Doppelt verwendeter Brief mit Quadrat- und Wappenausgabe oder doch Wertstufengleiche Mischfrankatur?


  • Es handelt sich um einen Umschlag mit einer Quadratausgabe 3 Kreuzer tiefrot (Mi-Nr. 9b) zusammen mit einer Wappenausgaben 3 Kreuzer karminrosa (Mi-Nr. 15).

    Lt. Attest von Sem, wurde der Brief vom Stadtpfarramt Laufen am 22.4.1867 irrtümlich an sich selbst frankiert und am nächsten Tag nach Zustellung nachfrankiert und der Adressort auf München geändert. Erkennbar an den Halbkreisstempel vom 22.4 und 23.4. Somit handelt es um einen zweimal frankierten und versendeten Brief.

    Gute Geschichte, kann stimmen!


    Ich habe aber meine Bedenken! Wenn ich mir den Mühlradstempel auf beiden Marken ansehe, komme ich zu der Schlußfolgerung, dass beide Marken gleichzeitig abgestempelt wurden. Es ist ist sehr unwahrscheinlich, dass an zwei Tagen hintereinander identisch abgestempelt wurde. Deshalb würde ich eher vermuten, dass der Brief mit beiden Marken gleichzeitig frankiert wurde. Der Adressfehler wurde entdeckt und nach Korrektur am nächsten Tag ging der Brief nach München. Leider ist der Brief hinten nicht vollständig, um zu ermitteln, ob der Brief über ein Loth gewogen hat.

    Wie seht Ihr das?

  • Lt. Attest von Sem, wurde der Brief vom Stadtpfarramt Laufen am 22.4.1867 irrtümlich an sich selbst frankiert und am nächsten Tag nach Zustellung nachfrankiert und der Adressort auf München geändert. Erkennbar an den Halbkreisstempel vom 22.4 und 23.4. Somit handelt es um einen zweimal frankierten und versendeten Brief.

    Gute Geschichte, kann stimmen!




    Wie seht Ihr das?

    Beabsichtigt war seitens des Absenders von Anfang an, den Brief nach München zu schicken. Deshalb wurde er auch für den zweiten Entfernungsrayon richtig mit 6 Kr. frankiert.

    Entdeckt hat man am Postamt zwar den Adreßirrtum, wußte aber nicht, wohin der Brief wirklich sollte.

    Nach entsprechender Ermittlung beim Absender und Korrektur des Bestimmungsortes erhielt er den zweiten Aufgabestempel.

    Als Ortsbrief hätte er nur 1 kr. erfordert.

  • ...1867 gab es in Bayern keine Entfernungsrayone mehr. In ganz Bayern 3xr. Dann evtl. schon ehr eine 2. Gewichtsstufe.

    Das kommt davon, wenn man nicht auf das Aufgabedatum achtet!

    Da sich das Gewicht offenbar nicht belegen läßt, käme als Indiz für eine bereits anfangs geklebte Mischfrankatur neben der Abschlagsähnlichkeit nur eine Anrechnungspflicht der Überfrankatur von 2 Kr. in Betracht. In einem solchen Falle hätte eine Zufrankatur von 1 Kr. ausgereicht.

    Dazu müßten sich aber die Bayern-Spezialisten äußern.

  • Liebe Freunde,


    viele Möglichkeiten, viele Varianten der Behandlung durch die Post - richtige und fehlerhafte, hier war vieles möglich.


    Ich glaube, er war mit der Nr. 9 frankiert, aber falsch adressiert aufgegeben worden. Ort- und Lokalbriefe 1x franko bis 1 Loth, darüber bis 15 Loth 2x. 3x passten also eh nicht.


    Dann gab man ihn zurück, wodurch die Postleistung abgegolten war (für die Überfrankatur konnte die Post ja nichts).


    Dann als einfacher Fernbrief ab 1.8.1865 ohne Entfernungsunterscheidung erneut für die 2. Reise mit 3x frankiert, jetzt aber wohl am Schalter, wo schon die neuen Wappenmarken vorhanden waren und ab nach München.


    Der Schluß auf eine bestimmte Gewichtsstufe ist nicht tragfähig, weil niemand heute mehr weiß, was mit bzw. in ihm versandt worden ist und die bayer. Post hat nur in Fällen, in denen ein Brief genau 1 Loth wog, dies hin und wieder links oben dokumentiert.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Ja Ralph, bayernjäger und Altsax. Danke für Euere fundierten Analysen. Ich bin froh, dass Ihr es genauso sieht, dass es "sowohl als auch" sein kann.

    Beste Grüße


    Peter

  • Es ist ist sehr unwahrscheinlich, dass an zwei Tagen hintereinander identisch abgestempelt wurde.

    Hallo Dr. Janka,


    Ich neige dazu, mindestens eine Gleichverteilung anzunehmen. Vermutlich ist es sogar wahrscheinlicher, dass die Stempel aufgrund von Gewohnheiten des Postlers ähnlich orientiert abgestempelt wurden!

    LG vom Bayernspezi ! (Franz)

  • ...wäre es möglich die Rückseite des Briefes (auch wenn ein Teil fehlt) und den Inhalt zu zeigen. Eventuell kommen wir ja über die Größe des Briefes und den Text irgendwie weiter?

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo Bayernspezi,
    wenn ich nicht nur die Stempelstellung der Mühlräder sondern auch des Segmentstempels vom 22.4. ansehe und mit der Stellung des Segmentstempels vom 23.4. vergleiche, ist da doch ein ganz schöner Unterschied zu erkennen.

    Beste Grüße


    Peter

  • Hallo Dr. Peter Janka,


    auffällig ist doch die so ungewöhnlich platzierte 3 Kreuzer Quadratmarke.

    Oben links, neben oder unter der Wappenausgabe war genügend Platz,

    und dort hätte sie eigentlich auch hingehört.


    Ich vermute, dass die Quadratmarke mit voller Absicht in Höhe der korrigierten Adresse platziert wurde,

    um zu zeigen, mit der Marke ist jetzt die Strecke nach München bezahlt.

    Der Ablauf wie von Ralph beschrieben, nur dass vom Stadtpfarramt die Wappenausgabe geklebt wurde,

    und die Quadratmarke später am Postschalter.

    Auf der Post in Laufen waren die neuen Wappenausgaben und auch noch Marken der Quadratausgabe vorrätig.

    Die noch vorhandenen Quadratmarken wurden auf der Post verklebt,

    die neuen Wappenausgaben vorrangig an die Kundschaft verkauft.


    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

  • Danke Kilke,

    Das ist gut möglich. Die Wahrscheinlichkeit einer Wertstufengleichen Mischfrankatur liegt wohl weit unter 50%.

    Beste Grüße


    Peter

  • Hallo Herr Dr. Janka,


    Aus dem Schriftfragment ergeben sich neue Aspekte. U.a. wurde die Ortsangabe "München" von gleicher Hand geschrieben. altpostgeschichte.de/core/index.php?attachment/95139/
    Es wäre durchaus möglich, dass beide Marken aus Unsicherheit über die richtige Portohöhe verklebt worden waren, selbst Altsax stolperte und hätte 6 Kr. verklebt, obwohl er mehr Zeit hatte, als der Pfarrer. ;)

    Aus dem Briefinhalt ergibt sich, dass der Pfarrer es ziemlich eilig hatte !
    Er verklebte die erste 3 Kr. Marke verkehrt herum, dann noch weitere 3 Kr. zu viel, (ganz nach dem Motto "lieber zu viel als zu wenig") zu guter Letzt adressierte er ihn dann noch an den Absenderort Laufen und nicht an den Empfängerort München.
    Eine solche Fehlerhäufung passiert nur in Zeitnot.

    Vor meinem philatelistischen Auge sehe ich den Pfarrer an jenem Montag voll im Stress am Schalter stehen mit der dringlichen Bitte um pressante Beförderung. Der Fehler in der Adresse wurde daher zunächst nicht bemerkt, weil der Pfarrer den Expeditor mit seiner Nervosität abgelenkt hat.

    Beide Marken erhielten nun richtungsgleiche, zentrische Mühlradstempel, der Brief den ersten Segmentstempel vom Montag, den 22.04.1867.
    Die etwas unsauberen Mühlradstempel und der unsauber abgeschlagene Aufgabestempel sprechen auch noch für die eilige Behandlung. Der Brief sollte noch rechtzeitig zur Eisenbahn...

    Erst später wurde der Fehler bemerkt, der Brief nicht weitergeleitet und der Pfarrer nebenan alarmiert. Den Zug zu erreichen war wohl zu diesem Zeitpunkt schon chancenlos.

    Am nächsten Tag korrigierte der Pfarrer den bereits überfrankierten Brief im Stadtpfarramt, da mit gleicher Tinte geschrieben und übergab ihn persönlich im 200 Meter entfernten Postamt, um das Missgeschick zu entschuldigen, die Marken waren ja bereits entwertet und er wollte sicher nicht nochmal zahlen.
    Sodann wurde nur noch der neue Ortsaufgabestempel mit Datum 23.4. abgeschlagen, wiederum eiligst.

    Der Brief erreichte noch am 23.4. den Bahnhof München gemäß Stempeldurchschlag.

    In diesem Szenario hätten wir auf jeden Fall einen sogenannten Zeitnotbrief mit wertstufengleicher Mischfrankatur, der aus dem echten Leben stammt.

    LG vom Bayernspezi ! (Franz)

    2 Mal editiert, zuletzt von Bayernspezi ()

  • Hallo Sammlerfreunde,

    die Größe des Faltbriefes und auch der Inhalt geben nichts her, was auf einen Brief der 2. Gewichtsstufe schließen lässt.

    Die Theorie von Bayernspezi mit den vorsichtshalber mehr geklebten 3 xr wegen des Gewichts können wir getrost über Bord werfen. Niemand und schon gar nicht der Stadtpfarrer, welcher sich sicher mit Korrespondenzen aller Art auskannte, hätte dies gemacht.

    Stress wegen eines abfahrenden Zuges können wir ebenfalls vergessen, denn die Eisnbahnstrecke erreichte Laufen erst 1890.

    Fakt ist nur, dass der Brief lt. Ankunftstempel am 23.4. in München war.

    In welchem Jahr dies war, wird sich nicht mehr feststllen lasen, da kein Datumsvermerk vorhanden zu sein scheint.

    Ob der Brief am 22. 4. Laufen überhaupt verlassen hat, wage ich zu bezweifeln, denn wohin hätte man ihr schicken sollen ausser nach Laufen. Dort hat man sehr schnell gemerkt, dass es ein Stadtpfarramt St. Ludwig dort gar nicht gab. Folglich ging er zurück an den Absender. Dieser änderte den Zielort in München und der Brief erhielt zur Entlastung der Post in Laufen einen neuen Aufgabestempel vom 22.4. damit man eine verzögerte Zustellung nicht der Post anlasten konnte.

    Was hat es abar nun mit den zwei Francomarken auf sich? Das bisher nicht gezeigte Attest spricht offensichtlich von authentisch auf dem Brief haftenden Francomarken. Die kopfüber gekelbte 3xr Wappen bereitet mir aber etwas Sorgen, es sieht beinahe so aus, als hätte man diese wegen des Stempels so gedreht angebracht. Hat der Brief also deutliche Stempeldurchschläge des gMR 277, dann könnte alles in Ordnung sein, muss aber nicht. Die Stempeldurchschläge kann man auch nachmachen. Leider habe ich nur zwei Vergleichsbriefe von Laufen, bei beiden wurden die Francomarken neben dem Freivermerk und nicht in einer Briefecke angebracht. Aus diesem Grund gehe ich davon aus, die 3xr Quadrat gehört zum Brief, bei der 3xr Wappen bin ich mir da nicht so sicher.

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo bayernjäger,

    Zur deiner Kenntnis:

    Das Gewicht des Briefes habe ich nicht thematisiert, wie du mir unterstellst.

    Der Brief wurde natürlich mit der nächstgelegenen Eisenbahn befördert. Ankunftsstempel München Bahnhof.
    Der Brief hat Laufen erst am 23. verlassen, siehe 2.Segmentstempel von 23.4.
    Bei beiden Marken ist kein Stempeldurchschlag feststellbar, jedoch Attest Sem.

    Das Jahr 1867 wurde durch Dr. Janka mitgeteilt.
    Bei Deider gibts demnächst einen Laufen-Brief mit 3 Kr. Wappen links oben geklebt.

    LG vom Bayernspezi ! (Franz)

  • Hallo Bayernspezi,

    du hast zwar nicht geschrieben der Pfarrer hätte wegen des Gewichts 6xr geklebt, aber "aus Unsicherheit". Nachdem seit 1865 Briefe innerhalb Bayerns in der 1. Gewichtsstufe 3xr kosteten, musste sich der Pfarrer über die Entfernung keine Gedanken machen sondern nur über das Gewicht. Folglich kann sich diese Aussage nur darauf beziehen oder du hast vorher nicht richtig mitgelesen.

    Jeder Brief wurde irgendwann zur Beförderung der Bahnpost/Eisenbahn (wie du schreibst) übergeben. In Zusammenhang mit diesem Brief macht deine Aussage aber gar keinen Sinn. Wir können vielleicht noch über den Postabgang in Laufen reden und wann und wie oft dort die Postkutsche Richtung Freilassing abging, aber nicht über die Eisenbahnbeförderung eines in 12 Kilometer entfernt abfahrenden Zuges und einen dadurch entstandenen Zeitdruck.

    Ausserdem steht gar nicht fest, dass der Pfarrer persönlich am Schalter stand. Ich vermute sogar ehr der Brief wurde in den Briefkasten geworfen, der Adressfehler dann bei der Abfertigung bei der Post in Laufen bemerkt undder Brief wieder an den Absender zurückgegeben. Hätte er den Brief persönlich abgegeben wäre er vom Postbeamten sicher auf den Fehler angesprochen worden.

    Das Jahr 1867 wurde vermutlich vom Attestersteller angenommen, da derartige Mischfrankaturen hauptsächlich mit Markenausgabenwechsel vorkommen. Dem muss ich aber entgegenhalten, dass die Quadratausgabe noch bis 1869 gültig und auch bis dahin in Mischfrankatur mit der Wappenausgabe vorkommt.

    Eine Frage noch, woher ist dir bekannt, dass keine Stempeldurchschläge feststellbar sind?

    Gruß

    bayernjäger


    PS:

    Noch etwas zu den Stempeln. Beide Stempel waren zu dieser Zeit schon sehr abgnutzt und die Abschläge deshalb schlecht. Insbesondere der Ortsaufgabestempel war schon ziemlich verbraucht und wurde Mitte 1868 durch einen Neuen ersetzt. Mit Eile hat das wenig zu tun.

  • Hallo Udo,


    Die Marken sind in dem Schriftfragment sichtbar, bzw. scheinen durch.


    Hallo Sammlerfreunde,


    Ich hätte mal eine Umfrage:
    Du hast 62, 70, 80, 95 ct. Nominalwerte zur Verfügung.

    Du must einen Brief von Laufen nach München mit über 20-50 Gramm versenden.
    Bezüglich des Portotarifs bist du dir unsicher.
    Du bist im Stress, der Briefkasten wird in 5 min geleert, was verklebst du?

    Bitte kurz nachdenken, nicht nachschauen und ehrlich antworten.

    Bin schon gespannt, wie die Antworten ausfallen.

    LG vom Bayernspezi ! (Franz)

  • Hallo Sammlerfreunde,

    Herr Sem hatte den Brief in Händen und kann deshalb wohl beurteilen, wie es um die Zugehörigkeit der Francomarken steht. Auch wenn seine Aussage einen Restzweifel lässt, hat er sein Urteil nach bestem Wissen und Gewissen gefällt. Das müssen wir so als fachliches Urteil und Fakt ansehen.

    Sollte die Post in Laufen den Brief über den Briefkasten erhalten und in Laufen an den Absender zurückgegeben haben, gibt es nur die Möglichkeit einer Neuafgabe mit erneuter Frankatur.

    Leider habe ich in mehr als 40 Jahren intensiver Beschäftigung mit dem Sammelgebiet Bayern-Kreuzer so viel falsche und verfälschte Briefe gesehen, dass ich bei derartigen Markenkonstellationen (insbesondere mit verdreht dazugeklebten Marken zur Stempelrichtigstellung) immer sehr vorsichtig bin und mich auf meinen eigenen Blick auf das Objekt verlasse. Deshalb bezüglich meiner Meinung nichts für ungut.

    Was die eigentlichen Geschehnisse um die Briefaufgabe betrifft, ist es natürlich jedem selbst überlassen eine abenteuerliche Geschichte oder dem üblichen Procedere, Regularien und örtlichen Gegebenheiten entsprechenden Fakten zu glauben.

    Gruß

    bayernjäger