Die Postgeschichte der ostfriesischen Insel Wangerooge

  • Die Östlichste der ostfriesischen Inseln, Wangerooge gehörte als einzige dieser ostfriesischen Inseln zum altdeutschen Staat Oldenburg.


    Der Name der Insel Wangerooge setzt sich zusammen aus dem altgermanischen Wort Wanga für Wiese und dem friesischen Wort Oog für Insel.


    Auf der ostfriesischen Insel Wangerooge (heutiger Name, früherer Name Wangeroge), gab es zu früheren Zeiten der grossherzoglichen oldenburgischen Post im 19. Jhd. nur einen einzigen Poststempel. Dies war der vorphilatelistische Langstempel WANGEROGE. Paul Orth stellte diesen Poststempel (L1) erstmals auf einem Brief vom 5. August 1833 fest (Orth, Die Poststempel von Oldenburg, 1911, S. 202, Nr. 64a). Nun könnte man natürlich denken, dass die Geschichte der Post auf Wangerooge langweilig sei. Dies ist mitnichten der Fall.


    Hierzu möchte ich zunächst geschichtlich ganz weit zurückgehen. Ganz früher, vor mehr als 1000 Jahren waren die heutigen ostfriesischen Inseln nur grosse vorgelagerte Sandbänke in der Nordsee. Die Besiedlung dieser Inseln erfolgte wohl im frühen Mittelalter. Hier hatte man zu dieser Zeit wohl festgestellt, dass sich unter diesen Sandbänken und Dünenlandschaften ein Süsswasserreservoir befand. Die Entstehung dieses Süsswasserreservoirs lässt sich wie folgt erklären: Regen versickert im sandigen Boden der Insel und bildet eine Grundwasserschicht. Da Süßwasser aber leichter als Salzwasser ist, bildeten sich unter den Inseln sogenannte "Süsswasserlinsen", die auf dem Salzwasser schwammen wie "Fettaugen" in einer Suppe. Aufgrund dieses damals festgestellten Süsswasserreservoirs der ostfriesischen Inseln war eine Besiedlung möglich, denn es war damals technisch natürlich nur schwerlich möglich, ausreichend Süsswasser per Schiff auf die Inseln zu verbringen. Diese festgestellten Süsswasserlinsen waren jeweils bemessen an der Grösse der jeweiligen Insel natürlich unterschiedlich gross. Die "Linse" von Wangerooge war eher klein (im Vergleich z.B. zur grösseren Insel Norderney), aber doch ausreichend, um eine Besiedlung möglich werden zu lassen.


    Geschichtlich mache ich jetzt einen grossen "Sprung" an den Beginn der 1850er Jahre auf Wangerooge und zur eigentlichen Postgeschichte. Am 05. Januar 1852 wurden auf Wangerooge die ersten Oldenburger Briefmarken eingeführt. Wangerooge unterhielt zu dieser Zeit eine "Badeanstalt", zu der einige Feriengäste z.T. von weit her kamen, um hier ihre Sommerferien zu verbringen. Es sind aus dieser Anfangszeit einige sehr schöne Frankaturen der 1. Ausgabe Oldenburgs mit dem L1 WANGEROGE erhalten geblieben. Eine besonders schöne auf einem Zierbrief mit einer Oldenburg Nr. 4b zitronengelb und dem Langstempel WANGEROGE bilde ich hier zur Ansicht ab. (BILD 1)


    Bild 1

    Dieser Brief stammt aus der 5 Boker-Auktion vom 14. März 1987 und wurde offenbar von einem Wangerooger Feriengast an seine Lieben zuhause in Eutin geschrieben. Wangerooge unterhielt zu dieser Zeit eine vollwertige Postanstalt des Grossherzogtums Oldenburg. Der Ortskern der Gemeinde Wangerooge befand sich damals ganz im Westen der Insel und war um den Westturm der Insel gelegen. Ich füge hier ein Bild 2 ein, in der der alte Dorfkern am Westturm zu sehen ist.

    Bild 2

    In der Sylvesternacht des Jahres 1854 gab es einen gewaltigen Orkan und eine Sturmflut in dessen Verlauf der kleine Ort auf der Insel Wangerooge vollständig zerstört wurde. Diese "Neujahresfluten" waren so stark, dass die vormalige Insel Wangerooge zum Anfang des Jahres 1855 zeitweise aus drei Teilen bestand. Viele vormalige Insulaner, die diese Fluten überlebt hatten, gingen nach dieser Flut zurück aufs Festland, so dass die Bevölkerung auf 1/3 der vormaligen Bevölkerungszahl schrumpfte. Die Bezeichnung "Gemeinde Wangeroge" wurde insbesondere durch die stark reduzierte Bevölkerung mit amtlichem Erlass des Grossherzogtums auf "Bauerschaft" umgeändert. Die vollwertige Poststation von Wangerooge wurde dann schon bald in eine Postablage umgewandelt (vgl. hierzu Orth, S. 202 f., Fn. 82).


    Ich besitze in meiner Sammlung noch einen sehr seltenen Brief mit dem L1 WANGEROGE, der am 28. August 1855 (also nach den "Neujahrsfluten") frankiert mit einer Oldenburg Nr. 2 III von einem der verbliebenen Insulaner nach Elsfleth geschickt wurde. Diesen Brief stelle ich hier mal mit Vorderseite und dem gesamten Briefinhalt ein. (BILD 3 - BILD 5)

    Bild 3

    Bild 4

    Bild 5

    In einem Kostenvoranschlag, welchen die Oldenburgische Postbehörde im Anfang des Jahres 1855 über die Gehälter der Beamten u.a. aufgestellt hat, ist bezüglich des Ortes "WANGEROGE" der Vermerk gemacht:

    "Die Badeanstalt Wangeroge wird wohl eingehen." (vgl Orth, S. 203, Fn. 82)


    Hier hatte sich die Postbehörde geirrt. Die verbliebenen Insulaner von Wangerooge bauten ihr Dorf in wenigen Jahren wieder auf, allerdings nicht am Westturm, wo der Ort sich vormals befand, sondern viel weiter östlich, wo sich auch heute noch der Ortskern von Wangerooge befindet. In den "Oldenburgischen Anzeigen" vom 30. Juni 1859 findet sich die Bekanntmachung:


    "Die Badeanstalt auf der Insel Wangeroge wird in bisheriger Weise am 1. Juli eröffnet."


    Die Poststation Wangeroge gab irgendwann, spätestens ab den 1860er-Jahren nicht mehr, wann diese ganz genau aufgehoben wurde, ist nicht bekannt. Aus dem Jahr 1860 mit Datum 22.12.1860 habe ich allerdings einen Brief mit einer Oldenburg Nr. 6a gesehen, der nach Horumersiel adressiert ist. (BILD 6)

    Bild 6

    Ob es die Poststation damals überhaupt noch gab, oder diese Marke nur von einem Postkunden "eingeschleppt" und zufällig auf der Insel abgestempelt wurde, ist nicht bekannt. Das Bild mit dem Brief der Nr. 6a stammt aus der Sammlung Lange, Spezialauktion Oldenburg, Christian Zieme, 4. Mai 1990.


    Jedenfalls erhielt Wangerooge irgendwann in der Folgezeit keine Marken mehr zur Frankatur. Der Postort Wangeroge wurde dann nur noch als Postablage geführt. Es wurde dann auf Wangerooge so gehandhabt, dass die Briefe als Aufgabestempel den Langstempel "WANGEROGE" erhielten und die Briefe wohl auch in bar bei der Postablagestelle auf der Insel bezahlt werden mussten. Die Briefe wurden dann zum Festland transportiert und in die Poststation von TETTENS verbracht, zu deren Bestellbezirk die Insel Wangerooge gehörte. Hier überklebte der Postbeamte den Stempel L1 "WANGEROGE" mit einer Oldenburger Marke und stempelte diese dann mit dem zweizeiligen oldenburgischen Rahmenstempel von TETTENS ab (vgl. Orth, S.204, Fn. 82). Ich füge hier mal zwei Bilder bei (BILD 7 und BILD 8), aus denen diese Abstempelungen ersichtlich sind. Dass solche Briefe sehr selten sind, bedarf in diesem Zusammenhang keiner Erwähnung. Dieser abgebildete Brief und das Briefstück stammen aus der BERNSTEIN-Sammlung, 330. Schwanke-Auktion vom 14. Mai 2011.

    Bild 7


    Bild 8


    In der zweiten Jahreshälfte des Jahres 1867 gehörte Wangerooge dann nach Angaben von Orth, S.204, Fn. 82 zum Bestellbezirk der Poststation Jever. Diese Postablagezuordnung ist aus meiner Sicht extrem selten. Orth gibt hier nur einen einzelnen Brief mit Datum vom 16. August 1867 an, der wie vormals in Tettens dann in der Poststation Jever frankiert und abgestempelt wurde. Gesehen habe ich Briefe von Wangerooge mit zusätzlicher Frankatur und weiterer Abstempelung in Jever leider bisher noch nicht....


    Bild 1: Zier-Brief mit L1 "WANGEROGE" von 1854, frankiert mit einer Oldenburg Nr. 4b nach EUTIN (Schleswig-Holstein), rückseitig der Hamburger Stadtpoststempel vom 29. Juli 1854 als Durchgangsstempel - 5. Boker-Auktion vom 14. März 1987, Los.-Nr. 209

    Bild 2: Bild mit dem alten Ortskern von Wangeroge ganz im Westen der Insel am WANGEROOGER WESTTURM

    BILDER 3 -5: Brief mit L1 WANGEROGE vom 28. August 1855 mit Inhalt (nach den "Neujahresfluten") (aus meiner Sammlung)
    BILD 6: Brief mit L1 WANGEROGE vom 22.12.1860 mit einer Oldenburg Nr. 6a

    BILD 7: Bfst. mit L1 Wangeroge, darüber geklebter Oldenburg Nr. 17A und dem zweizeiligen Rahmenstempel von Tettens, Datum 6/7

    BILD 8: Brief nach Ringelstein bei Büren in Westphalen mit der L1 aus der Postablage Wangeroge, L1-Stpl. überklebt mit einer Oldenburg Nr. 19a hellockergelb und abgestempelt mit dem RA2 von Tettens, Datum 28/10


  • Chapeau - toller Beitrag! :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Kurze Info und bezug auf weiter oben: Letzte Woche habe ich in einer Sammlung einen Beleg sehen können mit Wangerooge- und Jever-Abschlag.