Der besondere Brief - Das besondere Poststück

  • Hallo Sammlerfreunde,

    ein Brief an die bekannte Adresse G. A. Zorn in Üttingen (bei Würzburg) vom 13.6.1863.

    Bei diesem Brief lief einiges schief.

    Geschrieben am 13.6. von der Drahtstiftefabrik Klett & Co. in Nürnberg und mit 6 Kreuzer frankiert für einen Brief der 1. Gewichtsstufe in die 2. bayerischen Entfernungszone zur Post gegeben.

    Die Franco-Marke wurde mit einem ganz schwach abgeschlagenen Bahnpoststempel am 16.6. entwertet. Der Absender vermerkte Uttingen bei Schweinfurt. Lt. Ankunftstempel kam der Brief am 17.6. in Schweinfurt an. Dort vemerkte man, "bei Roßbrunn Würzburg ab!", da Üttingen nicht bei Schweinfurt liegt.

    Damit aber wenigstens der ordentlichen Markenentwertung Genüge getan wurde, stempelte man die Franco-Marke in Schweinfurt mit dem offenen Mühlradstempel 479 nach.

    Ohne Stempel aus Würzburg oder Roßbrunn gelangte der Brief an Herrn G. A. Zorn.

    Unterwegs vermerkte man mit Rotstift noch "woher?", da der Bahnpoststempel kaum zu lesen war und man sich wohl über das korrekte Franco Gedanken machte oder "wohin?", da man in Schweinfurt zunächst nicht wusste an welche Adresse er zugstellt werden sollte.

    Die Vermerke auf der Briefrückseite stammen vom Empfänger.

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo Sammlerfreunde,

    unlängst gab es um den nachfolgenden Brief bei ebay eine regelrechte Bieterschlacht bei der auch einige Forumsmitglieder beteiligt waren.

    München - Amsterdam - Weiterleitung nach St. Petersburg vom 4.3.1871

    Korrekt mit 7 xr nach dem Vertrag Preußen-Niederlande vom 1.10.1868 frankiert ging es zunächst von München nach Amsterdam. Das Weiterfranko wurde mit 9/12 Sgr. mit Rotstift vermerkt. Laut Ankunftstempel erreichte der Brief Amsterdam am 5.3.1871. Der Empfänger weilte aber in St. Petersburg. Die Weiterleitung erfolgte laut vorderseitigem Stempel am 6.3.1871. So gelangte der Brief wieder in den Bereich des Norddeutschen Postbezirks.

    Nach dem Vertrag zwischen Preußen und Russland vom 13.1.1866 waren unfrankierte Briefe (auch aus dem Ausland eingehende) mit 3 Sgr. vorzutaxieren, was hier mit einer blauen 3 vermerkt wurde.

    Jetzt wird es aber interessant, zusätzlich wurde ein Stempel "Unzureichend frankiert" angebracht. Weiterhin eine in Klammern gesetzte 2 mit Rotstift unter der Franco-Marke angebracht, was den Gegenwert der 7 xr in Sgr. darstellte. Während für unfrankierte Briefe das volle Porto angesetzt wurde, wurde bei unzureichend frankierten Briefen der Gegenwert der Franco-Marke bei der Portoerhebung beim Empfänger in Abzug gebracht.

    Ob das hier so regelkonform war, konnte ich bisher noch nicht genau klären.

    Der Empfänger zahlte die rückseits mit roter Tinte vermerkten 12 Kopeken. Ankunft St. Petersburg am 25.2.1871 (nach dort gültigem Kalender).

    Ein Portobrief aus dem Bereich der Norddeutschen Bundes bzw. Bayern nach Rußland kostete meines Wissens 20 Kopeken. Da hier nur 12 Kopeken vermerkt wurden nehme ich an die 7 xr/2 Sgr. wurden angerechnet und vom Gesamtporto in Abzug gebracht.

    Gerne höre ich aber auch andere Interpretationen dieses ungwöhnlichen Briefes.

    Vielleicht könnte noch jemand den rückseits geschriebenen Text übersetzen?

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo Udo,

    da hatte ich gedacht, knapp 200 Euro würden auch reichen ...

    Der Brief wurde offensichtlich in Amsterdam ausgeliefert und später wieder dort zur Post gegeben. Der Postenlauf Bayern - Dt. Reich/NDB - Niederlande war also beendet worden.

    Als Zeichen dafür sehen wir den Amsterdamer Aufgabestempel vorne, der genau dies dokumentieren sollte.

    Demnach war seine 2. Reise von Amsterdam nach St. Petersburg gleich zu setzen mit einem gewöhnlichen Portobrief. Für die deutschen Staaten galten 2 Sgr. = 7x als Franko bis zur russischen Grenze - bei unfrankierter Absendung wie hier waren es m. W. 3 Sgr..

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    nachdem 3 Wahnsinnige glaubten, mich bei der Eli Weber - Sammlungsauktion Numero 3 in Wiesbaden, unbedingt ausbremsen zu müssen, konnte ich mir doch ein gutes Stück sichern, auch weil es das mir Wichtigste war, freute mich ganz besonders.

    Ein Brief der Postablage Marquartstein ist sicher keine Massenware, eine Farbfrankatur schon gar nicht.

    Eingeschriebene Briefe von Postablagen kennen wir nur in wenigen Fällen - da ist jeder eine Granate.

    Briefe mit aufgeklebtem "Chargé-Zettel" sind mir nur in einstelliger Zahl bekannt, also wird es auch da ganz, ganz eng.

    Briefe von Postablagen nach außerhalb Bayerns sind ebenfalls handverlesen, 99% verblieben bei inländischen Adressen.

    Und Briefe mit einliegenden Photographien kenne ich auch keine 10 Stück, von einer Postablage sowieso nicht und ob es jemals ein Pendant dazu gegeben hat in der bayer. Kreuzerzeit, würde ich sehr infrage stellen.

    Und der Clou: Es gibt tatsächlich EINEN Brief, der das alles hat, der alles zeigt und jetzt ist er in meiner Sammlung. Herr Sem attestierte das genauso, nur hat er vornehm hinsichtlich seiner Beschreibung auf die inliegende Photographie verzichtet, wobei das natürlich äußerst spannend ist, weil diese damals nicht gratis war und somit einen (nicht ganz unerheblichen) Wert darstellte, aber die Post hat das wohl in Marquartstein locker gesehen und keinen Fahrpostbrief daraus gemacht, sondern ihn bei der Briefpost belassen.

  • Lieber Ralph,

    danke für das zeigen dieser Ober-Rosinen-Granate!!! Und deinen Verzicht auf eine Vielzahl von Bernatzschen Pizzen!!

    Grüße

    Andreas

    Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (Lenin nachgesagt)

  • Lieber Andreas,

    zahllose, zahllose Pizzen sind jetzt wieder im freien Umlauf ... :D:D

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    da hast du wirklich eine Oberrosine bekommen. Post nach oder von Italien finde ich immer gut und wenn Riva ins Spiel kommt besonders. :)

    Leider war ich lange nicht mehr a oberen Gardasee. :(

    liebe Grüße

    Dieter

  • Lieber Ralph,

    auch von mir Glückwunsche zum Erwerb dieses außergewöhlich interessanten Briefes.

    Ich war bei der Weber-Auktion auch vor dem PC, habe aber meinen gewünschten Brief nicht bekommen.

    Das lag aber nicht daran, dass ich zu knauserig war. Bei mir hat das System meine höheren Gebote einfach nicht mehr angenommen. Na ja, es gibt ja im März noch eine weitere Weber-Auktion.

    Viele Grüße

    Wolfgang

  • Das Stimmt natürlich. Ca 1990 hat mir ein Hotelier in Riva erklärt, daß die öffentliche Verwaltung und das Finanzwesen durch die lange Zugehörigkeit zu Österreich immer noch viel besser funktionieren würden als in südlichen Nachbarprovinz Brescia. Dadurch seien die Preise in Gastronomie und Hotels im Trentino höher als wenige Kilometer weiter südlich. Es würde wesentlich weniger Geld am Staat vorbei verdient als dort.

    Ob das 30 Jahre später noch gilt weiß ich nicht.

    Dieter

  • Lieber Ralph,

    das ist aber mal ein besonderes Stück! Glückwunsch dazu.

    Welchen Hintergrund hat den das kleine Zettelchen mit dem Chargé-Stempel? Wurden diese bei der Postablage deponiert, da man dort kein eigenen Stempel hatte?

    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Liebe Freunde,

    vielen Dank für eure netten Kommentare.

    Lieber Michael,

    es wäre möglich, dass sich der Inhaber der Postablage vorab Zettelchen mit seinem Chargé-Stempel anfertigte und im Bedarfsfalle aufklebte. Ob das jetzt eine echte Zeitersparnis darstellte, weiß ich nicht, aber in Anbetracht der Tatsache, dass es das wohl nur einstellig gibt von ganz Bayern, dürfte diese Maßnahme wenig sinnvoll gewesen sein.

    Das Gegenteil von gut ist halt nicht schlecht, sondern gut gemeint ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Oha,

    den Beleg sehe ich auch erst gerade, sagenhaft, sehr schön !

    Adressat dürfte der ehem. Bürgermeister von Riva del Garda, Bartolomeo Bernardinelli gewesen sein, der 1851 eine schöne Villa, die ehem. Sommerresidenz des Grafs von Torresani gekauft ...

    Fortbildungswoche Gardasee

    ...und lt. der Anzeige in der Beilage der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 4. Oktober 1870 anbei wohl wieder vermietet hat....passt ja zur Adressierung recht gut...

    LG

    Tim :thumbup:

  • Hallo Sammlerfreunde,

    an den Brief von Ralph kommt dieser hier nicht ganz ran, aber er geht wenigstens wirklich in das Königreich Italien und zeigt zudem weitere Besonderheiten.

    Neustadt a.d. Aisch - Padua vom 16.12.1867, frankiert mit 14 Kreuzern.

    Die Postablage Neustadt a.d. Aisch stempelte grundsätzlich neben der Frankatur und entwertete die Franco-Marken nicht. Die Entwertung erfolgte grundsätzlich bei der Postexpedition.

    Zudem ist der Brief mit 2 Kreuzer überfrankiert. Mit Eröffnung der Brennerbahn erfolgte der Abschluß eines neuen Postvertrages, der zum 1.10.1867 ein Gesamtfranco von 12 Kreuzer vorsah. 6 Kreuzer für Bayern, 6 Kreuzer für Italien, hier mit einer roten "6" als Weiterfranco vermerkt.

    Der Brief ist nach dem Vertrag vom 21.5.1862, mit Änderung der Rayongrenzen vom 6.11.1866 nach dem 1866er Krieg in einen Ort des I. italienischen Rayons mit einem Franco von 9 Kreuzer für Bayern und einem Weiterfranko für Italien von 5 Kreuzer (= die verklebten 14 Kreuzer) korrekt frankiert. Die Vertragsänderung hatte sich wohl noch nicht bis in die Postablage Neustadt a.d. Aisch herumgesprochen.

    Gruß

    bayernjäger