Frankierter Auslagenbrief retour

  • liebe Sammlerfreunde,
    nachfolgend zeige ich einen frankierten Auslagenbrief, was eigentlich nicht erlaubt war, Auslagenbriefe durften nicht mit Marken frankiert werden.
    Ich verstehe die Sache nun so:
    1. Die königliche Kreis-Gerichts-Commission zu Schwiebus teilt am 13. Juli 1860 dem Fabrikbesitzer Theodor Mattschas in Frankfurt a.O. mit, dass er zur Entrichtung des Partos verpflichtet ist. Wahrscheinlich wurde der Betrag per Auslagen von Herrn Mattschas angefordert. Der Brief ist nicht vollständig, die Berechnung fehlt, der rote Auslagenstempel ist aber vorhanden.
    2. Herr Mattschas hat die Auslagen bezahlt und da das Couvert retour sollte, hat er eine 1Sgr. Kopfmarke, 3. Ausgabe aufgeklebt, die mit dem Rechteckstempel von Frankfurt a.O. entwertet wurde.
    3. Rückseitig befinden sich 2 Ausgabestempel, einmal der von Frankfurt a.O. vom12.7. sodann der von Schwiebus vom 14.7.
    4. Ich kann die blaue Taxierung 3 und 1 nicht nachvollziehen
    Der Brief ist also kein frankierter Auslagenbrief, sondern ein frankierter Retourenbrief.
    Liege ich mit meinen Feststellungen richtig?
    Für eine schnelle Antwort wäre ich froh, weil ich den Brief gleich im Verein vorstellen will.
    viele Grüße
    preussen_fan

  • Hallo preussen_fan,
    leider kenne ich mich bei Preußen nicht aus.
    Meine Meinung: Der Brief von Herrn Mattschas an das Kreisgericht Schwiebus war mit 1 Sgr. unterfrankiert. Das Kreisgericht sollte Nachporto zahlen. Es entnahm den Inhalt ( Ob das in Preußen damals möglich war ? ). Der Umschlag wurde mit dem Zettel retourniert, damit die Post das fehlende Porto von Herr Mattschas einzieht ( mit Strafporto?) Wenn der Stempel auf der Marke der 11.7.( Frankfurt) ist, ist der Ausgabestempel vom 12.7. aus Schwiebus und der 14. 7. wieder Frankfurt.
    Beste Grüße Bernd

  • danke Bernd,
    wir haben auch gestern im Verein den Brief diskutiert. Deine Ansicht hat etwas für sich. Ich habe im Moment keine Zeit, mich länger damit zu beschäftigen. Ich werde mich aber noch mal diesbezüglich melden. Noch mal danke
    beste Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • hallo Bernd,
    Nachdem ich mir den Briefteil noch einmal angesehen und deine Bemerkungen gelesen habe, komme ich zu dem gleichen Schluss wie du. Einzeln aufgeführt sah das dann wohl so aus:
    1. Fabrikbesitzer Theodor Mattschas sendet am 11.7.1860 einen Brief an die königliche Kreis-Gerichts-Commission zu Schwiebus und frankiert mit einer 1Sgr.-Marke. Da die Entfernung 10 Meilen beträgt, fiel sie in die 2. Entfernungsstufe mit 2 Sgr. Der fehlende Betrag von 1 Sgr. wurde mit blauem Stift vermerkt ( Strafgebühr gab es innerhalb Preussens nicht)
    2. Der Brief kommt am 12.7. in Schwiebus an. Das Amt will die fehlenden 1 Sgr. nicht zahlen, der Beamte schreibt den oben abgebildeten Kommentar, dass der Absender Herr Mattschas zur Zahlung des Portos verpflichtet ist.
    4. Die Post setzt dann den Stempel Auslagen auf, da sie den 1 Sgr. ausgelegt hatte. Prokuragebühr fiel unter einem Betrag von 5 Sgr. nicht an
    5. Am 14.7. war der Brief wieder in Frankfurt, wo der Betrag von Herrm Mattschass eingezogen wurde.


    liebe Preußen-Sammler,
    könnte das so gewesen sein? Normalerweise befindet sich bei einem unterfrankiertem Brief nur die fehlende Gebühr in blau und kein Auslagenstempel. Normalerweise gibt es aber auch nur zwei Möglichkeiten:
    1. Der Empfänger nimmt den Brief an und zahlt das fehlende Porto
    2. Der Empfänger zahlt den fehlenden Betrag nicht und der Brief geht, ohne dass er dem Empfänger ausgehändigt wird, an den Absender zurück, der den Betrag zahlen muss
    Hier haben wir nun eine unnormale dritte Möglichkeit
    3. Ich denke, nur bei einem Amt gibt es die Möglichkeit, dass es das fehlende Porto nicht zahlt, den Brief aber trotzdem ausgehändigt bekommt und dann die Post mittels Auslagen an ihr Geld kommt.


    auf eure Meinung dazu bin ich gespannt
    viele Grüße
    preussen_fan
    Erwin W.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo,
    leider nicht Preußen, aber das Postregelement für die Zeit der Reichspost ab 1872.
    VIII Hat der Adressat die Sendung angenommen, so ist er, sofern in Vorstehendem nicht ein Anderes bestimmt ist, zur Entrichtung des Portos und der Gebühren verpflichtet, und kann sich davon durch spä­tere Rückgabe der Sendung nicht befreien. Die Staatsbehörden sind jedoch befugt, auch nach erfolgter Annahme und Eröffnung por­topflichtiger Sendungen,
    die Briefcouverts zu dem Zwecke an die Post­anstalt zurückgeben, das Porto von dem Absender nachträglich einzu­ziehen.

  • Liebe Sammlerkolleginnen und Kollegen,
    zum Thema frankierte Auslagenbriefe habe ich drei Belege untersucht und folgende Bemerkungen dazu verfasst. Dabei ließ es sich nicht vermeiden, dass ein Teil schon einmal geschriebe wurde und jetzt noch einmal vermerkt wird:


    Frankierte Auslagenbriefe
    In Preußen gehörten Auslagenbriefe zur Fahrpost und durften nicht mit Briefmarken frankiert werden. Vereinzelt kommen aber frankierte Auslagenbriefe vor. Anhand von drei Belegen soll das Zustandekommen erläutert werden.


    Beleg 1, Kommentar
    1. Fabrikbesitzer Theodor Mattschas sendet am 11.7.1860 einen Brief an die königliche Kreis-Gerichts-Commission zu Schwiebus und frankiert mit einer 1Sgr.-Marke der dritten Ausgabe. Da die Entfernung 10 Meilen betrug, fiel sie in die 2. Entfernungsstufe mit 2 Sgr. Der fehlende Betrag von 1 Sgr. wurde mit blauem Stift vermerkt (Strafgebühr gab es innerhalb Preußens nicht)
    2. Der Brief kommt am 12.7. in Schwiebus an. Das Amt öffnet den Brief, will den fehlenden 1 Sgr. aber nicht zahlen. Der Beamte schreibt den oben abgebildeten Kommentar, dass der Absender Herr Mattschas zur Zahlung des Portos verpflichtet ist.
    3. Die Post setzt dann den Stempel Auslagen auf, da sie den 1 Sgr. ausgelegt hatte. Prokuragebühr fiel unter einem Betrag von 5 Sgr. nicht an
    4. Am 14.7. war der Brief wieder in Frankfurt, wo der Betrag von Herrn Mattschass eingezogen wurde.


    Grundlage für das Verhalten des Kreisgerichts ist im Reglement zum Gesetz über das Postwesen zu finden. Daraus geht hervor, dass königliche Behörden eine portopflichtige Sendung eröffnen und dann der Post zum Einzug der fehlenden Gebühr zurückgeben durften.


    Beleg 2
    Dieser Brief wurde auf der 52 Auktion Potsdamer Philatel. Büro angeboten:
    1. Der 1 Sgr. Ganzsachenumschlag wurde von Halberstadt am 18.2 an das königliche Landratsamt zu Groß Oschersleben gesandt. Da er 1 Loth schwer und daher unterfrankiert war, hat der Postbeamte handschriftlich "aus dem Briefkasten" vermerkt.
    2. Das Landratsamt eröffnet den Brief und vermerkt auf der Vorderseite „Couvert retour“. Auf der Briefrückseite wurde die Absenderadresse notiert.
    3. Die Post setzt den roten Auslagenstempel auf, da sie ja den 1 Sgr. ausgelegt hat.
    4. Der Betrag wurde beim Absender eingezogen.


    Beleg 3, Kommentar
    Dieser Brief wurde auf der 143 Auktion Friebels Auktion angeboten:
    1. Der Brief wurde am 1.12.1857 von Königsberg an die königliche Kreis Gerichts Kommission gesandt. Er wog 2 9/10 Lot und fiel damit in die dritte Gewichtsstufe zu 3 Sgr. Er war mit zwei 1Sgr. Marken der ersten Ausgabe frankiert, also fehlte 1Sgr., welcher vorderseitig vermerkt wurde.
    2. Das Kreisgericht erhielt den Brief am 2.12., öffnete ihn und vermerkte „zur Nachzahlung des fehlenden Portos ist die Handlung Steffens und Walter in Königsberg verpflichtet“. Außerdem wurde vorderseitig vermerkt „Couvert retour“
    3. Die Post setzt den roten Auslagenstempel auf, da sie ja den 1 Sgr. ausgelegt hat.
    4. Der Betrag wurde am 13.12. beim Absender eingezogen.

  • Hallo preussen_fan,


    eine feine Dokumentation, die sich mir völlig erschließt. Man hat in Fällen unterfrankierter Briefe an Behörden, die das Porto nicht zu erlegen gewillt waren, das fehlende Franko vom Absender eingezogen und dabei einen Stempel genutzt, der eigentlich dafür nicht vorgesehen war, sondern für die Fahrpost.


    Ich denke, dass jeder derartige Brief ein PO - Highlicht Preußens ist. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.