Das Rautenobligatorium vom 7. Dezember 1854 bis 23. Mai 1857

  • Mit Weisung vom 7. Dezember 1854 wurde Punkt 7 der Richtlinie vom 1. September bezüglich der Markenentwertung aufgehoben und die frühere Regelung wieder eingeführt.


    Wir bringen den Postbüros hiermit die Vorschriften vom 1. August 1851 in Erinnerung und verschärfen dieselbe mit der ausdrücklichen Weisung, dass jede Marke mit einem vollen und starken Abdruck des rautenförmigen Entwertungsstempels in schwarzer Farbe bezeichnet werden soll. 


    Über die Einführung des Rautenstempels werde ich zu einem anderen Zeitpunkt in einem anderen Thread etwas schreiben respektive zeigen.


    Die nichtentsprechenden Entwertungen der Postablagen ohne Stempelrauten waren vom nächsten Postbüromit einem Rautenstempel in Schwarz nachzubessern. Anwendung anderer Farbe oder eines anderen Stempels ist nicht zulässig!


    Grund für diese erneute Änderung war, dass die Postbüros oft die Marken mit ungenügender Ausführung entwerteten. Das heisst, mitungeeigneten Farben oder nur sehr schwachentwertet wurden.


    Die Postverwaltung sah sich ausserdem gegenüber den Mitarbeitern zu folgender Drohung genötigt:


    Die Kreispostdirektionen werden auf gehörige Entwertung der Marken ihr Augenmerk richten und gegen nachlässig verfahrende Postbeamte einschreiten!


    In einer späteren Weisung wurde diese Drohung konkretisiert. Wir zeigen den Postbüros an, dass die Entwertung der Frankomarken auf das strengste überwacht werden wird und dass in Fällen von Nichteinhalten dieser Vorschrift Bussen erteilt werden, deren Minimum 40 Rp. beträgt und im Wiederholungsfall sich weit höher belaufen können.


    Damit die Stempelfarbe auch wirklich eine Wiederverwendung der Marken verunmöglichte, wurde in der Weisung gleich auch noch die Rezeptur mitgeliefert.


    Die vierte und letzte Entwertungsverordnung der Strubelzeit wurde per 23. Mai 1857 eingeführt. Das Postdepartement ist veranlasst, die rautenförmigen Stempel für die Entwertung der Frankomarken ausser Gebrauch zu setzen und erlässt hiermit an die Postbüros und Postablagen die Weisung, für die Markenentwertung von nun an den Ortsbriefstempel zu benützen. Vorgeschrieben war weiterhin die schwarze Stempelfarbe. Sämtliche bisher in Gebrauch gestandenen Rautenstempel sind an die Kreispostdirektion abzuliefern. Aufgrund dieses Rückrufs der Rautenstempel sind Marken mit Rautenentwertung nach Ende Mai 1857 echt selten, jedoch nicht unmöglich, da offenbar nicht alle Rautenstempel zurückgeschickt wurden.

    BILD:

    Eidgenössische 15 linige Raute.

    Diese wurde in allen 11 Postkreisen verwendet. Verschiedene in Grösse und Linienstärke etwas abweichende Formen. Stempelfarbe war grundsätzlich schwarz.

    Es finden sich jedoch verschiedene Farben aus verschiedenen Ortschaften wie schwarz, braun, rot, grün.

    Auch wurden etliche eigenwillige Rauten von diversen Poststellen verwendet. Dies aber wäre ein neues Thema.

  • Hier nun ein Beispiel dafür, dass zwar Vorschriften bekannt waren diese aber nicht immer zu 100% umgesetzt wurden.

    Brief von Rolle VD nach Romans Frankreich.

    2 Paare der 24 B1m (24F) sowie einer 23 E

    Quellennachweis:

    Honegger Philatelie Katalog 2020 Los 2657

  • Hallo José,

    vielen Dank für diese tollen Infos. Ich habe einen Brief mit einer 40 Rappenmarke, die aus 2 unentwertet gebliebenen Hälften zusammen gesetzt wurde nach Bayern.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph

    Ja wer weiss wer weiss😀

    Kann mir gut vorstellen, dass bei deiner grossen Sammlung durchaus noch was drinsteckt was mich begeistern könnte.....

    Ein durchaus nicht alltäglicher Brief. Obwohl 1856 ja die Raute zu verwenden war.

  • Hallo José,

    ja, ein außergewöhnlicher Brief und der 2. mit einem Postbetrug nach bzw. über Bayern, den ich je gesehen habe (der andere ist aus den späten 1860er Jahren bei einem schweren Streifband, das innen beschrieben worden war).

    Die Besonderheit ist der Auslandsbrief - im Inland kannte man sich von Kollege zu Kollege, aber bei Auslandsbriefen war das schon eine andere Sache, da musste man doch sehr aufpassen, wenn man aus 2 nicht gestempelten Hälften eine neue Marke bastelte.

    Der Preis war damals enorm - die Freude über das gute Stück aber auch und sie hält bis heute an. :):):)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph

    Ich kann dir nur sagen, ambitionierte Strubelsammler würden diesen Brief auch auf ihre Jagdliste nehmen und wenn der noch von St. Gallen wäre, müsste ich eine Reise in den grossen Kanton tätigen...😀😄😅😂🤣

    Ein toller Brief echt.

  • Danke, José - der Verkäufer wusste auch nur zu gut, was er da hatte und manchmal musste ich auch Schweizer Preise bezahlen, aber bei Unikaten werde ich halt manchmal schwach ... 8)

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Das verstehe ich gut.

    Nur das Wort Unikat verwende ich nur ungern, denn nur zu oft kam nach Jahren plötzlich ein zweites Stück zum Vorschein.

    Darum schreibe ich auch gern ,,bis jetzt oder bisher,,

    Kann sein das ich in absehbarer Zeit das eine oder andere Stück zeige und beschreibe wo genau dies eingetroffen ist.

  • ... ja, Unikat ist oft nur ein temporärer Titel, aber unter all meinen befreundeten CH - Sammlern ist keiner, der einen 2. Brief dieser Art gesehen hätte, daher darf der Brief den Titel noch tragen (bis ein 2. auftaucht). :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo zusammen,

    ich hatte auch einmal so einen Beleg mit 2 Markenteilen, der aus Bayern mit einer 9 kr grün. Der BPP stellte in seinem Kurzbefund dazu allerdings fest, dass diese nicht von zwei verschiedenen, sondern von ein und derselben Marke entstammen. Also kein Postbetrug. Im vorliegenden Fall sieht man allerdings schon prompt am unterschiedlichen Farbton - oben dunkler untern heller -, dass hier zweifelfrei zwei nicht zusammen gehörige Markenteile - und das auch noch dreisd grobschlächtig - zusammengepäppt wurden.

    Was für eine Wucht !

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Guten Morgen miteinander

    Bei 202 Zugriffen bei diesem Thema scheint es als wäre ein gewisses Interesse da.

    Also werde ich weitere Informationen zu diesem Thema einbringen.

  • Nach den Strubel-Marken kamen bekanntlich ab 1862 die sitzenden Helvetia gezähnt in Umlauf.

    Kaum zu glauben auch 5 Jahre nach der Aufhebung des Rautenobligatoriums finden sich noch Marken mit dieser Entwertung.

    Hier nun ein paar Beispiele nach SBK

    Nr. 28

    Quellennachweis Honegger AG Katalog 2006 Los 1277

    Nr. 32

    Quellennachweis Honegger AG Katalog 2006 Los 1277

    Nr. 37

    Quellennachweis Michael Honegger Basel 2020 Los 336

  • Hallo José,

    5 Jahre! Das ist ja fast unglaublich - weiß man denn die Orte, an denen alles verschlafen wurde, oder war es nur ein umnachteter Einzelner, der nicht von dem Stempel lassen konnte?

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Sei gegrüsst Ralph

    Deren Orte gibt es einige. Meistens findet man, wenn überhaupt, Einzelmarken.

    Briefe wo man dann meistens auch den Aufgabeort eruieren kann sind noch viel seltener.

    In der Schweiz findet man haufenweise Missachtungen oder unwissender Umgang von Vorschriften.

  • ... 18 Jahre sind extrem - kann es sein, dass man die Raute als Reservestempel ansah, also nur dann abschlug, wenn der reguläre Stempel defekt war? Schon mal darüber nachgedacht?

    2. Gedankengang: Stempel waren in der Regel inventarisiert, also wenn sie zurück gezogen wurden, war das Inventarverzeichnis zu ändern. Wurde kein Stempel zurück gegeben, musste der Postbeamte den Wert des Stempel (sicher ein paar Franken) aus eigener Tasche zahlen.

    War das bei euch Schweizern anders?

    Liebe Grüsse vom Ralph

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