Postvorschuß bis Juli 1852

  • liebe Sammlerfreunde,

    ich habe hier einen beleg, den ich wegen des Stempels WOLLSTEIN. genommen habe. Und nun gibt es bei der Beschreibung Probleme:

    Es handelt sich um einen Paketbegleitbrief von Wollstein nach Fordon, Entfernung 24 Meilen, das Gewicht betrug 1Pfund 12 Loth.

    Der Brief trägt einen Auslagestempel. Damit muss er aus der Zeit ab 1848 stammen. An postalische Vermerken ist nur ein blauer 1Sgr.-Portovermerk zu sehen. Rückseitig befindet sich kein Vermerk.

    Wer hat eine Idee?

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo zusammen,


    ich habe hier einen Postvorschuß-Brief aus den 1830er Jahren, der 2½ Loth wog. Damit gehört er zur Fahrpost.

    Die Adresse:

    An

    Den Herrn Bürgermeister

    zu

    Gemünden


    Legtim. Patent

    für die Eheleute Klein

    An Postvorschus Siebenundzwanzig Silbergroschen

    sechs Pfennige erhalten


    Wir sehen auf der Vorderseite 2 Taxen 29 und 37. Auf der Rückseite weiterhin 1 Th 8 - 6.

    Bei einem Vorschuß von 27½ Sgr fielen nach dem Regulativ von 1824 2 Sgr Procura an. Bei einer Entfernung von ca 7½ Meilen kostete der einfache Brief 2½ Sgr,, bei der Fahrpost (2 - 8 Loth) jedoch das 3-fache dieses Betrages = 7½ Sgr. Wenn man die 6 Pf außer acht läßt, sind wir hier bei den 37 Sgr = 1 Th 7 Sgr. Auf der Rückseite ist der Endbetrag von 1 Th 8 Sgr 6 Pf notiert. Woher kommen die restlichen 1½ Sgr.?


    Dieter

  • Lieber Dieter


    wenn ich von Koblenz nach Gemünden in Rheinland ausgehe, sind es keine 7 Meilen und damit ergibt sich nur ein Taxe von 2 Sgr. für den einfachen Brief. Da er 2 1/2 Loth wog, ergibt sich eigentlich die 3,5fache Brieftaxe von 7 Sgr. Weiterhin fiel noch eine Geldtaxe von 2 Sgr. an.


    Bei dem Postvorschuß von 27 1/2 Sgr. ergibt sich ein ProCura von 1 1/2 Sgr. für die aufgebenden Post, so dass die notierten 29 Sgr. stimmen, dazu nun noch 1/2 Sgr. Procura für die ausgebenden Post + Porto 7 Sgr. + Geldporto von 2 Sgr. ergeben 37 1/2 Sgr. Der restliche Sgr. ist höchstwahrscheinlich das Bestellgeld. Dazu paßt auch die vorderseitigen 37 Sgr., welche sich ergeben, wenn man das ProCura für die ausgebende Post abzieht.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Lieber Ulf,


    wo ist denn das Gemünden, das du meinst? Ich habe keines so nah bei Koblenz gefunden.

    Bezüglich des Gewichtes: Es war also ab 2½ Loth das nächste Gewicht.

    War dieser Brief mit 2½ Loth keine Fahrpost?

    Den § 68 habe ich so verstanden, daß bis 1 Taler je ½ Taler 1 Sgr Procura anfällt und darüber je ½ Taler ½ Sgr.

    Wo finde ich die Vorschrift für die ausgebende Post? Wenn man den ½ Sgr Procura für die Ausgabepost und das Bestellgeld hinzurechnet sind wir in der Tat bei 1 Tlr 8 Sgr 6 Pf.


    beste Grüße


    Dieter

  • Lieber Dieter


    das Gemünden ist 55490 Gemünden.


    Grundsätzlich wurde in Preussen bei Postvorschußbriefen die Brieftaxe angewendet. Allein das Gewicht spielt keine Rolle ob Brief- oder Fahrpost, sondern was wie definiert wurde.

    So gehört selbst ein einfach schwerer Brief mit Postvorschuß der Fahrpost an.


    Wenn du die von der Arge herausgegebene Preussische Porto-Taxe hast, ist bei §68 auf der Seite 49 die Tabelle oben zu beachten. Dort ist die Aufteilung beschrieben.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Lieber Ulf,


    habe ich natürlich! Da sollte ich öfter reinschauen! Mir waren schon vor Jahren die vielen Beispiele aufgefallen. Sehr informative Sache.

    Die Procura war in der Tat 2 Sgr. Nur wurde diese im Verhältnis ¾ - ¼ aufgeteilt. Dieses beschrieben auf Seite 50 rechts unten unter Punkt B.


    beste Grüße


    Dieter

  • Liebe Sammelfreunde


    Hier ein Beleg "An den Steindruckereibesitzer Herrn Achilles" vom 23.04.1852 aus Magdeburg. Der Brief wog 2 7/8 Loth und der Postvorschuß betrug 2 Sgr., welche in Auslage genommen worden.


    Bis zu einem Betrag von 5 Sgr. fiel kein ProCura an, so dass nur hier die 3fache einfache Brieftaxe für 0-10 Meilen anfiel. Insgesamt ergab dies die 5 Sgr.

    Siegelseitig wurden die 3 Sgr. Porto wiederholt und der Ausgabestempel von Köthen abgeschlagen.


    Da der Inhalt vorhanden ist, wird er hier wiedergegeben:


    Auf das Gesuch vom 13ten März c. empfangen Sie anbei den von

    der Königlichen Regierung für Sie und Ihre künftige Ehefrau auf

    die Dauer von 3 Jahren ausgefertigten Heimatsschein unter Rück-

    gabe der beiden Anlagen Ihrer Eingabe mit dem Bemerken, daß

    2 Sgr Porto, welche für Ihr Gesuch hier haben nachgezahlt werden

    müssen, von uns durch Postvorschuß eingezogen sind.

    Magdeburg, den 21. April 1852

    Der Magistrat der Stadt Magdeburg

    Hasselbach [1]


    Ich glaube nicht so recht, ob dies eine Originalunterschrift des Bürgermeisters war.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf


    [1] https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Hasselbach

  • Hallo,

    bei diesem Postvorschuss-Beleg erhoffe ich mir weiterführende Informationen von den Fahrpost-Experten:
    Der Brief lief am 4.9.1823 von Gumbinnen nach Holstein/Dänemark und erforderte ein Porto von 110 Schilling (= 82 1/2 Sgr).
    Bei einem Postvorschuss von 28 3/4 Sgr gehe ich von einer Prokura-Gebühr von 2 Sgr aus, die zu 75% der aufgebenden Post zustand: 28 3/4 + 1,5 = 30 1/4 (wie notiert).
    Ob die rote Notierung ganz rechts eine Porto- oder Gewichtsangabe ist und was das Wort davor bedeutet, erschließt sich mir noch nicht.
    Die Entfernung (Luftlinie) von Gumbinnen nach Hamburg sind 804 km = 107 Meilen.
    Was wäre an Brief- und oder Geldporto noch angefallen, zumindest bis Hamburg? Gibt es noch etwas anderes zu beachten?
    Das dänische Porto würde ich dann versuchen über die Restbeträge zu ermitteln ...

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo Nordlicht,


    leider lese ich es erst jetzt. Hinter der 30 1/4 Sgr. steht "oder 24 1/6" Gute Groschen, was auch stimmt. Leider habe ich keine direkte Taxe. Laut meinen Unterlagen kostete ein Brief von Berlin nach Gumbinnen 7 1/2 Ggr. von Berlin nach Hamburg 3 Ggr., so dass sich eine Taxe von 10 1/2 Ggr. rein rechnerisch ergibt. In gleicher Höhe wäre das Geldporto gewesen.


    Mit freundlichem Sammlergruss


    Ulf

  • Hallo Ulf,

    vielen Dank für die Informationen!
    Damit sind die ersten Fragen geklärt, aber auf einer Erklärung für das hohe Gesamtporto muss ich noch weiter herumdenken. Denn dann wäre der preußische Anteil insgesamt (inkl. Postvorschuss) unter 60 Sgr, d.h. der holsteinische Anteil müsste noch über 20 Sgr gewesen sein, was mir viel zu hoch erscheint (das einfache Briefporto war lediglich 2 Schilling).

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo Freunde,


    ich habe hier einen Postvorschuß-Brief vom 19.12.1849 von Hammerstein (poln. Czarne) nach Ratzebuhr (poln. Okonek). Der Brief ging

    An

    den Magistrat

    zu

    Ratzebuhr


    Gegen 4 Tlr 18 Sgr 4 Pf

    durch Postvorschuß

    P N° 1191

    Mey


    Der geforderte Betrag wurde in 138 4/12 Sgr umgerechnet. Der Magistrat in Ratzebuhr hat die Annahme aber verweigert. Daher Ratzebuhr gestrichen und oben vermerkt: den 22/12 49 retour. Der Brief wurde jetzt mit 149 ¼ 1/3 Sgr belastet zurückgeschickt. Die Begründung steht auf der Rückseite:

    Vorschußbriefe nehmen wir nicht an

    Ratzebuhr d 21.Decbr 49

    Der Magistrat

    Hellen

    Absender war laut Siegel das Land- und Stadtgericht Hammerstein. Der Betrag wurde gefordert als Anteil für ein Verfahren des Magistrats gegen Otto Casemir Haikbartschen. Ich finde es ziemlich verwegen, die Forderung eines Gerichts zurückzuweisen.

    Innen rechts oben der Vermerk:

    Mit der Post zurückgekommen

    d 27.12.49 gegen 4 Tlr 29 Sgr 3 Pf

    Porto Auslage

    Wer kann mir die Taxen aufschüsseln? Die Entfernung der beiden Orte betrug weniger als 2½ Meilen.


    Dieter

  • Der Brief fiel anscheinend in die 2. Gewichtsstufe (> 3/4 Loth), da 2 Sgr. Porto berechnet wurden.

    Bei Beträgen bis 10 Th. wurde je halben Thaler 1 Sgr. Procura angesetzt, hier 9 Sgr.

    Diese 11 Sgr. ergeben zusammen mit dem Vorschußbetrag die notierten 149 1/3 Sgr.



    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Hallo Michael,


    die 9 Sgr Procura waren mir klar, aber für die 2 Sgr Porto hatte ich keine Erklärung. Da das Gewicht nicht angegeben ist, kam ich nicht auf die Idee vom 2. Gewicht. Anscheinend wurde ein Teil des Bogens entfernt, so daß deine Lösung wahrscheinlich richtig ist.


    viele Grüße

    Dieter

  • .... und noch ein Auslagenbrief aus dem Jahr 1849, dieser von Unna nach Soest. Er ging an

    Herrn ..... Weber

    Wohlgeboren

    in

    Soest


    Postvorschu

    9 Uhr

    empfangen

    Ruheus


    Für eine Veröffentlichung wurden 9 Sgr gefordert, dazu kam 1 Sgr Procura und 1 Sgr Porto für die Strecke von weniger als 5 Meilen. Dazu ist vermerkt: ½ Sgr Bestellgeld. Herr Weber durfte 11½ Sgr bezahlen.


    Dieter

  • Lieber Dieter,


    ich vermute, dass der gute Hr. Weber ein "Rentm(ei)st(e)r" war.


    Da ich den Begriff bisher auch nicht kannte, hier ein diesbezüglicher Link

    (zwar aus Liechtenstein, aber ich denke dass der Titel auch bei uns gängig war.)


    Viele Grüße

    Gerd

  • Liebe Freunde,


    hier ein Postvorschuß-Beleg, der portobefreit als Post-Sache anscheinend 2x auf die Reise ging.


    Am 12.9.1847 in Magdeburg aufgegeben an die Post-Expedition in Arendsee. Inhalt waren Bestellangaben zu Kassenbüchern und Formular für das kommende Rechnungsjahr 1848.

    Innen kennzeichnete der Post-Expediteur Müller die gewünschten Artikel und fasste die Bestellung auf der 3. Seite zusammen.


    Ein Kassenbrief eingebunden mit der hier angesetzten Bogenzahl, so wie die in dem vorstehenden Verzeichnisse bestellten 15 1/2 BriefDrucksachen pro 1848 werden ergebenst erbeten.

    Arendsee, den 13. September 1847

    Post Expediteur

    Müller


    Auffällig hierbei u.a., dass Arendsee keinen Bedarf an Formularen für Estaffetten-Post hatte, dafür aber an Konto-Büchern für Zeitungen.


    Ohne sichtbare Vermerke gelangte der Brief dann wohl an den Drucker Kühne in Breslau zurück.

    Nun ging der Brief ein weiteres mal, wohl als Begleitpapier für das 4 Pfd. schwere Paket mit den bestellten Papieren, auf die Reise. Bei Aufgabe wurde nur der L1 Innendienststempel Breslau abgeschlagen. Mit roter Tinte wurde der alte Aufgabestempel von Magdeburg gestrichen und zunächst ein falscher Vorschußbetrag von 70 2/4 notiert, der in 70 3/4 korrigiert wurde.

    Dann ging es über die Berliner Packkammer (rs. PK-Stempel 2.) wieder nach Arendsee pr. Salzwedel. (keine weitere Bearbeitung ersichtlich).

    Neben dem reinen Vorschußbetrag wurde kein Porto und kein Procura notiert.


    Soweit meine Interpretation hierzu. Hat jemand andere Ideen oder Korrekturen?


    Viele Grüße

    Michael



    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Lieber Michael,

    schöner Beleg mit sehr interessantem Inhalt.
    Der rückseitige Packkammerstempel „2“ dürfte von Breslau stammen.

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Lieber Erwin,


    danke.


    Die Zuordnung des Zahlenstempels nach Breslau wäre natürlich auch plausibel. Mir fehlen aber Abschläge von der dortigen Packkammer, um dies beurteilen zu können. Kannst Du was zeigen?


    In dem Nachbarthema "preussische Packkammer-Zahlenstempel" wird ein sehr ähnlicher Stempel "2" der Packkammer Halle/S. zugeordnet, was ich in diesem Fall hier für unwahrscheinlich halte.


    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • Lieber Michael,

    das hatte ich jetzt einfach aus der Hüfte geschossen. Berlin hätte es ja auch sein können?

    Von Breslau hab ich leider keinen Beleg finden können, aber von Halle: Sieht fast so aus, als wenn auf diesem Brief zwei verschiedene Stempel wären


    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan