Versuchte Amerikafahrt "Graf Zeppelin" 1929

  • Hallo zusammen !


    Bei der Suche nach Belegen aus den Anfangsjahren der Zeppelin-Ära, die ich hier gerne zeigen möchte, bevor ich meine aktuelle Sammlung „Südamerikafahrt 1930“ vorstelle, habe ich einen interessanten Brief gefunden, der zwar nicht mehr aus der Pionierzeit vor dem ersten Weltkrieg, aber aus der frühen Sturm- und Drangzeit des LZ 127 stammt – der versuchten Amerikafahrt im Mai 1929. Eine Fahrt, über die in der zeitgenössischen Literatur, die den Zeppelin stets glorifizierte, relativ wenig in Erfahrung zu bringen ist; im Eckener-Buch „Im Zeppelin über Länder und Meere“ findet sich z.B. keine einzige Zeile ...

    Dabei war es eine außerordentlich bedeutsame Fahrt - die Zukunft der Verkehrsluftschifffahrt stand auf Messers Schneide:
    Geplant war die Fahrt als Auftakt der Weltrundfahrt – man hatte dem Sponsor Randolph Hearst ja zugesagt, dass diese Fahrt von New York aus gestartet werden sollte. Aber es kam anders: schon über dem Mittelmeer auf dem Weg nach Spanien fiel am 16. Mai der erste Motor durch Kurbelwellenbruch aus. Als am 17.5. in der Höhe von Alicante der zweite von fünf Motoren mit dem gleichen Defekt ausfiel, entschloss sich Dr. Eckener zur Umkehr. Auch nach dem Ausfall des dritten Motors versuchte man, gegen den starken Mistral im Rhonetal den Heimweg zu schaffen. Erst als in der Nähe von Valence der vierte Motor ausfiel, wurde die Situation aussichtslos. Nach einigen Stunden kam endlich die Erlaubnis der französischen Regierung zur Notlandung im Luftschiffstützpunkt Cuers in der Nähe von Toulon. Dies wurde durch ein artistisches Landemanöver mit Hilfe einer routinierten Bodenmannschaft geschafft – der große Zeppelin passte so gerade in die dortige Luftschiffhalle. Am 23.5. trafen die Ersatzmotoren aus Friedrichshafen ein. Mit fünf der ursprünglich 16 Passagiere und elf französischen Marineoffizieren an Bord trat man die Rückfahrt nach Friedrichshafen an. Am 1. August war es dann so weit: der Motoren-Fehler war gefunden und man brach wieder zur Startetappe der Weltrundfahrt nach Lakehurst auf.


    Zur Einschätzung der Bedeutung dieses glücklichen Ausgangs der Havarie möchte ich Peter Kleinheins aus seinem Buch „Die großen Zeppeline“ zitieren:
    Es gilt als ziemlich sicher, dass die kaum begonnene Zeppelin-Verkehrsluftschifffahrt ein jähes Ende gefunden hätte, wenn das Luftschiff beim Ausfall des letzten Motors gestrandet oder bei einer Notlandung zerstört worden wäre. So aber brachte der Vorfall eher eine Steigerung des Vertrauens in die Tüchtigkeit der Zeppeline.


    Die aufgelieferte Post zur abgebrochenen Amerikafahrt kam fast vollständig nach Friedrichshafen zurück. Sie erhielt dort einen roten Stempel „Beförderung verzögert wegen Abbruchs der 1. Amerikafahrt“ und kam in der Regel erst am 5. August in USA an.
    Eine Ausnahme machen einige wenige Belege, die bereits am 16. Mai über Basel und über
    Barcelona abgeworfen worden waren. Auf den ersten Blick erkennbar sind sie am Fehlen des Verzögerungsstempels.
    Mein Brief vom Barcelona-Abwurf – SiegerNr. 26. b) bzw. Michel 23 I) b. – zeigt eine Besonderheit: ein Bordpostbrief mit vollständigem Inhalt, der eine kleine Geschichte erzählt: der Absender, ein offenbar erfolgreicher New Yorker Juwelier, wählte zur Rückreise von einer Einkaufsreise nach Europa das Luftschiff und versuchte, diese schnelle Beförderungsmöglichkeit werblich für sich zu nutzen – er hatte schon entsprechende Karten für seine Kunden drucken lassen. Bestimmt hatte er keine Probleme, das sündhaft teuere Zeppelin-Ticket bei seiner nächsten Steuererklärung als Werbungskosten abzusetzen.

    Seine Grüße aus dem Luftschiff an die Mitarbeiter seiner Pariser Filiale lassen seine gute Laune bei der bequemen und schnellen Reise erkennen – es steht zu fürchten, dass ihm die bald darauf gründlich abhanden kam .... :cursing:
    Und seine Ankunft in New York verzögerte sich wohl auch um ein paar Tage ... :(


    Viele Grüße von balf_de

  • Kurz vor nächlichem Toresschluss kann ich auch noch schnell einen wie ich finde sehr
    schöner Bedarfsbeleg von der abgebrochenen 1. Amerikafahrt im Mai 1929 zeigen.


    Es handelt sich um eine Ansichtskarte des alten Dresden mit Elbpanorama
    vor den verheerenden Zerstörungen im II. Weltkrieg in offensichtlicher
    Bedarfsverwendung.



    LZ 127 Graf Zeppelin


    1. Amerikafahrt
    16. - 17.05.1929


    mit Bestätigungsstempel
    in Blau und rotem
    Verzögerungsstempel


    Einzelfrankatur der Zeppelinmarke
    zu 2 RM (Mi.Nr. 423)


    Graf Zeppelin mußte in Cuers
    notlanden und die nach
    Deutschland zurückgesandte Post
    wurde mit der nächsten Amerikafahrt
    am 01.08.29 nach Nordamerika transportiert


    Sieger 26 A
    Michel 23 a


    Gruß
    KJ

  • Lieber Kontrollratjunkie!


    Eine schöne Karte zeigst Du uns da! Da soll noch einer sagen, es gäbe keine Bedarfspost. Zu ermöglichen, sich aus der Ferne Grüße zu schicken, ist (oder war ?) eine der wichtigsten Funktionen der Post.


    Bei Deiner Karte hat sich der Postbeamte in Friedrichshafen besonders Mühe gegeben, den Verzögerungsstempel (den ich übrigens aus meinen Belegen nicht mehr zeigen kann – also vielen Dank dafür) so zu platzieren, dass weder Adresse noch Kartentext beeinträchtigt wurden. Das war übrigens durchaus nicht immer so.


    Dabei konnte man sich doch für die Nachbearbeitung der gestrandeten Post mehr als zwei Monate Zeit lassen – von Ende Mai bis zum 1. August 1929.


    Liebe Grüße von balf_de



    PS: Von der am 1. August durchgeführten Fahrt habe ich noch einen attraktiven Brief aus der Schweiz gefunden. Der passt zwar eigentlich nicht hierher, darüber hinaus hat er noch einen „Fehler“: der Bestätigungsstempel ist so „zart“ abgeschlagen, dass er nur bei genauem Hinsehen zu erkennen ist. Aber da ich von Dir weiß, dass Du eine Schwäche für schöne Belege hast (das Stirnrunzeln von bayern klassisch sehe ich geradezu plastisch vor mir), möchte ich ihn nicht vorenthalten. ...

  • Lieber balf_de,


    mein Stirnrunzeln wird immer weniger, je mehr ich von dir und KJ lese. Es sei mir daher nachgesehen und als Pawlowscher Reflex genehmigt.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber balf_de,


    ein schöner Brief, das muss ich Dir bestätigen. Natürlich von einem Ästheten gefertigt, aber auch das darf es geben.
    Postgeschichte hin oder her, manchmal darf ein Brief einfach schön sein, ohne die riesige postgeschichtliche Aussage zu haben.


    Liebe Grüße
    KJ


    PS: Herrje, ich bin ja hier in einem Forum für alte Postgeschichte, vermutlich habe ich soeben meine Kündigung geschrieben....... :S
    Mal sehen, was Nils sagt.

    Beste Grüße