Dokumente jüdischen Lebens aus unseren Briefsammlungen

  • Ein weiterer Brief an den Antiquitätenhändler J. & S. Goldschmidt in Frankfurt, aus Würzburg vom 23. Mai 1861 (6 Kr. Franko, 4II, OMR 598 - Zweikreis Würzburg).


    Goldschmidt war ein bekannter Name in Frankfurt und er hatte sein Geschäft im "Russischen Hof" - "Hotel de Russie" auf der Zeil.




    Leider ist der Brief nicht vollständig, jedoch findet sich rückseitig der Absender vermerkt und innen seine Unterschrift: C. Scharold



    Er war Maler https://www.fichterart.de/die-…der-bavaria-muenchen-5184 und Kunsthändler und Sohn des bekannteren Carl Gottfried Scharold - https://wuerzburgwiki.de/wiki/Carl_Gottfried_Scharold


    Luitpold


    Nachfolgend eine Briefhülle aus einem kleinen Konvolut von Briefen an Goldschmidt.


  • Hier ist durch diese, sagen wir "Wühlkisten-Postkarte",


    P18 - 5 Pf. - Einkreis Erlangen 7/6 8 Nm


    mit dem Adressaten N. ISRAEL Berlin die tiefgehendste Geschichte jüdischen Lebens in Deutschland (über mehrere Generationen) nachzulesen. Über den Link https://archive.org/details/is…reel01/page/n383/mode/2up

    sieht man eine Dokumentation u.a. mit Zeitungsausschnitten aus der Zeit 1814 - 1996, auch aus der jener Zeit, wo im "Stürmer" gegen N. Israel gehetzt wurde.


    Die Geschichte des Kaufhauses N. ISRAEL auch hier: http://www.jg-berlin.org/beitr…rid-i628d-2013-02-01.html



    Kurz zum Absender: Sigmund Weinstock, Schnittwarenhändler, bestellte 1882 Muster von bedr. Moleskin (= Bauwollstoff https://de.wikipedia.org/wiki/Moleskin) . Sein Name findet sich in Spendenlisten wohltätiger Einrichtungen. Er gehörte zur jüdischen Gemeinde in Erlangen: http://www.alemannia-judaica.de/erlangen_synagoge.htm


    Luitpold

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).

  • Lieber Werner,


    sehr schön, wobei ein Namensvetter des Empfängers mir mal sagte, dass nicht jeder, der Israel heißt, auch mosaischen Glaubens sein muss - es gab wohl (eher selten) Transparenz hin und her.


    Es ist schon sehr interessant, wie viele reiche Europäer jüdischen Glaubens es gab, die erhebliche Teile ihres Vermögens für wohltätige Zwecke ausgaben. Im Stürmer steht davon aber wohl eher wenig ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Der Name "Bing" ist ein jüdischer Name und ich möchte den Hinweis hier geben, auch wenn der Brief unter der Markenfrankatur präsentiert wird


    12 Kreuzer


    Die Firma Bing war ein Hopfenhändler, wobei es in Scheinfeld mehrere Personen mit den Namen Bing gab


    http://www.alemannia-judaica.de/scheinfeld_synagoge.htm


    Bei der Suche fand ich eine interessante Internetpräsentation in Bild und Ton der Familie Chotzen - Lebensweg einer jüdischen Familie von 1914 bis heute

    https://www.chotzen.de/zeitreisen


    Luitpold

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).

  • Noch mehr zur Scheinfelder Familie Bing gibt es hier:

    Bing, Scheinfeld - Bing


    Ab hier verliert sich die Spur der Scheinfelder Familie.


    Berthold Bing von Scheinfeld übergibt heute der Kultusgemeinde 3 Stück Mailänder Loos Serie 4210 No.46, das er s.Z. von der Gemeinde zur Aufbewahrung erhalten hat. Ferner hat derselbe in seinem Besitz 2 Stück Papiere Bairische Anle[i]he u. zwar M 200.- Eisenbahn Anleihen 3½% Serie 832 No.207910 Zins f. 1.Oktober 1908 M 200.- 3½% allgemeiner Anleihen Serie 200 Nr.49812 Zins f.1.Septb.1908.

    Diese zwei Papiere sind ein Vermächtnis meines Großvaters Benedikt Bing von hier u. sind ca. 60 Jahre im Besitze seiner Nachkommen u. wurden jährlich die Zinsen hieraus der Gemeinde zu wohltätigen Zwecken übergeben.

    Da Berthold Bing von hier weg zieht, übergibt er heute obige Mark vierhundert zur ferneren Aufbewahrung der Kultusgemeinde und verpflichtet sich diese laut Unterschrift, genau diese Mark vierhundert so zu verwalten wie B.Bing es gethan habe. Nämlich der Betrag dar nie veräußert werden, sondern nur die Zinsen hieraus dürfen zu guten Zwecken für die Gemeinde verwerthet werden.

    Die Nachkommen des Benedikt Bing haben jeder Zeit das Recht, sich davon zu überzeugen, daß in dem Sinn des Stifters gehadelt wird und die Papiere nicht veräußert werden.

    Scheinfeld, 12.Juni 1908

    Berthold Bing

  • Liebe Freunde,


    zum Stichwort jüdische Hopfenhändler kann ich mit einem Brief an „Hopf & Söhne“ (nomen est omen) beitragen.


    Am 24. Oktober 1860 hat Joel Birgstein aus Pahres, Gemeinde Gutenstetten, einen Brief an „Herrn Hopf & Söhne“ in Nürnberg geschrieben.
    Frankiert ist der Brief mit einer 3 Kreuzer blau, Stöckelserie („Platte“) 5. Da ich etwas unsicher bin, wäre mir die Bestätigung durch unsere Experten sehr wichtig Entwertet ist die Marke mit dem gMR 347 von Neustadt a. d. Aisch. Aufgabestempel Neustadt a. d. Aisch vom 24.10., Ausgabestemel rückseitig Nürnberg vom 25.Oct. 1860.

    Ob Joel Birgstein privat oder geschäftlich geschrieben hat, kann ich nicht feststellen, da der Brief in hebräisch? abgefasst ist.


    Aber die Familie Hopf ist ziemlich bekannt und bis in unsere Zeit herein doch recht Interessant.

    Löb Hopf hat mit seinen Söhnen Joseph und Stefan (Seligmann) 1854 eine Firma „Hopfenhandel und Bankgeschäft“ gegründet. Sie waren sehr erfolgreich, angesehen und wohltätig.

    Josephs Sohn Emil hat die Geschäfte weitergeführt und 1895 die Hopf-Villa gebaut, die Nürnbergern (und vielleicht auch weiteren Franken aus der Umgebung) heute als „Die Kunstvilla“ bekannt ist.

    Die Broschüre zur Kunstvilla

    https://www.nuernberg.de/imper…huerekusntvilla_10_02.pdf
    gibt sehr viel interessantes zur Familie preis.

    Ludwig Hopf, ein Enkel von Stefan Hopf war übrigens Assistent von Albert Einstein und hat zusammen mit ihm mehrere Arbeiten veröffentlicht.


    Über Joel Birgstein konnte ich bisher leider nur Lebensdaten finden.

    Geboren am 14. Februar 1814 in Pahres, gestorben am 22. November 1891 in Neustadt a. d. Aisch.


    Vielleicht weiß von Euch jemand mehr über ihn.


    Beste Grüße

    Will

  • Hallo Sammlerfreunde,

    Ein "Trauungs - Zeugnis" ausgestellt am 22.12.1896, von der Israelitischen Kultusgemeinde in Wien.

    Das Dokument wurde mit 50 Kreuzer C.M. besteuert.

    Liebe Grüße

    Franz


  • Herrn Doktor Stilling in Cassel - wer war dieser Adressat?


    Unter Dr. Stilling findet sich dieser Wiki-Eintrag:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Benedict_Stilling


    Leider ist kein Vorname auf dem Umschlag vermerkt, aber, daher auch hier eine erneute Vorstellung des Briefes, die Familie Stilling gehörte zur jüdischen Gemeinde in Kassel. Welche Rolle das für den Herrn Doktor hatte lässt sich nachlesen, dass ihm dadurch die universitäre Laufbahn verwehrt wurde, da er als praktizierender Arzt in der Gemeinde tätig werden sollte.



    Wie selbstverständlich Dr. Stilling und seine jüdische Familie zu ihrem Vaterland stand, zeigt sich daran, dass zwei seiner 3 Söhne, die ebenfalls Ärzte waren,



    zumindest einer als Oberstabsarzt im 11. Armee-Corps diente und einer sogar schwer verwundet wurde (leider kann ich nicht klären, welche Söhne das waren). Doch in späteren Jahren finden sich zwei in Strassbourg, von Jacob Stilling gibt es ausführlichere Informationen (siehe unten).


    Nicht erst im 1. Weltkrieg dienten jüdische Männer in der Armee und zogen selbstverständlich mit den Krieg. Hier fand ich die Informationen u.a. zu Dr. Stilling:



    https://www.google.de/books/ed…+1870&printsec=frontcover


    Luitpold


  • Eigentlich ein Briefumschlag unter Thema "Kriegsgefangenen-Post", aber auch hier gibt es Spuren zu einer jüdischen Familie (wobei dazu fast nichts zu finden ist).


    Es ist bekannt, dass im 1. WK auch in Würzburg ein Kriegsgefangenenlager bestand und so sind Briefe, Postkarten von dort immer mal wieder zu haben. Diese "Kriegsgefangenen-Senung" (offener Briefumschlag wie vorgeschrieben) wurde adressiert an Madame Fernand Lacloche.


    Die Google-Recherche vor allem über die Straßenangabe war sozusagen "glanzvoll", da es sich danach um Fernand Lacloche, einer der Brüder des Schmuckunternehmens Lacloche handelt.


    https://watch-wiki.org/index.php?title=Lacloche,_Fernand


    Nun findet sich unter den Gefallenen französichen Soldaten im 1. WK ein Herni Eugéne Revol Lacloche (da man sich dort für weitere Recherchen anmelden müsste, lasse ich das). Es kann also sein, dass dieser Briefumschlag in Verbindung mit diesem Soldaten steht - einer der Söhne?.

    Aber auch wenn die Frage bleibt, es ist unglaublich, was heutzutage an's Licht gebracht werden kann, wenn ...


    Familien-/Firmengeschichte:


    https://www.sothebys.com/en/brands/lacloche-freres


    https://www.sothebys.com/en/brands/lacloche-freres


    Hier der Hinweis auf jüdische Wurzeln:


    Das einzige Familienmitglied, das überdauerte, war Jacques Lacloche, Sohn eines der Gründungsbrüder, der weiterhin Schmuck im farbenfrohen zeitgenössischen Stil der 1930er bis 1950er Jahre entwarf. Obwohl er 1944 von der Gestapo verhaftet wurde (da er jüdischer Abstammung war), überlebte er den Krieg, um zu seinen eigenen Bedingungen erfolgreich zu sein, und zählte Prinzessin Grace von Monaco zu seinen vielen Kunden.

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).