Portobriefe

  • ... dann legen wir den Terminus Willkür hier mal positiv aus ... ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Kollegen,


    hier ein Portobrief von Neustadt nach Dirmstein bei Frankenthal vom 26. April 1818, an den ich tarifmäßig keinen richtigen Griff dran bekomme.

    Das gute Stück wiegt 6 g, die Entfernung NW - Dirmstein beträgt 3-4 Meilen, also Gewichts- und Entfernungsstufe 1 im Tarif ab 1.12.1810 und das wären 3 Kr.

    Die wurden auch in Neustadt notiert, über oder unter der "3" erkenne ich auch noch eine "2"

    (Botenlohn ???? aber der wurde ja immer siegelseitig angeschrieben, da steht garnix). Beides ergibt zusammen immerhin 5 Kr. , die auch links notiert sind. Damit war nun Jemand (ich nehme an in Frankenthal, denn Dirmstein hatte zu dem Zeitpunkt noch keine Post) ganz und garnicht einverstanden, hat mit einem kräftigen Schreibgerät (würde man heute als Edding bezeichnen) Dirmstein unter- und die "5" durchgestrichen und schwungvoll eine "6" auf den Brief gemalt.

    Da fragt man sich, warum hat der Jemand dies getan:


    War der Brief doch schwerer ?

    Hatte der Vermerk "zu eigenen Händen" damals schon eine Gebührenrelevanz (heute schon, damals mir nicht bekannt) ?

    Frankenthal und Dirmstein lagen etwas mehr als 1 Meile Luftlinie auseinander, vielleicht war man der Ansicht bei dieser Strecke hätte der Bote (der laut Englram ab August 1816 3 x die Woche von Frankenthal nach Grünstadt und somit über Dirmstein unterwegs war) 3 Kr. zu bekommen ?



    Fragen eine lesenden Sammlers (frei nach B. Brecht)


    Gruß Klaus

    Wer später bremst,
    ist länger schnell !

  • Lieber Klaus,


    zu eigenen Händen war ohne postalische Relevanz damals.

    Normalbrief 3x, schwerer 4x, dazu 2x Kantonsbotenlohn = 6x. So würde ich ihn interpretieren.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Ralph,


    also die erste Erklärung,

    d.h. in dem heute 6 g schweren und augenscheinlich kompletten Brief war wohl noch eine Beilage.


    1.) Hat man sich das Proceder so vorzustellen, dass der Brief bei der Annahme in NW gewogen und zunächst als < 0,5 Loth schwer taxiert wurde und am Ankunftsort (Frankenthal) nochmals nachgewogen und ein wenn auch geringes Übergewicht festgestellt wurde.


    2.) Wurde der Botenlohn mitunter auch schon bei Briefaufgabe anschriftseitig notiert ?


    Danke Klaus

    Wer später bremst,
    ist länger schnell !

  • Lieber Klaus,


    kommt darauf an ...


    Bei Portobriefen belastete die Aufgabepost die Abgabepost mit dem ermittelten Porto (summarisch mit anderen Briefen natürlich). Also A fordert über die begleitende Briefkarte 3x von B. B stellt fest, dass es 4x sein müssten, korrigiert die Karte, und gibt den Brief für 4x dem Kantonsboten. Dieser schuldet jetzt 4x an B und der Empfänger 6x dem Kantonsboten.


    Empfänger hat 6x dem Kantonsboten bezahlt. Der Bote gibt 4x an die Post in B und diese schreibt 4x statt 3x der Post in A gut. Eine Begründung geht üblicherweise damit nicht einher.


    2. Frage; Es gab Botenlöhne für die Aufgabe und Abgabe! Also: Kuhkaff X mit Kantonsboten zur Aufgabepost in A für 2 bzw. 3x, die vorne stehen. Dann taxiert A den Brief nach Gewicht und addiert den Betrag vom Kantonsboten dazu. Abgabepost B, mit diesen beiden Kosten belastet, addiert 2 bzw. 3x für den dortigen Kantonsboten nach Kuhkaff Y, belastet damit den Kantonsboten, der in Kuhkaff Y dann den Gesamtbetrag zu kassieren hatte. Rest siehe oben.


    Briefe mit 2 Kantonsbotenberechnungen sind äußerst selten!

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber Ralph,


    vielen Dank für die anschauliche Erklärung.

    Ich versuchs mal auf meinen Brief zu übertragen.

    Neustadt taxiert 3 Kr. für einfachen Brief. Der Brief geht nach Frankenthal, dort werden zunächst 2 Kr. Botenlohn zu 5 Kr. dazu addiert, dann nach Feststellung dass es sich um einen

    Brief der Gewichtsstufe 2 zu 4 Kr. handelt,wieder gestrichen und 6 Kr. Gesamtporto notiert.


    so ungefähr ?

    Wer später bremst,
    ist länger schnell !

  • ... genau so. :thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Sammlerfreunde,


    hierzu folgender Brief: Justizparteisache vom Landgericht Gerolzhofen (erst ab 1.10.1850 eine eigene Postexpedition), der mit einen Boten in das 7 km entfernte Neuses gebracht und dort aufgegeben wurde an das Kreis - und Stadtgericht Würzburg vom 14. Dezember 1848. An Porto wurde angeschrieben 4 Kreuzer Porto. Dazu wurden die 3 Kreuzer Botenlohn (von Gerolzhofen nach Neuses) dazugeschrieben, so daß der Empfänger 7 Kreuzer bezahlte. Ankunftsstempel in Würzburg vom selben Tag. So eine Vorgehensweise, daß der Empfänger den Botenlohn vom Absender bezahlte, kommt sicherlich nicht oft vor.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Hermann,


    das ist sehr selten - ich kenne das nur ein halb Dutzend Mal aus der Pfalz, wo aber Cantonsboten ihre Aufgabevermerke sich auszahlen ließen, also eine andere Rechtsgrundlage.


    Hier im rechtsrheinischen Bayern sicher sehr selten und die Post hat sich ja dem Boten gegenüber sofort erkenntlich zeigen müssen, denn wenn sie 3x für ihn auf den Brief schrieb, muss sie ihn auch gleich abgefunden haben, der wollte ja nicht wochenlang auf sein Geld warten, bis die Postverrechnungen intern erledigt waren.


    Wo du immer diese Stücke auftreibst ... sagenhaft. :thumbup::thumbup:

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch ()

  • Liebe Freunde,


    ein simpler Portobrief aus Augsburg vom 28.8.1841 an Marx Louis in Lambrecht (Pfalz) wurde mit einem Porto von 16x taxiert (lustig: Im Text innen wurde mal 1840, mal 1841 geschrieben und das vorherige Jahr war Ende August ja doch ein bisserl lang vorbei - hätte man keinen datierbaren Stempel, könnte man aber auch 1840 unterstellen). Die Leitung erfolgte über Württemberg und Baden. In Neustadt an der Weinstraße angekommen, kamen noch weitere 3x für den Kantonsboten hinzu, so dass Marx Louis total 19x zu zahlen hatte.

  • Liebe Freunde,


    manche Briefe kommen unscheinbar daher - und wären es auch, wenn man nicht die Taxe zurück auf das ehemalige Gewicht rechnen könnte. Das sollte man aber als Postgeschichtler tun, denn es lohnt sich.


    Hier haben wir einen portopflichtigen Dienstbrief aus Ansbach vom 20.6.1840 an das Landgericht in Pleinfeld vor uns, der mit 39 Kreuzern Porto belegt wurde. Allein schon die Zahl "39" ist kaum je einmal als Taxe auf einem Brief zu sehen und wir werden bald erkennen, warum das so ist.


    Prinzipiell war bei Briefen von Privaten 4 Loth das Limit bei der Briefpost - und wir haben hier noch die Briefpost vor uns. Wegen der Entfernung von unter 6 Meilen war es auch die 1. Entfernungsstufe in Bayern, für die ein einfacher 1/2löthiger Brief 3 Kr. kostete, aber in der 2. Gewichtsstufe bis 1 Loth (17,5g) waren es schon 4 1/2 Kreuzer, dann je halbes weiteres Loth 1 1/2 Kreuzer mehr.


    Rechnet man jetzt weiter, um auf 39 Kreuzer zu kommen, müssen wir uns die 25. Gewichtsstufe vorstellen (also über 12 bis 12 1/2 Loth = 210g bis 217,5g) und können somit klar erkennen, dass diesem Brief Akten beigebunden sein mussten, weil man sonst nicht auf ein so hohes Gewicht kommt. Bei Dienstbriefen wir hier - egalo ob portofrei, oder portopflichtig - war das Maximum auf 560g = 1 Pfund für die Briefpost limitiert, aber ein so schweres Gerät habe ich noch nie gesehen.


    Man wird wohl Tausende von Briefen der Vormarkenzeit sichten müssen, um wieder eine 25. Gewichtsstufe zu finden und diese hier sieht ja nicht gerade übel aus.

  • Danke - aber so einen bekommt man nicht jede Woche; da darf die Zeitspanne schon etwas legerer gesetzt werden. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • ... da hatte ich ja Glück, denn in der Bucht hat kaum einer gegen mich geboten. Die kaufen dort lieber "seltene Stempel", von denen es jeden Monat 2 zu kaufen gibt ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Lieber Ralph,


    meinen Glückwunsch zu dem tollen Brief. Vergleichbares wird man in allen deutschen Staaten lange suchen können und vermutlich kaum oder gar nicht finden können.


    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Ralph,


    alles sehr schön gerechnet – aber es gab keine halben Kreuzer, die Progression in der Tabelle lautete 3/4/6/7/10/12/13 etc. Auch wenn’s gewöhnungsbedürftig bleibt.


    Bei einer Auktion wird gerade ein Lot mit Postscheinen angeboten, von denen einer für ein Briefpaket mit 6 fl 58 kr Franko ausgestellt wurde. Das war nur möglich, weil solche Sendungen bis 560 g (bayerisches Pfund) mit der Briefpost versendet werden konnten, vorausgesetzt man musste keine Kosten scheuen. Kannte ich bisher nur in der Theorie.

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Michael,


    da hast du wohl Recht - wie viele Briefe der 25. Gewichtsstufe in Preussen kennst du? Von Österreich kenne ich das auch noch, aber sonst?


    Lieber Dietmar,


    nach der mir vorliegenden Liste, eine Zusammenfassung der Briefpostporti der VMZ, steht das genauso drin; natürlich wurde "suplirt", also abgerundet.


    Wenn ein dolles Ding in einem Lot verstekt ist, schlag zu und zeige es hier - wäre doch der Hammer. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber Ralph,


    vergiss am besten die getippte Liste und schau in die offizielle. (Auch wenn hier die ganz dicken Whopper nicht drinstehen.)

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!