Die Geschichte des "Delmenhorster Häuschenstempels", über den Delmenhorster Postmeister Peter Diedrich Fitger und das "Fitgerhaus" in den 1850ern

  • Delmenhorst ist eine kreisfreie Stadt in Niedersachen hatte im Jahr 2019 ca. 77.500 Einwohner. Die Stadt liegt ca. 10 km westlich von Bremen.


    Am 03. Dezember 1855 war das „Ackerbürgerstädtchen“ Delmenhorst nicht nur flächenmäßig bedeutend kleiner (damals nur 1,7 Quadratmeilen), sondern hatte auch nur 13.195 Einwohner (s. Paul Orth, Die Poststempel von Oldenburg, 1911, S. 216).


    Die Geschichte des „Delmenhorster Häuschenstempels“:


    Der Häuschenstempel ist kein offizieller oder amtlicher Stempel der Grossherzoglichen Oldenburgischen Postdirektion. Dieser ältere Stempel (Bilder 1 und 2) stammt offenbar vormals aus dem kommunalen Besitz der damaligen Stadt Delmenhorst. Der Häuschenstempel stellt das Stadtwappen dieses Ortes dar, nämlich das Tor einer mit Quadersteinen erbauten Stadtmauer mit Bastionstürmen.

    Bild 1

    Bild 2


    Dies wird auch durch den Vergleich mit dem Kommunalstempel der Stadt Delmenhorst bestätigt (Bild 3), der noch im Jahr 1911 verwendet wurde (vgl. Orth, die Poststempel von Delmenhorst, S. 141).

    Bild 3


    Paul Orth (Orth, S.141) beschreibt die mutmaßliche Herkunft des Delmenhorster Häuschenstempels im Jahr 1911:


    „Natürlich lässt sich heute nicht mehr aufklären, woher die Postanstalt “DELMENHORST“ den alten Stadtwappenstempel, welches sie in den Jahren 1854 bis 1859 vielfach zum Abstempeln oldenburgischer Freimarken benutzte, damals erhalten hatte. Da aber der damalige Postverwalter Peter Dietrich Fitger ein Sohn des „Rathsherrn Heinrich Fitger“ gewesen ist, welcher laut Oldenb. Staats-Kalender (1826, S. 102) ebenfalls lange Jahre in Delmenhorst ansässig und dort städtischer Beamter („Rathsherr“) gewesen ist, so liegt die Vermutung nahe, dass der damalige Postverwalter Fitger jenen alten Stadtwappenstempel vielleicht im Nachlaß seines Vaters gefunden, jedenfalls aber privatim erhalten hat, also nicht amtlich von der Oldenburgischen Postdirektion.“


    Paul Orth wusste nicht, dass der damalige Postmeister von Delmenhorst Peter Dietrich Fitger (Bild 4) ebenfalls auch „Rathsherr“ der Stadt Delmenhorst war. Daher muss dieser alte Stadtwappenstempel nicht zwingend aus dem Nachlass des Vaters stammen. Die genaue Herkunft lässt sich aber gleichwohl nicht mehr klären. Darüber hinaus war der Postmeister Peter Diedrich Fitger auch noch Hotelbesitzer und Hotelier.

    Bild 4


    Das Posthaus in Delmenhorst, das sogenannte „Fitgerhaus“, lag damals direkt zentral am Delmenhorster Marktplatz (Bild 5) und beinhaltete nicht nur die Poststation und ein Hotel (Bild 6), sondern der Postmeister selbst wohnte in diesem Haus mit seiner Familie. Verheiratet war er mit der Tochter des Delmenhorster Amtsvogtes Plate (Clara Fitger, geb. Plate). Das Ehepaar hatte eine Tochter (Marie Fitger, 1844 – 1929) (Alt-Delmenhorst, Bd. 1, S. 28 und 32).

    Bild 5

    Bild 6


    Beim Fitgerhaus wurden damals in Delmenhorst in den 1850ern auch die Pferde der Postkutsche getauscht. Ich verweise auf einen Quittungsbeleg aus dem Jahr 1851 (aus meiner Sammlung, Bild 7), den der Postmeister Fitger damals eigenhändig unterschrieben hatte. Das „Fitgerhaus“ stand in Delmenhorst später noch sehr lange und ist erst im Jahr 1963 abgerissen worden.

    Bild 7


    Zurück zum „Delmenhorster Häuschenstempel“.


    Orth, S. 174 benennt als Verwendungszeiten dieses Stempels den 09. Dezember 1854 bis Juni 1857, stellt aber heraus, dass er auch eine 2-Groschen-Marke der II. Ausgabe (Mi.-Nr. 7) gesehen hat, die frühestens Ende August 1859 abgestempelt worden sein kann (Orth, S.141 Fn. 52).

    Bild 8: Brief mit Oldenburg Nr. 4 mit Delmenhorster Häuschenstempel (ex Sammlung Richard Strauss)


    Ich gehe davon aus, dass die früheste Verwendung des „Delmenhorster Häuschenstempels“ bereits auf das Jahr 1853 datiert. Denn ich habe ein einziges Mal diesen Stempel auch auf einen Bfst. in schwarzer Stempelfarbe gesehen, die nur bis 1853 verwendet wurde. Orth, S. 238, hat in Delmenhorst die Verwendung schwarzer Stempelfarbe bis zum 20. August 1853 festgestellt und die blaue Stempelfarbe ab dem 11. November 1853 datiert.


    Auch habe ich bisher nicht nur eine (wie Paul Orth), sondern mindestens 3 bis 4 Oldenburg Nr. 7 (2 Gr.-Marken) mit dem Delmenhorster Häuschenstempel gesehen (Bild Nr. 9/ Bild ist leider nur schlecht wiederzugeben)

    Bild 9


    Verwendungsarten:


    Ich habe den Häuschenstempel nicht nur als Entwertungsstempel für Freimarken und als Ankunftsstempel rückseitig auf Brief, sondern auch auf Postformularen gesehen. Als Bild 10 – aus meiner Sammlung - hier ein Aufgabeschein im Delmenhorster Ortsdruck (= in dieser Form nur kurzzeitig in Delmenhorst verwendet) mit dem Delmenhorster Häuschenstempel.

    Bild 10


    Bild 1: Delmenhorster Häuschenstempel auf Oldenburg Nrn. 3 und 4 (aus meiner Sammlung)


    Bild 2: Brief mit Oldenburg Nr. 2 I mit Delmenhorster Häuschenstempel und Ra2 Delmenhorst als Aufgabestempel (aus meiner Sammlung)


    Bild 3: Kommunalstempel der Stadt Delmenhorst im Jahr 1911 – (Orth, S. 141)


    Bild 4: Bild des Postmeisters Peter Dietrich Fitger (1804 – 1865) – Alt-Delmenhorst, Bd. 1, 1981, S. 31


    Bild 5: Federzeichnung des Fitgerhauses in Delmenhorst und einer Postkutsche mit Pferden – Alt-Delmenhorst, Bd. 1, 1981, S. 87


    Bild 6: Zeichnung des Fitgerhauses (um das Jahr 1850) – Alt-Delmenhorst, Bd. 1, 1981, S. 32


    Bild 7: Postquittung über den Wechsel von Pferden in Delmenhorst vom 04. Oktober 1851 (aus meiner Sammlung)


    Bild 8: Brief mit Oldenburg Nr. 4 mit Delmenhorster Häuschenstempel (ex Sammlung Richard Strauss)


    Bild 9: Oldenburg Nr. 7 mit Delmenhorster Häuschenstempel (Auktion Christian Zieme – 4. Mai 1990/ Bild Mängel)


    Bild 10: Postschein im Delmenhorster Ortsdruck mit Häuschenstempel vom 09. April 1854 (aus meiner Sammlung)

  • Lieber Oldenburg-Sammler,


    Super Hintergrundbericht :love: zu der Delmenhorster Spezialität. Den Stempel habe ich nur ganz selten gesehen auf großen Versteigerungen.
    An Boker kann ich mich sicher erinnern, bei Rauhut&Kruschel gab es vor ca. 8 Jahren kurz hintereinander 2 beachtliche Oldenburg-Versteigerungen, da habe ich aber weniger auf Stempel geachtet.

    LG vom Bayernspezi ! (Franz)

  • ... wunderschöne Stempel, tolle Hintergrund Recherche und alles andere ist auch ein Traum. Klasse !!!

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.