Württemberg - USA - Württemberg retour

  • Liebe Freunde,


    folgender Brief wird bald bei mir landen - ich möchte ihn aber schon heute hier vorstellen. Er lief von Nagold nach Rom in die USA (nein, das ist kein Schreibfehler!) und wieder retour. Am 6.3.1854 ging er auf die Reise - und die wurde etwas länger, als sich der Absender das vorgestellt hatte ... Wer kann ihn beschreiben? Ich bin gespannt!


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    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    zu diesem Thema kann ich folgenden Brief zeigen:



    Am 26.7.1856 in Cannstadt aufgegeben, ging es über Köln (rs. K2 vom 27.7.) und Aachen (K2 vom 28.7.) mit 5 Cts. Portobelastung per Closed mail in
    die USA.
    Dort kam der Brief am 11. August in New York an (kopfstehendes Tagesdatum im Stempel) und wurde nach St. Louis (ich vermute das in Missouri) mit 30 Cent Portobelastung weitergeleitet. Dort konnte er nicht zugestellt werden und wurde im Postamt ausgehangen (K1 ADVERTISED vom 15.8.).
    Auch hier holte ihn niemand ab und er landete am 1.1.1857 im Deadletter-Office von St. Louis (schwacher K1 rs.). Von dort ging es zurück über den Atlantik nach Preußen - ich vermute, von hier stammt der rote Ra2 Am Bestimmungsort nicht abgefordert.
    Zurück in Württemberg wurde vermutlich hier der Brief zur Absenderermittlung geöffnet (es fehlt leider ein teil der Rückseite) und handschrfitlich notiert Schulteiß ??? Hedelfingen



    Am 6.5.1857 wurde der Brief in Obertürkheim zugestellt (rs. HKS).
    Es gibt rückseitig noch ein Fragment eines badischen Kursstempels, das aber nicht datierbar ist.
    Zu den blauen Tintentaxen 2 und 45 kann hoffentlich ein Kundiger hier was sagen. Ebenso dazu, ob meine obige Interpretation stimmig ist.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    der Absender des amtlich von der Retourbriefcommission geöffneten Briefes (zweites Siegel - Oblaten gab es noch nicht) war der Schultheiß Koch in Helderfingen.


    https://www.google.de/url?sa=t…A_s2kCxPGbehTwN21pexMC-Kg


    Zitat

    Zu den blauen Tintentaxen 2 und 45 kann hoffentlich ein Kundiger hier was sagen. Ebenso dazu, ob meine obige Interpretation stimmig ist.


    Portobriefe mit der PCM waren mit 2 Sgr. für die Aufgabepost bis 1 Loth vorzutaxieren (= 5 Cents) und der Absender musste das gesamte Porto von 45x zahlen, nachdem dies der Empfänger nicht konnte.


    Ein Traumbrief und die Beschreibung stimmt so wie so.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    vielen Dank für die Aufschlüsselung der Angaben.
    Was beinhalteten die 2 Sgr. Vortaxe von Preußen? Nur den (reduzierten) Postvereinsanteil, oder?


    Zitat

    Schultheiß Koch in Helderfingen


    Ich meine allerdings weiterhin Hedelfingen zu entziffern. Dies liegt auch direkt Obertürkheim benachbart, so dass der Ausgabestempel bei der Retoursendung Sinn macht.
    Das von dir genannte Helderfingen (Gerstetten) ist doch deutlich weiter entfernt.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    du hast Recht - Hedelfingen ist richtig.


    2 Sgr. erhielt Württemberg von Preußen. Diese entsprachen 5 Cents. Bei einfachen Portobriefen via PCM in die USA hatte die Aufgabepost die 6x, die der Aufgabepost zustanden, gleich in Groschenwährung zu notieren, wie hier richtig geschehen.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    Versuch der Interpretation eines komplizierten Briefes aus Württembreg über Bremen in die USA, dort nicht zustellbar/abgeholt und wieder über Bremen retourniert mit sensationeller Involvierung der bayerischen Post.


    Geschrieben wurde der Familienbrief am 6.12.1853 in Rohrdorf bei Nagold in Württemberg an "Johanes Maurer, Rom(e), Staat New York, Nord Amerika". Eine Leitungsangabe entfiel und der Leitungsmöglichkeiten gab es damals mehrere. Er wurde, weil Rohrdorf noch keine eigene Post hatte, im nahen Nagold unfrankiert aufgegeben, wo er den Zweizeiler vom 6.12.1853 erhielt und mit 9 Kreuzer Porto bis Bremen vortaxiert wurde. In FFM erhielt er einen Transitstempel, dessen Datum wohl der 7.12.1853 war und wurde von hier aus nach Bremen geleitet.

    Thurn und Taxis Bremen stempelte am ??.12.1853 Posteingang und übergab den Brief am 15.12.1853 der preussischen Post in Bremen (Rahmenstempel), warum auch immer.

    Zu dem Vereinsporto von 9 Kr. kam noch das Porto von 32 Kr. für die Verschiffung über GB und das Inlandsporto bis 1/2 Unze für die USA, total also 41 Kr..

    In New York kam er am 17.3.1854 erst an und wurde mit dem Debitstempel in schwarz über 22 Cents (steht oben) versehen. Die Leitung nach New York erfolgte mit der Washington der Ocean Line (Abgang in Bremen erst am 24.2.1854? über Southampton am 1.3.1854 und Ankunft am 16.3.1854.

    Bis zum 31.12.1853 galt noch der o. a. Altvertrag vom 1.7.1852, ab dem 1.1.1854 aber galt über Bremen der neue Postvertrag, der eigentlich 6 Kr. für Württemberg und 16 Kreuzer fremdes Porto vorsah; hier galt aber wohl noch wegen der Aufgabe im Dezember 1853 der Altvertrag.

    Von New York aus ging es nach Rome im Staat New York, das eigentlich erst 1870 gegründet wurde, wohl aber schon zuvor bestanden haben muss. Dort wurde der Brief aber nicht abgeholt und nach Monaten mit dem Stempel (vorne unten linke) "Not called for" (nicht abgeholt) und einen weitere Stempel des "Dead letter office" unten rechts) nach New York zurück geschickt.

    In New York wurden diese Retourbriefe nun gesammelt, bis man genug beieinader hatte und diese dann mit der Ocean Line, wieder die Washington, nach Bremen retourniert (Abfahrt der Washington am 4.11.1854 in New York, in Southampton am 19.11.1854 und in Bremen am 21.11.1854). Wichtig war es bei der Rücksendung, den Laufweg in die USA zu beachten und nicht einen anderen Laufweg zu wählen, weil die Porti hin und her sonst nicht hätten mit der richtigen Postverwaltung verrechnet werden können.

    Bremen bekam ihn nun am 21.11.1854 und sandte ihn nach Ludwigshafen am Rhein (Rheinpfalz = Bayern) ab, wohl mit 33 Kr. belastet, die 22 US Cents entsprachen. Ludwigshafen konnte mit dem Brief natürlich nichts anfangen und musste die einlangende Briefkarte (Bremen - Frankfurt am Main - Heidelberg - Mannheim - Ludwigshafen) korrigieren über die mitlaufende Attestkarte und sich so exkulpieren (oben rechts: "retour nach Frankfurt"). Man sandte den Brief dann nach FFM zurück, wo er richtig weiter nach Nagold geschickt wurde.

    In Nagold steckte man ihn unter den Retourbriefen im Postbüro aus, aber es fand sich keiner, der ihn auslösen wollte und durfte, daher sandte man ihn geschlossen mit anderen Briefen an die Retourbriefcommission nach Stuttgart, wo er zur Absenderfeststellung geöffnet wurde. Siegelseitig notierte man mit roter Tinte: "A. M. Seeger, Rohrdorf" und sandte ihn mit einer Retourmarke verschlossen nach Nagold retour, wo man ihn durch den Landbriefträger dem Empfänger zustellte (von Nagold aus am 26.11.1854).

    Dieser war haftbar zu halten für alle im Laufe des Transports angefallenen Porti, also 41 Kr. plus 1 Kr. Botenlohn = 42 Kr., wie unten links vermerkt.


    Der Stempel oben links "7 / 15" stammt aus Bremen (habe ich im van der Linden nicht gefunden) und signalisierte das Verhältnis von 7 US Cents Forderung von Bremen (9 Kreuzer) und 15 US Cents für den Transit und die Leitung in die USA für die USA = 22 US Cents, wie auch später im New Yorker Stempel in schwarz (der Farbe des Portos, rot wäre die Farbe des Frankos gewesen) zu erkennen ist.


    Ich weiß nicht, ob der Brief damit perfekt beschrieben ist, aber ich danke meinem lieben Sammlerfreund Rob Faux für seine großartige Hilfe. Eine Kopie der Scans ging auch an Dick Winter, den König der Transatlantikbriefe, in der Hoffnung vlt. noch mehr heraus zu finden. Wer wann wo welche Taxe genau vermerkte, ist nicht einfach und die blauen / 9 und "pro 9" für das Retourporto von 9 Kreuzern können überall angebracht worden sein.

  • Ich weiß nicht, ob der Brief damit perfekt beschrieben ist, aber

    ...Hauptsach die Pälzer henn alles rischdig g`macht 8o


    Spaß bei Seite, natürlich absolut top-tolles Stück, auch von der Optik her, das eine halbe Weltreise auf dem Buckel hat. Scheint vom Inhalt zwar wohl nicht so spannend zu sein, aber die 41 Kr-Version der Überseepost umso mehr, da habe ich noch rein gar nichts von belegt. Dann auch noch über die Retourebriefcommission gelaufen, mit deren klassischen Rötelvermerk...das ist schlichtweg der Vorschlaghammer, wie oft wohl gibt`s noch so eine Kombination !?


    Besten Dank für`s zeigen + Gruß !

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Ralph,


    ein wirklich klasse Brief, den du an Land gezogen hast. Die Entschlüsselung muß man erst mal hinbekommen. :)


    liebe Grüße

    Dieter

  • Hallo Ralph,


    Klasseteil, und die Beschreibung ist noch besser.


    Zum 7/15-Stempel. Ist im van der Linden der 3109, aus Bremen, ab 1853 vorkommend.


    LG

    Christian

  • Liebe Freunde,


    vielen Dank für eure netten Kommentare, die auch für Rob gelten. :)


    Das mit den Stempel 7 / 15 muss ich übersehen haben und verspreche das nachzuprüfen, wenn 9 kg Maine Coon Kater sich umbetten möchten ... ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph



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