Die militärische Prüfungsstelle München beim I. bayerischen Armeekorps 1914-1918

  • Vor ein Paar Wochen habe ich mal wieder eine Internetrecherche über die Postzensur im 1. Weltkrieg angestoßen und zu meiner Überraschung etliche Treffer im Münchner Hauptstaatsarchiv gehabt. Die Akten des Stellvertretenden Generalkommandos des I. Bayerischen Armeekorps sind digital zugänglich und die Abteilung PIV enthält insgesamt 273 Akten, die mit der Postzensur zu tun haben.

    Anfang September hatte ich nun Gelegenheit die ersten Akten in Augenschein zu nehmen. Der erste Eindruck war sehr gut. Die Akten scheinen vollständig vorhanden zu sein und sie wurden höchstwahrscheinlich nicht ausgedünnt, wie es in Stuttgart der Fall ist. Mit ca. 230 Digitalfotos bin ich dann wieder nach Hause gefahren und transkribiere diese jetzt in ein digitales Format.


    Mein besonderes Interesse gilt natürlich der Prüfungsstelle für Geschäftsbriefe in München, die Anfang August 1914 im Verkehrsministerium in der Arnulfstrasse in den Zimmern 174/I untergebracht wurde. Das eine Zimmer war für den Vorstand der Prüfungsstelle und dessen Beisitzer vorgesehen und das andere Zimmer fungierte als Postannahmestelle für die geprüften Briefe. Auch in München existierte eine Liste mit Firmen, die diesen besonderen Dienst in Anspruch nehmen konnten. Anfangs waren es wenige Dutzend Firmen (meist Banken) aber mit der Zeit wuchs die Liste auf über 200 Firmen an. Insgesamt wurde die Prüfungsstelle wohl sehr gewissenhaft geführt und Beanstandungen waren recht selten.

    Solange die Prüfungsstelle im Verkehrsministerium existierte wurde die Post immer mit demselben Stempel entwertet:



    Dieser Stempel wird allerdings in den Stempelbearbeitungen von Dr. Helbig immer als fraglich oder als Falschstempel bezeichnet. Als Entwerter für Zensurpost ist er sicherlich echt, weil er auch massenhaft in den Akten als Bestätigung für diverse Vorgänge belegt ist.

    Der erste Zensurstempel ist ein Rahmenstempel: Prüfungsstelle des I. Armeekorps München



    Dieser wurde durch eine Verfügung des stellvertretenden Generalkommandos vom 29. August 1915 durch einen ovalen Dienststempel ersetzt. Am 9. September 1915 bescheinigt die K. Postmaterialverwaltung den Erhalt des rechteckigen Stempels - er wurde aus dem Verkehr gezogen. Erstaunlich ist, dass die Postmaterialverwaltung diesen Stempel wohl beschafft hat und nicht das stellvertretende Generalkommando. Ist das dann ein postalischer Stempel?

  • Hallo Axel,


    allererste Sahne, nur so kommt man in Philatelie und Postgeschichte weiter. Über soviele Dinge besteht noch kaum Wissen. Dein Engagement ist ein weiterer Baustein, der sich wie man schon auf den ersten Hieb erahnen kann lohnt. Wir sprechen in Straubing weiter drüber, ich bin ja auch gerade wegen einer Geschichte in bzw. mit den Archiven unterwegs. :thumbup:


    LG

    Tim 8o

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer ()

  • Typischer Brief aus den letzten Verwendungstagen des rechteckigen Stempels:




    Brief der Firma Geiger, Züblin & Co, München aus den letzten Augusttagen 1915 vermutlich zwischen 26. und 28. August (typische Laufzeit nach Schweden sind bis zu 3 Tage) nach Stockholm mit Ankunftsstempel vom 29. August 1915. Der Prüfungsstempel wurde rückseitig über die Verschlußklappe angebracht und der Vorstand der Prüfungsstelle hat mit einem Namenskürzel abgezeichnet.

    Die Firma Geiger, Züblin u. Co erscheint auf einer Liste von Firmen, denen vom stellvertretenden Generalkommando der Briefverkehr in fremder Sprache gestattet wurde.

  • Der Stempel München 2 * p gibt es in zwei Varianten:



    Dieser Stempel wurde von der Prüfungsstelle für Geschäftsbriefe bis Februar 1916 zur Entwertung der Frankaturen und für Vorgänge in den Akten verwendet.

    Er unterscheidet sich in mehreren Details von dem Stempel, den johelbig in seinem Heft "Stempelfälschungen auf Bayerischen Briefmarken 1912-1920" als Titelbild zeigt.

    Das folgende Bild stammt aus der Stempeldatenbank von stampsx: https://www.stampsx.com/ratgeb…bank.php?stempel_id=10167



    Man kann deutlich sehen, dass der Buchstabe P unterschiedlich ausgeprägt ist und hinter der 2 ist kein Punkt. Außerdem unterscheidet sich das V aus der Uhrzeit deutlich.


    War es üblich, dass Stempel mit dem gleichen UB zeitgleich verwendet wurden?

  • Hallo,


    ich glaube nicht, daß mehrere Geräte gleichzeitig benutzt wurden. Bei den momentan hochgeladenen Bildern gibt es eine Lücke von 1913 bis 1919. Da ist die zwischenzeitliche Verwendung eines anderen Gerätes durchaus möglich.


    beste Grüße

    Dieter

  • Am 30. Juni 1915 wurde die folgende Liste der zugelassenen Firmen erstellt. Es sind nur 41 Firmen, die von unterschiedlichen Dienststellen zugelassen wurden, wobei neben Punkt c) handschriftlich vermerkt wurde: "Intendantur kann nicht zulassen".

    Mir kommt das etwas wenig vor für so eine große Stadt wie München zumal die Firmen, die nur in Deutsch korrespondiert haben offensichtlich nicht aufgeführt sind. Leider gibt es aus dem Jahr 1914 keine Vorgänge in der Akte, aber vielleicht werde ich noch fündig.


    Militärische Prüfungsstelle I. A.K.

    beim Postamt München 2


    Verzeichnis


    a.) der vom K. Staatsministerium des Äußeren für den internationalen Zahlungsverkehr zugelassenen Banken


    1. K. Filialbank in München (2. VIII. 14)

    2. Bayr. Hypotheken- u. Wechselbank in München (2. VIII. 14)

    3. Bayr. Vereinsbank in München (2. VIII. 14)

    4. Bayr. Handelsbank in München (2. VIII. 14)

    5. Bankhaus Merck, Fink u. Co in München (2. VIII. 14)

    6. Reichsbankhauptstelle in München (2. VIII. 14)

    7. Filiale der Deutschen Bank in München (2. VIII. 14)

    8. Filiale der Dresdner Bank in München (2. VIII. 14)

    9. bayr. Notenbank in München (2. VIII. 14)

    10. Filiale München der Bank für Handel und Industrie (.. VIII. 14)


    b.) der vom stellv. Generalkommando I. A. K. zugelassenen Banken:


    1. Süddeutschen Bodenkreditbank in München (24. VIII. 1914)


    c.) der von der stellv. Intendantur I. A. K. zugelassenen Firmen:


    1. Getreidegeschäft Stern und Sabat (4. VIII. 1914)


    d.) der Geschäftsfirmen, denen vom stellv. Generalkommando I. A. K. der Briefverkehr in fremder Sprache gestattet wurde:


    1. Barber u. Colman, G.m.b.H., Maschinenfabrik

    2. Brunnthaler, Großfrüchtehandlung

    3. Cohen, Heinrich, Furnituren

    4. Degginger u. Heß, Holzhandlung

    5. Ebert, Benno, Blumen- u. Federnfabrik

    6. Filiberti, Luigi, Großfrüchtehandlung

    7. Freundlich, Gebr., Holzhandlung

    8. Gautsch, Josef, Hofwachswarenhandlung

    9. Gäßler, A. u. Co, G.m.b.H, chemigrafische Kunstanstalt

    10. Geiger, Züblin u. Co, Export von Maschinen

    11. Gondrand, Gebr. Speditionsgeschäft

    12. Henning u. Co., Gespinnstfabrik

    13. Hönigsberger, J.L. u. Co.,Roßhaarspinnerei

    14. Jürgens, K.G., Kaufmann in Solln u. Kokand

    15. Lithografisch, artistische Anstalt München (vorm. Obpacher)

    16. Luppe und Heilbronner, Fabrik chemischer Gravüren

    17. Mayer`sche Hofkunstanstalt

    18. Münchner Leistenfabrik Pasing

    19. Neuburger, Martin M., Posamentenfabrik

    20. Parisi, Franzesko, Speditionsgeschäft

    21. Perutz, Otto, Trockenplattenfabrik

    22. Plaumann, Emil, Tiroler Obstexport (nur Telegramme)

    23. Rosenbaum, Heinrich, Rohprodukte

    24. Schenker u. Co., Speditionsgeschäft

    25. Strauß, Ernst, Getreide u. Futterartikel (nur Telegramme)

    26. Südd. Rückversicherungsaktiengesellschaft

    27. Vesuvio, A.G., Müllverbrennungsanlagen

    28. Zehntner, A. W., Litografiesteine

    29. Zettler, F.H., Glasmalerei (Hoflieferant)



    Erstellt: München, 30. Juni 1915

    Klarmann

  • Im folgenden habe ich die Abschrift eines Vorgangs transkribiert, der das Erscheinungsbild der geprüften Belege maßgeblich beeinflusst hat. Die Prüfungsstelle in München bekam eine Beschwerde von einer ihrer Firmen, deren Brief wohl von Strassburg zurückgeschickt wurde.


    Abschrift Zu G. No 199


    I München 9. IX. 15


    K. Postamt Strassburg Elsass

    Es wird um Aufklärung gebeten, weshalb der anliegende Brief, der vorschriftsgemäß auf der Rückseite mit dem diesamtlichen Prüfungsstempel versehen ist, nach dem Aufgabeort zurückgeleitet wurde. Der Vermerk „zurück weil geschlossen“ ist nicht stichhaltig

    gez. v.Spies


    Die Überwachungsstelle in Strassburg antwortete prompt und gab gleich mal eine Empfehlung ab, wie so eine Misslichkeit in Zukunft verhindert werden könnte. Zugleich zeigt es aber auch das mangelnde Verständnis für die Verfahrensweisen der Prüfungsstellen für Geschäftsbriefe die das Siegel auf der Briefklappe anzubringen hatten.

    II

    Ueberwachungsstelle des XV. A.K. Strassburg (Els) 11. September 1915

    zurück

    an die Prüfungsstelle des Bayer. I Armeekorps in München.

    Der auf der Rückseite angebrachte Prüfungsstempel ist dem Soldatischen Prüfungspersonal bei dem elektrischen Lichte nicht aufgefallen und weil der Brief geschlossen war, hat seine Rücksendung erfolgen müssen. Es empfiehlt sich zur Vermeidung von Wiederholungen den Prüfungsstempel auf der Vorderseite abzudrucken, wie es sonst allgemein üblich ist.

    Gez. ……

    Hauptmann und Vorstand


    Die Antwort aus Strassburg wurde sogleich der Überwachungsstelle München zur Stellungnahme weitergeleitet


    III

    Stellv. Gen. Kdo. I. b. A.K.

    Empf. 13. IX. 15 NO 111972

    Mit 2 Beil. u. R.

    Zur militärischen Ueberwachungsstelle beim Bahnpostamt 1 München


    Zur Äußerung über das dort übliche Verfahren


    München 15.9.1915


    F. d. Stv. G. Kdo. I. A. K.

    Der Chef des Stabes

    gez. Kleemann


    Die Überwachungsstelle München meldete das übliche Verfahren dieser Stellen zurück: Es wird vorderseitig gestempelt, wenn nicht rückseitig geöffnet wurde.


    IV

    Militär. Ueberwachungsstelle

    Bahnpostamt I. München

    ….. 16.9.15 No 3748


    Dem st. General-Kommando I.A.K. mit der Meldung in Rückvorlage, dass bei der mil. Überw.-St. alle Briefe auf der Vorderseite gestempelt werden. Briefe, die rückwärts zu verschließen sind, werden auf beiden Seiten gestempelt.

    Gez. Schneider


    Das stellv. Generalkommando kam dann zu dem Schluß, dass die Stempelung auf Vorder- und Rückseite die best mögliche Kennzeichnung der geprüften Sendungen gewährleistet.


    V St. Generalkommando I.b.A.K.

    No 111972 Mit 2 Beilagen u. R.

    Zur militärischen Prüfungsstelle beim Postamt 2 München

    Die Briefe wollen künftig auf beiden Seiten mit dem Dienstsiegel versehen werden.

    München 18.9.1915

    F. d.Stv. G. Kdo. I. A. K.

    Der Chef des Stabes

    Gez. Roth Hptm.


    Die militärische Prüfungsstelle reagierte etwas verschnupft und versuchte sich noch mit Aufzählung der Anweisungen und Bestimmungen, die peinlichst eingehalten wurden, zu rechtfertigen. Letztendlich wurde das Verfahren eingeführt und ich kenne bis Ende 1917 keinen Beleg der nicht danach behandelt wurde.


    VI

    eingegangen am 20. IX. 1915 und dem K. stellv. Generalkommando I. A. K. Nach Kenntnisnahme und Anordnung des Vollzuges mit der Meldung in Rückvorlage, dass die Prüfungsstelle sich bisher an die Weisung der Oberpostdirektion München vom 2. VIII. 14 No 8022, dann an Bestimmung des Deckblattes No 1 zu den Ausführungsbestimmungen zur Anlage J des Mob-Pl. vom 20. VIII. 1914 gehalten hat, wonach zum Zeichen der Prüfung der Abdruck des Dienststempels auf der Rückseite ( u. zwar über den Verschlussklappen) anzubringen war. Diese Anordnung hatte im Laufe der Zeit verschiedene Beanstandungen zur Folge u. es wurde daher von der Prüf.Stelle seit längerer Zeit schon bei allen nachweisbaren Sendungen die Stempelung auch noch auf der Vorderseite angebracht.


    Gez. Klarmann

  • Der folgende Brief vom 9. Sept. 1915 zeigt, dass die oben im letzten Absatz erwähnten nachweisbaren Sendungen schon doppelt gestempelt wurden. Da das ovale Dienstsiegel schon Ende August 1915 eingeführt wurde kann es auch wenige Wochen nur rückseitig vorkommen.



    Eingeschriebener Brief der Deutschen Bank München vom 9. Sept. 1915 nach Chiasso. Vorder- und rückseitig mit dem Dienstsiegel versehen und mit der Paraphe des Hauptmanns Salffner abgezeichnet.

  • Hallo,


    Der im Stempelhandbuch abgebildete MÜNCHEN 2 P, Nr. 16 ist ein völlig anderer Stempel als der 1915 gezeigte. Das P ist 1915 deutlich kleiner.

    Die Stempel P, Q, S Nr 16-18 sind zusammen zu betrachten und wurden, wie beschrieben, nicht am Schalter verwendet, vielleicht zu Verrechnungen, jedenfalls können sie nicht als zeitgerechte Stempel angesehen werden, da sie auch zum Nachstempeln eingesetzt wurden.

    Der Stempel mit dem kleineren P fehlt im Handbuch, ist meiner Meinung nach echt.

    Beste Grüße Helbig

  • Ein kleiner Nebensatz, der die Einlieferung der Geschäftsbriefe zur Prüfungsstelle zu Beginn des Krieges betraf hat die weitere Bearbeitung gebremst, weil ich der Sache auf den Grund gehen wollte. Leider war es bis jetzt nicht möglich weiteres Briefmaterial aufzutreiben, das etwas Licht ins Dunkel bringen könnte. Den Nebensatz habe ich nicht mehr gefunden, aber ein Bericht vom 14. Februar 1916 der Prüfungsstelle für Geschäftsbriefe an die Oberpostdirektion gibt einen kleinen Einblick, wie die Situation zu Beginn des Krieges war.


    Die wichtigen Stellen werden hier gezeigt:


    Die anfänglich umständliche u. nicht überwachungssichere Art u. Weise der Weiterleitung der angelieferten Briefschaften etc. durch Aufgabe bei der nächstliegenden Poststelle hat sehr viel Zeitverlust verursacht u. war mit unhaltbaren Umständlichkeiten verknüpft.


    Es ist daher unbedingt notwendig, wie es bei hiesiger Prüfstelle nachträglich eingerichtet wurde, dass der mit Prüfstelle stets eine Postannahmestelle angegliedert ist, wo die postalische Abfertigung wie an jedem Postschalter sofort erfolgen kann u. die angelieferten Sendungen nach eingehender Prüfung durch die militärische Stelle nach u. nach zur Weiterbeförderung gelangen. Dadurch haben auch die Anlieferer nicht wie früher auf die Prüfung zu warten, was den ganzen Verkehr vereinfacht u. erleichtert.


    Es ist also sehr wahrscheinlich, dass die Prüfungsstelle nicht von Anfang an in Postamt 2 untergebracht war, sondern davor vielleicht im Postamt 48 (auch im Verkehrsministerialgebäude) residierte, oder sich dessen Ressourcen bediente. ich habe 2 Belege aus dem Oktober 1914 archiviert, die auf der Rückseite das Postamtssiegel von München 48 zeigen.




    Brief der Firma Adolf Richard aus München vom 31. Oktober 1914 nach Helsingborg in Schweden. Ankunft 5. 11. 1914. Abgestempelt wurde der Brief mit dem schon oben besprochenen Stempel München 2 * p. Auf der Rückseite ist mit dem Hochovalstempel "K. bayer. Postamt München 48" der Brief versiegelt und zusätzlich der Rahmenstempel der Zensurstelle abgeschlagen. Ein Offizier hat mit seiner Paraphe abgezeichnet.


    Frühere Belege vor dem 16. Oktober 1914 sind mir bis heute nicht bekannt geworden. Riemer hält sich mit einer Datumsangabe zur Einführung des Rahmenstempels ebenfalls sehr zurück und bezeichnet nur das Jahr 1914 als belegt. Nach meinen Unterlagen war er mindestens 10 Monate in Gebrauch. Viel Belege können ihm nicht bekannt gewesen sein, denn er bewertet den Stempel mit 60 Punkten.

  • Ich habe ein Schreiben der Münchner Handelskammer an die militärische Prüfungsstelle z.H. des Oberleutnants Kaefferlein gefunden. Dort gibt die Handelskammer ein Rundschreiben an zugelassene Firmen zur Kenntnis und beschreibt zugleich den die Bedingungen für die Einlieferung der geschäftlichen Korrespondenz. In der Anlage wurde der Verteiler mitgeschickt, der ursprünglich 117 zugelassene Firmen auflistet.


    München, den 27. Oktober 1914


    Betreff:


    Briefverkehr mit dem Auslande.


    Vertraulich!


    Wir bitten davon Kenntnis zu nehmen, dass Firmen, welche ihre Korrespondenz nach neutralen Staaten möglichst rasch befördert haben wollen, hiezu Gelegenheit finden, wenn sie, abgesehen von Sonntagen, ihre Briefe o f f e n, in einem verschlossenen Umschlag gesammelt, an die militärische Prüfungsstelle, Postamt Bayerstrasse 12, I. Stock, Zimmer 7, mit dem Ersuchen um Weiterbeförderung einsenden.


    Die Handelskammer München.


    Im Oktober 1914 war also die militärische Prüfungsstelle im Postamt in der Bayerstrasse 12 zu erreichen. Dort waren auch das Paketpostamt - München 3 - und das Postzeitungsamt -München 4 - ansässig. Laut Münchner Adressbuch von 1914 war dort auch das Bahnpostamt 1 im Postgebäude untergebracht, dessen Leiter, Postamtsdirektor Ludwig Deppisch, in den Akten mit vielen Anfragen und Berichten belegt ist.

    Die Auflieferung der Korrespondenz im geschlossenen Umschlag wirft etliche neue Fragen auf, die ich ursprünglich gar nicht in Betracht gezogen habe. Wie wurden Einschreib- und Wertbriefe behandelt? War die Prüfungsstelle überhaupt öffentlich zugänglich. In welchem Postamt wurden die Sendungen weiter bearbeitet? War die Zusendung von Briefen auch bei anderen Prüfungsstellen im Deutschen Reich möglich, oder war persönliches Erscheinen zwingend notwendig? Besonders nicht ortsansässige Firmen hätten von dem Münchner Verfahren profitieren können.

    Es bleibt spannend und vor allem rechne ich noch mit Überraschungen bezüglich der frühen Belege aus dem August und September 1914.

  • Liste der 117 Firmen des oben genannten Rundschreibens. Stand 27. Oktober 1914

    Dabei sind 14 Firmen außerhalb Münchens. Von denen ich noch nie einen Beleg gesehen habe.


    1.

    Aktienbrauerei z. Eberl-Faber

    Rosenheimerstr. 17

    2.

    Aktienbrauerei z. Löwenbräu

    Nymphenburgerstr. 5

    3.

    Aktiengesellschaft Hackerbräu

    Bayerstr. 34

    4.

    Aktiengesellschaft Paulanerbräu

    Ohlmüllerstr. 42

    5.

    Bürgerliches Brauhaus München AG

    Kellerstr. 4

    6.

    Georg Pschorr, zum Pschorrbräu

    Bayerstr. 30

    7.

    Gabriel Sedlmayer, Brauerei z. Spaten

    Marsstr. 17

    8.

    Jos. Sedlmayer, Brauerei z. Franziskanerkeller

    Hochstr. 7

    9.

    Jos. Wagner, Bierbrauerei z. Augustiner

    Landsbergerstr. 35

    10.

    M. Aigner, Blumenfabrik

    Wörthstr. 24

    11.

    Aktiengesellschaft f. Lederfabrikation

    Pilgersheimerstr. 39

    12.

    C. Andelfinger, Büroartikel

    Lindwurmstr. 24

    13.

    J.A. Baader & Co. K. Hofinstrumentenfabrik

    Mittenwald

    14.

    Mich. Baum & Co. Rechenmaschinenfabrik

    Gundelindenstr. 2

    15.

    Bayerische Akt. Ges. für landw. chem. Produkte

    Heufeld

    16.

    Bayerische Kristallglasfabriken vorm. Steigerwald AG

    Schliersee

    17.

    Bayerische Malzfabrik München GmbH

    Bazeillesstr. 6

    18.

    Bayerische Metallindustrie T. Forster & Co.

    Frühlingstr. 18

    19.

    Bayerische Torfstreu u. Mullwerk Haspelmoor

    Haspelmoor

    20.

    F. Behrend, Farbenfabrik

    Grafrath

    21.

    Dr. Bender & Hobein chem. Fabrik

    Gabelsbergerstr. 76A

    22.

    Braunwarth & Lüthke Buchbindereibedarfsart. Hdlg.

    Karlstr. 41

    23.

    F. Bruckmann AG Kunstanstalt

    Nymphenburgerstr. 86

    24.

    Heinrich Cohen, Fournituren

    Löwengrube 23

    25.

    Degginger & Hess, Holzhandlung

    Schwanthalerstr. 73

    26.

    Deutsch-Franz. Cognac-Brennerei vorm. Gebr. Macholl AG

    Ampfingerstr. 20

    27.

    Dorrer & Braun, Hofl. Optische Instrumentenfabrik

    Nordendstr. 22d

    28.

    A.S. Drey, Antiquitätenhandlung

    Maximiliansplatz 7

    29.

    Benno Ebert, Blumen- u. Federnfabrik

    Neuhausstr. 6

    30.

    Paul Ebstein, Damenhüte

    Dienerstr. 13

    31.

    Emaillierwerk Hans Fink

    Pasing

    32.

    Q. Erich & Sohn, GmbH Fabrik math. Instr.

    Luisenstr. 27

    33.

    Gebr. Freundlich, Holzhandlung

    Landsbergerstr. 100

    34.

    Fuchs & Co Fabrik chem. techn. Produkte

    Mathildenstr. 10

    35.

    Jos. Gautsch, K.B. Hofwachswarenfabr.

    Nymphenburgerstr. 3

    36.

    Heinrich Gutmann, Schmuckfedern

    Bayerstr. 5

    37.

    F.P. Hamberger, GmbH Zündholzfabr.

    Rosenheim

    38.

    J. v. Heckel, K.B. Hofblumenfabrik

    Trogerstr. 32

    39.

    C. Henning & Co Gespinnstfabr.

    Prahestr. 2

    40.

    Hesselberger & Herz, Seidenwarenfabr.

    Schwanthalerstr. 53

    41.

    F. Hirschberg & Co, Kaufhaus f. Sport u. Mode

    Theatinerstr. 42

    42.

    M.A. Hochgesang Nachf. Lithographiestein-Exportgesch.

    Karlstr. 52

    43.

    J.L. Hoenigsberger & Co Roßhaarfabr.

    Schommerstr. 16

    44.

    C. Holste & Co Handschuhfabrik

    Knöbelstr. 16

    45.

    Michael Huber, Farbenfabrik

    Berg am Laimstr. 3

    46.

    Hugo P. Jaeger, Fabrik künstl. Bimssteine

    Schwaben b. München

    47.

    Isaria Zählerwerke AG

    Hofmannstr. 51

    48.

    Kink & Eberhard, Faltschachtelfabrik

    Buttermelcherstr. 16

    49.

    Reinhold Kirsch, Kunstgew. Werkstätten

    Auenstr. 26

    50.

    Kohnstamm & Neustätter, Import u. Export

    Neuhauserstr. 15

    51.

    Klöpfer & Königer, Holzgroßhandlung

    Luisenstr. 5

    52.

    F.S. Kustermann, Eisenwerke

    Rosenheimerstr. 12

    53.

    G. Lang sel Erben, Holzschnitzerei

    Oberammergau

    54.

    J. Lehmann, Leinenwaren

    Weinstr. 4

    55.

    N. Lehrburger, Damenmäntelfabrik

    Sonnenstr. 8

    56.

    Lithogr. Artistische Anstalt München

    Zielstattstr. 37½

    57.

    Lokomotivfabrik Krauss & Co

    Maillingertsr. 33

    58.

    Luppe & Heilbronner, Fabr. chem. Gravüren

    Äuß. Wienerstr. 102

    59.

    A.F. Malchow, Asphalt Fabrik

    Boschetsriederstr. 129

    60.

    Marmorindustrie Kiefer AG

    Kiefersfelden

    61.

    Maschinenfabrik Esterer AG

    Altötting

    62.

    Maschinenfabrik J.A. Maffei

    Hirschau 16

    63.

    Metallätzwerke AG

    Possartstr. 14/i

    64.

    Metzeler & Co AG Gummiwarenfabrik

    Westendstr. 131

    65.

    M. Müller & Sohn, GmbH Buchdruckerei

    Schellingstr. 39

    66.

    Münchener-Dachauer Akt. Ges. f. Maschinenpapierfabr.

    Kirchplatzstr. 9

    67.

    Münchener Export-Malzfabrik

    Wirthstr. 17

    68.

    Münchener mech. Faßfabrik Jos. Dorn

    Hochstr. 4¼a

    69.

    Münchener Graph. Gesellschaft Pick & Co

    Dachauerstr. 107

    70.

    Münchener Leistenfabrik GmbH

    Pasing

    71.

    Martin M. Neuburger, Posamentenfabrik

    Paul Heysestr. 10

    72.

    August Neustätter, Papierwarenfabrik

    Landwehrstr. 68

    73.

    Otto Perutz, Trockenplattenfabrik

    Dachauerstr. 50

    74.

    Carl Poellath, Devotionalienfabrik

    Schrobenhausen

    75.

    K.B. Porzellanmanufaktur Nymphenburg

    Am Schloßrondell

    76.

    J. Reinemann & J. Lichtinger, Zinngußwarenfabrik

    Knöbelstr. 14

    77.

    S. Reinemann, Hopfenhandlung

    Arcisstr. 4

    78.

    Ad. Richard, Stickereivorlagen

    Paul Heysestr. 2

    79.

    Clemens Riefler, math. Instrumente

    Lenbachplatz 1

    80.

    Rist & Co, Zigarettenfabrik

    Blutenburgstr. 88

    81.

    J. Roeckl, Handschuhfabrik

    Isartalstr. 45

    82.

    Dr. G. Robisch, chem. techn. Laboratorium

    Triwestr. 15

    83.

    G. Rodenstock, opt. Anstalt

    Isartalstr. 41

    84.

    Rosenau & Co, Gold- u. Silberwarenfabrik

    Maximilianstr. 12

    85.

    J.G. Sappel, Kleiderfabrik

    Auenstr. 5

    86.

    Andreas Sieber, Wurstfabrik

    Thalkirchnerstr. 31

    87.

    Südd. Puderquastenmanufaktur F. Kaspar

    Hohenzollernstr. 47

    88.

    Schleicher-Fußboden & Tekton-Werk GmbH

    Clemensstr. 113/115

    89.

    J. Schmitt, Maskenfabrik

    Auenstr. 7

    90.

    G. Schneider, Bierkrügefabrik

    Traunstein

    91.

    Gebr, Stärzl, Fabrik mathem. Instrumente

    Kapuzinerstr. 18

    92.

    H. Stork, Angelgerätefabrik

    Residenzstr. 15

    93.

    Samuel Tag, Rauhwarenhdlg

    Thalkirchnerstr. 39

    94.

    Ver. Werkstätten f. Kunst im Handwerk

    Ridlerstr. 31

    95.

    Ver. Zwiesler u. Pirnaer Farbenglaswerke AG

    Briennerstr. 9

    96.

    Gebr. Weisenbeck, Häutehandlung

    Berg am Laimstr. 31

    97.

    Gebr. Weiss, Landesprodukte

    Viktualienmarkt 12

    98.

    A.W. Zehntner, Lithographiestein-Export

    Bavariaring 33

    99.

    F.X. Zettler, Hofglasmalerei

    Briennerstr. 23

    100.

    Jos. Zimmermann & Co Kunstwerkstätten

    Holzstr. 7

    101.

    Bank für Handel u. Industrie, Filiale München

    Lenbachplatz 4

    102.

    Bayerische Handelsbank

    Maffeistr. 5

    103.

    Bayer. Hypotheken- u. Wechselbank

    Theatinerstr. 11

    104.

    Bayerische Notenbank

    Ludwigstr. 1

    105.

    Bayerische Treuhand-Aktienges.

    Theatinerstr. 35/2

    106.

    Bayerische Vereinsbank

    Promenadestr. 14

    107.

    Deutsche Bank, Filiale München

    Lenbachplatz 2

    108.

    Dresdner Bank, Filiale München

    Promenadeplatz 6

    109.

    Pfälzische Bank, Filiale München

    Neuhauserstr. 6

    110.

    Pfälzische Hypothekenbank, Filiale München

    Lenbachplatz 2/1

    111.

    Süddeutsche Bodenkreditbank

    Ludwigstr. 9 u 10

    112.

    Bayerische Landwirtschaftsbank

    Prinz Ludwigstr. 3

    113.

    Münchener Industrie Bank

    Frauenplatz 2

    114.

    Münchener Rückversicherungsgesellschaft

    Königinstr. 107

    115.

    Gebr. Wetsch, Speditionsfirma

    Bayerstr. 13

    116.

    Laderinnung Gutleben & Weidert

    Arnulfstr. 17A

    117.

    Schenker & Co, Bayer. Transp. Comptoir

    Bayerstr. 15

  • Liste der 117 Firmen des oben genannten Rundschreibens. Stand 27. Oktober 1914

    Interessant ist auch die Reihenfolge der Firmen. Auf den Positionen 1 bis 9 sind die wichtigsten Münchner Unternehmen, nämlich die Brauereien zu finden. Dann kommt eine alphabetische Auflistung der anderen Firmen bis dann die Banken und Speditionen den Abschluss bilden.

  • Das ovale Dienstsiegel ist nur vom 9. September 1915 bis 22. Oktober 1915 in schwarzer Stempelfarbe belegt.


    Durch den kleinen Disput mit der Überwachungsstelle Mühlhausen in Beitrag #11 wurde die Prüfungsstelle in München dazu veranlasst ab 20. September 1915 die Kennzeichnung der Sendungen auf der Vorder- und Rückseite vorzunehmen. In dem kurzen Zeitfenster vom 29. August bis 19. September wurden normale Briefe nur auf der Rückseite mit dem Dienstsiegel versehen.



    Brief der Firma Heinrich Cohen vom 10. September 1915 nach Zürich. Rückseitig mit dem Dienstsiegel und einer Paraphe des Prüfers versehen. Münchner Belege sind eigentlich optisch immer sehr ansprechend, weil ordentliche Stempelgeräte verwendet wurden und gewissenhafte Postbeamte ihren Dienst versahen. Leider ist das Angebot im Vergleich zu anderen Prüfungsstellen doch sehr überschaubar.

  • Mit der vorder- und rückseitigen Kennzeichnung der Briefe von der Prüfungsstelle wähnten sich die verantwortlichen Militärs wohl auf der sicheren Seite und die Sendungen sollten ihre Empfänger ohne Beanstandungen erreichen.

    Das klappte wohl auch bis zum 12. Oktober 1915, als die Überwachungsstelle Posen einen Brief aus München nach Warschau zurückgewiesen hat mit der Begründung "Zurück, da geschlossen".




    Die Firma Gebrüder Weiss vom Viktualienmarkt wird wohl mit einigem Ärger bei der Prüfungsstelle eingelaufen sein und um eine Erklärung gebeten haben.


    Die Erklärung wurde mit einem Schreiben an die Kollegen in Posen am 18. Oktober 1915 eingefordert:


    München, den 18. Oktober 1915


    An


    die Prüfungs u. Überwachungsstelle des K. preuß V. Armeekorps mit dem Ersuchen um gefällige Aufklärung darüber, wie es kommt, dass der g.g.R. hier mitfolgende Briefumschlag mit dem Vermerk „Zurück, da geschlossen“ versehen, der Brief also nicht an seinen Bestimmungsort weiterbefördert wurde? Der Umschlag trägt zum Zeichen der Prüfung durch die hiesige Prüfungsstelle den deren Stempel u. zwar sowohl auf der Vorder- wie auf der Rückseite, hier außerdem auch den vorschriftsmäßigen Namenszug des amtierenden Prüfungsoffiziers (v. Spies)


    Klarmann, Oberst



    Die Erklärung kam prompt und unmissverständlich: Schon wieder eine kleine Nachlässigkeit, die von den Kollegen abgestraft wurde.



    Postüberwachungsstelle V. AK. Posen W.3, d. 20. Okt. 1915

    Nr. P1503



    A. mit 1 Umschlag

    der Prüfungsstelle I. AK.

    München


    dass der Brief die Namensunterschrift eines Offiziers trägt, ist hier nicht bemerkt worden.


    Die Ausführungsbestimmungen der Anlage J zum Mobilmachungsplan schreiben einen deutlichen Abdruck des Dienststempels unter Beifügung der deutlichen Namensunterschrift des die Aufsicht führenden Offiziers vor.


    Hammer


    Der Briefwechsel zog sich noch bis zum 1. November hin. Nach diesem Datum kenne ich keine Briefe mehr, die nicht mit dem vollen Namenszug des Offiziers versehen sind.

  • Der folgende Brief vom 22.10.1915 ist der letzte Beleg mit dem elliptischen Dienstsiegel:




    Fensterbrief der zweiten Gewichtsstufe aus München vom 22.10.1915 nach Zürich mit Ankunftsstempel vom 29. 10.1915.

    Die lange Beförderungsdauer ist der Postsperre geschuldet, die ich in Stuttgart vom 21. bis 25. Oktober belegen kann. Diese Postsperre wird wohl auch München betroffen haben.

    Das ist der letzte Brief mit diesem Dienstsiegel in meinem Archiv. Die Verwendung dieses Stempels wurde kritisiert, weil er den allgemein gebräuchlichen Dienstsiegeln in Bayern entsprach und die Verwechslungsgefahr sehr groß war.

    Da ich den Nachfolgestempel erst ab dem 18.12.1915 belegen kann ist die Angabe der Verwendungsdauer mit 6 bis 14 Wochen noch recht unscharf.

    Das ist trotzdem recht kurz, aber ich habe immerhin 7 Belege in meinem Archiv registriert.

    Riemer bewertet diesen Stempel mit 30 Punkten. Der Vorgängerstempel wird mit 60 Punkten bewertet und der ist mindestens 10 Monate in Gebrauch gewesen.