• An dieser Karte vom 5. Mai 1907 von Darmstadt nach Kiel haben sich schon viele Experten die Zähne ausgebissen - mich eingeschlossen. Es geht um die Frage, wer Absender(in) ist.

    Zunächst die Empfängerin: I.Kgl.H. (Ihre Königliche Hoheit) Prinzessin Heinrich von Preußen, das war Irene von Hessen-Darmstadt (1866-1953), Ehefrau von Prinz Heinrich von Preußen (einem Bruder von Kaiser Wilhelm II.) und Schwester der letzten russischen Zarin Alexandra Fjodorowna. Sie war eine Tochter von Alice von Großbritannien und Irland und somit eine Enkelin von Königin Victoria. Irene lebte damals auf Gut Hemmelmark bei Eckernförde, was wiederum in der Nähe des Dienstortes ihres Mannes Heinrich lag, der damals Chef der deutschen Hochseeflotte war.

    Der Text der Karte lautet: "5. Mai Darmstadt. Vielen Dank für liebe Depeche. Habe auch sehr bedauert Euch nicht gesehen zu haben. T'embrasse" - ja und dann? Auché? Alicki?

    Ich habe die Karte schon einigen Experten und Expertinnen vorgelegt, aber keine(r) kam zu einem überzeugenden Ergebnis, wer diese Karte geschrieben hat. Ich selbst habe zig Dokumente der Familie von Irene verglichen, aber keine gefunden, die eine endgültige Aussage zuließen.

    Die meisten, die etwas dazu zu sagen hatten, nannten den Namen Alix oder auch Alicki. Alix von Hessen-Darmstadt war die Schwester von Irene. Sie wurde am 17. Juli 1918 in Jekaterinburg ermordet - als letzte russische Zarin.

    Ein Schriftvergleich überzeugt mich aber nicht. Schaut mal die Karte, die die Zarin an ihren Cousin König George V. von Großbritannien geschrieben hat (leider nicht in meiner Sammlung, sondern im Besitz von Elizabeth II.). Für mich gibt es da gravierende Unterschiede.

    Dennoch ist die Karte von jemand Vertrautem und Ebenbürtigem geschrieben wurden, mutmaßlich einem Familienmitglied. "T'embrasse", ich küsse Dich, würde man sonst nicht schreiben. Die Schrift scheint mir eine weibliche zu sein. Ich habe aber im nächsten Umfeld niemanden gefunden, zu dem die Schrift passen würde.

    Stichwort Portofreiheit: Das Haus Hessen-Darmstadt hätte zwar m.W. 1907 noch Portofreiheit in Anspruch nehmen können. Dass die Karte frankiert ist, sollte man dennoch nicht überbewerten. Denn tatsächlich wurde die Portofreiheit nicht immer in Anspruch genommen, gerade bei privaten Postkarten nicht.

    Deshalb habe ich auch gleich noch eine Karte von Irene, Prinzessin Heinrich von Preußen, selbst angefügt, ebenfalls aus dem Jahr 1907. Sie schreibt ihrem 18-jährigen Sohn Waldemar (1889-1945) auf Englisch!

    "Thanks for card. Fine weather here to day + frost. Hope well + getting on with lessons + xmas presents. Uncle + I often walk out this way. Kisses from Mama Irène."

    Der erwähnte Onkel war Ernst Ludwig (1868-1937), letzter Großherzog von Hessen und bei Rhein. Die Karte zeigt den Blick vom Eingang ins Darmstädter Schloss Richtung Rheinstraße (die auch heute noch so heißt).

    Hat wer von Euch eine Idee, wer Absender(in) der Karte an Irene sein könnte? Vielleicht gibt es ja ein Vergleichsstück irgendwo? Oder ist es doch die letzte Zarin und ich habe mich zu sehr an der Handschrift festgebissen?

    Vielen Dank und viele Grüße aus Neu-Delhi

    Peter

    PS: Die Vorderseite der Karte an Irene fehlte. Es ist eine Chinoiserie-Postkarte, die damals ziemlich beliebt war. Dennoch kein Hinweis auf die Absenderin.

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    Einmal editiert, zuletzt von Real Royal Mail (19. Dezember 2021 um 13:01)

  • Hallo Peter,

    bei der oberen Karte war die Absenderin, da hast du genetisch Recht, eine Alix, was damals ein gängiger, weiblicher Vorname war.

    Von derselben Hand, glaube ich, sind die Karten aber eher nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Das ist eine spannende Frage. Die Idee von Alix von Hessen-Darmstadt klingt gut, aber ich denke die Schrift passt nicht. Die normale Unterschrift war ja so.

    Also viel geschwungener und schnörkeliger. Kann es denn sein, dass jemand so eine Karte in ihrem Namen geschrieben hat?

  • Nein, das nicht. Die Handschrift ist der von Alix schon ziemlich ähnlich. Das war keine Hofdame. Wenn, dann war es wer aus der engeren Familie, würde ich sagen. Alix‘ Spitzname war übrigens Alicki.

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  • Danke für den Hinweis, das kenne ich nicht. Aber Alix-Handschriften finden sich im Internet tatsächlich viele. Ich suche eher nach jemandem im Umfeld, der eine ähnliche Handschrift hat und wo der Name zur Unterschrift passt.

    Ich werde mich mal hier auf die Suche machen: http://www.deutsche-digitale-bibliothek.de

    Da sind deutsche Zeitschriften und Zeitungen aus dieser Zeit archiviert. Eine tolle Quelle für Sammler und Forscher wie wir.

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  • "Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, Baden-Baden" - Schon die Empfängerin dieses Briefes mit Aufgabestempel POTSDAM 5.6.1876 ist bemerkenswert: Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach (1811-1890), Ehefrau von Wilhelm I., Königin von Preußen und seit 1871 erste Deutsche Kaiserin. Aber auch der Absender ist nicht irgendwer (was man schon am rückseitigen Siegel erkennt): Es ist ihr Sohn Friedrich Wilhelm (1831-1888), als Nachfolger seines Vater und mit dem Namen Friedrich III. Deutscher Kaiser im Jahr 1888. Er hat den Umschlag vorderseitig mit seiner Paraphe gezeichnet - und so auch die Portofreiheit bestätigt. Familienpost sozusagen - und als solche besonders interessant.

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  • ... tolles Stück - war ja nur sehr kurz Dt. Kaiser (leider!). Herzlichen Glückwunsch zu dieser Pretiose. :):)

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Vielen Dank, Ralph! Ja, er war nur 90 Tage Kaiser, weil er schon schwer krebskrank war beim Tod seines Vaters. Er wäre wohl ein anderer Herrscher gewesen als sein Nachfolger Wilhelm II..

    Viele Grüße

    Peter

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  • Und da wir gerade bei den Kaisern sind: Hier noch ein Brief von Friedrichs Papa, der sich anno 1871 im Spiegelsaal von Versailles zum ersten Deutschen Kaiser hat krönen lassen: Wilhelm I., von 1861 an schon König von Preußen. Aufgegeben beim Cabinets-Postamt am 17. September 1876 und adressiert - wie der vorher gezeigte Brief - "Ihrer Majestät der Kaiserin u. Königin in Baden-Baden", sprich seine Frau Augusta. Über dem eingedruckten blauen Kaiserwappen auf der Rückseite des Umschlags das rote Wachssiegel mit einem kleinen Petschaft mit Krone.

    Die Handschrift Wilhelms I. ist recht charakteristisch (nicht so wie die seines Sohnes Friedrich Wilhelm allerdings), deshalb ist er leicht zu identifizieren. In diesem Fall ist es einem bekannten deutschen Aktionator allerdings nicht gelungen: Der Brief war nur aufgrund seiner Anschrift herausgehoben wurden, nicht aufgrund des Absenders. Soll passieren.

  • Hallo,

    wenn der Brief beim 'Cabinets-Postamt' aufgegeben wurde, ist auch der Absender nicht irgendwer. Dieses Postamt stand nur Mitgliedern des regierenden Hauses oder hohen Staatsbediensteten zur Verfügung. Der erste Stempel von 1823 dieser Dienststelle ist zwar nicht selten, aber wegen der oft hochgestellten Empfänger meist relativ teuer zu bezahlen.

    Der Beschreiber der Loses war anscheinend nicht ganz wach oder wußte es nicht.

    beste Grüße

    Dieter

    Einmal editiert, zuletzt von Klesammler (17. Februar 2022 um 16:11)

  • Hallo Peter,

    wenn man so ein Stück unerkannt schnappen kann, ist man gleich 3 Jahre jünger (altern tuen wir schon früh genug) und das Glücksgefühl ist unbeschreiblich. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Dies ist ein Brief von Carola von Wasa-Holstein-Gottorp (1833-1907), die als Ehefrau von König Albert I. die letzte Königin Sachsens war. Adressiert von ihr an eine Hofdame in Brüssel, rückseitig das prächtige Monogramm CAROLA. Poststempel DRESDEN-STREHLEN 29.1.1891, Ankunft Brüssel am 31.1..

    Portofreiheit bestand m.W. nur für Post innerhalb des Deutschen Reiches, nicht aber ins Ausland.

    In Strehlen stand die königliche Villa, wo Carola mit ihrem Mann lebte.

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  • ... wie ich überhaupt anhand deiner vielfältiger Briefe sehe, dass eine Portofreiheit, die ich hier und da unterstellt hätte, oft entweder nicht bestand, oder nicht auf ihr bestanden wurde.

    Ich weiß aber leider auch nicht, ob der UPU überhaupt Portofreiheiten der Fürstenhäuser schriftlich fixiert hatte - ich denke aber eher nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (29. August 2022 um 20:37)

  • In diesem Fall war es wohl die Tatsache, dass es ein Auslandsbrief war. Ich wüsste nicht, dass der Weltpostverein Adligen irgendwelche Privilegien eingeräumt hätte. Vereinbarungen gab es lediglich innerhalb des Empires oder später des Commonwealth. Post des britischen Königshauses war in solchen Fällen portofrei.

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  • Danke, dann sehen wir das ja gleich.

    Was es bei Bayern (dort aber nur ganz selten) gab, waren Briefe von Personen hoher/höchster Stufe, die in Bayern auch bei Auslandsbriefen portofrei gestellt waren, aber die fremden Gebühren tragen mussten (also z. B. Bayern - Schweiz Korrespondenz von König Ludwig II an den Tonsetzer Richard Wagner).

    Der König zahlte bis Lindau nichts und die bayer. Postverwaltung musste 6 Kreuzer (oder 3 Kreuzer, je nachdem, wo sich Wagner aufhielt in der CH) aus ihren Einnahmen für den Schweizer Anteil bezahlen.

    Dergleichen hatte ich eigentlich häufiger bei deinen Deutsch-Britischen Hochadelsbriefen zu sehen erwartet und war überrascht, dass fast immer voll (in Marken) frankiert wurde, oder werden musste.

    Aber dieses zugegebenermaßen sehr weite Feld ist nicht einfach zu beackern, dafür jedoch hoch spannend und historisch bildend, und was kann man sich als Sammler mehr wünschen, als diese Kombination?

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo zusammen,

    Portofreiheit gab es gemäß Art. 8 Satz 2 des damals gültigen UPU-Vertrags nur für Korrespondenzen der Postanstalten der Vertragsstaaten untereinander, später trat noch jene von Kriegsgefangenen und Internierten hinzu...das war`s.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Zumindest im britischen Königshaus war es so, dass dessen Angehörige nicht immer Portofreiheit in Anspruch genommen haben. Warum auch, wenn es nur um ein paar Penny Porto ging? Hier ein Brief von Prinzessin Margaret (1930-2022), Schwester von Queen Elizabeth II, aus dem Jahr 1967. Erkennbar ist der Ursprung des Briefes nur durch die Handschrift und das "M", mit dem sie ihre Post auf der Vorderseite links unter gekennzeichnet hat. Dazu sagen muss man aber auch, dass Margaret selbst keinen Monogrammstempel zur Verfügung hatte, wie er für die Kennzeichnung der Portofreiheit obligatorisch war. Die Post hätte erst in den Buckingham-Palast gebracht und gestempelt werden müssen. Alles offenbar zuviel Aufwand...

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  • Liebe Freunde,

    ich danke euch - wieder was dazu gelernt und bitte weiter machen mit schönen und lehrreichen Briefen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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