Privatpost

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Nachdem ich gerade wieder die mit Nachporto belegte Privatpostkarte von abrixas gesehen habe (hab immer noch etwas dran zu knabbern, die nicht selber bekommen zu haben ;( ) kam mir die Idee, auch für die bayerische Privatpost einen eigenen Thread aufzumachen.


    Ich zeige hier mal einen Beleg der privaten Courier-Stadtpost von München. Mehr will ich erstmal nicht verraten, bin mal auf Eure Deutungsansätze gespannt, bevor ich das Geheimnis lüfte :D
    Dürfte nicht allzu schwer zu erraten sein...



    Viele Grüße


    kreuzer

  • Hm, Das Stempeldatum, genauer das Jahr kann ich nicht erkennen, aber nachdem die 2 Pfennig-Marke zum 1. Januar 1900 erschienen ist, kann der Stempelabschlag nicht
    aus dem 19. Jh stammen. Damals gab es noch nicht diese Wegwerfmentalität, die der Verpackungsindustrie fette Gewinne sichert. Für mich stellt sich die ganze Geschichte so dar:
    Ein Münchener (oder M-In) hat im Wochenenddomizil Miesbach noch eine Courierkarte. Verschicken konnte man diese per COURIER nicht mehr, denn dieses Privatpostunternehmen existierte
    nicht mehr. Aber man hatte eine unbenutzte Postkarte, die sich noch verwenden ließ, und diese wurde benutzt.


    Schöner Beleg! :thumbup:

    "Extra Bavariam non est vita et si est vita non est ita."

    • Offizieller Beitrag

    Volltreffer!
    Die Privatposten wurden im gesamten Deutschen Reich (also nicht nur in Bayern) zum 1.4.1900 aufgelöst. Der Beleg ist am 23.8. gestempelt.
    Die Privatpost durfte nur im Ortsbereich tätig werden, hier also nach der ursprünglichen Karte München. Eine Postkarte mit der Privatpost im Ortsbereich kostete 1 1/2 Pfennige.
    Da die Courier-Karte noch nach dem 1.4.1900 übrig war, es aber die Stadtpost nicht mehr gab, hat man kurzerhand eine "Post-Karte" daraus gemacht und diese dann mit 2 Pfennig freigemacht und als Ortspostkarte in Miesbach verschickt.


    Viele Grüße


    kreuzer

  • kreuzer
    Eine P1Ib, abgestempelt vom Postamt München VII am 20. Oktober 1896. Der privaten Stadtpost war es nicht erlaubt, Postsendungen ausserhalb der Stadtgrenzen Münchens zu zustellen.
    Der Absender benutzte für seine Mitteilungen dennoch eine Courier-Karte und frankierte diese zusätzlich mit einer 5-Pfennig-Marke der Staatspost. Da kein Stempel des Couriers abgeschlagen ist, darf man darüber spekulieren, ob der Briefbote bei der Entleerung des Courier-Postkastens die Karte postwendend, ohne die übliche Bearbeitung im Bureau, in einen Briefkasten der Staatspost eingelegt hat. Eine Wiederverwendung mag ihm in diesem Fall auch unwahrscheinlich erschienen sein.


    Die Karte kam jedenfalls am gleichen Tag in Ichenhausen an. Das belegt der Ankunftsstempel.
    ^^

    • Offizieller Beitrag

    Hallo abrixas,


    schönes Stück. Denke auch, dass bereits der Absender die zusätzliche Marke aufgeklebt hat. Nicht so sicher bin ich mir allerdings, ob sie jemals einen blauen Courier-Briefkasten von innen gesehen hat. Wenn der Absender daran gedacht hat eine Marke aufzukleben halte ich es für wahrscheinlicher, dass er die Karte auch in den richtigen Briefkasten eingeworfen hat.
    Schön ist allerdings die "Duplexentwertung", da der Ichenhausener Stempel die Marke auch noch getroffen hat.


    Viele Grüße


    kreuzer

  • Der Schreiber dieser Karte hat, bis auf den COURIER-Wertstempel, alles, was auf die private Stadtpost hinwies, säuberlich mit Tinte durchgestrichen. Am Tag 17 nach Ende der privaten Stadtposten in Deutschland wurde diese Karte dennoch verwendet, denn sie war für den Absender nicht völlig nutzlos: Beschreibbar war sie allemal noch. Sauber wurde die dazu geklebte BAYERN-Marke (MiNr. 61x) am 17. April im Bahnpostamt München 1.B.P. entwertet. Man hat den Eindruck, dass der Postbeamte jedes Berühren des COURIER-Stempels vermeiden wollte, als ob er befürchtete, für den Schaden in Höhe von 1½ Pfennigen haftbar gemacht zu werden. Das Münchener Kindl blieb sowohl vom Absender als auch von der Staatspost unbehelligt.
    In Leipzig wurde die Zustellung mit dem Botenstempel des PA 13 am 18. 4. 1900 belegt.

  • Hallo abrixas,


    schönes Stück!


    3 Fragen hätte ich dazu: Welche Farbe hatten die Briefkästen in München damals?


    Wäre die Karte nicht umzutauschen gewesen - verbunden mit einer Rückerstattung der 1,5 Pfennigen?


    Gibt es hierzu Unterlagen?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Historischer Exkurs (Quelle: Die Deutsche Privatpost, Band IV., Hans Meier zu Eissen)



    "Extra Bavariam non est vita et si est vita non est ita."

  • Hallo abrixas,


    danke für diese interessante Facette der PO in Bayern. Meine Frage zielte eher in die Richtung, welche Farbe die Briefkästen der Staatspost in München und anderswo hatten.


    Kannst du noch etwas zum möglichen Umtausch sagen?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo kreuzer,


    wenn die Briefkästen der Staatspost (hell)blau waren und die der Courierpost auch (hell)blau mit weißen Streifen, wundert es mich nicht, wenn die Poststücke auch mal in den falschen Kasten wanderten.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Sammlerfreunde,


    noch ein Beleg zum Thema - in den falschen Briefkasten gelegt.
    Mit Ankunftsstempel München 2, dort mit 3 x 2Pf. Portomarke beklebt, und entwertet, weitergeleitet zum Postamt München 8 und diesmal in blau gestempelt und beim 2. Versuch zugestellt (falls ich die beiden unterschiedlichen Briefträgerstempel richtig interpretiere).
    Die Herren auf dem Hauptzollamt haben sich über das Nachporto sicher gefreut.
    Den blauen Stempel P.3 kann ich nicht zuordnen, möglicherweise kann mir da ja jemand weiterhelfen.


    viele Grüße von
    woodcraft

  • Hallo woodcraft,


    ein echter Eye - catcher, Respekt! P3 war einer der Stempel der Porto - Controll - Einheit in München. Diese Beamten mussten die lokalen, aus- und eingehenden Postsendungen auf Nicht- und Unterfrankaturen überprüfen und das Porto bzw. Nachporto "berichtigen".


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Wenn ich richtig lese, wurde die Annahme verweigert. Vielleicht erklärt sich so der zweite Briefträgerstempel. Beide Briefträgerstempel waren zumindest dem gleichen Zustellbezirk zugeordnet. :)

    "Extra Bavariam non est vita et si est vita non est ita."

  • @bk Über eine Rückgabemöglichkeit gegen Geldrückerstattung konnte ich nichts finden.


    Über andere Ganzsachen der Privatpost München kann ich Folgendes berichten:


    Die Restbestände vieler Bildganzsachen wurden nach Einstellung dieser Privatpostanstalt (31.3.1900) an Händler verkauft, die wiederum versuchten diese Ware an den
    Mann zu bringen. Die Abbildung zeigt ein solches Händlerangebot, das auf eine derartige Karte geschrieben wurde. Die Karte wurde mit dem Stempel des Letzttages
    gestempelt und am 13. Juni 1900 mit der Staatspost befördert.
    Der Text:


    Herrn Fritz Koch Cölleda München 30. Juni 1900
    Von dieser Karte, der Privat Post Courier abgestempelt, mit deren Stempel, der letzten Austragung 31/3/00 5 ½ Uhr, höchst feine, seltene Gelegenheitskarte habe
    sortiert in circa 80 Dah(r)s(tellungen) – 6000 Stück vorräthig, die ich Ihnen bei Abnahme von 100 St à M2.- von 1000 “ à M9.- ab hier, per Nachnahme, oder vorheriger
    Einsendung des Betrages erlasse. Per Drucksache, sandte noch weitere 5 Stück als Muster. Werthen Auftrag erbitte baldigst. Hochachtend
    Leopold Rosenbaum



    Die erwähnten Karten sind heute noch im Handel. Bei ebay beobachtete ich etliche dieser gefälligkeitsgestempelten Karten, wie beschrieben.
    Diese gingen weg wie warme Semmeln (Durchschnittspreis 35 EUROs).


    Ob dieses den heutigen "philatelistischen" Erzeugnissen mancher "moderner" Privatposten ebenso in 112 Jahren ergehen wird? :rolleyes: :whistling:

  • Hallo abrixas,


    ja, die damaligen Händler und Sammler waren schon etwas verrückt - aber es war ja auch ein junges Hobby und wie bei den Telefonkarten auch war die Schar der Jäger groß und der Ertrag klein.


    Danke fürs zeigen und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Weil weiter oben schon über die Farbe der Briefkästen der Courier-Stadtpost diskutiert wurde: Hier mal ein Beleg aus Nürnberg. Ein KArtenbrief, verschickt am 10.02.1899, natürlich im Ortsbereich von Nürnberg. Gekostet hat das Ganze damals 3 Pfennige. Unten links findet sich der Hinweis "Nur in einen blauen "Courier"-Briefkasten werfen. Das belegt zum einen, das auch in Nürnberg die Briefkästen der Stadtpost blau waren. Da allerdings das Wort blau besonders hervorgehoben wurde, könnte das auch darauf schließen lassen, das die Briefkästen der Staatspost eine andere Farbe hatten :?:


    Viele Grüße


    kreuzer

    • Offizieller Beitrag

    Hallo zusammen!


    Zur Frage der Farbe der Briefkästen habe ich nun eine Antwort gefunden, ich zitiere aus dem Buch "Zahlreiche Kasten sieht man hängen - Kleine Kulturgeschichte deutscher Briefkästen" von Manfred Stephan, S. 69:


    "Auch in Bayern mußten die Privatbeförderungsanstalten auf die Farbe der amtlichen Briefkästen Rücksicht nehmen. Seit 1886 waren die Stadtbriefkästen gelb, die Seitenwände trugen ein weißblaues Rautenmuster, und das Dach war schwarz lackiert.
    Deshalb wurden die Briefkästen der Privatbeförderungsanstalten blau gestrichen. Darauf wurde durch besondere Zusätze auf den Courier-Karten hingewiesen."


    Die Privaten durften nur im Lokalbereich tätig werden.


    Viele Grüße


    kreuzer

  • Nach Eintritt in den Rentner-Olymp und nach angemessener Sommerpause habe ich mich mal auf meinem PC-Explorer durchgeklickt, und da fand ich dieses, und ich denke, ich bringe es hier zur Präsentation. Es ist immerhin eine gesunde Mischung aus Bayern, Privatpost und ein Beispiel, so wie in Oswald Walters Werk (Privatpost-Schriftenreihe Nr. 41) zum Thema "Außergewöhnliches und Kurioses".


    Eine außergewöhnliche Verwendung eines Nürnberger Privatpost-Kartenbriefes aus dem Jahr 1897
    Zuerst die postalische Behandlung:
    Abgangsstempel (Typ 30b) von DEGGENDORF mit Datum 27. JUN 97 mit Uhrzeit in doppelter Stunde (Vor 10-11).
    Ankunftsstempel (Typ 30b) von MUENCHEN B.Ü. (Briefübernahme des PA München 1 in der Residenzstraße) mit Datum 27. JUN 97 mit Uhrzeit in doppelter Stunde (9-10 Nm).
    Die Zeitangaben in den beiden Stempeln dokumentieren eine Laufzeit, die heute bei der Deutschen Post AG. unerreichbar erscheint.
    Abgeschlagen wurde auch der Briefträgerstempel mit der Nummer 172. Diese Nummer war dem folgenden Zustellbereich des in der Theresienstraße gelegenen Postamt 4 zugeordnet (oranger Kreis): Unter anderem Schellingstraße, Augustenstraße, Theresienstraße, Barerstraße und Karlstraße.
    Die Umwandlung eines Kartenbriefes in eine Postkarte
    Was hat nun der Absender des Kartenbriefes aus demselben gemacht? Nun, er hat nur die Adressatenseite verwendet; wohl aus Kostengründen. Er erklärt mit einem Federstrich den Kartenbrief zur Postkarte, und er unterstreicht auch noch zur Verdeutlichung den Wortteil „Karte“, „nbrief“ überklebt dieser einfach mit der Freimarke (Mi.Nr.61x). Facit 5 Pfennige gespart! Ähnlich verfuhr er bei der Korrektur mit „Courier“, Privat Stadtpost und „Nürnberg“. Die Empfängeradresse wurde mit einem violetten Stempel abgeschlagen.
    Die wichtige Mitteilung an die Advokatenstochter (toller Genitiv von anno dazumal) war in Gabelsberger Kurzschrift geschrieben. Wer kann das heute noch?