Die Prüfungsstellen für Geschäftsbriefe im Deutschen Reich 1914 -1918

  • Neben der der Prüfungsstelle für Auslandsgeschäftsbriefe in Stuttgart gab es laut Karl-Heinz Riemer im Deutschen Reich noch 46 weitere Prüfungsstellen dieser Art, 6 davon in Bayern und 7 in Sachsen.

    Das gemeinsame Merkmal dieser Zensurstellen ist, dass die Briefe direkt der Zensurstelle vom Absender offen vorgelegt, dort zensiert und sofort verschlossen wurden. Diese Sendungen wurden dann einem Postamt eingeliefert und dort gestempelt. So sind diese Sendungen immer einheitlich gestempelt, manchmal wurde auch das zuständige Postamt gewechselt.

    Die Prüfungsstempel wurden meist auf der Rückseite über der Briefklappe gestempelt und somit der amtliche Verschluß dokumentiert. Oft sind die Prüfungsstempel auch noch auf der Vorderseite abgeschlagen. Das war aber nicht bei allen Prüfungsstellen so. Manche stempelten nur auf der Vorderseite. Eine weitere Prüfung der Sendungen bei den üblichen Auslandspostüberwachungsstellen kam nur sehr selten vor. Somit konnte der Absender sicher sein, dass der Inhalt der Sendung auch beim Empfänger vollständig ankam.

    Ich habe mal im Internet mit einer Materialsammlung begonnen, um einen Überblick zu bekommen.



    Große Prüfungsstellen wie Köln, Hamburg, Berlin und Frankfurt sind leicht zu finden und man bekommt schnell einen Überblick, wie die Zensurstellen gearbeitet haben. Dies ist sehr hilfreich, denn man kann sofort Besonderheiten erkennen und gezielt kaufen.

    Als ersten Beleg möchte ich einen frühen Brief aus Frankfurt/Main vorstellen.



    Einschreibebrief der Firma Robinsohn aus Frankfurt/Main nach St. Gallen vom 15. August 1914. Laut Riemer wurden 3 verschieden Dienstsiegel (Abb. 262, 263 und 264) verwendet. Leider sind die Verwendungsdaten nur sehr vage ohne Monat angegeben. Das erste Dienstsiegel (262) wurde 1914 verwendet. Dieser Beleg ist ein Vorläufer und wurde mit dem Briefstempel der Königlich Preussischen 21. Division gesiegelt. Daneben haben die beiden Sachverständigen mit vollem Namen und der Überwachungsoffizier mit Nachnahme unterschrieben. Das sieht man so nicht oft. Entscheidend für die Zuschreibung zu der Prüfungsstelle ist der Aufgabestempel des Postamts Frankfurt 9. Der Stempel Frankfurt * (Main) 9 y wurde in der ersten Zeit für die Post der Prüfungsstelle verwendet.

    Ich habe den Beleg auf einer Internetauktion erstanden und mein Mitbieter hat die Besonderheit auch erkannt. ;)

  • wuerttemberger

    Hat den Titel des Themas von „Die Prüfungsstellen für Geschäftsbriefe im Deutschen Reich“ zu „Die Prüfungsstellen für Geschäftsbriefe im Deutschen Reich 1914 -1918“ geändert.
  • Zensurbelege der Prüfungsstellen für Geschäftsbriefe werden schon immer wieder angeboten, aber eben nicht in solchen Mengen, dass man schnelle Fortschritte erreichen kann. Deswegen kann ich keine Prüfungsstelle vollständig bearbeiten, so wie mir es mit Stuttgart ganz gut gelungen ist. Vor allem ist die Aktenlage bei den preußischen Armeekorps als trostlos zu bezeichnen. Diese Akten sind wohl alle(?) bei einem Bombenangriff auf Potsdam 1945 verbrannt. Übrig geblieben sind die Akten von Württemberg, Bayern und Sachsen, weil sie in den dortigen Staatsarchiven verwahrt wurden und von den Unbillen des 2. Weltkriegs weitgehend verschont wurden.


    Die folgende Aufstellung habe ich in einer Akte in München gefunden. Es handelt sich um eine Abschrift eines Schreibens des Reichspostamts an die OPD München vom 14. Oktober 1915 und ist als "Geheim" bezeichnet. Es handelt sich um die Liste der Prüfungsstellen für Geschäftsbriefe im gesamten Deutschen Reich Stand 6. Oktober 1915

    Prüfungsstelle

    OPD

    Armeekorps

    Aachen 1

    Aachen

    VIII. Armeekorps

    Annaberg

    Chemnitz

    XIX. Armeekorps

    Augsburg

    Augsburg

    I. Bayer. Armeekorps

    Berlin O17

    Berlin

    Gardekorps

    Bremen 1

    Bremen

    IX. Armeekorps

    Breslau BPA 5

    Breslau

    VI. Armeekorps

    Cassel

    Cassel

    XI. Armeekorps

    Chemnitz

    Chemnitz

    XIX. Armeekorps

    Coblenz 1

    Coblenz

    VIII. Armeekorps

    Cöln 1

    Cöln

    VIII. Armeekorps

    Danzig 5

    Danzig

    XVII. Armeekorps

    Dortmund 1

    Dortmund

    VII. Armeekorps

    Dresden A 7

    Dresden

    XII. Armeekorps

    Düsseldorf 6

    Düsseldorf

    VII. Armeekorps

    Duisburg

    Düsseldorf

    VII. Armeekorps

    Emmerich 2

    Düsseldorf

    VII. Armeekorps

    Frankfurt 9

    Frankfurt (Main)

    XVIII. Armeekorps

    Freiburg

    Konstanz

    XIV. Armeekorps

    Hamburg 1

    Hamburg

    IX. Armeekorps

    Hanau

    Cassel

    XVIII. Armeekorps

    Hannover 1

    Hannover

    X. Armeekorps

    Karlsruhe 1

    Karlsruhe

    XIV. Armeekorps

    Kiel

    Kiel

    IX. Armeekorps

    Konstanz

    Konstanz

    XIV. Armeekorps

    Leipzig 13

    Leipzig

    XIX. Armeekorps

    Ludwigshafen

    Speyer

    II. Bayer. Armeekorps

    Lübeck

    Hamburg

    IX. Armeekorps

    Magdeburg 1

    Magdeburg

    IV. Armeekorps

    Mannheim

    Karlsruhe

    XIV. Armeekorps

    München 2

    München

    I. Bayer. Armeekorps

    Münster

    Münster

    VII. Armeekorps

    Nürnberg

    Nürnberg

    III. Bayer. Armeekorps

    Oppeln

    Oppeln

    VI. Armeekorps

    Pforzheim

    Karlsruhe

    XIV. Armeekorps

    Plauen

    Chemnitz

    XIX. Armeekorps

    Posen 3

    Posen

    V. Armeekorps

    Stettin 4

    Stettin

    II. Armeekorps

    Stuttgart 1

    Stuttgart

    XIII. Armeekorps

    Würzburg

    Würzburg

    II. Bayer. Armeekorps

    Zittau

    Dresden

    XII. Armeekorps

    Zwickau

    Chemnitz

    XIX. Armeekorps

  • Es tauchen immer wieder frühe Belege von einzelnen Prüfungsstellen auf, die zeigen, dass zu Anfang eher Provisorien benutzt wurden, die dann nach und nach durch die normalen Dienstsiegel ersetzt wurden. Stuttgart hat mit diesem Provisorium über ein Jahr gearbeitet und erst im Herbst 1915 andere Stempel eingesetzt. Der folgende Beleg von Frankfurt ist vom 11.08.1914 - 4 Tage früher, als der in Beitrag 1 gezeigte Beleg.

    .


    Eingeschriebener Brief der Pfälzischen Bank Frankfurt an dieselbe in Kaiserslautern. Gesiegelt ist der Brief von der Königlich Preussischen 21. Division, die wohl das Personal für die militärische Dienststelle bereitstellte. Kaiserslautern lag im Sperrgebiet in das nur offene Briefe gesandt werden durften. Bankangelegenheiten sind meist doch vertraulicher Art und deswegen wurde der Brief der militärischen Prüfungsstelle vorgelegt, die ihn amtlich verschlossen hat. Anhand des R-Zettels kann man schön sehen, dass zuerst die Zensur und dann die postalische Bearbeitung erfolgte.

  • Noch ein Provisorium aus dem August 1914 und diesmal aus Mannheim.


    Eingeschriebener Brief der Firma M. Kahn Söhne aus Mannheim an die Kantonalbank in Bern vom 10. August 1914. Auf der Rückseite ist der Zulassungsvermerk handschriftlich ausgeführt und ein Dienstsiegel der Prüfungsstelle Mannheim abgeschlagen. In den Stempel wurde noch die Zugehörigkeit der Prüfungsstelle zum XIV. Armeekorps eingetragen und der zuständige Offizier hat - ohne seinen militärischen Rang anzugeben - unterschrieben. Riemer kennt diesen Stempel nicht.

  • Auch Annaberg im Erzgebirge hatte eine Prüfungsstelle für Geschäftsbriefe, die schon früh aktiv war. Mein frühester archivierter Beleg stammt vom 8.8.1914. Annaberg gehörte zum XiX. Armeekorps, das seinen Sitz in Leipzig hatte. Im Bereich dieses Armeekorps gab es noch in folgenden Städten solche Prüfungsstellen: Chemnitz, Leipzig, Plauen und Zwickau. Somit war das Netz für diese Prüfungsstellen recht dicht.




    Brief aus Annaberg nach Haarlem in den Niederlanden vom 8.9.1914. Vorderseitig zeigt der Brief keine Hinweise auf eine Zensur. Auf der Rückseite ist der im Riemer aufgeführte Dreizeiler abgeschlagen und das Datum eingestempelt. Diesen provisorischen Stempel kann ich mit 6 Briefen bis zum 11.1.1915 belegen. Zusätzlich ist auch noch immer ein kleiner Zweikreiser mit der Inschrift "Bez-Komando*Annaberg*" abgeschlagen, der im Riemer aber nicht erwähnt wird.

    Gruß


    wuerttemberger


    www.postgeschichte.net

    3 Mal editiert, zuletzt von wuerttemberger () aus folgendem Grund: Datum des frühesten und spätesten Beleges berichtigt.

  • Ein weiteres Provisorium kann ich aus Leipzig zeigen.



    Brief von der Firma Knauth, Nachod & Kühne vom 29.08.1914 nach Kopenhagen in Dänemark. Vorderseitig mit dem Stempel der Postprüfungsstelle des Garnison-Kommandos Leipzig versehen und rückseitig mit dem Petschaft des Postamts Leipzig 13 verschlossen.


    Riemer ordnet das schwarze Dienstsiegel einer Überwachungsstelle zu. Ich bin da sehr skeptisch, denn eine Überwachungsstelle Leipzig ist mir bis jetzt in keiner Akte begegnet. Es gibt Prüfungsstellen, die ihr Aufgabengebiet etwas "erweitert" haben, aber sie blieben grundsätzlich eine Prüfungsstelle. Der vorliegende Beleg zeigt die typischen Merkmale einer Prüfungsstelle für Geschäftsbriefe und der Verschluß mit einem Lacksiegel ist am Anfang des Krieges bei einigen Zensurstellen belegt. Diese Lacksiegel wurden aber recht schnell durch Stempel ersetzt, denn der Arbeitsaufwand und Materialverbrauch war doch enorm.

  • Meine Zweifel wegen der Existenz einer Überwachungsstelle werden von dem Umstand genährt, dass Briefe mit diesem Stempel immer im Postamt 13 abgefertigt wurden, was für eine Prüfungsstelle spricht. Bisher habe ich noch keine Belege gesehen, die in einem anderen Postamt in Leipzig gestempelt wurden oder gar von Postämtern außerhalb von Leipzig. Es gibt nur Auslandsbelege, die am Anfang des Krieges nach Leipzig gerichtet waren mit diesem Stempel der Postprüfungsstelle. Das kann getrost als Provisorium betrachtet werden, denn zu Beginn waren die Zuständigkeiten noch nicht so ganz geklärt.

  • Berlin verwendete in den ersten zwei Wochen des Augusts 1914 auch die Lacksiegel zum Verschluß der Briefe in der Prüfungsstelle des Postamts Berlin O17.



    Brief vom 10.08.1914 der Deutschen Bank Berlin W8 nach Biala in Galizien, jetzt in Polen gelegen. Auch hier wurde ein Petschaft eines Postamtes (Berlin O17) rückseitig zum Verschluß des Briefes in den Siegellack eingedrückt. Ein Offizier mit Namen Krüger hat vorschriftsmäßig mit vollem Namen abgezeichnet. Auf der Vorderseite ist das Siegel des Postamts 17 abgeschlagen.

    Diese Art des Briefverschlusses war sehr aufwändig und ist im Riemer so nicht aufgeführt. Ich kann nur 4 Briefe vom 04.08., 07.08., 12.08. und 13.08. belegen. Am 14.08. wurde die endgültige Form der Briefbehandlung eingeführt, die sich bis Kriegsende nicht mehr grundsätzlich änderte.

  • Auch die Prüfungsstelle Hannover hat sich zuerst mit einem provisorischen Stempel beholfen.



    Einschreibebrief der Dresdner Bank Filiale Hannover nach Kopenhagen vom 11.08.1914. Vorderseitig keinerlei Kennzeichnung für eine Zensur. Auf der Rückseite ein Zweizeiler "Prüfungsstelle / d. X. Armee-korps Hannover" und der handschriftliche Vermerk "Br. Amtlich geschlossen" mit Unterschrift des Offiziers. Versiegelt wurde der Brief mit dem Petschaft des Kaiserl. Deutschen Postamts Hannover.

    Der zweizeilige Stempel ist im Riemer nicht enthalten. Die Prüfungsstelle Hannover hat übrigens alle Einschreib- und Wertbriefe bis Juli 1916 immer mit diesem Petschaft und Siegellack verschlossen.

  • In Dortmund gab es auch eine Prüfungsstelle für Geschäftspost. Diese ist im Riemer aufgeführt und ich kannte deren Leiter aus der Geschichte des Reinoldus Gymnasiums in Dortmund. Der Direktor Dr. Preising wurde zu Beginn des Krieges eingezogen und zum Leiter der Prüfungsstelle ernannt. Bis jetzt hatte ich aber noch nie einen Brief dieser Prüfungsstelle zu Gesicht bekommen




    Diesen Brief konnte ich heute sehr günstig erwerben, obwohl er im Riemer mit LP bewertet ist.

    Eingeschriebener Brief der Brasilianischen Bergwerks- und Hüttengesellschaft vom 27. 08. 1914 nach Rio de Janeiro. Auf der Rückseite ist ein Vermerk: "Ctr 27.8. D. Preising Oberlt. d. L. a. D" und daneben ein schwarzes Dienstsiegel der Prüfungsstelle abgeschlagen. Verschlossen wurde der Brief mit einem Wachssiegel des Kaiserl. Deutschen Postamtes Dortmund 1 und nochmals mit ausführlichem Text beglaubigt.

    In der Form habe ich noch keine Zensur gesehen. Es kristallisiert sich aber immer mehr heraus, dass zu Beginn des Krieges viele Ressourcen von den örtlichen Postanstalten beansprucht wurden bis sich endlich mal die militärischen Stellen auf die neue Situation eingerichtet hatten. Die zuständigen stellvertretenden Generalkommandos hatten auch sicherlich viele andere Sorgen.

  • Hallo,


    gab es hier am linken Niederrhein auch solche Überwachungsstellen. Ich habe bisher keine Briefe aus dieser Zeit. Ich kenne wohl etliche P.K.-Stempel auf Postkarten.


    Dieter

  • Diese Art des Briefverschlusses war sehr aufwändig und ist im Riemer so nicht aufgeführt. Ich kann nur 4 Briefe vom 04.08., 07.08., 12.08. und 13.08. belegen. Am 14.08. wurde die endgültige Form der Briefbehandlung eingeführt, die sich bis Kriegsende nicht mehr grundsätzlich änderte.

    Durch den Erwerb eines kleinen Postens früher Briefe der Prüfungsstelle aus den Monaten August bis Oktober 1914 kann ich auch sogleich die fast endgültige Variante der Kennzeichnung zeigen.




    Brief der Deutschen Bank aus Berlin W8 vom 17. August 1914 an die Firma Hope & Co in Amsterdam mit Ankunftsstempel vom 20. 08. 1914. Rückseitig wurde nun mit dem Dienstsiegel "Überwachungsstelle des Gardekorps Berlin *2" die Briefklappe überstempelt und der Überwachungsoffizier Krüger hat mit seinem Namensstempel, der den vollen Namen nennt, vorschriftsmäßig abgezeichnet. Der volle Name wurde von der Anlage J zum Mobilmachungsplan von Anfang an gefordert, was aber nicht alle Prüfungsstellen einhielten. Der Prüfungsstelle München sollte das noch einmal auf die Füße fallen.


    Die Offiziere der Prüfungsstelle in Berlin haben wohl ziemlich schnell Namensstempel benutzt, denn das Sendungsaufkommen dürfte wohl mehrere Tausend Briefe pro Tag betragen haben. Ich habe nur eine handschriftliche Kennzeichnung im Archiv. Deswegen wurde auch die Versiegelung mit Siegellack sehr schnell aufgegeben, denn der Verbrauch wäre im Jahr wohl um die 1000kg gewesen. Stempel waren effizienter und billiger.

  • In Beitrag #5 habe ich einen frühen Beleg der Prüfungsstelle Annaberg gezeigt. Jetzt konnte ich zwei schöne Belege aus Annaberg nach Italien erwerben. Italien ist generell keine häufige Destination innerhalb Europas und war auch nur bis zum Kriegseintritt Italiens im Mai 1915 möglich.



    Brief aus Annaberg vom 21. Oktober 1914 nach Palermo auf Sizilien. Ankunft am 27. Oktober 1914.

    Die weitaus größte Zahl der Zensurbelege aus Annaberg lief nach Kopenhagen und stammt aus der Korrespondenz von E. Kanitz/Kopenhagen. Deswegen sind andere Destinationen immer eine willkommene Abwechslung.

  • Der folgende Brief mit Lacksiegel auf der Rückseite ist eher unauffällig und man muß schon zweimal hinschauen um die Besonderheit zu erkennen.



    Brief aus Berlin vom 28.7.1917 nach Biel in der Schweiz mit Ankunftsstempel 29.7.1917.

    Der Stempel Berlin O * 17 e mit gebrochener Datumsbrücke erlangte sofort meine Aufmerksamkeit, denn dieser Stempel wurde exklusiv in der Prüfungsstelle für Geschäftsbriefe im Postamt am Schlesischen Bahnhof verwendet. Also hätte auf der Rückseite auch ein Zensurstempel sein müssen. Es ist aber nur ein Lacksiegel zu sehen. Dann muß es sich wohl um eine Reichsbehörde handeln:



    Es ist die Nachrichtenstelle für den Orient in Berlin W50, Tauentzienstr. 19a.

    Diese Nachrichtenstelle arbeitete für den deutschen Generalstab und das Auswärtige Amt und betrieb Propaganda im Nahen und mittleren Osten. Als Teil einer Reichsbehörde genoss sie das Privileg Briefe ohne Zensur verschlossen ins Ausland zu versenden.

    Die Vorschrift Briefe mit einem Lacksiegel zu verschließen wurde vorbildlich eingehalten. Im Mobilmachungsplan Anlage J, §10 Abs. 48 wurde empfohlen den Brief sogleich einer Ortsansässigen Überwachungsstelle zu übergeben. Diese Maßnahme sollte wohl verhindern, dass andere Zensurstellen nicht doch noch zufällig Einsicht in die Briefe erlangten.

    Der Dienstsitz der Nachrichtenstelle für den Orient ist von der Überwachungsstelle Berlin O17 6,5km Luftlinie entfernt.

    Der Empfänger in der Schweiz lässt sich auch genauer benennen. Es handelt sich um Chaim Lauer, der zu dieser Zeit Rabbiner in Biel war.

    Ein spannender Brief - leider ohne Inhalt - mit interessantem historischem Hintergrund.

  • Klasse von A biis Z. :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • In München konnte ich eine größere Lücke bei der Prüfungsstelle Annaberg etwas schließen. Die in #5 und #13 gezeigten provisorischen Zensuren habe ich vom 8. August 1914 bis 11. Januar 1915 mit 7 Briefen belegt. Danach klaffte eine große Lücke von 16 Monaten bis Juni 1916. Ab diesem Zeitpunkt war nur noch das neue Dienstsiegel auf der Rückseite der Briefe und der Einzeiler "Geprüft in Annaberg" auf der Vorderseite zu sehen.

    Die Prüfungsstelle Annaberg wird recht häufig angeboten. Das hängt wohl mit der großen Korrespondenz der Firma E. Kanitz aus Kopenhagen zusammen, die einen regen Briefwechsel mit der Firma B.P.Lötsch in Annaberg pflegte. In München habe ich mehr als ein Dutzend Briefe dieser Prüfungsstelle gesehen, aber nur 2 mitgenommen, weil sie aus dem Rahmen fallen.




    (Feldpost?)-Brief vom 9. September 1915 aus Annaberg an das Rote Kreuz in Genf. Dort am 11. September 1915 angekommen wurde der Brief nach Kopenhagen weitergeleitet. Leider ohne Ankunftsstempel. Der Einzeiler "Geprüft in Annaberg" ist laut Riemer von 1914 bis 1917 belegt. ich habe ihn 1914 noch nie gesehen und bezweifle, dass es ihn zu diesem Zeitpunkt gab, aber ich habe ihn immerhin 1918 noch mehrmals im Archiv. Die Farbe des undeutlich abgeschlagenen Dienstsiegels dürfte grau sein. Riemer kennt es nur in violett.

    Ein sehr ungewöhnlicher Beleg, da bis jetzt von dieser Zensurstelle nur reine Geschäftsbriefe mit wenigen Einschreiben bekannt sind. Postkarten oder Drucksachen, sowie Wert- oder Nachnahmebriefe sind bis jetzt nicht belegt.


    Das nächste Stück hat mich deshalb umso mehr gefreut und überrascht:




    Brief des Königlich Sächsischen Amtsgerichts Annaberg vom 25. Januar 1916 an das KuK Bezirksgericht in Linz. Wie üblich sind auf normalen Briefen nach Österreich keine Ankunftsstempel zu finden. Auslandsbriefe von Behörden, die über Prüfungsstellen gelaufen sind findet man nur sehr selten.

  • Einen für Prüfungsstellen eher ungewöhnlichen Beleg konnte ich auch erst unlängst erwerben.




    Es handelt sich um ein Streifband der Firma Robert Hösel, Mechanische Weberei und Färberei aus Chemnitz vom 29. August 1914 nach Kopenhagen. Wahrscheinlich wurde ein Produktkatalog damit verschickt.

    Drucksachen wurden selten bei den Prüfungsstellen aufgegeben, denn der Inhalt war nicht vertraulich.

    Man findet hin und wieder mal eine Drucksache, aber ein Streifband habe ich jetzt zum ersten Mal gesehen.

  • Heute ist mir dieses etwas verfrühte Osterei ins Nest gelegt worden.




    Einfacher Auslandsbrief der ehemaligen Firma Georg Wenderoth (mit Perfin GW) aus Kassel vom 25. November 1914 nach Lund in Schweden. Der Absender gab diesen Brief bei der Prüfungsstelle des XI. Armeekorps in Cassel auf, die ihre Zensurstempel auf der Vorderseite abschlugen. Der vorgeschriebene Namenszug des Prüfungsoffiziers fehlt.

    K.-H. Riemer bezeichnet diese Zensurstelle als Seltenheit. Dem schließe ich mich vorbehaltlos an. Von dieser Prüfungsstelle habe ich noch nie einen Beleg gesehen oder auch nur eine Spur davon in alten Auktionskatalogen gefunden.