Schweiz - Russland

  • Liebe Freunde,


    der Brief eines Freundes bereitet hinsichtlich der Lesbarkeit und gebührentechnischen Abwicklung Probleme - aber da wir hier Kenner der Materie haben, habe ich die Hoffnung, dass wir ihn knacken können.


    Ein Vollhumorist gab ein Ganzsachenkuvert über 10 Rappen (3 Kreuzer, 3/4 Silbergroschen) in Schafisheim zur Post, vermerkte jedoch als Destination Moskau in Russland. Am 9.1.1870, zuvor und danach, hätten die lumpigen 10 Rappen natürlich niemals für einen Brief nach Russland ausgereicht.


    Jedoch - die Schweizer Post schickte ihn auf die Reise. Siegelseitig notierte (wer?) 3/4 Sgr. Weiterfranko und 1 1/4 aP (ausländisches Porto?).


    Ich meine mich erinnern zu können, dass der Wertstempel komplett dem Weiterfranko angerechnet werden musste, womit die Schweiz ihre 10 Rappen komplett vergüten musste und nichts behielt. Aber das ist nicht sicher.


    Leider kann ich die Taxe mittig vorn nicht lesen. Hat jemand bessere Augen und weiß mehr?

    • Offizieller Beitrag

    Hallo ralph


    Ich lese hier 49 1/4, oder es konnte auch 4 gestrichen und dann 3 1/4. Also mehrere Möglichkeiten


    Viele grüsse
    Nils

  • ... schwer zu sagen - ich tendiere zu einer 4, die gestrichen wurde und durch eine 3 1/4 ersetzt wurde.


    Das wären 3/4 Sgr. durch die Ganzsache, 1 1/4 für die CH und 2 Sgr. für den Transit des NDP? Was zahlte der Russe?

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,


    ich antworte dann mal in diesem Thread.
    Die vorderseitige Taxierung ist für mich nicht klar zu identifizieren, der Bruch scheint "1/4" zu sein, davor könnte eine 3 stehen.


    Wenn man unterstellt, dass in Russland eingehende Portobriefe ebensoviel kosteten wie abgehende, hatte der Empfänger 30 Kopeken zu zahlen. Ein Frankobrief kostete dagegen nur 18 Kopeken.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    wenn man von 30 Kopeken 10 Rappen = 3/4 Sgr. subtrahiert, wären das wieviel Kopeken? 22? 23? 24?


    Leider kann ich die Zahl vorn nicht deuten, aber sie scheint preußischer Hand (NDP - Hand) zu sein, weil es 1/4 Kopeken wohl kaum gab, oder?

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,


    bei Abzug von 3/4 Sgr. blieben rund 27 Kopeken übrig ...


    Es gab auch Notierungen von 1/4 Kopeken, allerdings in früheren Jahren. So spät sind sie mir zumindest nicht mehr geläufig.
    Die Notierung stammt meiner Meinung nach nicht von russischer Hand.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    vielen Dank für deine Antwort - also 3/4 Sgr. gleich 3 Kopeken. Dann gebe ich das mal an meinen Sammlerfreund weiter - es wäre schön gewesen, wenn die Russen das auch immer notiert hätten, was ihre Kunden bezahlen mussten, aber deren System, das habe ich anhand deiner wundervollen Sammlung bereits begriffen, ist schon etwas eigenartig gewesen. Aber das macht es ja nur um so mehr spannend und ohne Spannung wäre alles nichts. ^^

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    von einem lieben Freund gestern in Sifi geschnappt: Schweiz - Baden - Preussen - Russland - Finnland als Portobrief vom 17.7.1857 (Lausanne - Helsingfors).


    Über Basel, wo man 6 Kreuzer für den 2. Rayon aus der Schweiz notierte, kam er zu Baden, wo diese 6 Kr. in 2 Silbergroschen reduziert wurden, zu denen Baden sein eigenes Porto von 3 Sgr. auf 5 Sgr. addierte. Dafür verkaufte ihn Preussen an Russland, von wo aus er nach Finnland lief. Hinten sehe ich 27 Kopeken, wenn ich das richtig interpretiere.

  • 1871 Tübli Brief von Bern 14.11.1871 nach Mitau, Curland / Lettland / Russland. (Neben Riga)

    Die 10 Rp. Tübli wurde nicht als Teilporto anerkannt und gestrichen. Er ging also unfrankiert ab. Vermutlich wurde der Brief über den Briefkasten aufgegeben. Der Postbeamte hatte den Wertstempel kreuzweise gestrichen, da er offenbar wusste, dass teilfrankierte Briefe nach Russland nicht zulässig waren. Die Gesamtgebühr von Bern bis zur preussischen Ausgangsgrenze (nach Russland) waren 4 3/4 Silbergroschen. Russland erhob 27 Kopeken vom Adressaten (incl. der russischen Wegstrecke) Rückseitig 27 Kopeken vermerkt. Russland musste von den 27 Kopeken umgerechnet die 4 3/4 Sgr.. (Vorderseitig mit bläuel vermerkt) an Preussen vergüten. Preussen wiederum hatte die Schweizer Wegstrecke aus dem 2. Schweizer Taxrayon mit 2 Sgr. (Siehe rückseitige Notiz), der Schweiz gut zu schreiben.


    Wenn mir jemand mehr sagen, gerne erwarte ich den Kommentar oder auch eine Berichtigung.

    Lieber Gruss Rene

  • Hallo Rene,


    mit CH - Russland kenne ich mich nicht gut aus, aber ab dem 1.9.1868 gab es keine Rayons mehr in der Schweiz, weil das Einheitsporto entfernungsunabhängig 10 Rappen bei frankierter und 25 Rappen bei unfrankierter Korrespondenz betrug.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Ja da hast Du wohl recht. Den 2. Rayon kann man entfernen, den gab es nicht mehr, nur noch Lokalpost und Inland, nebst dem Ausland.

    Die 20 Rp / 2 Sgr. bekam die Schweiz dennoch. Ich werde den Text mit dem 2. Rayon aus der Ausstellungssammlung entfernen, der Richtigkeit halber. Hab den Vermerk schon angebracht.

    Super, herzlichen Dank Ralph, Du hat ein sehr guter Auge für solche Fehler.

    LG Rene

  • 1879, 5 Rp. Porto für Drucksache von Bern an die Kaiserliche Sternwarte in St. Petersburg, welche der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften unterstellt war. Zensurstempel aus Russland. Die Buchstaben bedeuten D.Z. für Departement Zensura aus der Zensurstelle in Charkow.

  • Hallo Rene,


    ääh, warum sollte man 1879 eine offene Drucksache zensieren?

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo Ralph


    Die Geschichte besagt dass seit der Französischen Revolution und Ihrer Ideen (ohne zu benennen welche) , sich der Russische Zar Paul I. veranlasst sah ein Gesetz in Kraft zu setzen, welches alle Drucksachen aus dem In- und Ausland einer Zensur durch die Gendarmerieverwaltung im Innenministerium unterwarf. Erstmals in den 1870 er Jahren findet man solche Zensurstempel.


    Georg Schild ein Schweizer Sammler, hat 1988 einen Artikel geschrieben über diese Zensur.

    Da ist dann zum Schluss auch die Bibliographie gelistet.


    Lieber Gruss Rene

  • Hallo Rene,


    vielen Dank für den tollen Artikel - kannte ich nicht und hätte ich auch für zweifelhaft gehalten, aber so war es nun mal. Wieder etwas dazu gelernt (leider sind Drucksachen = DS von Bayern nach Russland extrem selten, so dass ich mich trotz des nun durch dich erweiterten Wissens kaum auf die Suche nach solch einem Stück werde machen können - ihr Schweizsammler seid schon priviligiert!). :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo Ralph,

    ich hab 20 Jahre gebraucht bis ich so einen Beleg mein eigen nennen konnte.

    ich konnte den Beleg nicht kaufen, es ging nur über einen Tausch. Ich tauschte dafür ein 10er Tübli (rot) mit einer 10 Rp (sitzende Helvetia in blau) als Zusatzfrankatur. Es sind nur 6 solche Briefe mir dieser Kombination bekannt,

    Es ist also auch in der Schweiz nicht ganz einfach an sowas ran zu kommen und man muss sich was einfallen lassen, Geld alleine reicht manchmal einfach nicht.

    Gruss Rene

  • Hallo Rene,


    der durfte doch alles kosten und wenn der Tausch erst einmal vollzogen ist, ist doch alles in Butter. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Rene,


    meinen Glückwunsch zu diesem absolut seltenen Stück. :):thumbup: Einen so frühen Zensurstempel habe ich zuvor noch nicht gesehen.

    Er dokumentiert aber tatsächlich auch die Zeitgeschichte. Der Zar Alexander II. hatte nach dem Krim-Krieg große Reformen angestossen, aber die Bauernbefreiung wie auch manches andere verlief nicht nur positiv, die innenpolitischen Spannungen nahmen zu und es entstanden geheime Gruppen von Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten. Als 1866/67 zwei Attentate auf den Zaren verübt wurden, veränderte dies die Einstellung und Reformwilligkeit des Zaren und die Zensur wurde wieder deutlich strenger gehandhabt. Im Jahr 1879 (dein Brief) gab es 2 weitere Attentate auf den Zaren.

    Aus dieser Sicht gehört der Brief in einen ganz besonderen postgeschichtlich/sozialen Rahmen.


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,


    vielen Dank für diese erstklassige Aufklärungsarbeit, die das gute Stück noch besser macht.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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