Die Prüfungsstelle für Auslandsgeschäftsbriefe im Bereich des XIII. K.W. Armeekorps in Stuttgart 1914-1918

  • Gleich zu Beginn des Krieges wurde die Postüberwachung eingeführt. Als einführende Literatur empfehle ich das Werk von Karl-Heinz Riemer, Die Postüberwachung im Deutschen Reich durch Postüberwachungsstellen 1914-1918, Heft Nr. 109 der Poststempelgilde.

    Diese Prüfungsstelle wurde speziell für besonders vertrauenswürdige Firmen im Bereich des XIII. K.W. Armeekorps in Zusammenarbeit mit der Handelskammer in Stuttgart eingerichtet. Sie hatte ihren Sitz im Hauptpostgebäude im Zimmer Nr. 38.


    Die Hauptpost lag genau gegenüber dem alten Bahnhof. Das Generalkommando des XIII. K.W. Armeecorps lag fußläufig nicht weit entfernt in nördlicher Richtung etwa auf Höhe des heutigen Bahnhofs. Die Zensurstelle für die übrige Privatpost, Postüberwachungsstelle für Briefe genannt, hatte ihren Sitz im Katharinenstift, das nördlich des Hoftheaters lag. Beide Zensurstellen waren räumlich sowie personell voneinander getrennt und hatten im Normalfall nichts miteinander zu tun.

    Das genaue Eröffnungsdatum der Prüfungsstelle ist in den Akten nicht genau vermerkt aber in einer Dienststellenbeschreibung aus dem Jahr 1917 steht folgendes:


    Die Prüfungsstelle trat bei Kriegsausbruch in Tätigkeit, in erster Linie, um einer Anzahl von hiesigen und auswärtigen württemb. Firmen, welche auf Vorschlag der Handelskammer vom stellv. Generalkommando bestimmt werden, Gelegenheit zu geben, ihre geschäftlichen Schriftstücke – gewöhnliche Briefe, Einschreib & Wertbriefe – geschlossen ins neutrale bzw. verbündete Ausland, gelangen zu lassen.


    Die Liste umfasste laut einem Aktenvermerk zu Beginn 120 Firmen und wurde später auf 60 Firmen zusammengestrichen. Die ursprüngliche Liste war bis heute in den Akten nirgends zu finden.


    Anfangs waren der militärische Leiter der Dienststelle und 2 Beisitzer von der Handelskammer Stuttgart für die Prüfung der Briefe zuständig.


    Die Funktionsweise der Prüfungsstelle ist in dem oben genannten Bericht wie folgt dargestellt:

    Die Briefe werden von den Boten der betreffenden Firmen offen aufgeliefert, von den anwesenden Beisitzern oder dem Leiter der Stelle selbst auf ihren Inhalt geprüft und wenn nichts zu beanstanden ist, auf der Rückseite des Briefumschlags mit einem Vermerk – Anfangsbuchstabe des Namens der Prüfenden – versehen. Der Bote schließt alsdann die Briefe und legt sie auf den dafür bereitstehenden Tisch. Einschreib & Wertbriefe lässt er von dem Postfräulein eintragen und erhält seine Quittung bzw. Postbuch.

    Alsdann stempelt der Postunterbeamte die Briefe und zwar auf der Vorderseite mit dem Stempel des Generalkommandos, auf dem Platze der Rückseite mit dem Prüfungsstempel. In den letzteren schreibt der Leiter der Stelle seinen Namen, bezw. Es ist Stempel mit Facsimile gestattet.




    Mein frühester Beleg stammt vom 5. August 1914. Er wurde von der Württembergischen Vereinsbank eingeliefert und lief per Einschreiben nach Amsterdam, wo er am 11. August ankam.

    Der R-Zettel von Stuttgart 1 mit dem Unterscheidungsbuchstaben "m" und der Poststempel wurden in dieser Zeit nur auf den Briefen Prüfungsstelle geführt.

    Das Dienstsiegel des Generalkommandos und der Poststempel sind meist sehr schlecht abgeschlagen. Vorderseitig ist immer ein Zulassungvermerk und das Dienstsiegel gestempelt und auf der Rückseite der 6-zeilige Beglaubigungsstempel. Links und rechts sieht man die Namenskürzel der Beisitzer und im Stempel den Namen des Offiziers. Zu Beginn war ein Herr Pfeiffer mit unbekanntem militärischen Rang für ca. 5 Wochen der Leiter der Prüfungsstelle.


    PS: Im Interesse der Lesbarkeit dieses threads möchte ich bitten nur solche Belege zu zeigen die in die chronologische Reihenfolge passen, damit ich nicht zu kommenden Entwicklungen vorgreifen muß. Danke!

  • Die ehrenamtlichen Beisitzer wurde auch in einer Akte aufgelistet.


    1

    Engelhorn

    Kommerzienrat

    Aug 14



    2

    Sandberger, A.

    Kaufmann

    Aug 14

    Fa: A. Crönlein

    3

    Krais, Felix

    Kommerzienrat

    Aug 14

    Fa: Hoffmann’sche Buchdruckerei

    4

    Sandberger, V

    Kaufmann

    Aug 14

    z. E/R.120 eingezogen Fa: Chevalier & Co

    5

    Klien, Dr

    Syndikus

    Aug 14

    Handelskammer

    6

    Straus, M

    Konsul

    Aug 14

    Fa. Straus & Co

    7

    Bader, A

    Kommerzienrat

    Aug 14

    Fa. Eugen Lemppenau

    8

    Klett, E

    Kommerzienrat

    Aug 14

    Fa. Grüninger’s Verlag

    9

    Kauffmann, C.

    Fabrikant

    Aug 14

    Fa. A. Ziemann, Feuerbach

    10

    Schiedmayer

    Kommerzienrat

    Aug 14

    Fa. Schiedmayer & Sohn

    11

    Zilling

    Geh. Kommerzienrat

    Aug 14

    Direktor des Export-Muster Lagers

    12

    Ehni, G.

    Kaufmann

    Aug 14

    Hofbuchdruckerei Fa. G. Ehni & Co.

    13

    Fetzer, Eberhard

    Kaufmann

    Aug 14

    Vorsitzender des Handelsvereins


    Es waren insgesamt 13 Herren, die sich den Dienst teilten. Anfangs immer zu zweit, weil an einem Tag bis zu 1000 Briefe abzufertigen waren.



    Brief von der Filiale der Württ. Vereinsbank in Ulm vom 18. August 14. Vermutlich nach Österreich gelaufen, da die Frankatur nur für den Wechselverkehr ausgereicht hat. Auf der Rückseite hat wieder Herr Pfeiffer aber nur ein Beisitzer abgezeichnet. Die violetten Stempel sind sehr klar abgeschlagen.



    Brief von Stahl & Federer einem Bankgeschäft vom 3. September 14. Leider ohne Ankunftsstempel. Der Zulassungsvermerk ist diesmal 3-zeilig gesetzt. Wiederrum hat Herr Pfeiffer abgezeichnet und ein Beisitzer. Das P stammt von Pfeiffer selber, denn ein Beisitzer mit dem Anfangsbuchstaben P gab es nicht.

    Dies war der letzte Arbeitstag vom Prüfungsstellenleiter Pfeiffer. Am 4. September tritt sein Nachfolger seinen Dienst an. Dieser wird uns die restliche Zeit begleiten.

  • Laut einem Aktenvermerk leitete ab 4. September 1914 Heinrich Reinmöller, Hauptmann d.L.a.D., die Prüfungsstelle.



    Der Brief stammt von seinem ersten Arbeitstag und ist ordnungsgemäß von seinen beiden Beisitzern abgezeichnet. Anfangs hat er noch mit vollem Namen unterschrieben. Der Zulassungsstempel auf der Vorderseite ist auf Briefen jetzt immer dreizeilig. Das ist nicht ganz unwichtig, weil durch die meist schlechten Stempelabschläge eine Datierung oft nicht möglich ist. Solche Details ermöglichen wenigstens eine grobe zeitliche Einordnung.


  • Postkarten konnten natürlich auch abgesandt werden. Diese stammt von Eugen Lemppenau, dessen Mitarbeiter - Kommerzienrat Bader - auch Mitglied der Prüfungsstelle war und lief am 10. September 1914 in die Schweiz nach La Chaux de Fonds. Der Zulassungsstempel wurde um das Wort "verschlossenen" gekürzt, was ja bei Postkarten keinen Sinn ergibt. Das ganze Stempelsortiment wurde auf der Vorderseite angebracht, damit man die Information auf der Rückseite nicht unleserlich machen konnte.

  • Guten Morgen wuerttemberger,


    chapeau für diesen thread und dessen Auftaktstücke. Wenn man sich so um ein Thema kümmert, merkt man, dass die Pfennigzeit in manchen Sparten weitaus mehr und m.E. auch weitaus Interessanteres zu bieten hat, als die Kreuzerzeit. Ich wollte für meinen Beritt mit der bekannten Zensurstelle des II. Armeekorps in LU auch einmal so detaillierte Daten vorliegen haben. Im Riemer steht schon ein wenig, aber vieles muss noch erforscht werden. In Bezug auf den Rang der Überwachungsoffiziere hatten wir daletzt für LU einen (sehr schönen) Zensurbrief von VorphilaBayern vorgestellt bekommen, wo sich der Zensor als Major der Landwehr geoutet hat. Freue mich auch auf evtl. einen Beleg mit der württembergischen Version des Verschlusszettels, tolle Sache !


    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Pälzer,


    vielen Dank für Deinen Zuspruch. Gerade der letzte Beitrag von VorphilaBayern in deinem Thema Zensurbelege hat mich letztlich animiert, diesen Beitrag - endlich - zu beginnen. Es gibt strukturelle Unterschiede bei den Zensurstellen und den Blick darauf möchte ich auch mit diesem Thread schärfen.

    Einen Verschlusszettel kann ich dir leider nicht zeigen, weil er gar nicht nötig war.


    Eugen Lemppenau verschickte auch Drucksachen, hier nach Kopenhagen am 19. September 1914, und auch dort wurde das Wort "verschlossenen" im Zensurstempel weggelassen.



    Heinrich Reinmöller unterzeichnete mit seinem Namenskürzel Rm und die beiden Beisitzer haben es glatt vergessen.

  • Die nächsten beiden Briefe sind schwer zu datieren, weil die Aufgabestempel wieder mal saumäßig abgeschlagen sind. Dafür kann man beide Ankunftsstempel einwandfrei lesen.


    Ich glaube den 13. September 1914 bei einem Stempel ausgemacht zu haben und ich nehme an, dass beide Belege vom selben Tag sind. Die R-Zettelnummern liegen nicht weit auseinander und die Buchstabenkürzel der Beisitzer sind die gleichen. Ein Beisitzer muß ausgefallen sein, denn Heinrich Reinmöller hat rechts unten mit einem R gezeichnet und auf dem Brief nach Kopenhagen hat er glatt vergessen seine Unterschrift zu hinterlassen.

  • Lieber württemberger,


    in meinen Augen eine Weide ! 8o


    Weitere, sehr schöne Belege und ich bin da auch ganz bei Dir, wenn man über den Tellerrand von Riemer hinausschaut und selber in den Staatsarchiven stöbert, kommt manchmal (doch) noch mehr als wie bisher bei raus. Ich habe das gerade für ein anderes Thema vor, das in den nächsten oder übernächsten Rundbrief unserer ARGE bayern (klass.) kommen soll.


    Was die von mir angefragten Verschlusszettel anbelangt: Wenn es so war, dass es (ein Gros von) Sendungen gegeben hat, die pauschal von einer Zensur des Inhaltes in Abstimmung mit der IHK befreit und somit zur geschlossenen Beförderung zugelassen waren, dann waren an jenen natürlich auch keine Verschlusszettel anzubringen. Nach diesen Quellen:


    http://www.postgeschichte.net/zensur/dienstsiegel1.html

    http://www.postgeschichte.net/zensur/dienstsiegel2.html


    waren da doch schon einige Firmen / Bankhäuser bekannt, von denen Du hier auch schon welche gezeigt hast, darüber hinaus jetzt sogar auch eine weitere, nämlich mit dem Beleg von J. M. Voigt / Heidenheim a.d.Brenz.

    Von Bayern und vom Reich weiss ich nun, dass es auch eine Postzensur mit Eröffnungvon Briefsendungen gegeben hat, wo dann auch die einschlägigen Verschlusszettel oder -banderolen zum Einsatz kamen. Für Württemberg fand ich in Bezug darauf diesen link im www:


    http://www.postgeschichte.net/zensur/verschzettel.html


    Ich habe darartiges von Württemberg zwar in der Tat noch nie zu sehen bekommen, aber ist es wirklich so, dass diese Verschlusszettel dort nicht nötig waren ? Wie wurde bspw, mit einer privaten Sendung umgegangen, mussten diese zwecks Zensur offen aufgeliefert werden ?


    Viele Grüße

    vom Pälzer :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Pälzer,


    ich muß mich jetzt mal outen. Die von Dir verlinkten Internetseiten habe ich verbrochen. Sie sind schon alt und ich habe mich noch nicht dazu durchringen können sie zu löschen oder zu verändern.

    Aber ich habe schon damals zwischen den beiden Zensurstellen unterschieden. Sie sind strukturell deutlich zu unterscheiden. Die Postprüfungsstelle für Geschäftsbriefe ist die Annahmestelle für die Geschäftspost, die offen von Firmenboten aufgeliefert wird. Dort wird sie zensiert und dann erst in den Postlauf eingeschleust. Es ist eine reine Abgangszensur. Eine Eingangszensur hat es nicht gegeben und somit waren Verschlußzettel überflüssig.

    Die Postüberwachunsstelle dagegen bezieht die zu zensierenden Poststücke aus dem Postlauf. Die Belege werden erst postalisch bearbeitet und dann aus dem Postlauf der militärischen Zensurstelle zugeführt. Theoretisch sollten aus dem Inland keine geschlossenen Briefe ankommen, da dies ein Zurückweisungsgrund war. Praktisch wurden viele geschlossene Briefe aus dem Inland zurückgewiesen, aber manche auch geöffnet und zensiert. Sie wurden mit einem Verschlußzettel versehen. Briefe aus dem Ausland waren in der Regel verschlossen und sie bekamen einen Verschlußzettel, wenn sie geöffnet wurden. Manche wurden einfach durchgewunken. Es war durchaus nicht so, dass zu jeder Zeit alle Sendungen auch tatsächlich gelesen wurden. Das kommt in etlichen Berichten zum Ausdruck.


    Gruß


    wuerttemberger

  • Hallo württemberger,


    hatte ich mir fast schon gedacht, dass die Seiten von Dir sind ;) Und recht herzlichen Dank für die ergänzenden Klarstellungen, mir sind Unterschiede von Postprüfstelle für aufgelieferte Geschäftspost und Überwachungsstelle für Eingangspost aus meinem Gebiet so noch nicht aufgefallen. Das müsste ich jetzt auch mal näher beleuchten...man lernt nicht aus. Dass vieles von letzterem ohne jegliche Kontrolle durchgegangen ist, lässt sich von meinem Gebiet allerdings in der Tat auch bestätigen.


    Beste Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Am 22. Oktober 1914 schickte die Firma Paul Zech einen Einschreibebrief nach Kopenhagen. Der Brief erhielt einen Ankunftsstempel vom 25. Oktober 1914. Briefe nach Dänemark brauchten in der Regel 3 Tage.

    Auf der Rückseite haben der militärische Vorstand und seine beiden Beisitzer unterzeichnet.

  • Der nächste Beleg ist zwar nicht schön aber er zeigt, was in der Prüfungsstelle alles so möglich war. Er gehört unter die Überschrift "Man kennt sich". Dieses Motto wird uns noch eine ganze Weile beschäftigen und letztlich zu unangenehmen Konsequenzen führen.

    Absender ist das KuK österreichisch-ungarische Consulat in Stuttgart. Das war jetzt sicherlich keine württembergische Firma, aber man kannte das Bankgeschäft Stahl & Federer, das auf der Liste stand und somit berechtigten Zugang zur Prüfungsstelle hatte.



    Links unten steht der Vermerk: Eingereicht durch Stahl & Federer

    Auf der Rückseite wurde der Brief auch mit der Siegelmarke des Bankgeschäftes verschlossen. Major Reinmöller war nicht zugegen und somit haben seine beiden Beisitzer den Beleg abgezeichnet.

  • Am 18. November 1914 wurde folgendes Schreiben verfasst


    Betr. Prüfungsstelle für Auslandspost

    In Übereinstimmung mit dem Herrn militärischen Vorsitzenden beehre ich mich beim stellv. Generalkommando zu beantragen, dass die Nachmittagsdienststunden der „Prüfungsstelle für Auslandspost bei der K. Generaldirektion der Posten und Telegraphen“ in Zukunft auf 4-6 (statt 3-6) Uhr festgesetzt werden.

    Zur Begründung glaube ich mich auf den Hinweis beschränken zu können, dass nach den Erfahrungen der letzten Wochen – wie die bei der Prüfungsstelle geführte Statistik über die Höhe des täglichen Einlaufs im einzelnen ausweist – die zur Abfertigung gebrachte Post eine wesentliche Abnahme gegenüber der Post in den ersten 2 Monaten des Bestehens der Stelle zeigt ( von täglich 900 – 1000 Stück auf 400 – 500 Stück). Dies erklärt sich ohne weiteres aus den neueren Verfügungen der Postverwaltungen, wonach Briefe nach dem Neutralen oder befreundeten Ausland in offenem Zustand auch bei fremdsprachlichen Texten zugelassen werden, und aus den sonstigen Erleichterungen und Befreiungen, die inzwischen der Verkehr gefunden hat.

    Bei Aufrechterhaltung der bisherigen Frühstunden (9-12 Uhr) ist die Erledigung des täglichen Anfalls ohne weiteres möglich. Eine Inanspruchnahme der zudem jetzt infolge der Wiederbelebung der wirtschaftlichen Tätigkeit auch geschäftlich viel mehr als in der ersten stilleren Wochen in Anspruch genommenen Vertrauensmänner aus den Kreisen von Industrie und Handel über das notwendige Maß sollte möglichst vermieden werden.

    Ich glaube, dass angesichts des geringeren Verkehrs dem Antrag ohne jede Beeinträchtigung der pflichtmässigen Leistungen der Prüfungsstelle stattgegeben werden könnte.

    Der Vorsitzende der Handelskammer Stuttgart

    Adolf Schiedmayer


    Am gleichen Tag verschickte die Firma W. Wolf & Söhne aus Untertürkheim ein Einschreiben nach St. Gallen, das dort einen Tag später ankam.

    Reinmöller und seine beiden Beisitzer haben ordnungsgemäß unterschrieben.


    Dem obigen Antrag wurde am 2. November entsprochen.

  • Am 3. Dezember 1914 verschickte die Lederfabrik C.F. Roser aus Feuerbach eine Drucksache nach Amsterdam. Major Reinmöller war nicht anwesend und so hat seine Vertretung unterzeichnet. Ich lese: W. Schiedmayer

    Die Beisitzer haben nicht abgezeichnet und ich habe eben erst festgestellt, dass das bei allen Drucksachen der Fall war.



    Am gleichen Tag sandte die Firma Ed. Löflund (Hersteller von Malzextrakt) aus Grunbach b. Stuttgart einen Brief nach New York.



    Hier hat auch W. Scheidmayer seine Unterschrift hinterlassen und die beiden Beisitzer ihre Kürzel angebracht.

  • Ferdinand Redwitz war einer der ganz großen Briefmarkenhändler in Stuttgart. Er wurde natürlich in die Liste aufgenommen und seine Korrespondenz taucht immer wieder auf. Neben der Württembergischen Bankanstalt ist er einer der häufigsten Absender.



    Der Brief wurde am 8. Januar 1915 aufgegeben und kam am 11. Januar 1915 in Rotterdam an. Wiederum war Major Reinmöller nicht anwesend und so hat wieder W. Schiedmayer und seine zwei Beisitzer unterzeichnet.

    Der wahrscheinliche Grund warum Major Reinmöller sein Amt nicht ausüben konnte war ein trauriges Ereignis wenige Tage zuvor.


    Sein Sohn war im Lazarett wegen seinen schweren Verwundungen verstorben.

  • Wenn die österreichisch-ungarischen Kollegen Zugang zur Prüfungsstelle bekamen, konnte man es den damals noch verbündeten Italienern nicht verweigern. Das italienische Generalkonsulat in Stuttgart versandte am 17. Februar 1915 einen Brief an die Präfektur in Udine. Wahrscheinlich hatte es sich schon herumgesprochen, dass man in der Prüfungsstelle sehr kulant war.



    Ein Beisitzer schien wieder ausgefallen zu sein, denn das linke Kürzel ist Major Reinmöller selber.

    Zensierte Post nach Italien ist generell nicht häufig. Umso mehr hat mich der Fund dieses Briefes sehr gefreut.

  • Auch die Firma Richard Ungewitter, Verlag in Stuttgart hatte offensichtlich Zugang zur Prüfungsstelle für Auslandsgeschäftsbriefe:



    Brief vom 1. März 1915 im Wechselverkehr nach Mödling bei Wien. Es fehlt ein Namenskürzel eines Beisitzers.


    Richard Ungewitter stand nicht auf der Liste und das wollte er mit einem Antrag vom 1. September 1915 ändern.

    Die darauf folgende Reaktion der Handelskammer lässt wieder einige Einblicke in die Verhältnisse bei der Prüfstelle zu.

    Die Antwort kam prompt und war ein wenig herablassend:


    Firma

    Richard U n g e w i t t e r , Verlags-Buchhandlung

    Stuttgart

    Schottstr. 42.

    In sofortiger Erledigung Ihres Schreibens vom 1 d.M. teilen wir Ihnen mit, dass die Handelskammer nicht in der Lage ist, durch Erteilung einer „Legitimation“ Ihnen die Benutzung der besonderen „Prüfungsstelle für Auslandspost“ im Hauptpostgebäude, Zimmer 38, zu sichern. Diese Stelle ist bestimmungsgemäß nur für eine gewisse, vom K. Generalkommando ausdrücklich festgesetzte Anzahl von größeren Banken und Großhandels- und Großindustrie-Betrieben, die einen besonders namhaften Verkehr mit dem Ausland im regelmäßigen Geschäftsverkehr haben, eröffnet worden.

    Die von der Handelskammer im August 1914 dem Generalkommando mit der Bitte um Berücksichtigung eingereichte umfangreiche Liste solcher Firmen wurde von rund 120 Namen auf etwa 60 gekürzt. Nur für wirklich dringende Fälle wurde dem militärischen Vorsitzenden der Prüfungsstelle das Recht gewährt, nach seinem freien Ermessen auch von anderen Firmen ausnahmsweise Auslandspost zu übernehmen. Wenn Ihnen diese Vergünstigung bisher oft gewährt wurde, so haben sie alle Ursache, dafür dankbar zu sein, da hierin ein besonderer Gefälligkeitsdienst Ihrer Firma gegenüber zu erblicken ist. Anspruch auf dauernde Gewährung dieser Vergünstigung besteht für Sie aus den angegebenen Gründen nicht. Im übrigen ist ja auch die allgemeine Auslandsstelle (Katharinen-Stift) schon seit langem in der Lage, die offen eingelieferten Briefschaften und Drucksachen ohne wesentliche Verzögerung abzufertigen, so dass auch andere Firmen zu einem erheblichen Teil dazu übergegangen sind, ihre Post ohne Benutzung der besonderen Prüfungsstelle zur Beförderung zu geben. Wir empfehlen Ihnen diesen Weg.

    Die Handelskammer

    Der Vorsitzende Der Syndikus


    Unklar bleibt, ob die ursprüngliche Liste von 120 Firmen gleich zu Beginn auf 60 Firmen gekürzt wurde, oder ob das im Lauf der Zeit stattfand.

    Vorgänge dazu waren in den Akten bislang nicht zu finden.


    Dem stellvertretenden Generalkommando wurde eine Aufnahme in die Liste nicht empfohlen und noch einmal kräftig nachgetreten:


    DemK. stellv. Generalkommando

    des XIII. (K.W.) Armeekorpsz. Händen des Rittmeisters Federer

    Stuttgart

    zur gefl. Kenntnisnahme und mit dem Bemerken überreicht, dass eine Zulassung der Verlagsbuchhandlung Richard U n g e w i t t e r zur Prüfungsstelle für Auslandspost u.E. um so weniger in Frage kommen kann, als nach den Beobachtungen der Prüfungsstelle die Auslandskorrespondenz des Unternehmens geschäftlich ziemlich belanglos erscheint.


    Stuttgart, den 3. September 1915

    Die Handelskammer

    Der Vorsitzende Der Syndikus

  • Ein Brief der Württembergischen Vereinsbank - Depositenkasse Feuerbach - vom 19. März 1915 an das Rotkreuz-Komitee Agentur für Kriegsgefangene in Genf. Das klingt erst einmal ungewöhnlich, aber auch Kriegsgefangene, insbesondere Offiziere, haben mit Firmen korrespondiert.



    Dieser Beleg ist auch einmal in schöner Erhaltung und die Stempel gut lesbar.

  • Hier ist ein sehr ungewöhnlicher Beleg. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass die beiden Zensurstellen räumlich und personell voneinander getrennt waren.

    Es handelt sich um einen Brief der Bettfedernfirma Straus & Cie aus Untertürkheim vom 6. Mai 1915 an einen Peter Iversen in Kopenhagen. Die Firma stand auf der Liste und der Brief wurde ordnungsgemäß mit allen Unterschriften und Siegeln bearbeitet.


    Der Brief wurde also verschlossen direkt wieder in den Postkreislauf eingebracht, aber dennoch an die Postüberwachungsstelle für Briefe im Katharinenstift weitergeleitet. Über den Grund kann nur spekuliert werden. Auf jeden Fall wurde der Brief ungeöffnet durchgewunken und mit dem Stempel "Stuttgart 1 geprüft und freigegeben" versehen.

    Das ist einer der wenigen Belege, auf denen Stempel beider Überwachungsstellen vorkommen.

  • Die Maschinenfabrik Esslingen war auch einer der bedeutenden Industriebetriebe im Land und stand natürlich auch auf der Liste der Firmen.



    Brief vom 24. Juli 1915 nach Chiasso in der Schweiz. Der Stuttgarter Stempel führt bei Briefen von auswärtigen Firmen immer wieder zu Fehlinterpretationen bei der Beschreibung der Belege. Viele denken, dass der Brief aus versehen ungestempelt einging und in Stuttgart nachentwertet wurde. Dem war natürlich nicht so. Die Post hat den Brief in der Prüfungsstelle das erste Mal zu Sehen bekommen.

    Eigentlich war das Generalkommado des XIII. Württ. Armeecorps für die Zensur von Postsendungen aus Württemberg und Hohenzollern zuständig. Briefe von Firmen aus Hohenzollern habe ich aus dieser Prüfungsstelle noch nie gesehen.