Südamerikafahrt 1930, Post nach Sevilla

  • Hallo zusammen!

    Lange habe ich mir überlegt, wie ich nach meiner „Einleitung“ eigentlich beginnen soll: sehr gerne möchte ich meine Sammlung „Zeppelinpost der Südamerikafahrt 1930“ konzeptionell etwas anders aufbauen, als nach den eingetretenen Pfaden – etwas mehr Postgeschichte, etwas mehr Hintergrundinformationen, etwas mehr Destinationen sollten es schon sein. Dafür nicht unbedingt alle Katalognummern und/oder alle möglichen Frankaturen.


    Letztlich habe ich mich aber doch für einen eher konservativen „fil rouge“ entschieden (zumindest hier im Forum): die erste Etappe des Luftschiffs „Graf Zeppelin“ führte am 18. Mai 1930 von Friedrichshafen nach Sevilla.

    Den Beginn der historischen fahrt möchte ich gerne von einem der Passagiere, dem Weltkriegs-Luftschiffkapitän Joachim Breithaupt beschreiben lassen[1]

    „Der Aufstieg


    Sonntag Nachmittag. Um 16.30 Uhr am 18. mai 1930 bringt das Auto der Hapag, die für die Reisevorbereitungen verantwortlich ist, die Mitfahrenden zum Schiff. Hier erwartet uns das Maschinengewehrfeuer der zahllosen Pressephotographen. Wir steigen ein, alles drängt zum Fenster, jeder will sehen und gesehen werden und Abschied winken. Das Schiff ist schwer, weil die schwüle Hallentemperatur die Tragfähigkeit vermindert. Die Sandsäcke an den Gondeln werden abgehängt, die Böcke, auf denen die Mittschiffsgondeln ruhen, herausgezogen. Der für das Abwiegen verantwortliche Offizier lässt Wasserballast aus den Säcken laufen, aber immer will das Schiff noch nicht ‚schwimmen’. Weitere 1000 Kilo Wasser müssen geopfert werden, bis das Schiff so leicht ist wie die umgebende Atmosphäre. Jetzt rattern die Propeller zum Probelauf, Staub wirbelt auf, ohrenbetäubender Lärm erfüllt die geöffnete Halle. Die Ausfahrleinen sind am Schiff eingehakt, die Mannschaft verteilt sich an den Knebeltauen und Haltestangen der mittleren Gondeln.


    Draußen auf dem Platz stehen die Kapitäne, mit sachkundigem Blick prüfen sie die Windrichtung. Bei der großen Enge der Halle ist die größte Vorsicht geboten, die leiseste Berührung des leichten Gerippes mit der Hallenwand kann schwere Beschädigungen zur Folge haben. Als letzter steigt Dr. Eckener ein. Gleich darauf verlässt das an Leinen gezogene Schiff die Halle. Auf dem Platz wird es mit den Spitzenleinen gegen den Wind gut frei von allen Baulichkeiten geschleppt; nachdem die letzten Leinen geschlippt, d.h. ausgehakt sind, wird noch einmal Wasserballast abgelassen. Dann wirft die Gondelmannschaft auf Dr. Eckeners befehl das Schiff hoch. Die Propeller springen an und drücken den ‚Graf Zeppelin’ langsam in die Lüfte. Brausender Abschiedsjubel schallt zu uns herauf, Tücher winken und bald stehen wir in 200 m Höhe über dem Bodensee.“

    Eine Seite weiter (auf Seite 12 meiner Ausgabe) findet sich in Breithaupts Buch auch ein Satz zur mitgeführten Post:

    „Die Fahrt könnte eine Reise für Briefmarkensammler genannt werden, denn die Postsachen von mehr als 100 000 Stück dienen vornehmlich philatelistischen Zwecken. Man ist enttäuscht, dass die deutsche Postbehörde nicht wie andere Staaten eine besondere Marke für diese historische Reise ausgegeben hat; mit einem geschmackvollen Entwurf hätte sie ein gutes Geschäft gemacht.“

    Offensichtlich war Breithaupt – leider – kein Briefmarkensammler[2], denn er kannte wohl nicht die beiden anlassbezogenen Sondermarken (MiNr. 438+439), die allerdings wirklich sehr kurzfristig vor der Fahrt (am 26. April) in aller Eile an die Postschalter kamen.

    Erstaunlich ist übrigens, dass die von Breithaupt genannte sehr vage Stückzahl die genaueste ist, die ich bis heute in Erfahrung bringen konnte. Weder im Zeppelinmuseum in Friedrichshafen noch in einer philatelistischen Bibliothek sind z.B. Ladelisten dieser Fahrt zu finden, aus denen man zumindest das Gewicht der Postsäcke entnehmen könnte.

    Mein erster Beleg, der von Friedrichshafen nach Sevilla befördert wurde, ist eine Postkarte, die an einen Sammler in Mannheim adressiert ist. Herr David war sicher auch der Absender, der sich so seinen Zeppelinbeleg für die Sammlung schuf.
    Das Porto für diese erste – innereuropäische – Etappe entsprach dem auch für die kürzeren Fahrten gültigen Satz: 1 RM für Postkarten, 2 RM für Briefe. Da durch die beiden oben genannten Sondermarken (2 RM und 4 RM) das Kartenporto nach Sevilla nicht darstellbar war, findet man hier hauptsächlich „Normalmarken“-Frankaturen. (die in den Katalogen zwar deutlich „abgewertet“ werden, mir aber eigentlich gut gefallen – sie bringen etwas Abwechslung ..)


    Viele Grüße von balf_de




    [1] J.Breithaupt „Mit Graf Zeppelin nach Süd- und Nordamerika“ Verlag Moritz Schauenburg, Lahr 1930


    [2] Aber er ist einer der Absender einer Karte mit dem Parahyba-Provisorium ... (davon später)

    • Offizieller Beitrag

    Hallo balf_de


    Wie du es machst, machst du es gut :) :) :)


    Danke fürs Zeigen. Und ich freue mich die nächste Briefe zu sehen. Und nicht weniger die Beschreibungen. :P :P :P
    Diese "Normalmarkebrief" finde ich gut :)


    Viele Grüsse
    Nils

  • Lieber balf_de,


    den netten Worten von Nils kann ich mich nur anschliessen.


    "Wie du es machst, machst du es gut :) :) :)"


    Es werden sicher auch hier wunderbare Beschreibungen von noch besseren Belegen geboten werden.
    Da entsteht schon fast Lust, einen weiteren Zeppelinthread aufzumachen :huh: .


    Liebe Grüße
    KJ

    Beste Grüße

  • Lieber Nils!

    Diese "Normalmarkebrief" finde ich gut

    Dass ich Dir mit meinen Belegen eine Freude machen kann, darüber bin ich wirklich froh! Ganz speziell für Dich habe ich noch eine zweite Karte herausgesucht, die noch "normaler" frankiert ist wie die zuletzt gezeigte. Wenn andere (bzw. ein anderer ;) ) auf schöne philatelistische Frankaturen warten, müssen sie (bzw. er) eben noch etwas Geduld haben ...


    Lieber Kontrollratjunkie!

    Da entsteht schon fast Lust, einen weiteren Zeppelinthread aufzumachen .

    Darauf warte ich doch schon, seit ich mit Freuden festgestellt habe, dass Du hier mitmachst! Du weißt so gut wie ich, dass unsere Themen sich nicht überschneiden werden - Du kannst eine schöne und repräsentative Auswahl an LZ-130-Post zeigen, die bestimmt nicht nur mir allein gefällt.


    Was die "noch besseren Belege" anbetrifft, bitte ich Dich um etwas Geduld. Zugegeben - es war ein ziemlich langer Anlauf für eine eher unscheinbare Karte, aber mit dem langen Zitat aus Breithaupts Buch wollte ich zeigen, dass die Zeppeline ziemlich komlizierte Apparate waren - man konnte nicht einfach den Autopilot einschalten .. Die Karte von Herrn David in Mannheim besitze ich übrigens schon seit meiner Jugend, als ich noch längst nicht an eine Sammlung von Zeppelinpost dachte - sie ist in mehr als einer Beziehung mein erster Beleg.


    Hallo zusammen!


    Heute will ich für unseren Freund Nils, der sich als Liebhaber von "Normalfrankatur" geoutet hat, meine "schlichteste" Karte zeigen: sie ist mit der 100-Pfennig-Freimarke vom Dezember 1923, der "Korbdeckel"-Marke MiNr. 343 frankiert. Bestimmt findet man leichter 100 Zeppelinbelege mit den "guten" Sondermarken 438 und 439, bevor man eine zweite so frankierte Karte zu Gesicht bekommt.


    Interessant ist auch der Bordpoststempel vom 19.5.1930, der hier statt des normalen Friedrichshafener Zweikreisstempels vom 18. Mai abgeschlagen ist. Hierbei handelt es sich nicht um "echte" Bordpost; die Sammler, die ihre zur Luftschiffbeförderung bestimmten Belege im geschlossenen Umschlag nach Friedrichshafen schicken mussten, konnten den Wunsch äußern, dass die Entwertung durch den Bordpoststempel erfolgen sollte. Dazu wurde dieser Stempel auf den 19.5.1930 vordatiert - schon vor der Abfahrt am 18.5. kam er im Friedrichshafener Postamt zum Einsatz - es sollte den Philatelisten zuliebe eine wertsteigernde Auflieferung beim Bordpostamt vorgespiegelt werden. Die beiden wichtigsten Zeppelinpostkataloge (Sieger und Michel) führen Poststücke mit dem so datierten Bordpoststempel mit eigener Nummer und Bewertung - ich halte das eigentlich nicht für sonderlich sinnvoll, zumal man beide Stempel ähnlich häufig findet.


    Viele Grüße von balf_de


  • Lieber Kontrollratjunkie!

    Darauf warte ich doch schon, seit ich mit Freuden festgestellt habe, dass Du hier mitmachst! Du weißt so gut wie ich, dass unsere Themen sich nicht überschneiden werden - Du kannst eine schöne und repräsentative Auswahl an LZ-130-Post zeigen, die bestimmt nicht nur mir allein gefällt.

    Viele Grüße von balf_de


    Lieber balf_de,


    nur ganz kurz nach dem Absetzen meines letzten Beitrages war ich mir über die Tragweite meiner Worte im Klaren..... :rolleyes:
    Nur bin ich nicht sicher, ob auch in diesem Forum, welches eigentlich für die "richtig alten Sachen" gedacht ist, Beiträge zu den Wochenend - Postfahrten des Luftschiffes "Graf Zeppelin II" gern gesehen werden. Dazu kommt noch, daß ich eigentlich keine richtig neuen Erkenntnisse präsentieren kann. Eine Präsentation wie in einem anderen Forum wäre natürlich möglich. Allerdings möchte ich es unbedingt vermeiden, die Leser zu langweilen oder dieses Forum mit Beiträgen zu vermüllen, die niemanden interessieren.


    Was Deine wundervollen Vorstellungen betrifft: Meine Meinung dazu kennst Du und Geduld habe ich im Übermaß. Denn mir ist es durchaus bewußt, daß dieselbe IMMER reichlich belohnt wird. Sorge Dich also nicht....


    Liebe Grüße
    KJ


    PS: Dein "Korbdeckelbrief" ist große Klasse :thumbup: .

    Beste Grüße

    • Offizieller Beitrag

    Heute will ich für unseren Freund Nils, der sich als Liebhaber von "Normalfrankatur" geoutet hat, meine "schlichteste" Karte zeigen:

    Hallo balf_de


    Eben solche Briefe meine ich :) :)
    Fast etwas humorlos, fast grau, ganz so normal wie das Leben selbst. Aber aussagekräftig, ohne zu Gewichtsstörungen zu kommen.
    Danke fürs zeigen :)



    Allerdings möchte ich es unbedingt vermeiden, die Leser zu langweilen oder dieses Forum mit Beiträgen zu vermüllen, die niemanden interessieren.

    Hallo Kontrollratjunkie


    Es ist immer gesund über die Tellerrand zu schauen. So bitte ;)
    Hier gibt es Platz und interesse :)



    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Kontrollratjunkie


    Es ist immer gesund über die Tellerrand zu schauen. So bitte ;)
    Hier gibt es Platz und interesse :)


    Viele Grüsse
    Nils


    Hallo Nils,


    wenn der Chef es denn unbedingt möchte :thumbup: , will ich mich natürlich nicht quer stellen und mache dann einen neuen Thread auf.


    Nun noch eine dicke Entschuldigung an den lieben balf_de für mein unqualifiziertes Eingreifen in seinen tollen Thread.
    Ab jetzt schreibe ich hier nix mehr, außer, es gehört ausdrücklich zum Thema......versprochen.


    Gruß
    KJ

    Beste Grüße

  • Lieber Kontrollratjunkie!

    Ab jetzt schreibe ich hier nix mehr, außer, es gehört ausdrücklich zum Thema......

    Eigentlich kennen wir uns doch schon lange genug, dass Du wissen solltest, dass ich mich über jedes Feedback zu meinen Beiträgen freue - bitte, unterbreche mich so oft als möglich ...

    will ich mich natürlich nicht quer stellen und mache dann einen neuen Thread auf

    ... darüber freue ich mich genau so sehr - aber nur, wenn ich mich auch einmischen darf ... (Und ich habe keinerlei Bedenken, hier etwas zu wiederholen, was ich vielleicht vor einem Jahr anderso auch schon geschrieben habe)


    Hallo zusammen!


    Nachdem ich in den letzten Beiträgen ungewöhnliche "Normalfrankaturen" für Zeppelin-Postkarten gezeigt habe, folgt jetzt eine "normale Normalfrankatur" für das 1 RM Porto: in den Anfangsjahren der Zeppelinfahrten - auch bei "meiner" Südamerikafahrt 1930 - wurden die meisten Karten mit den Flugpostmarken von 1926 (MiNr. 376-384), den "Steinadlermarken" frankiert. Und der häüfigst verwendete Wert aus diesem Satz ist die Nummer 382 - 1 RM.


    Meine Karte ging nach Ende der Luftschiffreise von Friedrichshafen nach Sevilla mit normaler Post weiter nach England; die Portogebühren für die Beförderung zur Empfängeradresse waren im Zeppelinporto enthalten.


    Viele Grüße von balf_de

  • Hallo Preussensammler!


    Eine schöne Seite – vielen Dank fürs Zeigen! Mein Glückwunsch an die Sammlerfreunde aus Schwedt; sie haben gut recherchierte Informationen mit schönen Belegen zusammen getragen.


    Einige Korrekturen sind allerdings anzubringen:


    Die aus philatelistischer Sicht wichtigste: bei den beiden Sondermarken MiNr. 438-439 handelt es sich nicht um überdruckte MiNr. 423-424 sondern um neu gedruckte Marken. Die Fehlinformation war verursacht durch die amtliche Verlautbarung des Reichspostministeriums in dieser Sache[1]:


    Aus Anlass der bevorstehenden Südamerikafahrt des Luftschiffs ‚Graf Zeppelin’ werden die Luftpostmarken der Ausgabe 1928 zu 2 und 4 RM mit Aufdruck ausgegeben. Sie gleichen in Form, Größe und Ausführung den bisherigen Zeppelin-Luftpostmarken, in der linken oberen Ecke befindet sich jedoch in der Farbe der Marke das Bild eines fliegenden Adlers, unmittelbar darunter stehen, ebenfalls in der Farbe der Marke, in zwei Zeilen in lateinischen Buchstaben die Worte ‚1. Südamerikafahrt’“.


    Die Verwirrung kam von dem missverständlichen Begriff „Aufdruck“. Tatsächlich war zunächst vorgesehen, die Nummern 423 und 424 zu überdrucken; es wurden sogar Probedrucke angefertigt, von denen heute nur noch sehr wenige erhalten geblieben sind[2]


    Anders verhält es sich mit den späteren anlassbezogenen Zeppelin-Sondermarken für die Polarfahrt (MiNr. 456/8) und Chicagofahrt (MiNr. 496/8) – hierbei handelt es sich tatsächlich um Überdruckmarken.


    Eine kleine Unschärfe gibt es auch bei der Beschreibung der Fahrtroute: Konrad Fischer schreibt zu der Etappe Recife -> Rio am 24.-25. Mai in Klammern „Postbeförderung ab Rio nach Bahia, Buenos Aires und Santiago de Chile erfolgte mit Flugzeugen“. Es gibt zwar interessanterweise tatsächlich vereinzelt Poststücke, die nach dem Entladen in Rio per Flugzeug zurück nach Bahia befördert wurden, aber wesentlich häufiger findet man Belege, die beim Postabwurf über (Salvador de) Bahia entladen wurden, den Fischer nicht erwähnt. Was die Weiterbeförderung nach anderen südamerikanischen Destinationen ab Rio de Janeiro anbetrifft, hatte die brasilianische Airline Syndicato Condor SA – eine Partnerfirma der Zeppelingesellschaft und vormalige Lufthansa-Tochter – durch ihre Berliner Agentur eine vollmundige Ankündigung veröffentlicht, mit ihren Flugzeugen die Zeppelin-Belege nach Argentinien, Bolivien und Chile (gegen entsprechende zusätzliche Frankatur mit ihren Privatmarken) weiter zu befördern – was sie nach meiner Überzeugung nicht einhalten konnte. Davon später mehr ...


    Ganz allgemein sind zusätzliche Frankaturen zu den Luftschiffgebühren ein spannendes Thema: die Aussage Fischers bei der Beschreibung seines zuletzt gezeigten Belegs „... und 5 cent für die Weiterleitung nach Dortmund“ ist so nicht ganz korrekt. Grundsätzlich war in der Luftschiffgebühr die Weiterbeförderung zum Adressaten auf gewöhnlichem Weg enthalten. Zusätzliches Porto war dann fällig, wenn z.B. die anschließende Beförderung zur End-Adresse per Luftpost erfolgen sollte – die 5-cent-Frankatur wäre erklärbar, wenn der Absender „Luftpost ab Friedrichshafen“ geordert hätte (und ein entsprechender deutscher Luftpostbestätigungsstempel abgeschlagen wäre). Ein anderes prominentes Beispiel für Zusatzfrankaturen findet man bei Kombinationsbelegen Katapultpost-Zeppelinpost, wo vor, nach oder vor und nach der Luftschiffbeförderung die Belege per Seepost und Katapultflugzeug befördert werden sollten.


    Bei „meiner Reise“ nach Süd- und Nordamerika mit „Graf Zeppelin“ sind wir erst in Sevilla angekommen; wenn wir soweit gekommen sind – in Rio de Janeiro, in Lakehurst – möchte ich zu dem Themenkomplex „Zusatzfrankaturen“ noch einiges sagen.


    Viele Grüße von balf_de


    [1] Amtsblatt des Reichspostministeiums Nr. 35 vom 25. April 1930 Verfügung Nr. 146/1930
    [2] siehe auch Alexander Berezowski „Handbuch der Luftpostkunde - Zeppelinposten“ von 1930

  • Hallo zusammen!


    Jetzt wird es aber langsam Zeit, auch eine "Nicht-normal-Frankatur" der Zeppelinpost zu zeigen. Da vermutlich nicht jeder hier über einen Sieger-Katalog verfügt, ist es sicher sinnvoll, diesen etwas unglücklichen Begriff etwas genauer zu erklären. Im Sieger-Zeppelinpostkatalog gibt es für die Etappenpost nach Sevilla eine eigene Preisrubrik für "Normalfrankatur", die deutlich niedriger ausfällt als die Bewertung aller anderen Etappen. Für die wird aber grundsätzlich die Frankatur mit den anlassbezogenen Sondermarken (Nr. 438-439) unterstellt. Weder für Post nach Sevilla mit Nr. 438 - dem normalen Briefporto - noch für Belege nach den überseeischen Etappen ohne Sondermarken gibt es Sieger-Notierungen. Besonders originell sind dann Losbeschreibungen namhafter Auktionshäuser, wo z.B. ein mit Nr. 438 frankierter Brief nach Sevilla mit "bei Sieger nicht gelistet" beschrieben wird.


    Ich halte offen gesagt nicht viel davon, mehr oder weniger teuere Briefmarken in die Belegbewertung von Zeppelinpost einzupreisen. Eher sinnvoll, wenn auch manchmal nicht ganz unproblematisch, macht es der Michel-Katalog. Da steht zu diesem Thema ganz allgemein: "Bewertung der Belege mit Zeppelin- und/oder hochwertigen Frankaturen: 50% vom Katalogpreis der Fahrt und zuzüglich 50% der Briefbewertung der Marken". (aber was macht man, wenn ein 30-Euro-Beleg im Zeppelinkatalog mit einer 4 RM Polarfahrt frankiert ist ?)


    So viel zur Katalogkritik - es wird voraussichtlich nicht die letzte sein.


    Zwei Belege möchte ich vorstellen, die vom gleichen Absender stammen. Dabei handelt es sich um den Oberpostinspektor a.D. Otto Krenge aus Braunschweig. Schon als junger Mann erlitt er einen Arbeitsunfall, der zu seiner Frühpensionierung führte. Von da an widmete er sich intensiv seiner aerophilatelistische Sammlung - die Zeppeline hatten es ihm besonders angetan. Wir verdanken ihm nicht nur eine ganze Reihe interessanter und sauberer Belege sondern auch anhand seiner akribischen Aufzeichnungen zu Details der einzelnen Fahrten viele wertvolle Informationen. Erhalten geblieben sind diese insbesondere durch die Weitsicht meines väterlichen Freundes Roland F. Kohl, der - heute 90-jährig - Herrn Krenge noch persönlich kannte und vieles von seinem Material aufbewahrte.


    Krenge hatte in der ganzen Welt Kontaktadressen zu befreundeten Philatelisten, so auch in Sevilla. Ich zeige eine Karte und einen Brief, der (endlich!) mit einer Nummer 438 frankiert ist. Es wird nicht der letzte Beleg mit dieser Frankatur sein ...


    Viele Grüße von balf_de

  • Hallo zusammen!


    Einen ziemlich unansehnlichen Brief möchte ich noch zeigen, der von Friedrichshafen nach Sevilla per Luftschiff befördert wurde. Bis dahin hatte er schon einen langen Weg hinter sich. Zunächst wurde er im geschlossenen Umschlag an das Büro des New Yorker Agenten der Zeppelin-Gesellschaft, Herrn F.W. von Meister, geschickt, der ihn mit seinem Paginierstempel kennzeichnete: es war der 1118. bei ihm aufgelieferte Zeppelin-Beleg. Aus von Meisters Werbung (siehe Anlage) wussten die amerikanischen Sammler, dass sie neben der Möglichkeit, ihre Belege mit amerikanischen Marken zu frankieren, mit von Meisters Hilfe auch deutsche, spanische und brasilianische Zeppelinpost-Belege an sich schicken lassen konnten. Von New York aus gingen von Meisters Postpakete per Schiff (und Eisenbahn) nach Friedrichshafen, Sevilla und Brasilien, wo sie ggf. noch frankiert, gestempelt und dem Luftschiff übergeben wurden.


    Der Adressat des Briefs von Mr. Hurd war die Firma Baquera, Kusche Martin SA – die spanische Vertretung der Zeppelingesellschaft, die als Zwischenadresse in Sevilla diente. Von dort aus wurde der Brief terrestrisch im Postpaket an die Adresse von Meister nach New York zurückbefördert und dort wieder der Post übergeben. Mr. Hurd wurde unter seiner noblen Park-Avenue-Adresse nicht angetroffen – der Brief ging weiter in den noblen Ferienort Lake Placid.


    ... Wo sich Mr. Hurd vermutlich genau so über den Postbeamten in Sevilla geärgert hat wie ich mich heute noch über ihn ärgere: er benutzte ein viel zu nasses Stempelkissen – die Stempelfarbe färbte bei vielen schönen Zeppelinbelegen auf den nächsten Beleg im Stapel ab. Ich habe mehrere in Sevilla entladene Belege in der Sammlung, bei denen vorderseitig der Maschinen-Ankunftstempel spiegelbildlich zu erkennen ist.


    Zumindest ist das ein sicherer Echtheitshinweis – ein schwacher Trost ....


    Viele Grüße von balf_de

  • Hallo zusammen!


    Nicht nur Briefe und Karten mit deutschen Frankaturen wurden in Friefdrichshafen zur Luftschiffbeförderung aufgeliefert. Eine gewichtiger Anteil kam auch aus den sogenannten Vertragsstaaten - europäische Länder, deren Postverwaltungen Beförderungsverträge mit der Zeppelingesellschaft abgeschlossen hatten. Im Frühjahr 1930, zum Zeitpunkt der Südamerikafahrt, waren dies die Staaten Danzig, Saargebiet, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, die Niederlande und - kurz vor Beginn der Reise - auch Ungarn.


    Bis einschließlich 1931 enthielten die Verträge der Zeppelingesellschaft mit dem Reichs-Postministerium und den Behörden der Vertragsstaaten Vereinbarungen über den Portoanteil pro Brief und pro Postkarte, der vom frankierten Porto der Zeppelingesellschft zustand. (In späteren Jahren wurde dieses Verfahren wesentlich vereinfacht: die Zeppelingesellschft erhob Gebühren pro Kilogramm Post) Daher musste über die beförderten Stückzahlen genau Buch geführt werden. Während die Zahlen der deutschen Post bis auf wenige Ausnahmen leider in den Kriegswirren verloren gegangen sind, blieben sie aus den Vertragsstaaten bis auf eine Ausnahme (Ungarn) erhalten.


    Mein erster Vertragsstaatenbeleg kommt aus der Freien Stadt Danzig. Es ist einer von 52 Briefen (und 244 Postkarten), die bis nach Sevilla befördert wurden. Das Briefporto betrug 3 Gulden, Postkarten kosteten die Hälfte. Die Poststücke aus Danzig wurden im dortigen Postamt 5 gesammelt und geschlossen nach Friedrichshafen befördert. Dort erhielten sie den roten Bestätigungsstempel der Südamerikafahrt. Der "Heimweg" des Briefs aus Sevilla zurück nach Basel erfolgte mit normaler Post - das Porto war im Luftschiffporto enthalten.


    Viele Grüße von balf_de

  • Hallo zusammen!


    Als nächsten nach Sevilla beförderten Zuleitungsbeleg möchte ich einen Brief aus dem Saargebiet zeigen - zu Zeiten der Weimarer Republik noch selbstständiges Mandatsgebiet des Völkerbundes (und de facto französische Kolonie).


    Insgesamt 349 saarländische Postkarten und 148 Briefe wurden in Sevilla entladen. Das Porto betrug 14 Franc für Briefe, 7 Franc für Postkarten. Was man relativ selten sieht: der Brief ist um 50 centimes unterfrankiert, wurde aber unbeanstandet befördert.


    Meine Karte mit der attraktiven Volkshilfe-Frankatur ist korrekt frankiert. Hier reichte der Platz auf der Adressseite der Karte für die Frankatur gerade noch aus. Bei längeren Beförderungswegen und entsprechend höheren Frankaturen war das in Anbetracht der großformatigen saarländischen Sondermarken häufig nicht mehr möglich; da wurden beide Seiten gebraucht. Doch davon später mehr ....


    Viele Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,


    liegt es an meiner ehedem geringeren Aufmerksamkeit, dass ich mich kaum an Briefe des Saargebietes mit Zeppelinbeförderung erinnern kann, oder sind sie tatsächlich so selten? Wenn du 3 hast (oder noch mehr), dann dürfte der Normalsammler doch von solch einem Stück eher träumen, oder?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo zusammen!

    Meine Karte mit der attraktiven Volkshilfe-Frankatur ist korrekt frankiert. Hier reichte der Platz auf der Adressseite der Karte für die Frankatur gerade noch aus. Bei längeren Beförderungswegen und entsprechend höheren Frankaturen war das in Anbetracht der großformatigen saarländischen Sondermarken häufig nicht mehr möglich; da wurden beide Seiten gebraucht. Doch davon später mehr ....


    Viele Grüße von balf_de


    Lieber balf_de,


    nur ganz kurz zu der Saarkarte mit der attraktiven Volkshilfe-Frankatur: Einfach große Klasse !!!! :thumbup::thumbup::thumbup:


    So muss die Zeppelinpost aus der Sicht eines Augenmenschen aussehen, höchst attraktiv und mit wunderschönem "Gesicht".
    Ich freue mich auf die Fortsetzung.


    Liebe Grüße
    KJ

    Beste Grüße

  • Lieber balf_de,


    weil ich es wohl überlesen habe, hätte ich eine Frage zu # 13 aus Danzig:


    Zitat

    Die Poststücke aus Danzig wurden im dortigen Postamt 5 gesammelt und geschlossen nach Friedrichshafen befördert.


    Mich würde interssieren, wie diese Poststücke nach Friedrichshafen gekommen sind? Waren sie Teil der Dienstpost, wurden also als Postdienstsachen in einem Paket versandt, oder wurde das sie umfassende Behältnis frankiert (wenn ja, womit und ist dergleichen erhalten geblieben?) auf die Reise an den Bodensee geschickt?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber bayern klassisch!

    Mich würde interssieren, wie diese Poststücke nach Friedrichshafen gekommen sind? Waren sie Teil der Dienstpost, wurden also als Postdienstsachen in einem Paket versandt, oder wurde das sie umfassende Behältnis frankiert (wenn ja, womit und ist dergleichen erhalten geblieben?) auf die Reise an den Bodensee geschickt?

    Das ist eine Frage, die sich meines Wissens bisher noch niemand gestellt hat. Jedenfalls ist in meiner inzwischen recht umfangreichen Sekundärliteratur nichts darüber zu finden.

    Ziemlich sicher wurden die gesammelten Briefe und Karten, die zur Zeppelinfahrt aufgeliefert werden sollten, zu einem Paket geschnürt und ausreichend frankiert nach Friedrichshafen befördert. Dass die deutsche Post die Beförderung unfrankierter Pakete übernahm, halte ich für sehr unwahrscheinlich – zu wenig identifizierte man sich seitens des deutschen Postministeriums mit diesem Projekt. Leider ist mir keiner der bilateralen Verträge der Zeppelingesellschaft mit den Postverwaltungen der Zuleitungs-Staaten bekannt, aber ganz sicher beinhalteten sie eine Verteilung der frankierten Portobeträge nach einem prozentualen Schlüssel zwischen den Vertragspartnern ohne Beteiligung der deutschen Post. Und sehr wahrscheinlich war die Übernahme der Post in Friedrichshafen vereinbart. Leider habe ich einen Paketaufkleber oder etwas ähnliches, was auf diesen Transport hinweist, noch nie gesehen.


    Ähnliche Verfahren wie das Danziger gab es auch in den anderen Vertragsstaaten, allerdings mit gewissen Abweichungen: die gesamte Schweizer Post wurde von den Absendern unter Umschlag nach Romanshorn geschickt, dort gestempelt (4.848 Belege am 16.5.30 um 15 Uhr! :whistling: ) und sicher von einem Kurier per Fähre über den Bodensee gebracht. Aus Liechtenstein kenne ich zwei Postämter, wo die Marken entwertet wurden: Vaduz und Triesenberg, in Österreich waren es etwas mehr – neben Wien auch Salzburg und Innsbruck. Hier ist aber festzustellen, dass die Belege teilweise auch schon vor Erreichen der Sammelstellen in anderen – auch kleineren – Orten entwertet wurden, von den Absendern also vermutlich in einen Briefkasten gesteckt wurden. Ob das offiziell erlaubt war, entzieht sich (noch) meiner Kenntnis. In den Niederlanden war das ganz sicher möglich - hier gibt es unterschiedliche Entwertungsstempel -, während ich aus dem Saargebiet nur den Entwertungsstempel eines einzigen Postamts – Saarbrücken, Bahnhof – kenne. Zu einer Aussage bezüglich der ungarischen Verhältnisse gibt es sicher zu wenig Material; meine drei Belege stammen von verschiedenen Budapester Postämtern.


    Aber, wie Du siehst, lieber bayern klassisch, gibt es zu dieser Zeppelinfahrt (und nicht nur zu dieser einen) eine ganze Reihe postgeschichtlicher Fragezeichen; es ist vieles in den Kriegswirren verloren gegangen – von Altdeutschland wissen wir wesentlich mehr, obwohl die Zeit weiter zurückliegt.

    Lieber Kontrollratjunkie!

    Ich freue mich auf die Fortsetzung.

    Danke, die sollst Du haben - auch wenn es ab und zu ein paar Tage dauert (gewisse Kollegen hier halten mich zeitweise ganz schön in Atem . ;) ..


    Hallo zusammen!


    Nach der Karte aus dem Saargebiet zeige ich eine österreichische Karte, die ebenfalls auf der ersten Etappe der Südamerikafahrt 1930 von Friedrichshafen nach Sevilla befördert wurde (bevor sie sinnvoller Weise wieder nach Wien zurückkam – den Bedarfspost-Freaks sträuben sich die Haare ...)


    Nach Sevilla wurden bei dieser Fahrt 747 Postkarten und 91 Briefe aus Österreich befördert. Die Gesamtzahl von 838 Sendungen nennt übrigens auch der bekannte Absender und Empfänger meiner Karte, Georg Sobetzki, in seinem Österreich-Flugpostkatalog (dort die Nummer 8a bei der Luftschiffpost).


    Beim Porto für die Zeppelin-Beförderung gab es in Österreich eine Besonderheit: neben den von der Zieletappe abhängigen Luftschiff-Tarifen war auch das normale Karten- bzw. Briefporto zu frankieren. Abhängig von der Zieladresse war entweder Auslands- oder Inlandsporto erforderlich. Für die nach Wien adressierte Karte fiel also neben dem Luftschiffporto von 1,60 ÖS das Inlands-Kartenporto von 10 Groschen an.


    In den österreichischen Sammelstellen für Zeppelinpost - in Wien war die mit Abstand wichtigste - wurden die eingehenden Belege gezählt, nach Leitwegen sortiert, gebündelt und mit einem Briefzettel versehen, auf dem die anliegende Stückzahl festgehalten wurde. Ein paar dieser Briefzettel haben sich zu mir verlaufen.


    Viele Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,


    hab vielen Dank für deine Mühewaltung und Antwort, auch wenn, wie du richtig schreibst, die Lösung noch offen ist. Es wäre spannend, das äußere Kuvert einer solchen Zuleitung aufzufinden, weil die Peripherie der PO eine interessante Spielart der Dokumentation ist. Wenn einer so etwas mal findet, hoffe ich, dass du es sein wirst.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo zusammen!


    Ganz speziell für meinen Zeppelinpost-Mitstreiter @Kontrolltratjunkie, der sich mir gegenüber als bekennenden Danzig-Liebhaber geoutet hat, habe ich einen weiteren aus Danzig zugeleiteten Brief zur Südamerikafahrt 1930 herausgesucht, der in diesen Thread passt: er wurde bis Sevilla mit dem Luftschiff befördert und von dort aus zur Zieladresse in den USA weiterbefördert. Eine Sieger-Nummer 57 I aus Danzig ist keine absolute Rarität, aber mein Brief zeigt zwei Besonderheiten, die ihn sicher zur Seltenheit machen:
    Offenbar war der Absender nicht genau informiert, dass im teueren Luftschiffporto (3 Danziger Gulden sind portorichtig) die terrestrische Weiterleitung der Poststücke bis zum Bestimmungsort enthalten war – er frankierte vorsichtshalber 60 Centimos in spanischen Marken für die Weiterbeförderung, die aber – leider ;( - nicht mit einem spanischen Stempel entwertet sondern einfach durchgestrichen wurden. Übrigens hätten 30 Centimos für die Beförderung Spanien – USA ausgereicht.
    Die zweite Besonderheit fand ich auf der Rückseite: gab es tatsächlich schon im Mai 1930, also ein halbes Jahr vor der Veranstaltung, Vignetten der IPOSTA in Berlin? Zunächst hatte ich doch Bedenken, einen gefälschten Beleg erworben zu haben, aber mein gutes Netzwerk von Fachleuten hat geholfen: Entwarnung - diese Vignetten gab es tatsächlich schon im Frühling.


    Viele Grüße von balf_de