Recommandirt im Postverein

  • Liebe Freunde,

    mit dem Vertrag von 1860 entfiel im Postverein der Frankierungszwang für eingeschriebene Sendungen.

    Gemäß Post-Reglement von 1861 war in Preußen die Reco-Gebühr immer zusammen mit dem Porto zu erheben. Also bei Franko-Aufgabe direkt mit bei der Aufgabe und bei Porto-Versand dann zusammen mit dem Porto vom Empfänger. Diese Regelung galt auch für Reco-Briefe aus Preußen in den Postverein.

    Wie waren die Bestimmungen hierzu in den anderen Postvereinsstaaten?

    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Lieber Michael,

    das war überall im DÖPV gleich.

    Preussen hatte hier 6x für Bayern notiert, weil sie gerechnet haben:

    Reco = 2 Sgr.

    Franko über 20 Meilen im DÖPV = 3 Sgr.

    Verklebt aber nur 3 Sgr. bzw. als Wertstempel.

    Fehlten 2 Sgr. = 6 Kreuzer.

    Das war aber ein Denkfehler, denn im DÖPV kam noch das Strafporto von 3x bzw. 1 Sgr. bei un- bzw. unterfrankierten Briefen hinzu, so dass hier eigentlich "noch 9x" hätte stehen sollen.

    Bayern hats gefreut (relativ), weil der Empfänger in München nur 6x berappen musste.

    Ob es da mal später einen Francodefect gab? Wenn ja, gib mir den, ich könnte ihn gut gebrauchen, da du ja schon den passenden Brief dazu hast. :D:D:D

    P.S. Die blaue "47" ist die Reco-Eingangs-Nr. von München und hat NICHTS mit der Unterfrankatur zu tun.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    das Franko war für den Brief der 1. Gewichtsstufe voll bezahlt und ein evtl. 1 Sgr.-Zuschlag betraf ja nur den Portoanteil und nicht Gebühren für Sonderdienste.

    Nicht bezahlt war hier die Reco-Gebühr von 2 Sgr., die in 6 Kr. reduziert Bayern in Rechnung gestellt wurde.

    Diese Berechnung ist meiner Meinung nach korrekt. Unzulässig war - zumindest in Preußen - nur das Franko zu bezahlen und nicht gleichzeitig den Sonderdienst Recommandataion.

    Wäre dies auch in Bayern unzulässig gewesen? Der Text des Vereinsvertrages gibt das nicht so eindeutig vor.

    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Lieber Michael,

    so kann man es auch rechnen, wenn man dem Franko Priorität einräumt und die Reco-Gebühr hintan stellt. Leider gibt es wenige Reco-DÖPV-Briefe, die unterfrankiert sind. Das allein sind schon echte Seltenheiten.

    Es gibt von Bayern alles (Franko bezahlt, Reco nicht, Reco bezahlt, Franko nicht, auch falsche Reduktionen bei Zielländern im DÖPV außerhalb des Kreuzerbereichs) - für die damaligen Postler war der Zusammenschluß von Franko und Reco noch lange nachwirkend. Innerhalb Bayerns hat man den Portozuschlag erhoben bei den ganz wenigen Fällen, die ich kenne. Einen wie deinen in den DÖPV habe ich noch nicht gesehen ...

    Die Angst der Postverwaltugen war ja die, dass die Empfänger die hohen Kosten von Porto-Chargébriefen evlt. nicht bezahlen würden und dann die ganze Chose wieder zur Aufgabepost zurücklaufen musste - mit allen internen Problemen, die damit zusammen hingen; sonderbarerweise kenne ich ca. 50-60 Portochargébriefe mit bayer. Relevanz - aber keiner wurde wegen zu hoher Kostenbelastung zurück geschickt!

    In jedem Fall hast du dir da ein Rosinchen an Land gezogen, das ich auch genommen hätte ... :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • das Franko war für den Brief der 1. Gewichtsstufe voll bezahlt und ein evtl. 1 Sgr.-Zuschlag betraf ja nur den Portoanteil und nicht Gebühren für Sonderdienste.

    Nicht bezahlt war hier die Reco-Gebühr von 2 Sgr., die in 6 Kr. reduziert Bayern in Rechnung gestellt wurde.

    Diese Berechnung ist meiner Meinung nach korrekt. Unzulässig war - zumindest in Preußen - nur das Franko zu bezahlen und nicht gleichzeitig den Sonderdienst Recommandataion.

    Lieber Michael,

    so ganz eindeutig scheint mir die Regelung nicht getroffen worden zu sein.

    Gem. Art. 24 PV-Vertrag v. 1860 ist "die Recommandationsgebühr jederzeit zugleich mit dem Porto einzuziehen".

    Andererseits wird im selben Artikel getrennt zwischen "Porto" und "Recommandationsgebühr". Da Gebühren generell begrifflich nicht Bestandteil des Portos sind, besteht hier m.E. eine auch nicht in den Instruktionen zum PV-Vertrag geschlossene Regelungslücke.

    Daß auch die preußischen Postler da nicht immer auf den Portozuschlag verzichteten, beweist der folgende Brief.

    Wegen des Expreßvermerks betrachtete man den Brief als zu recommandieren und berechnete zusätzlich zur Recommandationsgebühr noch einen weiteren Silbergroschen.

    Liebe Grüße

    Jürgen

  • Hallo zusammen,

    für die Postler war es offenbar am einfachsten, das Fehlen der Recommandationsgebühren einfach zu ignorieren.

    Beste Grüße

    Altsax

    Einmal editiert, zuletzt von Altsax (12. Juni 2022 um 16:30)

  • Lieber Jürgen,

    danke fürs zeigen, dass die preußischen Postler es tatsächlich auch anders herum berechnet haben.

    Ist ein schönes Brüderchen zu meinem Brief.

    Die Vorgehensweise der sächsischen Postler ist dagegen schon kompromisslos pragmatisch ...

    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Hallo,

    am liebsten sind mir immer die Originaltexte der PVO: für Österreich wurde folgendes am 24. Dezember 1860 in der Postverordnung 49 bekannt gegeben:

    Ich habe nur den Artikel 24 abgebildet, wenn jemand die komplette Seite benötigt, dann stelle ich sie gerne ein.

    Schönen Abend

    Martin

    Einmal editiert, zuletzt von Ungarn-1867 (12. Juni 2022 um 21:37)

  • Hallo Martin,

    danke für das Einstellen dieser klar formulierten Verordnung.

    Da sind jetzt doch schon instruktive Beispiele und Texte zusammen gekommen. :thumbup:

    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Liebe Freunde,

    ich darf aus bayerischer Sicht die Lage der Dinge ab dem 1.1.1861 aufzeigen anhand der mir vorliegenden Primärquellen "Postvereins-Vertrag, Reglement für den Postvereins-Verkehr und der Instruktionen für den Vereins-Postdienst.

    Anbei zeige ich dann einen Brief aus Köln vom 26.3.1864, der nur mit 3 Sgr. frankiert wurde, was für die Strecke von Köln bis Neustadt in der Pfalz ausreichte, aber nicht für die Recommandation und den Expressboten von Neustadt nach Gimmeldingen zum Empfänger. An Kosten fielen daher an:

    Franko 3 Sgr., Reco 2 Sgr., Expressgebühr für die Beschaffung des Boten für den Expeditor der Abgabepost 9x (Expressgebühren waren stets in der Währung zu kassieren, die beim Empfänger üblich war, hier also rheinische Kreuzer) und der (uns heute) unbekannte Satz des Expressen von der Postexpedition zum Zielort.

    Meines Erachtens war man in Bayern mit diesen Portochargébriefen überfordert und der Satz, dass das Porto und die Recogebühr entweder ganz vom Absender, wie früher, oder ganz vom Empfänger, wie seit 1.1.1861 statthaft, bezahlt werden musste, ist in seiner Einfachheit schön zu lesen, aber bei unterfrankierten und/oder noch expressen Briefen nicht wirklich klar anwendbar. Jedenfalls kann ich meinen Brief anhand der manuellen Eintragungen (hinten blank) nicht sicher beschreiben.

  • Lieber Ralph,

    da zeigst du einen sehr schönen, besonderen Beleg (schade dass er durch die Marke gefaltet ist)

    Wo finde ich den kompletten Text deiner verwendeten Primärquelle?

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Erwin,

    das ist der Text des neuen Postvereinsvertrages in Bayern, der im Dez. 1860 an die Poststellen ausgegeben wurde. Ich habe das alles ausgedruckt bei mir zuhause.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Erwin (und alle anderen Interessierten),

    die bisher digitalisierten Verordnungsblätter der bayerischen Post sind hier verlinkt.

    Viele Grüße

    Dietmar

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo Ralph,

    wie sagst immer; den hätt' ich auch genommen :) Und Zwischenfrage: Wer schreibt wenn überhaupt die Expressgebühr an wenn sie vom Empfänger bezahlt werden soll, Auf- oder Abgabepost ?

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Tim,

    wenn der Absender den Brief frankiert, die Recogebühr bezahlt und der Brief in einen Ort mit Postanstalt geht, dann wurde die Expressgebühr als Weiterfranko der Abgabepost vergütet und die hat das Geld - für Bayern 9x - dem Boten ausbezahlt.

    Problematisch waren Sendungen wie meine, selbst wenn sie korrekt frankiert worden wären, weil ja niemand in Köln (da kommt mein Brief her) wissen konnte, was ein Pfälzer Expressbote für seinen Gang von Neustadt nach Gimmeldingen berechnen würde. In diesen Fällen war ein Depositum in Köln vom Absender zu erheben, das so war, dass es geeignet erschien, die Kosten zu decken. Der Absender hätte also zu zahlen gehabt: 3 Sgr. Franko, 2 Sgr. Reco, 3 Sgr. für die Beschaffung des Boten, jetzt aber an den Expeditor von Neustadt, nicht die bayer. Staatspost!

    Insofern liefen damals viele Rückscheine (Retour-Recepissen) mit, die wiederum je 2 Sgr. bzw. 6x kosteten, auf denen der Expresse seine Kosten geltend machte und auch gleich nach Eingang quittierte.

    Man hätte also konkret in Köln vlt. 20 Sgr. als Depositum kassiert und gewartet, bis der Rückschein aus der Pfalz mit den genauen Kosten zurück kam. Unterstellen wir mal z. B. 48x Expressgebühr wären ortsüblich gewesen, dann hätte der Expeditor in Neustadt diese seinem Expressen ausbezahlt und sie sofort der Aufgabepost in Köln per Rückschein in Rechnung gestellt.

    Traf der Rückschein als Quittung In Köln ein, wäre man an den Absender heran getreten und hätte ihn aufgefordert, mit seinem Postschein zur Post zu kommen. Dort hätte man sein Depositum von 20 Sgr. mit den aufgelaufenen Kosten von 48x verrechnet, wobei hier paritätisch zu reduzieren war, also nicht postalisch mit 1 Sgr. = 3x, sondern 1 Sgr. = 3,5x., denn der Bote hatte ja keine postalischen Reduzierungen zu erwarten, sondern genau den Betrag zu beanspruchen, der ausgehandelt worden war und hätte man seinen Lohn von 48x postalisch verrechnet zwischen den Postverwaltungen, hätte das 18 Sgr. entsprochen und die Post in Neustadt hätte 4 1/4 Sgr. verdient, wozu sie kein Recht hatte.

    20 Sgr. entsprachen daher genau 70x, von denen 48x abgezogen worden wären zur Begleichung der Schuld. Daher hätte man diese 48x in Silbergroschen reduzieren müssen = 13 3/4 Sgr., diese vom Depositum abziehen müssen und dem Absender den Rest i. H. v. 6 1/4 Sgr. erstattet.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    das war jetzt viel, aber in der Sache noch nicht richtig weiter. Ich meine hier wurde die Expressgebühr von Bayern angeschrieben, eben wie lt. Postvereinsvertrag verlangt wurde die 9 Kr. Ich glaube nicht:

    Meines Erachtens war man in Bayern mit diesen Portochargébriefen überfordert und der Satz, dass das Porto und die Recogebühr entweder ganz vom Absender, wie früher, oder ganz vom Empfänger, wie seit 1.1.1861 statthaft, bezahlt werden musste, ist in seiner Einfachheit schön zu lesen, aber bei unterfrankierten und/oder noch expressen Briefen nicht wirklich klar anwendbar.


    Denn in der Fußnote 14 zum Art. 26 des DÖPV 1861 steht, dass die Aufgabe zwar wahlweise frankiert oder unfrankiert möglich, aber immer einzuschreiben war. Ich denke deswegen, dass die Recogebühr auch vorliegend längst schon in Köln bar am Schalter bezahlt worden ist. Wann man in Preußen dafür hat Marken kleben müssen, wäre auch noch interessant zu erfahren, in Bayern war das ja erst ab 1.1.1872 erforderlich. Schließlich sieht man ja auch nichts an Tarifen, die auf die Einnahme der Recogebühr von 2 SGr = 6 Kr beim Empfänger hindeutet.

    Der Brief kommt jetzt so bezahlt in Gimmeldingen mit dem Wunsch der Expressbestellung an und da wurden eben in schwarzer = typisch bayerischer Tinte postvereinsvertragsgerecht die 9 Kr für den Expressen angeschrieben. Die einzigste Frage, die sich mir da noch stellt ist, was die 7 Kr in blau sind und warum man damit die 9 Kr Vertragsgebühr abgestrichen hat. Daran konnte man ja nichts ändern. Hat die 7 Kr jemand noch kassiert, nachdem er vom Empfänger die 9 Kr Expressgebühr schon kassiert hatte?

    LG

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (15. Juni 2022 um 13:59)

  • Hallo Tim,

    ich kann den Brief nicht sicher interpretieren - es gibt Varianten, für die etwas und gegen die etwas spricht. Wenn die Reco-Gebühr von 2 Sgr. an die Pfalz belastet worden wäre, wären nur 6x richtig gewesen, nicht die paritätische Umrechnung in 7x. Aber 7x wird Köln nicht geschrieben haben, weil die nur blaue Tinte hatten, nicht blaue Kreide. Fragen über Fragen ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ...genau, das Recogeld passt hier nicht rein.

    Ich meine nach alldem es war so: In Art. 26 Satz 4 des DÖPV 1861 steht ja nun, dass (nur) in dem Fall, wo der Expressbrief auf`s Land geht neben dem Botengeld diese 3 SGr = 9 Kr Expressgebühr an die Abgabepost zu entrichten waren.

    Gimmeldingen gehörte zur PE Mussbach, lag also nicht mehr in deren Ortbestellbezirk.

    Dann wird der Bote (vertragsgemäß) neben den 9 Kr noch sein Salär von 7 Kr abkassiert haben. Das dünkt zwischen Mußbach und Gimmeldingen fürstlich, aber es hätte ja noch ein durchaus weiter entfernt liegender Fall sein können.

    LG

    Tim

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