Muster ohne Wert (MoW)

  • Durch zahlreiche Verträge und Abkommen nach 1850 ist die Darstellung hinsichtlich der Muster-/Warensendung, wie auch bei den übrigen Versandarten nicht einfach. Ich möchte aber diese mal anhand der mir zur Verfügung stehenden Literatur versuchen darzustellen:


    Warenmuster zu ermäßigter Briefgebühr wurde erstmals im Königreich Westfalen 1808 eingeführt. Das Muster war einem Brief anzuhängen. Nach dem Preußischen Posttaxregulativ vom 18.12.1824 waren ab dem 1.1.1825 in Preußen Warenproben in der Form zugelassen, daß das Muster einem Brief anzuhängen war. Mit Postvereinsvertrag vom 6.4.1850 wurde der Versand von Warenproben auch im Deutschen Vereinsverkehr (Abschluß des deutsch-österreichischen Postvertrages zwischen Preußen und Österreich und Bayern, später folgten Beitritte andere Altdeutsche Staaten) zugelassen. Ab dem 1.1.1864 wurden Warensendungen in Preußen als besondere Sendungsart eingeführt mit der Maßgabe, daß Briefe nicht mehr angehängt oder beigefügt werden durften, Aufschriftfahnen waren aber zulässig. Ob diese Mitteilung auch in den anderen Vereinsländern erging, ist mir nicht bekannt. Ich gehe aber auf Grund des Postvereinsvertrages von 1850 davon aus. In einer Berichtigung zur Postordnung wurden 1888 auch die anhängenden Aufschriftfahnen verboten.


    Der Bayerische Weg der Warensendungen bis zur Übernahme der Taxen des Deutschen Reiches ab dem 1.1.1872:


    Die Sendungsart Warenmuster wurde in Bayern 1810 eingeführt. Muster, die einem Brief beigefügt wurden unterlagen der Taxe des einfachen Briefes, darüber hinaus der Taxe für Druckschriften, das bis zu einem Pfund die halbe Briefgebühr kosteten. Ab dem 1.7.1958 galten die Bestimmungen des Deutschen Postvereins. Ob Bayern das für Preußen ab 1.1.1864 ausgesprochene Verbot der Beifügung oder Anhängung von Briefen und Postkarten ebenfalls ausgesprochen hat, kann ich nicht sagen. In der Posttransportordnung für das Königreich Bayern ist dieses Verbot aber festgeschrieben. Eventuell wurde für die Zeit vom 1.1.1864 bis 1.8.1865 in Bayern ein Sonderweg bestritten, sicher ist dies aber nicht. Mit dem Gesetz betr. die Verfassung des Deutschen Reichs vom 16.4.1871 ist das Post- und Telegraphenwesen auf das Reich übergegangen. Bayern und Württemberg behielten zwar die eigene Post- und Telegraphenverwaltung, aber die Postgesetzgebung stand dem Reich zu.


    Was die zusammengepackten Drucksachen und Warenmuster angeht (mit der Aufnahme von Geschäftspapieren ab dem 1.4.1900 im innerdeutschen Verkehr auch Mischsendung genannt), gab es diese schon ab 1. 1.1868, dem Gültigkeitstag der Postverträge vom 23.11.1867 von den Königlich Württembergische Posten mit dem Norddeutschen Bund, Bayern, Baden und Österreich. Vermutlich aber schon mit dem Postvereinsvertrag vom 6.4.1850, auf den ich im Moment keinen Zugriff habe. Ein Beleg mit der Bezeichnung "Zusammengepackte Sendung" ist mir aus der Zeit des 1. WK bekannt.


    Ich möchte keine Doktorarbeit schreiben und daher meine Ausführung beenden. Falls noch Fragen auftauchen sollten, werde ich mich bemühen, diese im Rahmen meiner zeitlichen Möglichkeiten zu beantworten.


    Gruß
    Manfred

    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.


    Ernst Freiherr von Feuchtersleben

  • Hallo Postarchiv,


    danke für deine erhellenden Ausführungen, die zeigen, dass der Postverein alles andere als homogen war, denn die bayerischen Verordnungen sagen da etwas anderes aus. Erst mit der Tarifperiode vom 1.8.1865 bis zum 31.12.1867 galt, dass die Proben und Muster selbst tariflich wie Drucksachen zu stellen waren und ein Brief durfte ihnen nicht mehr angehängt werden.


    Mit der VO vom 28.12.1867 wurde alles gleichgeschaltet, was der Norddeutsche Bund und später das Deutsche Reich beschlossen hatten, nur im inneren Verkehr gab es ein paar Ausnahmen, auf die hier bezüglich der Muster und Proben nicht einzugehen ist.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Ralph,


    wenn Du Dir sicher bist, daß die in Preußen am 1.1.1864 eintretende Änderung hinsichtlich der Warenproben in Bayern erst am 1.8.1865 eintraten, dann ist es wohl so, daß Bayern vom 1.1.1864 bis 1.8.1865 einen Sonderweg bestritten hat. Besser gesagt, hätte ja Preußen einen Sonderweg bestritten, was ich mir noch immer nicht vorstellen kann :)


    Gruß
    Manfred

    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.


    Ernst Freiherr von Feuchtersleben

    3 Mal editiert, zuletzt von Postarchiv ()

  • Hallo Manfred,


    in den mir zugänglichen (= allen) Primärquellen Bayerns fehlt eine Änderung ab dem 1.1.1864 oder später bis zum 1.8.1865.


    Beispielhaft möchte ich erwähnen, dass Preußen den neuen Postvertrag mit den Niederlanden Bayern am 29.12.1863 mit der VO Nr. 1 vom 5.1.1864 unter der Nr. 37.441 mitgeteilt hatte. Dort stand im §5, dass Proben und MoW je 2,5 Loth progressierten à 3 Kr.. Briefe durften nicht begeschlossen werden, also schon die neue preußische Regelung!


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo Ralph,


    ich habe nur meine Feststellungen mitgeteilt. Diese widersprechen doch Deinen Ausführungen nicht. :?:


    Gruß
    Manfred

    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.


    Ernst Freiherr von Feuchtersleben

  • Hallo Manfred,


    war auch nicht bös gemeint. :)


    Ich wollte nur sagen, dass man bei der Aufgabe in Bayern sehr vorsichtig sein musste, wohin die Reise des Musters - mit oder ohne Brief - ging. Inland war anders als Postverein, Postverein anders als Ausland A und Ausland A anders als Ausland B.


    Daher wundert es nicht, wenn zahlreiche MoW - Briefe falsch taxiert oder frankiert wurden, weil die Lage in den 60er Jahren einfach unübersichtlich wurde und Arbeitsfehler die Folge waren.


    Innerbayerisch genossen sogar unfrankierte Briefe mit MoW die Portomoderation! In über 30 Jahren habe ich auch schon 2 gesehen ... :D


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Sammlerfreunde,


    folgenden Beleg möchte ich zeigen:
    Ganzsache - Streifband 3 Pfg. mit Zusatzfrankatur 2 - und 5 Pfg.
    als "Muster ohne Wert" Sendung von Berchtsgaden nach Berlin
    mit insgesamt sechs Abschlägen des Stationsstempel Berchtes-
    gaden 2 auf der Vorder - und einen Abschlag auf der Rückseite
    und zusätzlichen Abschlägen der Postexpedition Berchtesgaden 2.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Hallo zusammen,


    nach dem m.E. schon grandiosen MoW auf bunt auffrankiertem Streifband mit Rund- und Stationsstempelabschlag aller Marken (!) von @Vorphila anbei mal wieder ein Standartversand zu 10 Pf bis 250 gr in der Tüte, hier aufgegeben von dem bekannten Eisenhütten- und Emailierwerk der Gebr. Gienanth in Hochstein bei Winnweiler / Pfalz.


    Schönen Wochenauftakt wünscht allseits


    der Pälzer

  • Hallo Pälzer,


    wundervoll farblich abgestimmtes Stück (besser als 2 grüne 5er!) mit erstklassiger Entwertung, die bei diesen "Tüten" oft ganz schlecht ausfiel, weil der Inhalt eine deutliche Abstempelung regelmäßig vereitelte.


    Dazu noch ins "Ausland" Württemberg, was man erst einmal finden muss.


    Danke fürs zeigen und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo bk,


    Aprospos Inhalt: Was könnte das Deines Erachtens für ein MoW bei einem Eisenhütten- und Emailierwerk wie dem oben genannten gewesen sein ? Ich hab` mal so ein bischen "research" bzgl. des Empfängers Eugen Schweikert in Ebingen / Württemberg gemacht, nichts direkt gefunden, indirekt könnte es sich um eine Schlosserei gehandelt haben.


    Gruß !


    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,


    meist waren es Metallplättchen, also entweder Dekorationsware, oder etwas zum beschriften von Teilen oder Werkzeugen. Ganzprodukte durften es ja nicht sein, weil es dann keine Muster mehr gewesen wären, sondern Endprodukte mit Handelswert (auch wenn dieser gering war).


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Guten Morgen,


    als Threaderhaltungsbeitrag ein Pendant des im Beitrag #28 gezeigten Belegs.

    Muster ohne Wert aus Bamberg vom 3. Sep. 1894 ebenfalls in "schwäbische" Ausland nach Spaichingen gelaufen. Portorichtig für Sendungen bis 250 g frankiert mit einer 10 Pf Mi.-Nr. 56-B-x. Auf der Rückseite sauber abgeschlagener AK-Stempel von Spaichingen vom Folgetag. Dem Absender zufolge dürfte es sich um den Versand von irgendwelchen Sämereien gehandelt haben. Bamberg war und ist nach wie vor Zentrum des oberfränkischen Gartenbaus was den Einwohnern den Beinamen "Bamberger Zwiebeltreter" eingebracht hat.


    Kann mir noch jemand den Tarifzeitraum (von - bis) für derartige Sendungen verraten ?


    Danke Klaus



    Wer später bremst,
    ist länger schnell !