• Lieber Altsax,

    Bayern kannte i. d. R. 3 Gewichtssysteme:

    1. Innerbayerisch galt ab 1.7.1849 das Zollloth (15,625g) inklusive,

    2. Postvereinsmäßig galt ab 1.7.1850 das Zollloth wie oben exklusive.

    2a. Mit Österreich hatte man z. B. das Zollloth auch inklusive vertraglich geregelt, doch scheint man ab 1855 (evtl. schon vorher) von dieser Vorgabe abgelassen zu haben, weil es ab dann Briefe zwischen Bayern und Österreich gab, die mit 1 Loth genau gewogen als Briefe der 2. G-Stufe galten und man sich auch gegenseitig dahin gehend kontrollierte. Man hielt sich also beiderseits nicht an die postvertragliche Abmachung.

    3. Auslandsbriefe mit 4/10 Loth (1/2 Loth exklusive bzw. 1/2 Münchener Loth inklusive, später 6/10 Loth inklusive/exklusive usw. gab es auch, wobei Bayern i. d. R. keine eigenen, speziellen Gewichte an seine Poststellen lieferte, sondern Vorgaben machte, wie mit den aktuellen (alten) Lothgewichten bei den Teilunzen- und Grammgvorgaben bei der Auslandspost umzugehen war - sogar mit eigenen Reduktionstabellen von 32 Loth und 30 Loth Stückelungen auf ein Pfund.

    Es wundert einen, wenn man das weiß und den heute noch vorhandenen Briefe zugrunde legt, wie wenig knapp unterfrankierte Briefe existieren - das wäre heute sicher anders bei den handelnden Personen. Auf der anderen Seite galt ja bei Postvereinsbriefen, dass man eher nicht nachtaxierte, wenn es spitz auf knapp stand, weil jede Nachtaxe durch eine Transit- oder Abgabepost eine Belastung des eigenen Bürgers zugunsten einer fremden Postverwaltung bedeutete; das bedeutete viel Arbeit für fremde Verwaltungen, die einem das nicht entgalten, weswegen in den frühen 1860er Jahren Bayern nur dann anriet, Korrekturen bei unterfrankierten Poststücken durchzusetzen, wenn diese äußerst gravierend waren, wobei dies nicht spezifiziert wurde. Nach meinem Verständnis bedeutete dies, dass Briefe, die um eine G-Stufe unterfrankiert waren, eher nicht nachhtaxiert werden sollten, wenn es knapp war.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Brief: Charge Brief mit 3 Kreuzer von Kempten nach Hupprechts, Gemeinde Memhölz, Landgericht Kempten vom 17. Januar 1862. Bestellgeldvermerk von 1 Kreuzer. Eigentlich lag Hupprechts im Landbestellbezirk von Kempten. Eine 1 Kreuzer Marke hätte gereicht, denn ich glaube nicht, daß der Brief zwischen 2 - und 3 Loth schwer war.

    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Hermann,

    aus dieser Korrespondenz sind einige Briefe bekannt, bei denen wenig stimmt - vom Absender und/oder von der Post falsch gemacht, das läßt sich wohl nicht mehr eruieren.

    In jedem Fall eine Besonderheit und auf der Jagd nach ebensolchen Stücken sind wir ja ein Leben lang. :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Siegfried,

    ja, die U3 ist als Auffrankatur selten - gutes Stück. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Morgen Sammlerfreunde,

    hätte ja nicht gedacht, mal einen Beleg aus dem mittelfränkischen Wassertrüdingen in die Sammlung aufnehmen zu düren, aber bei dem Adressaten in Speyer war das natürlich ein Muss. Der Brief ist schon etwas größer als üblich, hatte Einlagen, die aber noch innerhalb der 1. Gewichtsstufe geblieben sind. Wie schon im thread "social philately" vorgetragen, nachfolgend einfach nochmals der Werdegang des Adressaten, der aus Ehgingen bei Wassertrüdingen stammt:

    Professor Friedrich Scherer kam am 5. September 1823 in als Sohn eines einfachen Handwerkers zu Welt. Im dritten Lebensjahr raubte ihm ein Quaksalber durch unsachgemäße Behandlung einer Augenerkrankung das Augenlicht. Nur als Hospitant, ausschließlich auf das Zuhören beschränkt, konnte er die örtliche Schule besuchen.

    Trotzdem man ihm dabei kaum Beachtung schenkte, fiel der aufgeweckte Knabe bald durch besondere Anteilnahme an dem gebotenen Schulstoff auf, mit dem er sich - memotechnisch begabt - befaßte, so daß sein Lehrer Hirschmann wie auch dessen Frau und Tochter sich auch außerhalb der Schule viel mit ihm beschäftigten. 


    Nach dem Schulbesuch hatte er sich mit der Klarinette als Dorfmusikant ein kleinen Verdienst erarbeitet. Das lag jedoch weit unter seiner geistige Befähigung, so dass ihn sein ehemaliger Schullehrer beim ortsansässigen Arzt Dr. Segel, dem Ortspfarrer und Landrichter vorstellte. Danach wurde er im Jahr 1839 in der Münchener Blindenanstalt aufgenommen. Er unterzog sich einer handwerklichen Lehre, blieb dort bis zum Jahr 1845 und absolvierte mit 22 Jahren als Fachhandwerker.


    Doch Scherer strebte weiter nach Höherem. Mit Hilfe einflussreicher Persönlichkeiten verschaffte er sich den Weg an die Universität. "Die Gartenlaube" schreibt hierzu in einem Beitrag aus dem Jahre 1859:  


    Vor Allen war es Professor Hefler, welcher der Bemerkung: „es wäre unrecht, solch ein Talent in seiner Entwickelung nicht zu fördern", die That auf dem Fuße folgen ließ, indem er ihm in der Person eines Rechtscandidaten Rarches einen Privatlehrer gewann, der sich seiner mit aufopfernder Liebe annahm. Bald gesellten sich zu diesen Beiden Männer wie Hofrath von Schubert, Staatsrath Herrmann, Professor Lindemann, Dr. Kuhn und Dr. von Biarowsky, welche ihn in seinem Streben ermunterten und förderten. Diese empfahlen ihn am Hofe, und der König sowie die beiden Königinnen, ganz besonders aber Prinz Karl fanden sich bewogen, ihm Stipendien zum Besuch der Universität, worauf Scherers feurigster Wunsch zunächst gerichtet war, zu bewilligen. Auch der reiche Ultramarinfabrikant Zeltner in Nürnberg unterstützte den strebsamen jungen Mann.


    Bereits in den Semesterferien und nach Abschluß seines Studiums, suchte er die Blindeninstitute in Württemberg, der Schweiz und Österreich auf, um durch Vergleiche von Unterrichtsmethoden und Ausbildungsprinzipien sein Wissen zu bereichern und für sich selbst Grundlagen zur Gründung einer Blindenanstalt zu gewinnen. Scherer gründete im Jahr 1854 die Blindenanstalt in Nürnberg. Die Zahl der Zöglinge betrug im ersten Jahr sechs, nach einem weiteren Jahr zehn und das Vermögen, zu dem er selbst beigetragen hatte, rd. 30 000 Gulden. 


    Überraschende Resultate und öffentliche Schulprüfungen hoben rasch das Ansehen seines Instituts. Es kam ihm darauf an, die zehntausend deutschsprachigen Blinden für den großen Gedanken der allgemeinen Beschulung zu gewinnen, zumal nur ein ganz geringer Prozentsatz von ihnen einer systematischen Schulung unterzogen wurde. Das durch den Franzosen Louis Braille (1809-1852) - ebenfalls in jungen Jahren erblindet - ersonnene Punktschriftsystem begann sich erst richtig in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzusetzen. 


    Scherer selbst benutzte, wie verbürgt ist, die Punktschrift und lehrte sie auch. Sein Buch „Die Zukunft der Blinden" erlebte 13 Auflagen. Im Zenit seines Schaffens angelangt, gründete Scherer eine zweite Anstalt in Altona, außerdem mit finanzieller Unterstützung seiner gut betuchten Frau eine internationale Blindenanstalt in Speyer und schließlich zwei Blindenkomitees in Bamberg und Bayreuth. 


    Ferner war er der Begründer des Schleswig-Holsteinischen Blindenfürsorgevereins mit dem Ziel, eine Blindenanstalt in Kiel zu errichten; diese wurde im Jahr 1860 ins Leben gerufen. Mit Unterstützung des bayerischen Innenministers Freiherr von Feilitzsch schuf er 1880 die Grundlage der heutigen Blindenhilfe. So ist er ein Apostel der Blinden geworden, von dem erstaunlicherweise bis heute unbekannt geblieben ist wann und wo er gestorben ist.

    Bei der verwendeten Marke handelt es sich um eine Mi-Nr. 25 mit WZ X (enge Rauten). 


    Viele Grüße 

    vom Pälzer 


    verwendete Quellen:

    https://de.wikisource.org/wiki/Friedrich_Scherer

    https://de.wikipedia.org/wiki/Louis_Braille

    http://ma-ha-schulze.de/index.php?menuid=0&reporeid=116

    https://www.hugendubel.de/de/b…1906-produkt-details.html

  • ... sehr schöner Brief und mit feinem "Background" natürlich noch besser, als eh schon so ... :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Bayernfreunde,

    ich bearbeite gerade eine Seite für meine Heimatsammlung Scheinfeld.

    Mit dem 1. Brief komme ich hinsichtlich der Frankatur noch zurecht: 3 Kreuzer für das Franko und 7 Kreuzer Scheingebühr für das Einschreiben.

    Beim 2. Brief ist die gleiche Frankatur drauf, aber Gewichtsklasse bis 250 g wären ja allein schon 7 Kreuzer plus Scheingebühr 7 Kreuzer plus Rückschein müssten doch weit mehr sein als die 10 Kreuzer. War der Brief unterfrankiert oder sehe ich da was völlig falsch?

    Gruß, Siegfried

  • Hallo Siegfried,

    wie kommst du beim 2. Brief auf eine 2. Gewichtsstufe (also bis 250g)? Ich sehe ihn genauso wie den 1. Brief an.

    Die Gebühr für die Retour-Recepisse (RR) war auf der RR selbst zu verkleben, i. d. R. nicht auf dem Brief.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... verstehe, aber das war die Expeditionsnummer 1559 der Absenderbehörde (heute: Aktenzeichen bzw. Geschäftszeichen). Zur Kreuzerzeit hat man in Bayern erst ab dem 1.1.1872 in Gramm gerechnet, aber die Gewichtsangaben oben links notiert, nicht unten links (i. d. R. in blauer Kreide).

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Siegfried,


    Schöne Briefe und interessante Beschreibung. Die gewählten Schriften sind jedoch ungünstig und bei einer allfälligen Ausstellung nicht förderlich.


    Sammlergruss Martin

  • Liebe Freunde,

    ein Chargébrief im 1. Gewicht aus Landshut vom 30.10.1875 an die Kirchenverwaltung Perka in Biburg. Der Ort Perka hat heute 43 Einwohner (abgezählt) und ist in Biburg eingemeindet (Biburg damals knapp 500 Einwohner und damit auch keine Großstadt). Die Dienstanweisung vom 9.6.1872 fand Anwendung in der Tatsache, dass die Aufgabepost mit rotem Stift den Recovermerk unterstreichen sollte. Ansonsten war der neue Stempel "Eingeschrieben No ..." ab 15.2.1875 zu verwenden - diese Stempel sind in guter Erhaltung nicht häufig, da sich die Stempel schnell abnutzten und keine lesbaren Abschläge mehr hinterließen.

    Beide Orte gehörten zum Landpostbezirk von Abensberg. Aber der Absender hätte seine Ortsangabe präzisieren sollen, denn Perka kannte in Landshut keiner und Biburg gab es allein in Bayern schon 4, in Österreich auch noch 2!

    Ergo notierte, wer auch immer, später "Abensberg" und leitete so die korrekte Absendung des Einschreibens ein. 3x Franko bis 15g und 7x Reco ergaben die frankierten 10x.. Dass es dann noch Wasserzeichen weite Welle ist, statt des üblichen Wasserzeichens X oder Y, macht die Sache sicher nicht schlechter ...

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,

    Donnerwetter - das ist ja ein richtig dicker Brummer.

    Eine schöne Marke, erstklassige Stempelabschläge, eine schöne und mit dem Zusatz "Abensberg" interessante Anschrift. Besser geht´s nicht mehr.

    Herzlichen Glückwunsch zum Erwerb und

    viele Grüße

    Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,

    vielen Dank - zum Preis eines Billigwasserzeichens habe ich dann auch, wenngleich etwas widerwillig, 10 Euro Porto bezahlt ... wofür auch immer. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Franz,

    ich danke dir - das war mit der Adresspräzisierung auch der eigentliche Kaufgrund - an eine Nr. 35 hatte ich gar nicht erst gedacht ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    zwischen einer Nr. 29Y und einer Nr. 35 gibt es ja doch einen großen preislichen Unterschied.

    Jetzt würde mich doch interessieren, wie hatte denn der Verkäufer den Brief angeboten ? War da von einer Nr. 35 keine Rede?

    Viele Grüße

    Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,

    10 Kreuzer Recommandirt Landshut war die Ansage - und damit hatte er ja Recht ... :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.