Baden <-> Großbritannien

  • Lieber bayern klassisch,


    jetzt habe ich nachträglich fast ein schlechtes Gewissen, Dir eine eigentlich trivial gemeinte Frage gestellt zu haben, die dann aber einer derart komplexen Antwort bedurfte. Vielen Dank, dass Du diese Mühe auf Dich genommen hast!


    Vielleicht bin ich ja hier der Einzige in Forum, dem z.B. die immense Bedeutung der Briefkarten bisher nicht bekannt war - so diffizil habe ich mir die Abwicklung der Portoverteilung bei Auslandspost nicht vorgestellt. An Deiner schlüssigen Erklärung lässt sich ablesen, wie groß die Fortschritte für das Postwesen durch die Einführung von Briefmarken, durch den DÖPV und letztlich den Weltpostverein waren.


    Natürlich habe ich Deinen Text gespeichert, lieber bayern klassisch, denn ich bin völlig sicher, dass er mir noch oft helfen wird. Und ich vermute stark, dass ich da nicht der Einzige bin ...


    Nochmal: danke und liebe Grüße von balf_de

  • Lieber balf_de,


    prima, wenn ich etwas weiter helfen konnte - ich werde die Fortschritte bzgl. der internationalen PO am Inhalt deiner Ausstellugsrahmen sicher wiedererkennen und würde mich freuen zu erfahren, wann es wieder so weit ist. :P:)


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo zusammen,


    zugegeben: als "aktenfrisch" kann man meine Neuerwerbung wirklich nicht bezeichnen, aber aus einem ganz bestimmten Grund "brauchte" ich den Brief:
    er ging am 29. November 1866 von Heidelberg über Straßburg - 30. November - nach London, wo er schon am 1. Dezember ankam. Mit 15 x ist er nach dem Tarif von 1864 portorichtig frankiert: 3 x blieben in Baden, die 12 x Weiterfranko für den max. 7,5 Gramm schweren Brief sind vorderseitig (lila!) notiert. Siegelseitig zeigt er den Bahnpost-Kursstempel der Linie Heidelberg-Basel, wo er am 30. November bis nach Kehl befördert wurde.


    Eigentlich nichts Besonderes, wenn da nicht mein bereits hier gezeigter Brief wäre, der zumindest von der Frankatur her sehr ähnlich ist (wenn man von den badischen "Farben" einmal absieht - nicht 19a+20c sondern 19b+20ba). Aber der Straßburger Grenzübergangsstempel macht den Unterschied: er wurde auf dem "richtigen" Weg für leichte Briefe befördert - über Frankreich genügten die 15 Kreuzer.


    Zur Erinnerung zeige ich anliegend noch einmal meinen unterfrankierten Brief, der hier bereits ausführlich "gewürdigt" wurde.


    Viele Grüße
    Alfred (balf_de)

  • Lieber balf_de,


    wenn man Postgeschichte sammelt, ist Luxus zwar kein Freumdwort, aber eine gewisse verbale Entfremdung tritt da schon ein wenig ein ...


    Mir gefällt deine Neuerwerbung, der ich höchstens Gebrauchsspuren zubilligen würde, die aber farblich gut zu deinem formidablen Bestandsbrief passt und eine excellente Seite ergeben dürfte.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Fahrpostsendungen nach Großbritannien konnten auf verschiedenen Wegen befördert werden.


    Das VO-Bl. der Direction der Großherzoglich Badischen Verkehrsanstalten Nr. LXX, vom 31.12.1859 führt hierzu u.a. aus:


    Nro. 29,260


    Die Bestimmungen für Fahrpostsendungen nach dem Postvereinsausland, hier insbesondere nach Großbritannien mit Irland, nach fremden und überseeischen Ländern über England, nach Helgoland über Hamburg und nach Belgien betreffend.


    In Folge eingetretener Vermehrung der bisherigen Versendungsgelegenheiten können zur Beförderung nach Großbritannien und Irland vermittelst der Fahrpost dermalen angenommen werden.


    A: Über Belgien; und zwar;
    1) über Belgien direct (via Ostende): gewöhnliche Päckereien mit Werthsdeclaration bis zu 116 fl. 40 kr. für ein einzelnes Stück.


    2) über Belgien und Calais:
    a. gewöhnliche Päckereien bis 12 Pfund Gewicht ohne declarirten Werth;
    b. Geldsendungen nach London.


    B: Über Rotterdam:
    gewöhnliche Päckereien ohne declarirten Werth.


    C: Über Hamburg:


    Fahrpostsendungen jeder Art unter den im Postverein geltenden Bestimmungen.


    Die Beförderung über Belgien und Calais und über Rotterdam ist nur auf ganz besonderes Verlangen des Absenders zu bewirken; der Weg über Hamburg dagegen bieter zum Theil eine billigere Versendungsgelegenheit und wird jedenfalls dann benützt, wenn je nach der Beschaffenheit eines Fahrpoststücks dessen Beförderung auf keiner der anderen Routen möglich ist.
    ...


    Vielleicht hilft dies bei künftigen Belegen den "richtigen" Weg zu finden ^^



    Gruß
    Postarchiv



    Wo nichts mehr zu enträtseln bleibt, hört unser Anteil auf.


    Ernst Freiherr von Feuchtersleben

  • Hallo zusammen,


    bei folgendem Brief aus dem Jahr 1869 von GB nach Baden hoffe ich auf Hilfe aus dem Forum:


    Nach meinen Unterlagen wurden zu dieser Zeit (es galt der Postvertrag GB/FR von 1856, gültig ab 01.01.1857) unterfrankierte Briefe wie unfrankierte Briefe behandelt. So auch hier, war der Brief doch einer der dritten Gewichtsstufe (oben links), der aber nur für die erste Gewichtsstufe frankiert war. Von daher verfielen die verklebten 6d. vollständig und der Empfänger in Heidelberg hatte ein Porto in Höhe von 51 Kreuzer zu zahlen.


    War zu jener Zeit das Porto je Gewichtsstufe nach Baden 17 Kreuzer? Von wann bis wann galt dieser Tarif?


    Viele Grüße,
    nitram

  • Lieber nitram,


    nach mehreren Minuten der Berechnung (3. Gewicht für GB und FR und 2. Gewicht für Baden, da dort das Loth galt) komme ich auf keine 51 Kr. und habe bei einem Badenspezialisten um Hilfe für uns gebeten. Warten wirs ab ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber nitram,


    der Brief ist geklärt nach dem Tarif von 1867 bis 1870:


    3. Gewicht für GB und FR je 7,5g bzw. halbes Loth á 15 Kr. = 45 Kr. Porto.


    In Baden je Loth 3 Kr., daher nur zweifach, wie auf dem Brief zu lesen, aber ohne Zuschlag, weil aus dem Ausland kommend: 2 mal 3 Kr. = 6 Kr..


    Total daher richtig taxiert 51 Kr., weil die Marke verfallen war.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber bayern klassisch,


    zunächst einmal natürlich vielen Dank an Dich und natürlich auch an den nicht namentlich genannten Badenspezialisten. :thumbup:


    Ich erlaube mir, noch einmal nachzubohren: Ist der erwähnte Tarif von 1867 bis 1870 eine spezielle Vereinbarung zwischen Baden und Frankreich, die beide Gebührenbestandteile beinhaltet, hier also 45 Kr. und 6 Kr., oder wie muß ich mir das vorstellen?


    Viele Grüße,
    nitram


  • Lieber nitram,


    es war vertraglich zwischen Baden und Frankreich fixiert, dass Baden für jeden einfachen Brief 15 Kr. (5 Decimes) an Frankreich vergütet, wenn er von GB stammt.


    Wie Frankreich mit GB verrechnete (vermutlich über Paketabrechnung), interessierte Baden nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber bayern klassich,


    OK, also nur die Frankreich zustehenden Gebühren waren Bestandteil von diesem Tarif. Macht ja auch eigentlich Sinn, war es doch Frankreich ziemlich egal, welche Inlandsgebühren Baden für solche Briefe erhoben hat.


    Danke und Gruß,
    nitram


  • Lieber nitram,


    so ist es. Was GB von den 15 Kr. bekam, kratzte in Baden keinen. Man nutzte auch den Transit via Frankreich eher aus historischen Gründen - die Route über Preußen war ja schon massiv durch das Gewicht von 1 Loth als einfaches Briefgewicht stark begünstigt.


    Schwierig war es nur für die Verrechnung interner Art, weil es dann 2 Gewichtsstufen unterschiedlich zu berechnen galt, denn die Franzosen schrieben nicht jeden Portobrief in die Briefkarte, sondern rechneten nach Gewichtsstufen ab. Daher reichte die Angabe 3 aus, um für Baden klar zu machen, dass hier 45 Kr. in der Karte zu vergüten waren. Was dann Baden nahm und welches Gewicht man dort ansetzte, interessierte weder die Briten, noch die Franzosen, denn deren Anteil war ja über die Karte berechnet worden.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Freunde,


    mal etwas in fremden Gefilden gewildert und auf den hier gestossen:


    Mannheim, 2.1.1838, nach London, zuerst Charing Cross, dann reexpediert nach Hatton Garden. Der Absender zahlte 12 Kreuzer für Baden und 39 Kreuzer Weiterfranko bis zur Küste.


    In GB musste man 2 Shilling 8 Pence berappen und die Weiterleitung in London war offensichtlich kostenlos, weil der Brief den Postenlauf nicht verlassen hatte. Am 8.1.1838 kam er an. Empfänger war die Firma Cox & Co, "Army agents", was immer das auch bedeutet haben mag ...

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Freunde


    Dieser Brief lief von Heidelberg 12. November 1846 und war nach Taymouth bei Aberfeldy in Scotland geschickt.
    Es war möglich entweder porto oder franko bis Zielort zu senden. Hier war der Brief franko abgeschickt und dafür hat der Absender 22 Kr Rh bezahlt.


    In Taymouth war offenbar nicht Herr Campbell, er war nach London gereist. So der Brief war nach London weiter geschickt.


    Obwohl der "Paid" Vermerk gestrichen war scheint es dass man 1 Pence für die Strecke Aberfeldy-London bezahlt hat, also dann ein normaler Inlandsbrief. Der schwache PD Stempel ist nicht gestrichen und ein Portobrief hätte 2 Pence gekostet.


    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,


    ui, wenn Alfred den sieht! :D


    Sehr schöner Brief - vorne wie hinten. Wenn man bedenkt, dass der Brief nur 1d von Schottland nach London gekostet hat (er wog auch nur bis 7,5g, aber egal), dann zeigt das, wie günstig sich die Pennypost in GB zeigte. Für eine vergleichbare Strecke hätte man von AD nach AD viel mehr zu bezahlen gehabt, als 1d = 3 Kreuzer. Das gab es erst 1868 und da sieht man, wie weit die Briten damals schon waren. :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Ralph


    Du hast ganz recht. Die waren sehr früh dran, aber schon in 1830-er Jahren hat die Kämpfe um die Gebühre zu reformieren angefangen. Eigentlich hat das alte altmodische System zu lange sich selbst überlebt, so wenn ein Reform kommen sollte, dann richtig.
    Sehr wichtig war auch die doubelte Gebühre bei Portobriefe. Auch hier hat die Briten den Weg gezeigt.


    Viele Grüsse
    Nils

  • Hallo Nils,


    so ist es - aber der hier hat nicht die doppelte Gebühr gekostet, weil er frankiert eingelaufen ist - das wurde ja auch später ein Prinzip des DÖPV!

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hallo zusammen,

    es ist viel zu lange her, dass dieser Thread schon brachliegt ...

    Heute kann ich meinen ersten Portobrief nach England aus der Markenzeit zeigen: er ging im Januar 1866 aus Heidelberg nach London mit Leitweg über Frankreich.

    Am 16.1.1866 wurde er per Eisenbahn (siegelseitig der Bahnpost-Streckenstempel) bis zum Austauschpostamt Kehl befördert, wo er den badischen Verrechnungsstempel "B-3-K" erhielt, womit Baden seinen Portoanteil von 3 Kreuzern dokumentierte. In Straßburg wurde der französische Grenzübergangsstempel "Bade-Strasbourg" sauber abgeschlagen.

    Einen weiteren dreieckigen Stempel - vermutlich ein französischer Verrechnungsstempel - lese ich "FR / 1 F 76 c", den ich leider nicht interpretieren kann.

    Ebenso wenig den handschriftlichen Taxvermerk (?), aus dem das vom Empfänger erhobene Porto zu ermitteln wäre.

    Vielleicht kann mir hier jemand behilflich sein - ich bin da zuversichtlich!

    Herzliche Grüße

    Alfred (balf_de)

  • Lieber Alfred,


    schön wieder von dir zu lesen. :):)


    Frankreich verkaufte eine Unze dieser Briefe, also 30g, für 1 Franc 76 Centimes an GB.


    GB taxierte ihn mit 1 Shilling für den Empfänger, was für dich als Süddeutscher 36x entsprach. Baden blieben die 3x, was nicht gerade viel war ...

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber Ralph,

    Frankreich verkaufte eine Unze dieser Briefe, also 30g, für 1 Franc 76 Centimes an GB.

    Herzlichen Dank für deine bewährte Hilfe!

    Noch eine Rückfrage: für 30 Gramm wurden vier einfache 7,5-Gramm-Briefe befördert. 1,76 Franc entsprachen 52,8 Kreuzern (1 Franc = 30 x). Demnach behielt Frankreich mindestens 10 Kreuzer + x (nicht jeder einfache Brief wog 7,5 Gramm) pro einfachen Brief (13,2 minus 3 x an Baden)

    Wenn das alles so stimmt, dann machte Großbritannien den größten "Reibach": 36 x - 13 x = 23 Kreuzer.

    Eine weitere Frage: Wurde der französische Dreieck-Stempel nur auf den obersten Brief pro Unze, also auf etwa jeden vierten abgeschlagen und ist er daher relativ selten?


    Herzliche Grüße,

    Alfred