Russland - Hamburg

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    Liebe Freunde,


    den folgenden Brief möchte ich nicht in dem großen Russland-Thread vergraben, da er spezifische Besonderheiten (und Fragen) aufwirft.



    Der Brief lief 1845 von Petersburg nach Hamburg.
    Im russisch-preußischen PV von 1843 wird auch ein direkter Paketschluß Petersburg-Hamburg erwähnt. Dieser Brief könnte diesen Paketschluß dokumentieren. Neben dem russischen Aufgabestempel von Petersburg ist ebenfalls rückseitig ein preußischer Fingerhutstempel von Hamburg abgeschlagen. Kein weiterer preußischer Ein- oder Kursstempel ziert den Brief. Für mich ein starkes Indiz, dass kein preußischer Postbeamter vor Hamburg diesen Brief bearbeitet hat.


    Eine weitere Besonderheit ist die handschriftliche Notiz frey Gränze
    Hamburg war im Sinne des o.g. Postvertrags preußisches Inland, daher handelt es sich hier um einen bis zur russisch-preußischen Grenze freigemachten Brief. Mit dem o.g. PV war neben der Grenzfrankatur erstmalig auch der Porto-Versand möglich, wovon stark Gebrauch gemacht wurde. Dies ist mein 2.Brief aus dieser Periode, der eine Grenzfrankatur aufweist.


    Die Taxierung bereitet mir allerdings etwas Kopfzerbrechen. Für die Strecke bis Hamburg fielen 8 Sgr., bzw. bei einem schwereren Brief, 12 Sgr. Porto an. Die notierte 13 ist für mich weder in Sgr. noch in einer anderen (Hamburger) Währung darstellbar.
    Hat jemand Ideen hierzu?
    Gab es in Hamburg ein Bestellgeld in Höhe von 1 Sgr.?
    Auch die durchgestrichene 29 ist unklar.


    Der Inhalt des Briefes ist auch interessant:



    Der russische Absender Ferdinand Röhl listet hier Verkäufe ab Lager auf. Allerdings nicht nur für den Empfänger, sondern auch für die bekannte Adresse Isler & Bruggißer in Wohlen !


    Viele Grüße
    Michael


    NACHTRAG: In einer mir mittlerweile vorliegenden Fahrpost-Tariftabelle zu dem 1843er PV wird das Porto für einen einfachen Brief mit 13 Sgr. angegeben.

  • Lieber Michael,


    "mit unversiegelter Einlage" - wunderbar, solche Vermerke zeigen zu können.


    Zu den Taxen kann ich wenig sagen, aber sollten sie nicht in Hamburgischen Schilling Courant gelistet sein? Das war doch schließlich die Währung, die dort geführt wurde.


    Eine kurze Erklärung zum Inhalt sei mir gestattet: Man hatte offenbar ein Zolllager, jedenfalls heißt das heute so. Der Vorteil, heute und gestern, liegt/lag auf der Hand: Man konnte steuerpflichtige Waren einführen, aber die Entstehung der Zollschuld war vom Datum des Abverkaufs aus dem Lager abhängig. Dadurch wurde die Wirtschaft sehr befördert, was ja bei Russland ja auch dringend nötig war.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Lieber bayern klassisch,


    bei einem Umrechnungsverhältnis von 1 Sgr. = 1 1/3 Sch.C. komme ich von 8 bzw. 12 Sgr. nicht auf die notierten 13.


    Danke für die interessanten Erläuterungen zum Zolllager.
    Verwundert war ich über die Aufstellung der beiden Firmen. Das würde doch nur Sinn machen, wenn die Firmen Schönenbergen in Hamburg und Isler&Bruggißer in Wohlen miteinander zu tun hatten. Hatte vielleicht die Firma in Hamburg ein Zwischenlager für die schweizer Waren?
    Habe ich vorfher so noch nicht gesehen.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,


    die Modalitäten zwischen Zolllagern waren vielschichtig - A konnte im Lager von C auch Ware für B einlagern lassen ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Michael,


    ich kenne Briefe von 1845 die sich wie folgt zusammen setzen:


    für die Strecke von St. Peterburg – Riga – Tauroggen - Tilsit wurden 29 Kopeken Silber berechnet.
    Nach der Bezahlung wurden diese gestrichen, als bezahlt (frei Grenze); die nächste Strecke von Tilsit nach Hamburg mussten im preußischen Postamt Hamburg bei der Aushändigung des Briefes 13 Silbergroschen bezahlt werden.


    Gruß Lothar

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    die Modalitäten zwischen Zolllagern waren vielschichtig - A konnte im Lager von C auch Ware für B einlagern lassen ...

    Dann wäre dieser Brief ein kleines Beispiel für die damalige Handelsmetropole und -drehscheibe Schweiz-Hamburg-Russland. :)



    Hallo Lothar,

    ich kenne Briefe von 1845 die sich wie folgt zusammen setzen:

    Kannst Du vielleicht einen solchen Brief (Russland-Hamburg) zeigen?

    für die Strecke von St. Peterburg – Riga – Tauroggen - Tilsit wurden 29 Kopeken Silber berechnet.

    Ungewöhnlich nur, dass Russland dieses bezahlte Franko vorderseitig notierte. Meistens wurde das bezahlte Franko russischerseits gar nicht notiert und Taxierung sind meistens rückseitig.
    Dann hätten wir hier eine interessante Ausnahme davon.


    Viele Grüße
    Michael

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    nun kann ich auch einen - mit 9,4 x 6,1 cm schon sehr kleinen - Brief in Gegenrichtung zeigen:
    1844 von Hamburg nach St. Petersburg



    Gestempelt im preußischen Postamt in Hamburg und taxiert mit 8 Sgr. Porto (dem Tarif des neuen PVs von 1843), zeigt er keinerlei weitere Transitstempel.
    Spekulativ kann dieser Brief also mit dem neuen (im PV von 1843 erstmals aufgeführten) Kartenschluss Hamburg-Petersburg gelaufen sein.
    In Russland wurden 36 SKop. Gesamtporto notiert. Hier gilt schon das 1844 eingeführte einheitliche Briefporto von 10 SKop., so dass die 8 Sgr. in aufgerundete 26 SKop. reduziert wurden. Die Laufzeit betrug noch 8 Tage.


    Gruß
    Michael

  • Lieber Michael,


    ein hübsches Briefchen. Interessant ist für mich, dass man das Porto bei Inlandsbriefen Preußens vorne notierte, bei Auslandsbriefen aber offenbar siegelseitig, dazu noch in roter Tinte.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    obwohl der folgende Brief von 1838 vor dem Postvertrag von 1843 liegt, in dem erstmals ein direkter Kartenschluss Petersburg-Hamburg aufgeführt wurde, vermute ich auch hier diesen direkten Weg. Das Fehlen jeglicher preußischer Durchgangsstempel - Herkunftsstempel "Aus Russland", Berliner Durchgangsstempel - legt meiner Meinung nach diese Deutung nahe.



    Vorderseitig kopfstehend ein L2 von Petersburg, typisch für die 30er Jahre.

    Rückseitig neben der Kartierungsnummer 40 das Weiterfranko von 113 1/4 pr.Gr. für einen Brief der 2.Gewichtsstufe bis Hamburg ( 74 1/2 x 1,5 = 111 3/4 pr.Gr. + 1 1/2 Grenzporto = 113 1/4 pr.Gr.) - bis Hamburg selbst fielen nur 41 1/2 pr.Gr. an!

    Rückseitig auch der Nierenstempel des preußischen Postamts in Hamburg, vorderseitig der SCHIFFS BRIEF-POST - Stempel des Hamburger Post-Comptoirs. Rückseitig dann ein englischer SHIP LETTER LONDON Stempel und der Stempel des Londoner Postamts.

    Vorderseitig notierte die englische Post 2 / - für ein Gewicht bis 1 1/2 ounze.

    Links unten gibt es noch 2 kleine Notierungen 1 1/2 (Gewichtsstufe?) und 8 1/4 (Vergütung an Hamburg??)


    In dem noch gültigen russisch-preußischen Postvertrag von 1821 war das Einlegen von Briefen untersagt, daher findet man auf den Briefen jener Zeit oft die Hinweise ohne versiegelte Einlagen (deutsch, oft auch französisch), wie auch hier.

    Im Inhalt findet man dann noch als Fussnote folgende Bitte, den beiliegenden Brief doch weiterzuleiten:


    Erfolgreich an der Postkontrolle vorbei geschnuggelt. :)


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,


    großes Kino in allem - herrlich! Wer kann schon dergleichen sonst noch zeigen?

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,


    hier ein weiterer Brief, diesmal von 1834 und in Cronstadt geschrieben, der anscheinend in direktem Kartenschluss von St. Petersburg nach Hamburg lief.

    Der Stempel FRANCO HAMBURG bestätigt die Frankierung bis dort, rückseitig sind 41 1/2 pr.Gr. notiert, die den Angaben in der Memel-Taxa entsprechen.

    Ein Frankierung bis zum Zielort Kopenhagen wäre auch möglich gewesen. Dafür wären 65 1/2 pr.Gr. fällig geworden.

    Allerdings vermisse ich eine Taxierung des dänischen Anteils, der wohl 29 RBS betragen hätte ...



    Die Laufzeit btrug 9 Tage.


    Gruß

    Michael

  • Lieber Michael,


    wäre es möglich, dass der Empfänger in Dänemark portofrei gestellt war? Leider kann ich kein Dänisch ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




    • Offizieller Beitrag

    Hallo Michael


    Der Empfänger war bestimmt nicht portobefreit. Er war ein "Grosserer", das heisst Grosshändler.

    Für den einfachen Brief war es dann also 29 RBS. Was er hier bezahlt hat weiss ich nicht. Bist du sicher dass die beiden Vermerke rückseitig russisch sind?


    Viele Grüsse

    Nils

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Michael


    Die Dänen hat die Gebühre immer rückseitig notiert. Ich meine dann nicht die 41 1/2 die kein typische dänische Vermerk ist. Ich denke eher auf was oberhalb vermerkt ist. Sieht aus wie 36?

    Es war so dass Silbermünzen und Bancozettel nicht par lagen vor 1836. Es heisst dass, wenn in Banco bezahlt, dann etwas höher als RBS Silber.

    Ich bin jetzt auf dünnen Eis, aber man soll nicht von diese Deutung weg schauen falls du nicht sicher bist dass die 36 russisch sind.


    Viele Grüsse

    Nils

  • Hallo,

    häufig ist das dänische Porto zwar auch vorderseitig notiert (mit Rötel), aber rückseitig steht es i.d.R. ebenfalls (mit oder ohne Kartennummer). Ich gehe auch davon aus, dass der Brief in Dänemark nicht portofrei war.

    Nils hat (natürlich) Recht, dass es einen Wechselkurs zwischen Silber- und Papiergeld gab. Im Jahre 1834 war der Faktor 1,03125, d.h. aus 29 ergeben sich dann 30 Skilling. Passt also leider nicht.

    Viele Grüße
    nordlicht