Die Stadtpost in Leipzig

  • Liebe Sammlerfreunde,


    ich möchte euch die Leipziger Stadtpost und insbesondere die Briefsammlungen vorstellen. Dazu möchte ich heute erst einmal einige allgemeine Dinge zu dem Thema schreiben.


    Grundlage für den folgenden Beitrag sind Artikel von Sven Kolditz aus dem Rundbrief 88 der Forschungsgemeinschaft Sachsen e.V. Seiten 85 bis 86 und von M.v.Meyeren aus dem Rundbrief 101 des Vereins für sächsische Postgeschichte und Philatelie e.V. Seiten 4 bis 21. Weiterhin liegt mir eine ein Artikel des kgl. sächs. Ober-Postamts-Sekretär G.F.Hüttner von Oktober 1847 Beiträge zur Kenntnis des deutschen Postwesens Sechstes Heft Seiten 3 bis 17 vor. In dem Artikel von Hüttner wird die Briefbestellung in Leipzig explizit für die Zeit 1838 bis 1847 dargestellt.


    Die beginnende Industrialisierung in der ersten Hälfte des 19.Jahr. nach dem Wiener Kongress lässt den postalischen Handels- und Geschäftsverkehr anwachsen. Damit einhergehend findet ein Bevölkerungswachstum und eine flächenmäßige Vergrößerung von Städten und Gemeinden statt. So auch in Leipzig. Die Stadt wuchs die Bevölkerung von ca. 36.000 Einwohnern um 1819 auf gut 66.700 Einwohner um 1852. Ein Ergebnis dieses Wachstums war auch das wachsende Bedürfnis nach Kommunikation und Informationsaustausch zwischen den Kaufleuten und Gewerbetreibenden, den staatlichen Institutionen und schlussendlich zwischen den Menschen selber.


    Um das erhöhte Postaufkommen zu bewältigen, wurden Wege gesucht, das „Postmanipulationswesen“ zu vereinfachen und zu beschleunigen. Die Bearbeitung der Post erfolgte in der Regel nach Bedarf oder nur einmal am Tag. Durch die Stadtposten wurde eine Beschleunigung der Briefbestellung erreicht. Hier sollten „sämtliche mit den Posten angekommene und nach Leipzig und der Umgebung bestimmte Briefe, sowie die in Leipzig geschriebenen und nach Leipzig oder der Umgebung gerichtete Briefe zusammenfließen, um der Verteilung an ihre Empfänger zugeführt zu werden.“ (Hüttner a.a.O.S3)


    Dabei lag die Gründung der Leipziger Stadtpost für die Sammlerschaft nach 1945 bis Ende 2015 auf Grund nicht bekannter bzw. vergessener Hinweise im Dunkeln. Erst die beiden o.g. Veröffentlichungen der Sammlerfreunde Kolditz und v.Meyeren brachten dieses Datum wieder in das philatelistische Bewusstsein.


    Schon am 15. Dezember 1828 wurde die Einrichtung einer Stadtpost in Dresden mit Wirkung zum 01.01.1829 dem allgemeinen Publikum durch das Leipziger Oberpostamt bekannt gegeben. Hierbei wurde die Adresse der Stadtpostexpedition, die Adressen der 15 Briefsammlungen, die Organisation der Stadtpost und die Bestellgebühren angegeben. In Leipzig wurde die Stadtpost erst mit dem Umzug der Post vom alten Amtshaus in das neu gebaute Postgebäude im Oktober 1838 eröffnet. Die Arbeit wurde lt. einer Anzeige in der Frankfurter Ober-Postamts-Zeitung vom 18.Okt.1838 (Beilage zu Nr.28 8 um 17:00 Uhr im neuen Postgebäude aufgenommen. Die Stadtpost selbst ist bereits am 15.Oktober in Wirksamkeit getreten.


    Die beiden Abbildungen des Amtshauses stammen von Wikipedia. Die Postkarte von 1903 mit der Abbildung des Postgebäudes vor den Umbau 1867 stammt aus meiner Sammlung.

    Mit lieben Sammlergrüßen


    Totalo-Flauti

  • Hallo Totoalo-Flauti,


    Zitat

    (Beilage zu Nr.288)


    wenn du hinter der zweiten "8" einmal Leerzeile tippst, ist "288" zu lesen.


    Sehr interessant - ich habe einen bayerischen Brief, der per Einschluß nach Sachsen lief und dort als Ortsbrief für 1/2 Ngr. aufgegeben wurde. Soll ich den mal suchen?

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Um das Thema wiederzubeleben:


    Stadtpostbrief von Leipzig, postlagernd unter Chiffre versandt und nicht abgeholt. Rückseitig befindet sich das Siegel der "Commission für unbestellbare Briefe", die den Faltbrief zur Ermittlung des Absenders geöffnet hatte.

  • Lieber Jürgen,


    davon träumt man Nachts ...


    Die Retourbriefcommission notierte: Abs(ender) Bernhard Rudel Adr(esse) Wilh(elm) Stengel".


    Die Frage ist jetzt: Wurde eine Lagergebühr vom Absender erhoben? Wurde ihm der Brief gegen Bestellgeld ausgehändigt?


    Es wäre sehr interessant, den Inhalt zu kennen, warum er so anonym geschrieben hat und, ja, unter VW stellt man sich heute etwas anderes vor ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Ralph,


    zu Deinen Fragen:


    Eine Lagergebühr war von der zweiten Lagerwoche an mit 1 Ngr. pro Woche zu erheben. Einen entsprechenden Vermerk habe ich noch auf keinem postlagernden Brief gesehen.


    Im vorliegenden Falle, also bei Zustellung, hätte die Erhebung jedenfalls auf dem Brief vermerkt werden müssen. Für das Bestellgeld galt das nicht. Damit dürfte der Aufgeber belastet worden sein.


    Der Briefinhalt ist nicht mehr vorhanden. Der Briefbogen selbst enthält ein Wasserzeichen "Wilhelm Stengel Leipzig", was auf einen Gewerbebetrieb schließen läßt (wenn auch nicht zwingend). Um so rätselhafter ist der postlagernde Versand.


    Liebe Grüße

    Jürgen

  • Lieber Jürgen,


    danke für deine Informationen - mysteriöse Stücke sind das Salz der Suppe. Ich denke nicht, dass es viele vergleichbare Briefe gibt, auch von Sachsen nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Anbei möchte ich euch solch ein Beleg mit Lagergebühren vorstellen.


    Einfacher Portobrief von Zwickau nach Niederforchheim. Die Gebühr betrug im II. innersächsischen Taxrayon von über 5 Meilen bis 15 Meilen = 1 Ngr. Der an den Amtshauptmann Freiherr von Biedermann gerichtete „poste restante“ Brief wurde von ihm selbst oder durch einen ausgewiesenen Boten aus uns nicht bekannten Gründen erst verspätet abgeholt.


    Der Empfänger musste nicht nur das Porto von 1 Ngr. zahlen, sondern

    es kamen jetzt noch zusätzlich die Lagergebühr in Höhe von 1 Ngr. hinzu.

  • Hallo Louis,


    das ist auch ein ganz wunderbares Stück - herrlich. :love::love:

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.






  • Der Empfänger musste nicht nur das Porto von 1 Ngr. zahlen, sondern

    es kamen jetzt noch zusätzlich die Lagergebühr in Höhe von 1 Ngr. hinzu.

    Hallo Louis,


    an die "Lagergebühr" glaube ich nicht so recht. Ich halte die zweite "1" für eine Vortaxierung. Gebühren und Bestellgeld waren auf der Briefrückseite zu notieren.


    Nachfolgend ein ähnlicher Beleg, der die Vortaxierung unterstreicht.


    Beste Grüße

    Altsax

  • Hallo Altsax,


    bin zur Zeit in einer Rehaklink, werde zu Hause nachsehen, ob sich rückseitig noch Vermerke befinden. Danke für den Hinweis


    Gruß Louis

  • Hallo Altsax,


    noch mal eine Frage zu deinem Beleg - dort wurde die Vortaxierung gestrichen, was bei meinem Beleg nicht der Fall ist. Es bestünde dann trotzdem die Möglichkeit das es sich hierbei doch um die Lagergebühr handeln könnte.


    Gruß Louis

  • Hallo Louis,


    ursprünglich aufgefallen war mir nur, daß ein Gebührenvermerk eigentlich nicht auf die Adreßseite gehört. Erwartet hätte ich auf dem Brief auch eine Erläuterung des Grundes für eine Gebühr, zumindest abgekürzt.


    Für eine Vortaxierung ist die Ziffer "1" natürlich zu groß und nicht weit genug recht unten platziert. Aber auch das kommt vor.


    Da mein Beleg an den selben Adressaten ging, noch dazu zeitnah, liegt der Vergleich nahe.


    Beweisen läßt sich weder das eine noch das andere.


    Beste Grüße

    Altsax

  • ...dann will ich schnell einen Beleg der Leipziger Stadtpost zeigen:



    Der Brief wurde bei der Leipziger Briefsammlung Nr. 11 am 15.11.1838 aufgegeben und ist der bisher früheste registrierte der Leipziger Stadtpost.

  • Hallo, anbei einmal ein Beleg von Gera nach Leipzig von 1854.

    Hier ist nun die Stempelfarbe des Stadtpost-Stempels doch etwas abweichend von der normalen schwarzen Stempelfarbe. Habe sie mal schwarzblau bezeichnet. Es scheint, das vorher einmal blaue Stempelfarbe verwendet wurde und dann einfach immer wieder schwarze Stempelfarbe auf das blau eingefärbte Stempelkissen aufgebracht wurde. Ich hoffe man sieht es auf der Abb. Da ich doch mehrere Stadtpoststempel mit diesen Farbton habe, ist von einer Farbtäuschung sicher nicht auszugehen.




    Was mich auch noch sehr verwundert, das dieser Brief, mit dieser Anschrift, überhaupt den Empfänger in Leipzig erreicht hat, da ja überhaupt kein Strassenhinweis angegeben war.


    Viele Grüße

    Enrico

    Einmal editiert, zuletzt von Schorrsiegel ()

  • Hallo Enrico,


    der hat 100%ig seinen Empfänger erreicht - die waren halt spitze damals, nicht so wie heute.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Enrico,


    möglicherweise hatte der Empfänger die Post informiert (oder informieren lassen), daß er in der Stadt sei. Oft wurden Briefe ohne verlassen des Postlaufs (und weiteren Gebühren) weitergeleitet, weil die Post informiert war. Zitat Ralph: die waren halt spitze damals, nicht so wie heute.


    viele Grüße

    Dieter