Bayern - Frankreich - USA 1866

  • Liebe Freunde,

    ein weiterer Brief fand gestern bei Köhler seinen Weg in mein Album - hier in die Bayern - Frankreich - Sammlung.

    Vorweg - die Marken wurden zur Kontrolle der Qualität gelöst und mit Falzen replaziert, aber es ist alles o.k. und natürlich echt. ;)

    Geschrieben wurde er in Ludwigshafen am 10.7.1866, also zur Kriegszeit in Deutschland. Die Post leitete daher keine Sendungen in die USA über Preußen - Belgien - GB bzw. über Hamburg/Bremen, weil Preußen der Feind war und man im Krieg derlei Probleme nicht brauchte.

    Ludwigshafen erinnerte sich der damals ungewöhnlichen Leitung über Frankreich nach den USA und man frankierte mit 33 Kr. treffend nach dem PV vom 1.7.1858 je 7,5g Gewicht. Eigentlich sollte er dann über Baden und Kehl/Strasbourg ausgetauscht werden, aber man sandte ihn im geschlossenen Transit über das preußische Saarbrücken nach Forbach, wo er am 11.7.1866 eingangsgestempelt und nach Paris versandt wurde. In Paris erhielt er den Stempel 3 für 3 US - Cents Weiterfranko (van der Linden Nr. 3055, ab 1864 bekannt), die etwa 5 Kr. rheinisch entsprachen.

    Siegelseitig ist der Brief unergiebig, aber die Adressseite hat ja genug zu bieten. Eine zweite Kriegsumleitung nach den USA kenne ich aus dem 1866er Krieg nicht. Der ehemalige Besitzer und das Auktionshaus bemerkten sie auch nicht, daher war der Zuschlagspreis moderat; ansonsten hätte ich wohl das Doppelte zahlen müssen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,

    wieder ein beeindruckendes Stück - danke fürs Zeigen!

    Immer wieder interessant, das in Kriegszeiten der direkte Postaustausch vermieden wurde, aber dennoch Kontakte bzw. Leitwege weiter genutzt wurden, wie hier die Leitung über Saarbrücken.

    Viele Grüße
    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Lieber bayern klassisch,
    keiner kann einen Bayern-Brief besser beschreiben als Du, und in keine Sammlung passt ein 66er-Brief besser als in meine... :D
    Hochinteressantes Stück!
    Eine Frage hätt ich aber. Du schreibst "Eigentlich sollte er dann über Baden und Kehl/Strasbourg ausgetauscht werden, aber man sandte ihn im geschlossenen Transit über das preußische Saarbrücken nach Forbach...".
    Warum wurde das gemacht, wo doch Saarbrücken preussisch war? Warum nicht Leitweg über Kehl/Strassburg? Bestand bei SB/Forbach nicht die Gefahr, eben wegen des Krieges Beeinträchtigungen der Postabfertigung hinnehmen zu müssen?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    die heute noch bekannten Primärquellen liegen mir alle vor. Aus ihnen geht wenig hervor. Wenn man zwischen den Zeilen lesen kann, was ich mir zutraue, dann war die Pfalz als Transitstrecke für Sendungen aus Frankfurt (Taxis) angedacht. Da 1866 Wissembourg nur ein lokaler Paketschluß war, kann aus dieser Tatsache gefolgert werden, dass man zumindest die hessischen Sendungen an sich zog oder ziehen wollte und über Forbach auszutauschen gedachte.

    Evtl. gab es Abmachungen, die diese Kriegsumleitungen ermöglichten. Schließt man hieraus, dass Saarbrücken - Forbach "offen" war, dann wäre es auch prinzipiell möglich gewesen, die eigenen Briefe aus der Pfalz weiterhin über Forbach zu leiten. Dies würde meinen Brief erklären. Zwar nicht über Preußen und Belgien, aber halt immer noch über die kurze Strecke Saarpreußen.

    Andererseits gab es auch vor und nach dem Krieg Sendungen aus der Pfalz (auch aus westlicher gelegene Orten als Ludwigshafen wie Kaiserslautern, Landau oder Neustadt), die über Baden ausgetauscht wurden und Baden war Kriegsfreund. Daher hielte ich es für durchaus legitim, diese Route zu präferieren.

    Kamen Briefe aus oder über Frankreich in der Kriegszeit nach Bayern zur Aufgabe, leiteten sie die Franzosen über Strasbourg - Kehl, wie man an deinem GB - F - BY - Brief aus der gleichen Zeit sieht. Auch Briefe aus F nach Österreich liefen dann über Strasbourg.

    Auf Grund der kriegerischen Ereignisse, die ja eine permanent postalische Flexibilität von allen Beteiligten erforderte, dürften die meisten Mitteilungen via Depesche an die beteiligten Poststellen abgegangen sein, alternativ auch über Circulare, die heute in der Masse nicht mehr vorhanden sind.

    Hier muss der PO - Sammler unwissenschaftlich vorgehen, weil er kaum von der Aktenlage auf Briefe schließen kann, sondern eher von seinen (wenigen) Briefen auf die zu vermutende Aktenlage schließen muss.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber bayern klassisch,
    vielen Dank! Also kann man es kondensieren auf "nix genaues weiss man nicht" bzw "pragmatisches Handeln" .
    Und noch etwas: welche Relevanz hatte der preuss. Leitweg über Aachen/Belgien in der ersten Hälfte der 60er Jahren? Immerhin kostete ein Normalbrief bis 1 Loth für den Leitweg über Bremen/Hamburg nur 22 Kr. (PV vom 1.Juli 1857), und eben 33 Kr. via Frankreich seit 1858 (mal angenommen, es wäre ein leichter Brief <= 1/2 Loth). Wer wollte da 41 Kr. über Preussen (PV vom Okt. 1861) zahlen?
    Oder hatte diese Route andere Vorteile?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    die Post stellte ihren Kunden durch Einklinken in fremde Postverträge oder den Abschluß eigener Postverträge die Möglichkeit der Benutzung verschiedener Routen zur Verfügung. Prinzipiell waren die "deutschen" Routen zu präferieren, soll heißen, man hatte, wenn nichts anderes explizit gewünscht wurde, eine der beiden Standardrouten zu wählen.

    Bei Bayern war das die schnelle, aber teuere Route mit der Prussian Closed Mail (PCM) und die Leitung über Bremen (später auch Hamburg). Auf Grund der Problematik mit dem Transitland Frankreich wegen der wesentlich geringeren Gewichtsstufen, welche festzustellen durch fehlende 7,5g Gewichte = ca. 4/10 Loth nicht ganz stressfrei war und der dadurch resultierenden geringen Akzeptanz seitens des Publikums, wurde dieser Laufweg nur in Ausnahmefällen eingeschlagen. Viele Briefe in die USA enthielten darüber hinaus Einlagen und waren daher in der Masse schwerer als 7,5g, womit Frankreich fast immer außen vor war.

    Für professionelle Versender spielten auch die in Bayern bekannten Schiffsablegedaten eine wichtige Rolle. Die Post wußte genau, wann welcher Brief welches auslaufende Schiff noch erreichen würde. Kam es dem Absender auf die zeitliche Komponente an, zahlte er auch dafür entsprchend viel (PCM und Frankreich). Kam es nicht auf ein paar Tage mehr oder weniger an (Private), dann war Geld der Faktor schlechthin.

    Ohne die Besonderheiten der Kriegsumleitungen würde ich den Anteil von USA - Briefen über Frankreich aus maximal 2 % schätzen. Nicht von ungefähr bewertet James van der Linden den Pariser 3 Cent - Stempel mit 6 Punkten = sehr selten. Bei den vielen Briefen Bayerns in die USA kannst du dir leicht denken, warum er 6 von theoretisch 10 Punkten (Unikat) vergeben hat.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber bayern klassisch,
    hatte ich schon vermutet, dass die Beförderungszeit des massgebliche Faktor für die Wahl des Preussen-Leitwegs (PCM) gegenüber Bremen/Hamburg war.
    Kann m,an das genau beziffern? Um wieviele Tage kam ein via Aachen/Belgien/England spedierter Brief in USA (New York) an gegenüber der Bremen-Route?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    das änderte sich und die Routen waren bei schlechtem Wetter nicht so schnell zu befahren, wie bei günstigerem. Schließt man also die Unbill der Witterung aus, die ja alle Schiffe betrafen, die eine bestimmte Route zu fahren hatten, lag es primär an der Schnelligkeit der Post, also den passenden Postverbindungen, den Versand zu akzellerieren bzw. noch "das Schiff" zu erreichen. Manche Routen wurden nur zweimal im Monat bedient, andere zweimal die Woche.

    In meiner Sekundärliteratur habe ich die Daten des 19. Jahrhunderts mit Tausenden von Überfahrten - das nahm sich nicht viel, weil alle Schiffe damals Dampfer waren, die mal einen Knoten schneller oder langsamer fuhren. Der Vorteil war wirklich das pünktliche Eintreffen der Korrespondenz kurz vor dem Auslaufen. Daher war der geschlossene Transit Preußens zeitlich, nicht kostenmässig so günstig - wer lange Zeit vertrödelte bei der individuellen Bearbeitung von Poststücken, war klar im Hintertreffen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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