Gelegenheit, sich zu outen: Was bringt euch als Philatelisten zum Gähnen?

  • Verehrte Freunde,

    auch als Philatelisten arbeiten wir immer an unserer menschlichen Vervollkommnung, und dazu gehört auch das Bekenntnis zu den eigenen Vorurteilen. :) In diesem Thread besteht Gelegenheit dazu.

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    Ein englischer Dichter wurde gefragt, was er in seinem Leben noch einmal erleben wollte.
    Seine Antwort: "Folk songs, but sung by real folk."

    Mir geht es so ähnlich, wenn ich Auktionskataloge durchblättere und darin ganze Strecken von Zeppelin-Belegen sehe.
    Reihenweise Briefe und Karten, fast durchgehend in Luxusqualität (wenn sie nicht gerade 1937 in Lakehurst ausgeladen wurden).
    Was ich gerne sehen würde, wären Bedarfsbelege, vielleicht nicht so perfekt in der Anmutung, aber eben nicht nur gelaufen, um einem Sammler eine Trophäe in die Hand zu geben.

    Leider mache ich auch um Zeppelin-Sammlungen einen Bogen, wenn sie auf Ausstellungen gezeigt werden.
    Das heißt, ich schaue mir die ersten Seiten an und verkrümele mich dann sehr bald, um mir andere Exponate anzusehen.
    Ich weiß natürlich, dass ich damit all jenen bitter unrecht tue, die sich gründlich mit dem Thema befassen, sich mit Flugrouten, Zubringerflügen, portogerechter Frankierung etc. pp. befassen und ihr Herzblut in die Sammlung und ihre Präsentation stecken.

    Nichtsdestoweniger setzt bei mir unweigerlich ein Gähnreflex ein, sobald ich das Wort Zeppelin in philatelistischem Zusammenhang lese. Ich fürchte, diese Krankheit ist so unheilbar wie meine instinktive Abneigung gegenüber Hunden.

    So, jetzt ist es raus.

    Wenn andere von Heimat-, Motiv-, Bund- und anderen Sammlungen nichts halten, ist mir das auch recht. Man muss auch gönnen können!

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Erdinger,

    ich war, bis vor wenigen Jahren, auch gelangweilt von den vielen, alle irgendwie ähnlich und austauschbar anmutenden Zeppelin - Belegen, bis mir der liebe balf_de die Augen öffnete und posthistorische Fakten kolportierte, die ich zuvor als Laie (der ich immer noch bin) nicht wahrgenommen hatte.

    In diesen Belegen steckt mehr drin, als man auf Anhieb vermuten würde, wenngleich die allermeisten, da hast du natürlich Recht, einer sammlerischen Intention entsprangen.

    Es ist hier im Forum (warum eigentlich?) recht still geworden um die Zeppeline und das einst erworbene Wissen sedimentiert vor sich hin.

    Zur angesprochenen Thematik zurück: Es gibt phantastische Sammelgebiete, die mies aufbereitet sind und es gibt Sammelgebiete, die erstklassig aufbereitet ein Genuß sind, auch wenn ihr Titel dies nicht vermuten lässt.

    Ich kenne thematische Sammlungen, die hochinteressant und in jeder Beziehung erstklassig sind - es gibt auch Ländersammlungen, da schmerzen einem die Augen. Ich denke, es kommt immer darauf an, was man aus der einst gewählten Sache macht.

    Dass sich dabei Sammler verrennen, sei ihnen verziehen, denn das kommt in allen Lebenslagen einmal vor. Wer aber seine Sache mit Liebe, Köpfchen, Geschmack und wenn es geht einer ordentlichen Portion Geld angeht, für den wird die Philatelie das schönste Hobby von allen sein, werden oder bleiben. Bei mir ist es jedenfalls so und ohne die Philatelie und die vielen Kontakte zu lieben Menschen würde mir viel fehlen.

    Vielleicht ist es auch der Altersmilde geschuldet, dass ich in meiner Umgebung sogar Bund, Berlin, DDR, ETB und FDC - Sammlungen dulde; suum cuique eben, auch wenn der Spruch von einem stammt, der neben sich nichts und niemanden duldete.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    • Offizieller Beitrag

    Hallo Erdinger

    Was mich zum gähnen bringe?

    Ab und zu viel, ab und zu wenig. Aber am häufigsten sind schlechte Autionskataloge - meistens weil es überhaupt nichts was zu finden ist für meine Sammlung und dazu schlecht gemacht ist. Gute Kataloge kann ich aber immer wieder anschauen ob mein Sammelgebiet oder nicht.

    Ab und zu lese ich meine eigene Beitrage hier im Forum - was mich auch zum Gähnen bringen kann.

    Und auch wenn ich zum N. Mal versuche ein Vertrag zu verstehen und es nicht so richtig klappt (dann aber nicht von Langweile sondern Erschöpfung)

    Viele Grüsse
    Nils

    Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis grösser als in der Theorie.

  • Es ist jetzt rund neun Jahre her, dass hier jemand etwas geschrieben hat, man könnte fast annehmen, dass alle, die hier regelmäßig ins Forum schauen, alles interessant und spannend finden, was ihnen so philatelistisch in die Finger gerät. Aber dem ist sicher nicht so. Ich denke, ich werde dann einmal ein paar Dinge zum Besten geben, die mich langweilen oder nerven. Vorausschicken muss ich allerdings, dass ich seit rund dreißig Jahren an vielen unterschiedlichen Rundsendungen teilgenommen habe oder heute noch teilnehme und mir so Dinge zur Kenntnis kommen, die ich selber bei einer Suche an einem Händlerstand oder im Internet nie anschauen würde, denen man bei Ebay, Delcampe oder Ricardo aber nur schwer ausweichen kann.

    Da wären zunächst die sogenannten Ersttagsbriefe oder Ersttagsblätter, aber auch Maximumkarten, alles Dinge, die jemand zusammengebastelt hat, die aber meiner Meinung nach mit Philatelie, wie ich sie verstehe, nichts zu tun haben. Gleiches gilt für die sogenannten Erstflugbelege, die in Deutschland zu großer Zahl an Herrn Sieger oder eine nicht existente Person gelaufen sind, in Österreich an Herrn Adolf Kosel, der nach dem 2.Weltkrieg ähnlich vorgegangen ist. Ich habe auch nie begriffen, warum so ein Beleg unbedingt am Ersttag gestempelt sein muss, aber jeder sieht, dass der Beleg nie tatsächlich wie reguläre Post befördert worden ist. Natürlich gibt es in wenigen Ausnahmefällen entsprechende Bedarfspost vom Ersttag, aber die ist ausgesprochen rar.

    Ein weiteres Thema sind die angeblich echten Überdrucke auf den Hitlermarken nach dem Ende des 2.Weltkriegs. Jedes kleine oder größere Auktionshaus bietet in fast jeder Auktion solche Marken in großer Menge an, aber der logische Menschenverstand müsste doch einfach zu der Schlussfolgerung kommen, dass das ganz überwiegend alles Mache ist, denn die Menschen hatten damals ganz andere Probleme zu lösen als vermutlich hunderttausende solcher Überdrucke für die Nachwelt herzustellen. Und bemerkenswerter Weise sind echt gelaufene Bedarfsbelege damit so gut wie nie im Angebot, nur postfrisches Material wird angeboten.

    Ähnliches gilt für bestimmte Briefmarken und Blöcke von China, die angeblich alle ganz selten und damit teuer sein sollen, aber schon seit Jahren findet man sie in fast jedem Auktionskatalog. Es mag ja sein, dass sie Katalogschlager sind, aber mit einem Realwert hat das doch nichts zu tun.

    Ich bin, wie ihr inzwischen bemerkt habt, mit Herz und Seele Ganzsachensammler. Dazu muss man sich entscheiden, denn üblicherweise beginnt man als Briefmarkensammler, später kommt dann vielleicht noch das Interesse an Belegen mit Stempeln, an Postwegen oder Portostufen hinzu. Wer sich aber vorrangig mit Ganzsachen beschäftigen möchte, der muss loslassen können und einen ganz neuen Blick auf diese Dinge entwickeln, denn bei Ganzsachen sind ganz andere Gesichtspunkte von Bedeutung, auf die ein normaler Briefesammler im Wesentlichen nie achten würde.

    Leider ist das so, dass bei Ebay und Co. die meisten Dinge von Laien angeboten werden und die meistens nicht so recht wissen, wie sie das, was sie verkaufen wollen, korrekt beschreiben sollten, um die richtigen Kaufinteressenten anzusprechen. Natürlich versuche ich regelmäßig, mit den richtigen Suchworten (die man erst einmal in Erfahrung bringen muss) Ergänzungen für meine Sammlungen zu finden, das führt aber leider nur selten zum Erfolg. Vor ein paar Wochen habe ich deshalb gute fünf Stunden Angebote bei Delcampe zum Thema "Österreich vor 1945" durchgearbeitet und mir dabei fast 5.000 Lose angesehen und war schließlich glücklich, insgesamt ganze drei Briefumschläge gefunden zu haben, die zu bebieten sich lohnte; alle drei waren nicht so beschrieben, dass ich sie auf anderem Wege hätte finden können. Das nervt außerordentlich und kann bei Anderen sicher zum, Verdruss führen und der Überlegung, ob man die Philatelie nicht an den Nagel hängen sollte.

    Ähnlich sieht es aus, wenn ich bei österreichischen, aber auch bestimmten deutschen Auktionshäusern nach geeignetem österreichischem Ganzsachenmaterial suche. In Österreich scheint man der Meinung zu sein, dass ausnahmslos alle Sammler ausschließlich nach regionalen Gesichtspunkten sammeln und alle mir bekannten Auktionskataloge sind entsprechend aufgebaut, also sind gleichartige Belege jeweils in dem Thema zu finden, das einem österreichischen Kronland oder heutigen Bundesland zugeordnet ist. Das hat zur Folge, dass ich nicht, wie bei deutschen Sammelgebieten und deutschen Auktionshäusern, nach dem jeweiligen Thema oder einer bestimmten Markenausgabe suchen kann, sondern ich muss mir alle Angebote in allen Kronländern anschauen, also z.B. bei der Steiermark, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Wien, Tirol usw. Das ist unglaublich zeitaufwändig und frustriert bei zunehmender Dauer außerordentlich, denn meistens ist auch diese Suche erfolglos.

    Gleichzeitig bekomme ich von allen möglichen deutschen und auch österreichischen Auktionshäusern immer wieder Werbebriefe mit der Aufforderung, etwas einzuliefern, man ist aber nicht bereit, auf meine Vorstellung einzugehen, wie etwas angeboten werden sollte, um höhere Verkaufschancen zu kreieren, lieber nimmt man auf Auktionatorenseite in Kauf, dass viele Lose unverkauft bleiben.

    Nun habt ihr ein paar Hinweise von mir, was mich besonders nervt, aber seid ihr mit allem zufrieden, was mit der Philatelie insgesamt zu tun hat?

    Viele Grüße

    Ingo