Tirol im Jahr 1809

  • Das Jahr 1809 hat uns eine Reihe von hochinteressanten und spektakulären Briefen beschert. Der Aufstand der Tiroler unter Andreas Hofer begann Ende April. Vielleicht gelingt es, hier einige dieser Briefe vorzustellen. Ich will den Anfang machen mit einem Brief, der mich seit einigen Tagen beschäftigte. Aus Villach stammend und an Menz in Bozen gerichtet. Am 24 dezemmber abgeschickt erreichte er Bozen erst am 3. Februar 1810. Er lief "unten herum" im Paket von Venedig über Verona nach Mailand. Dort gestempelt Milano L.T. von Mailand zurück nach Verona, gestempelt am 31. Dezember "Verona destra" (das ist eine andere Geschichte) und von da nach Bozen ins Etschtal hinauf.
    Warum Milano? Dieser "Umweg" darf deshalb nicht verwundern, weil unter der quasi französischen Herrschaft des Vizekönigs Eugene Beauhairnais alle Transit- und Auslandsbriefe nach Möglichkeit dorthin geleitet wurden, um sie dort im Schwarzen Kabinett untersuchen zu lassen, eine Übung, die unter österreichischer Herrschaft weitergeführt wurde bis in die 1840 er Jahre.
    Die eigentlich spannende Frage aber ist, warum der Brief nicht nach Lienz geleitet wurde, um über das Pustertal und Brixen in kurzer Zeit und erheblich billiger nach Bozen zu gelangen. Recherchen in der einschlägigen Literatur (Hirn Tirols Erhebung im Jahr 1809 S. 827 ff) ergaben, dass nach dem Ende des Aufstandes einige französische Generale mehr oder weniger selbstherrlich in Tirol umherzogen, nach Insurgenten suchten und viele Hinrichtungen eigenmächtig vornahmen. Am 19. Dezember machte sich der General Broussier ins Pustertal auf, exekutierte einige Bürger von Bruneck und kündigte an, dass die Bürger in Lienz und im Iseltal sein Heer von nahezu 5000 Mann und 300 Pferden zu versorgen hätten. ( u.a. 500 Mass Wein und 250 Mass Brantwein). Derweil ging er daran seine Totesliste abzuarbeiten. Für die dortigen Gemeinden wurde die Weihnachtswoche unvorstellbar schrecklich.
    Unser Brief reagiert direkt auf diese Situation mit seinem Abgangsdatum war dem Absender die Situation beim Eingang zum Pustertal offenbar bewusst. Im Menzarchiv liegt übrigens noch ein weiterer Brief mit Abgang in Villach am 31.12., der ebenfalls den Weg nach Bozen über Milano nimmt.
    Was die Gebühren angeht, zeigt der Brief die typischen Merkmale aller Briefe, die im Jahr 1809 wegen des Aufstandes durch das Kgr Italien umgeleitet wurden. zum einen die 12 für den italienischen Transit und 19 kr für einen Auslandsbrief nach dem Tiroler Tarif. Der andere Brief vom 31. 12 hat übrigens die starke Progression von 36 kr für den italienischen Transit. Bei dem vorliegenden Brief ist bemerkenswert, dass er zunächst lediglich als Auslandsbrief mit 19 kr taxiert wurde, dann erst mit Zusatz der italienischen Transitgebühr korrigiert wurde.

  • Hallo Achim,


    einen Granatenbeleg aus der Zobellisammlung, die vor knapp 2 Jahren bei Deider versteigert wurde und bei der eine Menge von seltenen Briefen an Menz in Bozen dabei waren, zeigst Du uns. Herzlichen Dank. Gerne sehen wir hierzu noch weitere Briefe von dir. Ich habe bei dem Thread "Aufstand in Tirol und Vorarlberg 1809" schon einige Briefe eingestellt, wenn gewünscht, kann ich diese gerne auch bei diesen Thread zeigen.


    Beste Grüße,
    Hermann

  • Hallo,


    auch bei diesem Brief aus Augsburg, geschrieben am 21.6.1809, war der normale Weg über Innsbruck blockiert. So wurde der Brief vom Forwarder J.G.Escher nach Zürich spediert und dort am 24.6.1809 der Züricher Kantonalpost übergeben. Bis Mailand wurden dort 18 Kr. bezahlt (franco Milano).
    In Mailand wurde der Transitstempel MILANO L.T. abgeschlagen. Für den italienischen Transit wurden hier 24 Kr. angesetzt. Mit dem bayerischen Tarif für Tirol bei Auslandsbriefen von 18 Kr. ergab sich in Bozen ein Gesamtporto von 43 Kr.


    Grüße von liball

  • Karl, einfach wunderbar. Interessant obendrei hier der D.B. Zürich, der nicht immer auf diesen Briefen auftaucht und dessen Funktion sich bei intensiverem Nachfragen noch nicht zur Gänze erschließt. Aber auch da wird Licht ins Dunkel kommen, wenn wir die nächsten 224 Umleitungsbrief aus dem Jahr 1809 analysiert haben. (HiHi)
    Nochmals vielen Dank für deinen Beitrag
    Achim

  • Hallo,


    hier nun ein Brief in der Gegenrichtung. Geschrieben wurde er am 20.10.1809 in Bergamo. Wegen der Unruhen in Tirol konnte er nicht auf der normalen Route über Tirol geleitet werden, sondern musste über die Schweiz spediert werden. In Zürich wurden 14 Kr. in Auslage genommen. Mit dem bayerischen Porto ab Rheineck von 6 Kr. ergab sich in Kempten ein Gesamtporto von 20 Kr.


    Grüße von liball

  • Ich will euch den anderen Brief aus Villach nicht vorenthalten, der die Umleitung über Mailand nimmt. Er hat die Signatur 09f29 in der Tiroldatenbank und liegt im Menz Archiv Bozen. (Merkantilmuseum) Er zeigt die dreifache italienische Transitgebühr mit 36 kr.



    Ich habe auch noch ein bisschen aussen herum recherchiert.
    Im Archiv liegen Briefe aus Fiume vom 1.12. und 21.12. (Ankunft 3.1.) nach Bozen
    sowie aus Triest nach Bozen vier Briefe 10.12. 1809 Ankunft 23.12.; 18.12. 1809 Ankunft 27.12.; 28.12. 1809 Ankunft 7 1. 1810; und 7.12. 1809 Ankunftr 16.12.
    Alle diese Briefe sind mit 24 kr österreichisches Teilfranko bis zur Grenze und 19 kr rhein Tiroler Inlandsporto taxiert. Keiner dieser Briefe lässt eine Umleitung erkennen, obwohl sie direkt im zeitlichen Umfeld der beiden Umleitungsbriefe liegen.
    Daraus kann man schließen, dass Briefe aus Triest und Fiume im Normalbetrieb nicht über das Pustertal liefen sondern immer unten herum über Verona. Dass diese Briefe hier also ganz normal laufen. Die relativ lange Laufzeit ist bei allen Briefen etwa gleich lang und ist ähnlich lange auf Briefen aus Venedig zu beobachten. Daraus kann man also auch nicht auf eine Umleitung schliessen.
    Offen bleibt dann aber, warum die beiden Briefe aus Villach nicht auch wie die aus Fiume und Triest in das "Normalpaket" nach Verona kommen, sondern bis nach Mailand transportiert werden. Also ein bisserl Nachdenkearbeit ist da schon noch zu leisten.

  • Liebe Sammlerfreunde,
    im "Ordrebuch des Oberpostamtes Innsbruck 1807 - 1814" steht am 3.1.1809 folgendes:
    In Innsbruck wird ein Fach für Triest, Fiume, das österreichische Littorale und Dalmatien eingerichtet. Die Briefe wurden bisher im Brixener Amtspaket verschickt. Es soll geprüft werden, ob ein eigener Paketschluß nach Triest gefertigt werden soll.
    Ich denke, daß dieser zum Zeitpunkt der genannten Briefe bestand.


    Beste Grüße,
    Hermann

    • Offizieller Beitrag

    Offen bleibt dann aber, warum die beiden Briefe aus Villach nicht auch wie die aus Fiume und Triest in das "Normalpaket" nach Verona kommen, sondern bis nach Mailand transportiert werden. Also ein bisserl Nachdenkearbeit ist da schon noch zu leisten.

    Hallo Achim


    Eine bessere Antwort als du schon hast, habe ich natürlich nicht.
    Ich schätze aber dass die Tiroler Aufstand (komische Nennung, es war ja ein reger Bürgerkrieg), der noch nicht total niedergeschlagen war und da es in Villach grosse politische Änderungen gab mit Überführung zu illyrischer Administration im Herbst 1809, eine grosse Rolle gespielt hat.
    Sicher war dass die italienische Behörden oder genauer hier französischer grosse Interesse an Korrespondenzen von Tirol hatten. Die Leitung über Milano und das schwarze Kabinett kann an auf jeden Fall so verstehen obwohl es nicht so hier bei dieser Briefe tatsächlich war.


    Übrigens - ist die Rolle von Kaufhaus Mentz im 1809 jemals untersucht geworden?


    Viele Grüsse und danke fürs Zeigen
    Nils

    Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis grösser als in der Theorie.

  • Liebe Sammlerfreunde,


    dieser Brief scheint den direkten Weg durch Tirol genommen zu haben (10.1.1810 abgesandt,
    am 13.1. angekommen, so der Vermerk siegelseitig. Aber, warum die hohe Taxierung: 32 Kr.
    Franko bis zur bayerisch tiroler Grenze. 24 Kreuzer Porto für den Empfänger.




    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Hallo Hermann,
    eventuell in Centesimi?
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Lieber Hermann, du hast den Text glücklicherweise mitgescannt. Dort steht am Schluss, dass der Absender an Menz einige Briefe nach Italien mitschickt, die Menz bitte weiter expedieren solle.
    Also kommt die hohe Gebühr wohl daher, dass der Brief kräftig ins Gewicht ging. Und Du hast völlig recht, dass der Brief über Innsbruck hinunterging.
    LG Achim

  • Lieber Achim,
    herzlichen Dank.


    Ende 1809 (auch noch anfangs 1810) erfolgte die Umleitung noch über Mailand und der Schweiz,
    die 6 Kreuzer für den Transit erhielt. Hier ein Brief aus Verona mit Vermerk "p. Milano" nach
    Kempten vom 3. Dezember 1809. Ankunft, bzw. geantwortet in Kempten am 13. Januar 1810.
    Der Empfänger bezahlte 6 Kr. und 8 Kr., also 14 Kreuzer Porto. Der Absender bezahlte 20 Centimes.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Liebe Sammlerfreunde,


    als der königlich bayerische Postverwalter Joseph Kugstatscher von der königlich bayerischen Postverwaltung Bozen am 7. April 1809 den folgenden Postschein unterschrieb, war die unruhige Zeit in Tirol bereits im vollen Gange. Am 7. April 1809 durfte der Postwagen von Salzburg nach Innsbruck nicht mehr abfahren. Aufständische Tiroler nahmen am 12. April 1809 Innsbruck ein und die bayerischen Truppen in Tirol kapitulierten am folgenden Tag. Postverwalter Joseph Kugstatscher wurde suspendiert, da er sich den Aufständischen angeschlossen hat. Am 19. April 1809 wird Joseph Kugstatscher von der Militärregierung der Aufständischen beauftragt, als "Leiter des tirolischen Postwesens" die Postgeschäfte in Innsbruck neu zu ordnen, verbunden mit der Entlassung des dortigen königlich bayerischen Oberpostmeister von Brück. usw. Dieser Postschein war wahrscheinlich einer der letzten Schriftstücke, die Kugstatscher noch als königlich bayerischer Postverwalter abzeichnete. Was weiter mit ihm geschah, habe ich nicht heraus gefunden. (Quellen zu Kugstatscher: im Vorphilahandbuch von Friedrich Pietz, bei Bozen und Innsbruck.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Hallo Pälzer,


    herzlichen Dank.

    Joseph Kugstatscher hatte also zum richtigen Zeitpunkt die Fronten gewechselt und machte zuerst unter Andreas Hofer - und weiter unter dem Doppeladler Karriere. Für ihn zahlte sich der Absprung aus.



    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Liebe Sammlerfreunde,


    hierzu ein weiterer Postschein, wiederum aus Bozen (Kgr. Bayern - Tirol) und auch vom 7. April 1809 wie der vorige Postschein, diesmal für ein Schreiben nach Vicenza (Kgr. Italien), aber ein Postschein für die Briefpost. Der Absender bezahlte 46 Kreuzer Porto, ist aber Franko. Dazu 7 Kreuzer Recomandation. Eigentlich war die Recogebühr 4 Kreuzer. Im Postscheinkatalog von Joel sind zwei ähnliche Postscheine von Bozen abgebildet, die einmal 7 Kreuzer Reko Gebühr und einmal 6 Kreuzer Rekogebühr beinhalteten. Wahrscheinlich berechneten sie dort, was sie wollten. Dazu kamen 18 Kreuzer Aufgabs-Recepisse. Zusammen bezahlte der Absender 1 Gulden 11 Kreuzer. Unterschrieben ist der Postschein vom kgl. bayer. Postoffizial in Bozen, F. Untersteiner.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Liebe Sammlerfreunde,


    als Herr Streicher in Weilheim (Kgr. Bayern) den Brief am 25. März 1809 verfasste, waren in Tirol die Vorbereitungen des Aufstandes bereits im vollem Gange, der dann am 9. April 1809 seinen Anfang nahm. Bereits am 7. April durfte der Postwagen von Salzburg nach Innsbruck nicht mehr abfahren. Warum der Absender den Brief "frei Bozen" absandte, kann ich nicht sagen. Habe ich so noch nicht gesehen. Er bezahlte 3 Kreuzer rh. bis zur bayerisch tiroler Grenze und von da bis Bozen weitere 3 Kreuzer rh. Von welcher Tarifregelung diese 3 Kreuzer hergenommen wurden, kann ich nicht sagen. Von Bozen bis Rovereto (beide Orte Kgr. Bayern - Tirol) wurden 8 Kreuzer rh. Porto vermerkt (Halbportosystem in Tirol bis 1/2 Loth). Der Absender hätte sich die 3 Kreuzer sparen können, wenn er nur bis zur bayerisch tiroler Grenze frankiert hätte. Von dort bis Rovereto hätte es auch 8 Kreuzer Porto gekostet. Es war aber gut, daß er dies getan hat, so wurde der Brief für mich eine Seltenheit, die ich bisher noch nicht gesehen habe.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Liebe Sammlerfreunde,


    hierzu folgender Brief aus Venedig (Kgr. Italien) vom 22. Juli 1809, also mitten in der Aufstandszeit in Tirol 1809, der zu Giuseppe Tambosi in Rovereto (Kgr. Bayern - Tirol) gebracht wurde und von ihm als Inlandsbrief "Halbfranko - und Halbportobrief" aufgegeben wurde (27. Juli 1809) nach Bozen (Kgr. Bayern - Tirol). Er bezahlte 8 Kreuzer rh. Halbfranko bei der Briefaufgabe und der Empfänger 8 Kreuzer rh. Halbporto. Aufstandsbedingt kam der Brief erst am 25. August 1809 beim Empfänger in Bozen an.


    Beste Grüße von VorphilaBayern