-tr…-new-york/4166/

    + Gruß

    vom Pälzer

  • :D ...nimm einfach google-translate... :thumbup:

    Ich habe in der Schule "nur" Englisch, Latein und ein bischen Italienisch, leider leider kein Französisch gelernt. Jetzt merke ich dass das ein groooßer Fehler war, aber ich habe jetzt, wo ich Französisch hier viel brauche, sehr viel Freude an dieser Sprache.

    + Gruß !

    vom Pälzer :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Google ist, in der Dringlichkeit oder der Notwendigkeit sehr praktisch, ich sagte. Aber das erlaubt wirklich nicht (meiner Meinung nach), Fortschritte in der sprachwissenschaftlichen Auffassungsgabe zu machen. Jenseits des Sinnes selbst mag ich zu verstehen, wie das geschrieben ist (die Struktur der Sätze ist zwischen den beiden Sprachen sehr unterschiedlich).

    Cordialement,
    Laurent.