Hannover - Preußen

  • Liebe Altpostgeschichtler,


    da ich noch (immer) Beginnerin bin, würde ich mich sehr über euren Rat oder Korrekturen freuen.


    Es geht um die Deutung der Vermerke auf folgendem Brief, der, am 22.2.1840 verfasst, vom Kgr. Hannover (Lingen) ins Kgr. Preußen (Bonn) auf die ca. 226 km lange Reise geschickt wurde.


    Ich lese:

    Adresse:


    "An

    den Herrn Professor A. W. von Schlegel.

    Hochwohlgeboren

    zu

    Bonn."


    Stempel Adressseite oben rechts: "Lingen 23 2" sowie "Porto v.Lingen"


    Stempel Siegelseite, schlecht abgeschlagen: <261>? Ist das eventuell eine Zwischenstation?


    Portovermerk Adressseite: Rötelstift: abgestr. "1", abgestr. "2" = 8 1/2 Kreuzer, Gesamtporto vom Empfänger zu zahlen

    Frankovermerk Siegelseite: schwarze Tinte: 3 Kreuzer


    Linke obere Ecke: 1 lt = 1 Lot.


    Somit dürfte es sich um einen einfachen Brief handeln, oder?


    Bedeutet der Frankovermerk, dass die Absenderin auf 3 Kreuzer frankiert hat und wenn ja, wie passt das mit dem Stempel "Porto v. Lingen" überein?


    Habe ich etwas übersehen oder falsch gedeutet oder irgendwo einen Denkfehler?


    Vielen Dank und beste Grüße

    Philia



    (Quelle Digitalisat)


  • Liebe philia ,

    der Stempel „Porto von Lingen“ dürfte der Grenzeingangsstempel vom Preußen gewesen sein. Soviel ich weiß, kam er auf Briefe, die nur bis zur Grenze bezahlt waren. Die Währung in Hannover war nicht Kreuzer sondern gute Groschen.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Philia,


    in Preußen wurde mit Silbergroschen gerechnet und in Hannover mit Gutegroschen. Bei grenzüberschreitenden Briefen muß man berücksichtigen, daß 24 Ggr auf den Taler kamen und bei Sgr waren es 30.

    Die Entfernung beträgt 200 km was ca. 27 Meilen entspricht.

    In Preussen war der Brief nach dem Regulativ von 1824 mit ¾ - 1 Loth in der 2. Gewichtsstufe.

    Der Brief kam allerdings aus Hannover. Zum Verhältnis Hannover - Preußen habe ich keine Informationen und auch nichts im Projekt der Postverträge des DASV gefunden.

    Da müssen die Experten ran.


    beste Grüße

    Dieter

    • Offizieller Beitrag

    Hallo philia,


    Lingen (Hannover) stand im Austausch mit Münster (Preußen). Der Stempel Porto v. Lingen wurde in Münster verwendet und bezeichnet, dass das hannöversche Porto bezahlt war.

    Der Brief war in Lingen aufgegeben, es fiel nur noch das hannöversche Grenzporto in Höhe von 3 hannöv. Silberpfennigen an. Dies wurde rückseitig notiert und war vom Absender bezahlt worden.

    In Preußen betrug die Entfernung Münster-Bonn ca. 18,5 Meilen und fiel damit in die Entfernungsstufe von 15-20 Meilen. Für einen Brief bis 3/4 Loth Gewicht betrug das Porto 4 preuß. Silbergroschen. Für einen Brief bis 1 Loth fiel die 1,5-fache und für einen Brief bis 1,5 Loth Gewicht die 2-fache Taxe an.


    Die Gewichtsangabe 1 L(oth) ist hannöverschen Ursprungs. Das hannöversche Loth entsprach 15,301 Gramm, das preußische Loth hingegen nur 14,616 Gramm. Wenn der Brief also 1 hannöv. Loth schwer war, entsprach das in Preußen der Gewichtsstufe von 1 bis 1,5 preuß. Loth.


    Also wurde die doppelte Brieftaxe von 2 x 4 Sgr. = 8 Sgr. taxiert. Dazu kam noch das preußische Grenzporto in Höhe von 4 preuß. Silberpfennigen, die auf 6 Spfg. = 1/2 Sgr. aufgerundet wurden. So ergibt sich das notierte preuß. Gesamtporto von 8 1/2 Sgr.


    Gruß

    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Hallo philia,


    vorhin vergessen: der kleine rückseitige Stempel ist der Ausgabestempel von Bonn vom 26.2. Der Brief brauchte also 3 Tage.


    Diese grenzüberschreitenden Briefe der Vormarkenzeit vor Gründung des Deutsch-Österreichischen Postvereins mögen einfach aussehen, sind aber ohne Unterlagen nur sehr schwer zu beschreiben.

    Welche Postämter standen mit welchen Postämtern des Nachbarlandes im Austausch?

    Wie hoch waren die Grenzportoanteile? Wenn ein Brief komplett franco oder porto lief: wie wurden die verschiedenen Währungen umgerechnet? Damals liess sich jede Post den Transport bis zur Grenze extra bezahlen und die Beträge variierten je nach Postamt.

    Wie sahen die länderspezifischen Gewichtsprogressionen aus (wie bei diesem Brief)?
    Das alles entfiel mit Gründung des Postvereins.


    Erwin: Danke.


    Gruß

    Michael

  • Zitat von Michael:

    Welche Postämter standen mit welchen Postämtern des Nachbarlandes im Austausch?

    Lieber Michael,

    Das ist für mich auch im Moment ein Thema, Unterlagen zu finden, aus denen die Austauschpostämter hervorgehen, die zwischen Preußen und den Niederlanden im Kartenschluss stehen (Thema: Unzureichend frankirt)

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Michael,


    ich stimme Erwin zu: klasse beschrieben.

    Erstaunlich ist für mich, daß nur 3 Pfennige Grenzporto anfielen und dann erst ab dem ca. 65 km entfernten Münster Porto anfiel. Weiterhin bin ich nicht auf die Idee gekommen, die unterschiedlichen Gewichtungen vom Loth nachzusehen. Mit deinen Erläuterungen ist die Taxierung klar.

    Wie ich oben schrieb, habe ich nichts zu hannoveraner Taxierungen vor 1840 gefunden.


    beste Grüße

    Dieter

  • Lieber Erwin, lieber Dieter, lieber Michael,


    ganz herzlichen Dank für eure Expertise! Es ist wohl doch - mal wieder - wesentlich komplexer, als ich zunächst angenommen habe. Ihr habt mir sehr weitergeholfen!


    Beste Grüße

    Sophia

  • Admin-M

    Hat den Titel des Themas von „Einfacher Brief Hannover (Lingen) - Preußen (Bonn)“ zu „Hannover - Preußen“ geändert.
  • Hallo in die Runde,

    ich benötige mal wieder etwas Hilfe bezüglich des Briefportos. Ich habe einen Porto-Brief vom 2. Juli 1846 von Hannover nach Köln, der einen roten Portovermerk 5 trägt. Nach meinen Recherchen betrug das für den einfachen Brief für die Strecke Hannover - Köln, knapp 40 Meilen, 4 Silbergroschen.

    Warum also 5?


    Herzliche Grüße

    Christian

  • Hallo Freunde,


    für meine kleine Kleve-Sammlung konnte ich diesen schönen Brief (Hülle ;( ) vom 6./6. (181x ??) aus Beverstedt nach Cleve ergattern. Gerichtet war das Schreiben

    An

    den Herrn Gerichtsverwalter Rodenburg

    zu

    Cleve.


    Postauslage 1 ggr. 3 Pf

    Gericht Beverstedt.

    Daneben vermerkt: prcu ½ ggr

    Das Gewicht war 2½ Loth

    Ausl. 1 ggr. 9 gpf.

    Insgesamt zu zahlen waren in Kleve 3 ?? gGr. Wer kann das entziffern?


    Auffällig ist für mich das Wort Gerichtsverwalter. Das könnte beduten, daß der Brief aus der Zeit vor dem 22.4.1816 stammt, zu der die Verwaltung im Regierungsbezirk Kleve die Arbeit aufnahm.

    Da der Stempel Beverstedt, der laut Literatur seit 1814 bekannt ist, so außergewöhnlich sauber ist, würde ich den Brief im Jahr 1814 oder 1815 einordnen.


    viele Grüße

    Dieter