Frage zur Systematik von "eiligen Briefen" -- Reitende Extrapost (Rekommandierte Briefe, Chargébriefe, eingeschriebene Briefe, Depeschen)

  • Hallo allerseits,


    ich habe einige Fragen zur Systematik von "eiligen Briefen" bzw. möchte ich mich, als noch Neuling, rückversichern, ob ich alles richtig verstanden habe - darum habt bitte Nachsicht.

    Es geht darum, was über die "normale Post" (Postbote zu Pferd oder Postillion auf der Postkutsche) und was über die "Reitende Extrapost"/"Fahrpost" (Estafetten, Kariol) oder "Expressen Bothen" zu einem höheren Preis transportiert wurde, und in welchem Zusammenhang die Objekte zueinander stehen und wie sie zu erkennen sind. Habe ich richtig verstanden, dass die 'Normalpost' im Felleisen, in der Regel günstiger, transportiert wurde, und die gleich in der Tabelle aufgeführten Stücke separat mit der reitenden Extrapost? Womit wurde Paketpost befördert - mit der 'normalen Post' oder noch mal separat?

    Habe ich richtig verstanden, dass Estaffettenpost noch einmal in dickeres Papier eingeschlagen werden musste -- und wenn ja, worauf hat man dann die Adresse geschrieben? Gab es dazu noch einen Begleitbrief?

    Sind die Erkennungsmerkmale je alle auf der Adressseite angebracht worden? Soweit ich weiß (bzw. Feuser/Münzberg 2000, S. 24 zufolge) sind viele dieser Briefe auch mit dem Vermerk "cito" versehen worden, was eine schnellere Beförderung bewirken sollte, aber ab 1650 war das eigentlich sinnlos, da es keinen Effekt auf die Beförderung hatte.

    (Das Wissen ist nur 'angelesen', daher freue ich mich über jede Rückmeldung, Ergänzung und Korrektur, vor allem für die noch mit "??" gefüllten Kästchen!)


    Vielen Dank und viele Grüße

    Philia




    Bezeichnung Funktion Erkennungsmerkmal (vorgefertigt)
    Erkennungsmerkmal (handschriftlich)
    sonstiges
    Recommandierter Brief
    portofreier Brief, i.d.R. von "bedeutenden Personen" versandt, die Postfreitum genossen
    -Reco-Stempel
    - Aufkleber
    ??

    Eintrag ins Rekommandationsbuch
    Chargé-Brief (mit Geld) beschwerter Brief, Wertbrief ; später synonym zu Reco
    Chargé-Stempel -"NB"-Zeichen
    -später Chargégitter??
    Eintrag ins Rekommandationsbuch
    Eilbrief wie das heutige Einschreiben (mit Rückschein?)
    Stempel "per Expreß"
    -"rr"-Zeichen
    -2 rote, nebeneinander- oder ineinanderstehende Kreuze

    ??
    Depesche Eilnachricht (später durch das Telegramm ersetzt)
    ?? ?? Eintrag ins Rekommandationsbuch
  • Hallo philia,

    Cito hatte postalisch keine Bedeutung, wenn ein Brief nicht „per expressen“ entsprechend bezahlt wurde.

    Rekommandiert ist das gleiche wie Charge, die Bezeichnungen wurden in den einzelnen Ländern unterschiedlich verwendet und diese Versandart war nicht besonderen Personen vorbehalten. Es mussten auch keine Wertbriefe sein.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Preussen_fan,


    super, danke dafür, ich passe die Tabelle entsprechend an!

    Eine Rückfrage vorher noch: Heißt das, dass rekommandierte Briefe und Chargé-Briefe beide gebührenfrei liefen, oder keiner von beiden?


    Viele Grüße

    Philia

  • Nein, nichts war gebührenfrei, außer bei entsprechenden Behörden, hohen Persönlichkeiten, gewissen Vereinen und so weiter, die Portofreiheit genossen.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Ok danke - und wie wurden diese portofreien Briefe von entsprechenden Behörden und Personen dann bezeichnet, wenn nicht "rekommandierte Briefe"?

    Viele Grüße

    Philia

  • Es gab zunächst einmal portofreie Briefe. Das waren ganz normale Briefe.

    Recommandierte Briefe hingegen waren das, was heute die Einschreiben sind. Die kamen bei den portofreien Briefen seltener vor.

    Rekommandierung hat nichts mit Portofreiheit zu tun. Es war halt nur eine besondere Versendungsform.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Philia,


    ich glaube, dass diese Themenbereiche nicht so einfach zu erklären sind.


    Die Frage wäre: Über welchen Zeitraum sprechen wir da? Es gab bei praktisch allen Postgebieten Änderungen im Lauf der Jahre, so dass ein solches Datengitter problematisch ist.


    Darüber hinaus müssen wir uns über die Postgebiete selbst unterhalten - Taxis war nicht gleich Taxis, Preussen war nicht gleich Preussen, Währungen waren nicht gleich de facto, auch wenn sie es postvertraglich und nominell waren, Gewichte dito.


    Über Recommandirt, Chargé, Extraboten (Expressen), Depeschen, Eilpost usw. könnte man jeweils Seiten schreiben, wenn man sich nur ein Postgebiet einer Tarifzeit aussuchte.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo philia,


    zur Ergänzung zu Ralphs Beitrag:

    In der Regel mußte die Berechtigung zur Portofreiheit links unten angegeben werden. Das erfolgte in Preußen und anderen Postgebieten meist durch Kürzel wie z.B. h(errschaftliche) D(ienst) S(ache) oder dergleichen. Die Liste von solchen Kürzeln ist ellenlang. Preußen hatte zu diesem Zweck in vielen staatlichen Dienststellen Beamtenstempel, von denen etliche in der Literatur abgebildet sind. In südlichen Gebieten finden wir oft die absendende Dienststelle über der Adresse am oberen Rand. Bei besonders hochgestellten und allgemein bekannten Persönlichkeiten waren solche Angaben nicht notwendig.

    Mitunter ist zwischen aktiver und passiver Portofreiheit zu unterscheiden. Um das Ganze zu komplizieren wurde die Portofreiheit oft nur innerhalb deutscher Grenzen anerkannt. Im Ausland wurde dann der Betrag für die dortige Strecke nacherhoben.

    Dies alles galt weitgehend nur für die vorphilatelistsche Zeit, in der die beförderte Post zu großen Teilen dienstlicher oder geschäftlicher Natur war. Mit Einführung der Briefmarken und oft zeitnah erfolgter Tarifsenkung wuchs der Anteil privater Post stark. Die Portobefreiungen wurden gleichzeitig stark reduziert.

    Vor der Einigung mit außerdeutschen Postverwaltungen konnte oft nur bis zur Grenze frankiert werden, d.h. die andere Post berechnete auch hier ihren Frankaturanteil selber.

    In den Dienststellen der Post gab es umfangreiche Listen, um den zu erhebenden Betrag zu errechnen (sei es Franco oder Porto). Das war bei Fernbriefen durch die Zahl der beteiligten Postverwaltungen in der Zeit vor dem DÖPV oft nicht einfach. Trotzdem sind Fehler relativ selten und bayern klassisch freut sich diebisch, wenn er ein besonders interessantes Stück bekommen kann.


    beste Grüße


    Dieter

  • Soweit ich weiß (bzw. Feuser/Münzberg 2000, S. 24 zufolge) sind viele dieser Briefe auch mit dem Vermerk "cito" versehen worden, was eine schnellere Beförderung bewirken sollte, aber ab 1650 war das eigentlich sinnlos, da es keinen Effekt auf die Beförderung hatte.

    Nicht so ganz...um 17 Jh, wenn der Absender sein Brief bei übliche Ordinaripost abgegeben hat, war es von seine Seite nur eine Bitte..

    Aber die Beförderungssumme bei der Extraordinaripost hat der Absender aushandeln dürfen. Die ausgehandelte Summe hat nur der Postler gehört und war üblicherweise nicht auf dem Brief notiert. Mann muss solche Briefe immer einzeln betrachten.

    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Soweit ich weiß (bzw. Feuser/Münzberg 2000, S. 24 zufolge) sind viele dieser Briefe auch mit dem Vermerk "cito" versehen worden, was eine schnellere Beförderung bewirken sollte, aber ab 1650 war das eigentlich sinnlos, da es keinen Effekt auf die Beförderung hatte.

    Um Filigranas richtige Anmerkung um die neuere Zeit des 19. Jahrhunderts zu ergänzen:

    Der Vermerk cito richtete sich in der Regel an den Adressaten und war eine Bitte/Aufforderung zur schnellen Bearbeitung des Briefes. also in der Regel bei Geschäftsbriefen.

    Um eine Eil- oder Expressbestellung zu veranlassen, mussten diese Schlüsselwörter benutzt (und bezahlt) werden. Dabei betraf die Eilzustellung dann nur den letzten Abschnitt im Zustellort bzw. Zustellbezirk, wo dann ein extra Bote mit dem Brief losgeschickt wurde, ggf. auch spät abends ...


    Gruß

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

    Einmal editiert, zuletzt von Michael ()

  • Hallo zusammen,

    Ich darf auf das entsprechende Kapitel in dem Buch Postvermerke auf Briefen des 15.- 18. Jahrhunderts, München 2010 verweisen: S. 39 - 41.

    Wer sich das Buch nicht kaufen kann/will, hat die Möglichkeit die Textpassagen bei academia anzusehen.

    Einen schönen Tag Achim

  • Hallo allerseits,

    besten Dank für die Rückmeldung - das war dann alles wohl doch komplexer/weniger leicht zu systematisieren, als ich es mir ausgemalt hatte.


    bayern klassisch: Ja, da hätte ich wohl einen Zeitraum hinzuschreiben sollen... Im Groben so 1750-1850. Aber da scheint es wohl keine Einheitlichkeit zu geben, schade.

    Um eine Eil- oder Expressbestellung zu veranlassen, mussten diese Schlüsselwörter benutzt (und bezahlt) werden. Dabei betraf die Eilzustellung dann nur den letzten Abschnitt im Zustellort bzw. Zustellbezirk, wo dann ein extra Bote mit dem Brief losgeschickt wurde, ggf. auch spät abends ...


    Super, das ist ein hilfreicher Hinweis, danke!


    Besten Dank johelbig für den Tipp - das Buch liegt mir zum Glück vor und die Passagen sind tatsächlich sehr aufklärend.



    Da bin ich nun etwas weitergekommen und hoffe, dass meine wohl teilweise etwas unbedarft wirkenden Fragen nicht stören.


    Beste Grüße an alle

    Philia

  • Hallo Philia,


    deine (keine) Fragen stören niemanden, sondern sie fördern das Überlegen, ob Tradiertes nicht auch aus anderem Blickwinkel gesehen werden kann ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo zusammen,

    Ich darf auf das entsprechende Kapitel in dem Buch Postvermerke auf Briefen des 15.- 18. Jahrhunderts, München 2010 verweisen: S. 39 - 41.

    Wer sich das Buch nicht kaufen kann/will, hat die Möglichkeit die Textpassagen bei academia anzusehen.

    Einen schönen Tag Achim

    Hallo Achim,

    hab gerade die Seiten durchgelesen. Das Verbot über Beförderung von Eilbriefen/Postordnung aus dem J 1535 endet doch schon in J 1576 - jeder private Person dürfe der Dienst Stafettenpost nutzen.


    Hallo Philia,

    von Frau zur Frau :), wie dir schon Ralph geschrieben hat es sind tolle Fragen welche du hier stellst. Zwar hast der Zeitraum ab 1750 angegeben, aber wie hier schon diskutiert, es ist nicht verkehrt auch sich mit die Vorgeschichte wenig befassen um einiges besser nachvollziehen ...wie Cito, Cituss, Citissimo (Expresbirefe) 16J..


    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Hallo, ich habe mir gerade diese Seite durchgelesen und mich würde dazu folgendes abschließend interessieren, ob ich richtig liege:


    Der unterstrichene Schriftzug cito ist also nicht für die Post gedacht, also auch nicht mit einen erhöhten Porto für diese ev. Dienstleistung verbunden?

    Es ist also nur für den letzten Zustellgang gedacht, damit der Brief schnellstmöglich, von einen Boten ab dem Postamt zum Briefempfänger, zugestellt wurde?


    Vielen Dank für ev. Antworten und viele Grüße

    Enrico

  • Lieber Enrico,

    cito interessierte die Post überhaupt nicht. Deshalb kostete es auch nichts.

    Es war ein rein privater Wunsch.
    So, wie wenn du heute auf ein Paket „Vorsicht Glas“ draufklebst. Dieses Paket wird auch nicht anders behandelt als die anderen.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Enrico,

    Der unterstrichene Schriftzug cito ist also nicht für die Post gedacht, also auch nicht mit einen erhöhten Porto für diese ev. Dienstleistung verbunden?

    Das Wort galt nur dem Empfänger, für die Post war es irrelevant. Das "cito" fordert den Empfänger auf, den Brief schnell zu bearbeiten/beantworten.


    Zitat

    Es ist also nur für den letzten Zustellgang gedacht, damit der Brief schnellstmöglich, von einen Boten ab dem Postamt zum Briefempfänger, zugestellt wurde

    Das ist die Vorgehensweise bei einer Express-Zustellung.


    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte