Der Begriff "gewöhnliche Briefe"

    • Offizieller Beitrag

    In den alten Postvorschriften wird verschiedentlich der Begriff gewöhnliche Briefe benutzt, meines Wissens also Briefe ohne Sonderdienste.
    Kennt jemand eine postalische Definition des Begriffs, welche Sendungsformen darunter fielen?

    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,

    das war Briefpost ohne Reco, Express, Muster mit und ohne Werth, ohne Einlagen, im 1. Gewicht (üblicherweise) bis zu gewissen Gewichten (in Bayern bis 15 Loth), Nachnahme, Postvorschuß, Retourrecepisse oder dergleichen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,

    danke, so auch eigentlich mein Verständnis.
    Aber bei den Detailfragen - nur 1.Gewichtsstufe? Auch Drucksachen? Mit Bestellgeld (Stadt/Land)? - wäre es hilfreich, dafür mal eine Definition zu finden. Entweder habe ich das bisher überlesen oder man hat derartiges als bekannt vorausgesetzt.

    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,

    ich denke, DS fielen da raus, weil sie ja dem Frankozwang unterlagen, gewöhnliche Briefe aber immer ad libitum des Absenders waren. Das Bestellgeld hatte wohl keinen Einfluß auf diesen Terminus, weil das keine Sache des Transports, sondern eher eine Sache der Zustellung war. So wäre jedenfalls meine Definition davon.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Michael,

    bei Bayern war das Gegenteil von einfachen Briefen "beschwerte Briefe", also Fahrpost.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • In den alten Postvorschriften wird verschiedentlich der Begriff gewöhnliche Briefe benutzt, meines Wissens also Briefe ohne Sonderdienste.
    Kennt jemand eine postalische Definition des Begriffs, welche Sendungsformen darunter fielen?

    Lieber Michael,

    wenn es eine allgemeingültige, d.h., länderübergreifend genutzte amtliche Bezeichnung für "gewöhnliche Briefe" gäbe, müßte sie auch im Postvereinsvertrag Verwendung gefunden haben.

    Ich habe einmal den 1860er Vertrag mit all seinen Anhängen und Erläuterungen daraufhin durchgesehen und (fast) nichts gefunden.

    Lediglich im Art. 24 ist unter "Recommandirte Briefe" zu lesen:

    "Für recommandirte Briefe ist außer dem gewöhnlichen Porto eine Recommandationsgebühr..."

    Daraus läßt sich genau das schließen, was Du vermutest, daß nämlich mit "gewöhnlich" das reguläre Briefporto ohne Sonder- und Zusatzleistungen gemeint ist.

    Beste Grüße

    Jürgen

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Jürgen,
    liebe Freunde,

    vielen Dank für deine Mühewaltung mit der interessanten Fundstelle.
    Der Begriff erschliesst sich ja auch zumindest im Ungefähren jedem heutigen postgeschichtlich Interessierten. Die von Ralph hier und im Folgeposting angeführte Unterscheidung zu den beschwerten Briefen ist soweit auch unstrittig. Die Drucksachen würde Ralph nicht mehr dem Begriff gewöhnliche Briefe zuordnen, was nachvollziehbar ist. Allerdings könnte man anführen, dass mit Marken frankierte Drucksachen ebenfalls mit der Briefpost befördert wurden und in der Regel keine Sonderdienste aufwiesen. Es sei denn, man würde den Begriff gewöhnliche Briefe wörtlich auf Briefsendungen beziehen.

    Eine andere Überlegung noch: War vorausbezahltes Bestellgeld eine Zusatzleistung? Meiner Meinung nach ja. Dann würden derartige Briefe auch nicht unter diesen Begriff fallen.

    Mancher mag denken, was soll die Wortklauberei, aber der Begriff spielt schon eine gewisse Rolle, da z.B. in Preußen nur gewöhnliche Briefe in die Briefkästen eingeworfen werden durften.

    Gruß

    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Lieber Erwin, liebe Freunde,

    hier der entsprechende Passus zu den Briefkästen aus dem Reglement (1856) zum Gesetz über das Preußische Postwesen

    An dieser Stelle sind auch die Streifbänder aufgeführt, die frankiert eingeworfen werden durften. Allerdings scheinen sie nicht unter den Begriff der gewöhnlichen Briefe zu fallen.

    Gruß

    Michael

  • Hallo Michael,

    beide Handbücher de Postwesens (1927 und 1953) geben zur Erklärung für gewöhnliche Briefsendungen folgendes an:

    Gewöhnliche Sendungen sind nach PO und WPVertr Briefsendungen (s.d.) und Paketsendungen (s.d.), die nicht eingeschrieben und nicht unter Wertangabe eingeliefert werden.

    Dies ergibt sich auch bei der Betrachtung der Haftung, die bei gewöhnlichen Briefsendungen ausgeschlossen, bei gewöhnlichen Paketsendungen durch bestimmte Nachweise von der Post aber gewährt wurde.

    In der Ausbildung wurden die "Lehrlinge" geschult, was eine gewöhnliche Briefsendung ist. So zeigt "Der Dienst bei der Deutschen Bundepost " im Heft "Postordnung - Versendungsbestimmungen" unter 3.1.2:

    Als "gewöhnliche Sendungen" werden alle nicht nachzuweisenden Sendungen bezeichnet.

    Als Anmerkung hierzu werden weitere Hinweise gegeben: So ist z.B. eine Sendung mit Nachnahme ohne den Vermerk Einschreiben und ohne Wertangabe eine gewöhnliche Sendung.

    In den Postordnungen und den WPV habe ich keine Erklärungen zu gewöhnlichen Sendungen gefunden, die eindeutig darauf hinweist.

    Zu den Briefsendungen gehören laut Handbuch: Briefe, Päckchen, Postkarten, Drucksachen, Blindenschriftsendungen Geschäftspapiere, Warenproben und Mischsendungen,

    Mit freundlichen Grüßen

    Manfred

    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.

    Ernst Freiherr von Feuchtersleben

    Einmal editiert, zuletzt von Postarchiv (24. Mai 2021 um 19:44)

  • beide Handbücher de Postwesens (1927 und 1953) geben zur Erklärung für gewöhnliche Briefsendungen folgendes an:

    Gewöhnliche Sendungen sind nach PO und WPVertr Briefsendungen (s.d.) und Paketsendungen (s.d.), die nicht eingeschrieben und nicht unter Wertangabe eingeliefert werden.

    Wobei zu beachten ist, daß sich die Bedeutung von Begriffen im Laufe der Zeit gewandelt haben kann.

    Was für 1927 und 1953 von einer Postverwaltung als maßgeblich erklärt worden ist, muß nicht vor 1900 und für andere gegolten haben.

  • Wobei zu beachten ist, daß sich die Bedeutung von Begriffen im Laufe der Zeit gewandelt haben kann.

    Was für 1927 und 1953 von einer Postverwaltung als maßgeblich erklärt worden ist, muß nicht vor 1900 und für andere gegolten haben.

    Ja, das stimmt, Es kann sich auch nach 1953 mehrfach geändert haben. Ich bin für jede Ergänzung vor 1900 und nach 1953 dankbar.

    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.

    Ernst Freiherr von Feuchtersleben

  • Hallo,

    eine Nachnahme würde ich nicht als gewöhnliche Sendung ansehen.

    Dieter

    Hallo Dieter,

    ich finde die Aussage für plausibel. Die Betonung liegt auf "ohne den Vermerk Einschreiben und ohne Wertangabe" und ist damit als nicht nachzuweisende Sendung eine gewöhnliche Briefsendung.

    Manfred

    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.

    Ernst Freiherr von Feuchtersleben