Zehnfachfrankaturen nach der Währungsreform

  • Hallo zusammen,

    ich finde dieses Thema ist eine Rubrik wert.

    Die Reichsmark-Briefmarken konnten von 21.bis 23.06. (1. Briefkastenleerung) 1948 konnten im Verhältnis 10:1 zur neuen Deutsche Mark noch postalisch aufgebraucht werden.

    Hier ein Beispiel aus meiner Heimatsammlung Eggenfelden (Niederbayern): Ortsdrucksache 2. Gewichtsstufe mit 60 Reichspfg. = 6 Pfg. (Deutsche Mark).

    Wohl ein Versand einer größeren Verkaufsliste der Bauwaren-Großhandlung.

    Grüße

    Norbert

  • Werte Sammlerfreunde

    Beim folgenden Brief von Kassel-Bettenhausen (Hessen) vom 23.6.1948 - und damit noch während der Zeit der alliierten Besetzung - hat leider die Frankatur durch die Spedition nach Sitten (Sion) im Kanton Wallis arg gelitten.

    Korrigierte Version:

    Dennoch möchte ich ihn aus folgenden Gründen zur Diskussion stellen:

    • Mir fällt die hohe vorder- und rückseitig angebrachte Frankatur von 540 Pfennigen auf (10 x 8 Pf., 10 x 12 Pf., 5 x 20 Pf., 10 x 24 Pf.). Meine erste Frage war: Wie kann am 23.6.1948 ein solch hohes Porto auf einem AL-Brief vom 23.6.1948 erklärt werden? Bis ich dann in diesem Thema folgender Ansatz fand: "Die Reichsmark-Briefmarken konnten von 21. bis 23.06. (1. Briefkastenleerung) 1948 im Verhältnis 10:1 zur neuen Deutsche Mark noch postalisch aufgebraucht werden."
    • Aufgrund der Fachmeldungen (nachstehende Erläuterungen der Forumsteilnehmer), kann ich schliessen, dass es sich bei diesem am letzten möglichen Tag und bei der 1. Briefkastenleerung vorgefundenen Brief, bei der Frankatur um das Aufbrauchen der vom Alliierten Kontrollrat verausgaben Marken der Arbeiterserie handelt.
    • Die geklebte Frankatur über 540 Pfennige Reichsmark war somit für die Abgeltung des am 23.6.1948 geltenden, einfachen Auslandtarifs in die Schweiz von 50 Pfennigen (Deutsche Mark). Daraus resultierte eine Überfrankierung um 40 Pfennige Reichsmark oder 4 Pfennige neue Deutsche Mark. Die Briefmarken der Arbeiterserie hatten anschliessend keinen Frankaturwert mehr.
    • Auf der Vorderseite ist die Frankatur mit dem Zweikreisstempel "KASSEL – BETTENHAUSEN d / 23.6.48-10" gestempelt und auf der Rückseite wurde ein anderer Kreisstempel mit Brücke und 10 Schraffuren "KASSEL BETTENHAUSEN/23.6.48-18" verwendet. Die vorderseitigen Marken sind demzufolge um 10 Uhr (und somit bei der 1. Briefkastenleerung) gestempelt worden. Möglich ist, dass die fehlende Abstempelung der rückseitigen Frankatur erst im Laufe des Tages erkannt und später um 18 Uhr nachgeholt wurde.
    • Die 4 verschiedenen Marken sind vom Alliierten Kontrollrat am 1.3.1947 verausgabt worden und stammen aus der Arbeiterserie.
    • Vorderseitig fällt noch der Hinweis "Inhalt: Deutsch" (Vorschrift der Angabe der Sprache des Briefinhaltes) sowie beim Absender Pater Martin vom Katholischen Pfarramt ST. KUNIGUNDIS in Kassel-Bettenhausen der Vermerk "U.S.A. Zone Germany". D.h. Hessen gehörte neben Bayern und den nördlichen Teilen von Württemberg und Baden zur amerikanischen Besatzungszone[1].
    • In Sitten wurde kein Ankunftsstempel angebracht.

    Zusammenfassend:

    Es handelt sich um eine Aufbrauchfrankatur von Briefmarken des Alliierten Kontrollrates, welche nur an 3 Junitagen (21.6. nach der 1. Briefkastenleerung, am 22.6. sowie am 23.6. mit der 1. Briefkastenleerung) im Jahre 1948 möglich war. Die Kontrollratsausgaben verloren anschliessend ihren Frankaturwert.

    Somit durften solche Briefe mit Aufbrauchfrankaturen aus der amerikanischen Zone in die Schweiz (oder sogar in den Kanton Wallis) wohl nicht so häufig sein?

    Sammlergruss Valesia

    [1] Wikipedia: Die amerikanische Besatzungszone (oder ursprünglich auch Südwestzone war eine der vier Besatzungszonen, in die Deutschland westlich der Oder-Neiße-Linie von den alliierten Siegermächten im Juli 1945, rund zwei Monate nach der deutschen Kapitulation und dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa, aufgeteilt wurde. Sie unterstand der US-Militärregierung (OMGUS) und endete nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland mit dem Inkrafttreten des Besatzungsstatuts am 21. September 1949. Die mit dem Besatzungsstatut verbundenen alliierten Vorbehaltsrechte verloren erst 1990 mit der deutschen Wiedervereinigung und dem Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrages am 15. März 1991 auch völkerrechtlich ihre Wirkung, als Deutschland die volle Souveränität wiedererlangte.

    Einmal editiert, zuletzt von Valesia (15. Januar 2022 um 20:26)

  • hallo Valesia,

    zu deinem Brief wären umfangreiche Hintergrundinformationen angebracht, zu deinen Fragen hier nur die Fakten:

    - die Frankatur sind Marken der Arbeiterserie, verausgabt 1947 vom Alliierten Kontrollrat

    - das Porto für einen einfachen Auslandsbrief betrug am 23.6.1948: 50 Pf

    - der Aufbrauch der Briefmarken in Reichsmark war am 21.-22.6.1948 im Verhältnis 1:10 möglich

    - am 23.6.1948 nur mit der 1. Briefkastenleerung; ob das mit der 18 Uhr Abstempelung darstellbar ist, ist fraglich

    - Eingangsstempel einfacher Auslandsbriefe sind in der Nachkriegszeit eher ungewöhnlich

    - Bei Briefen war auf dem Umschlag die Angabe der Sprache des Briefinhaltes vorgeschieben, hier "Deutsch"

    mit bestem Gruß

    Michael

    Einmal editiert, zuletzt von stampmix (15. Januar 2022 um 14:37)

  • Hallo in die Runde,

    mir fällt bei obigem Brief folgendes auf:

    Die vorderseitigen Marken sind - soweit erkennbar - um 10 Uhr (wäre somit Briefkastenleerung) gestempelt.
    Möglich wäre, dass im Trubel dieses Tages die fehlende Abstempelung der rückseitigen Frankatur erst im Laufe des Tages erkannt und später nachgeholt wurde. Überfrankaturen kommen immer wieder vor - im wie weit sie akzeptiert werden, muss jeder Sammler selbst entscheiden.

    Beste Grüße
    Schorsch Kemser
    https://www.postgeschichte-kemser.com/neu-gelistet

  • Hallo Martin,

    Britische und Amerikanische Zone:

    21.6.1948 : Erste Briefkastenleerung alte Marken mit vollen Wert anerkannt,

    bei späterer Einlieferung nur noch ein 1/10 des Wertes der Marken.

    22.6.1948: Beide Kontrollratsausgaben hatten 1/10 Frankaturwert.

    23.6.1948 Bei der ersten Leerung der Briefkästen wie 22.6. anerkannt,

    danach keine Frankaturkraft mehr.

    Sowjetische Zone: Marken der Kontrollratausgaben waren bis 31.7.1948 mit 1/10 des Wertes frankaturgültig. Somit gibt es viele Zehnfachfrankaturen.

    Dein Brief wurde von der Post der ersten Briefkastenleerung zugeordnet, somit ist er theoretisch um 40 Pf. Reichsmark oder 4 Pf. D-Mark überfrankiert.

    Beste Grüße Bernd

    2 Mal editiert, zuletzt von BaD (15. Januar 2022 um 19:16)

  • Hallo Martin,

    ich bin zwar kein Spezialist für 10fach-Frankaturen, habe aber am 22./23.6.48 schon öfter Überfrankaturen gesehen und irgendwo habe ich selber eine. Man darf nicht vergessen, daß eine Überfrankatur aus vorhandenen Beständen der Postnutzer nicht von Bedeutung war. Am nächsten Tag waren die Marken schließlich nichts mehr wert.

    beste Grüße

    Dieter

  • Hallo zusammen nach einem 1/2 Jahr Pause.

    eine Zehnfachfrank. aus Eggenfelden (Heimatpostgesch.) vom 22.06.1948 16 Uhr: Markenaufbrauch von 2 bis 50 RPfg.

    Wenn ich richtig gerechnet habe mit 238 Rpfg. um 2 Rpfg. unterfrankiert!

    Postler hatte wohl keine Zeit nachzuzählen.

    Norbert

  • Hallo zusammen,

    als Heimatsammler fällt es etwas schwer hier einen Beleg zu zeigen. Doch irgendwann trifft man ins Schwarze.

    Ortsbrief aus der ersten Biefkastenleerung vom 23.06.1948 6-7 mit 20 mal 8 Pf. portogerecht (160Pf / 16Pf) frankiert vom Amtsgericht.

    Reiner Bedarfsbeleg, in der die Marken als Treppenfrankatur geklebt sind, wobei die Treppe bis zum 1. Stock läuft :)

    Liebe Grüße

    Harald

    Wein- und Sektstadt Hochheim am Main


  • ........und vor nicht allzu langer Zeit flatterte bei Ebay dieser Brief in die Suche.

    Fernbrief aus der ersten Biefkastenleerung vom 23.06.1948 6-7 mit 30 mal 8 Pf. portogerecht (240Pf / 24Pf) frankiert vom Amtsgericht.

    Hier läuft die Treppe schon in den zweiten Stock.

    Eine schöne Albenseite.

    Liebe Grüße

    Harald

    Wein- und Sektstadt Hochheim am Main


  • ... nicht meine Zeit, aber tolle Briefe mit traumhafter Optik! :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Belege mit "Treppenfrankaturen" kennt man normalerweise vor allem aus der Hochinflation 1923. Bei der Währungsreform 1948 ist es nicht so häufig, aber sehr attraktiv ! Vor allem bei echtem (Gerichts-)Bedarf wie hier, klasse !

    Beste Grüße

    KJ

    Beste Grüße

  • Am nächsten Tag waren die Marken schließlich nichts mehr wert.

    Was auch die Eisenhandlung schmerzlich erfahren musste. Den Laden des Absenders (Eisenwaren Ramp) habe ich geliebt (Baumarkt mit Theke und Bedienung).

    Liebe Grüße

    Harald

    Wein- und Sektstadt Hochheim am Main