Der 1. Weltkrieg - Literatur und mehr

  • Es bleibt nicht aus, dass bei der Recherche zu Briefen und Karten allgemein und in diesem Thema zum 1. Weltkrieg manche Information gefunden wird, die einen Einblick in die damalige Zeit gibt. Zurückkommend auf meinen Beitrag


    http://www.altpostgeschichte.c…page=Thread&threadID=2064


    möchte ich hier ein solches "Fundstück" hier zum Nachdenken niederschreiben.


    Der Grenadier Hermann Föller nahm an der Chanpagneschlacht teil und las nicht nur den "Der Champagne-Kamerad" sondern schickte diese Feldzeitung auch nach Hause. Damit wollte er seinen Angehörigen umfassendere Mitteilungen vom Leben an der Front vermitteln, als er in seinen Briefen und Karten machen durfte.


    Aus "Der Champagne-Kamerad" Feldzeitung der 3. Armee - Kriegs-Weihnacht 1915


    Briefe aus der Heimat.


    Einen Weihnachtsgruß der alten an die jungen Soldaten, der Veteranen von 1870/71 an die Kämpfer von heute sendet der derzeitige Rektor Magnificus der Berliner Universität, Seine Exzellenz, der wirkliche Geheime Rat, Professor Dr. Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff. Er schreibt.


    Kameraden!


    Weihnachten, unser liebstes Fest, steht vor der Tür und zum zweiten Male sollen wir es im Kriege begehen. Wird es nicht das Gefühl der Trennung doppelt schwer und bitter machen, sowohl für die Väter, die Gatten, die Söhne, die draußen unter den Waffen stehen, wie daheim für alle die Häuser, in denen die Männer fehlen? Wie können, wie sollen diese Weihnacht feiern?


    Lasst einen alten Mann Euch Antwort geben, der sich doch noch ganz als Kameraden fühlt, weil in ihm die Erinnerung an das Fest lebendig ist, wie er es 1870 als Grenadier trotz allem fröhlich begangen hat, als wir müde und durchfroren am Abend von Vorposten kamen und uns Erbswurst und Kartoffeln kochten. Bequem waren die Tage nicht, denn der Frost war streng, und die Pariser hatten am 21. Einen Ausfall gemacht. Gewiss, unsere Anstrengungen und Entbehrungen waren mit dem nicht zu vergleichen was dieser Krieg fordert, und das zweite Kriegsjahr macht alles auch doppelt schwer. Aber die Sehnsucht nach den fernen Lieben war doch auch vorhanden, und der Krieg regte dieselben schweren Gedanken auf, wenn man anstimmte "Alle Jahre wieder kommt das Christuskind"- Denn das Christuskind bringt die frohe Botschaft von Frieden und Menschenliebe, und die Botschaft traf uns in mörderischem Kriege. ...


    Diese Empfindungen wollen wir alle in uns erklingen lassen, Klänge der Liebe, Klänge des Friedens. Sie werden in der Stille des Herzens nicht leiser tönen als die Weihnachtsglocken der Heimat, die Euch diesmal den Heiligen Abend nicht einläuten werden. Und dann wollen wir uns alle geloben, das unsere zu tun, handelnd und leidend, auf dass uns das kommende Jahr den Sieg bringe und durch den Sieg einen Frieden, der Mühen und Opfer lohnt. Und vorahnend schaue unser Blick eine künftige friedliche Blüte eines einigen freien, mächtigen Deutschlands, wie es aus diesem gewaltigen Kampfe entstehen soll.


    Wir, die heute alt sind, werden es nicht schauen. Euch aber sei es beschieden, nach 44 Jahren aus dem sicheren Hafen des Friedens auf die Stürme der Gegenwart zurückzublicken und Euch der Erinnerung rein zu erfreuen. Das walte Gott.


    Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff.


    Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff (* 22. Dezember 1848 auf Gut Markowitz, Kujawien, Provinz Posen; † 25. September 1931 in Berlin) war ein deutscher klassischer Philologe. Mit dem Ausbruch des deutsch-französischen Krieges tritt er als Einjährig-Freiwilliger den Dienst im preußischen Militär an, kommt aber zu seiner Enttäuschung nicht zum Einsatz. Quelle: Wikipedia / dibb.de


    Luitpold

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).

  • Weitere "Fundstücke":


    Gilt das noch heute oder ist ein allgemeiner Wandel bemerkbar?


    "Das Interesse der Philatelie an Postkarten soll hier nicht weiter verfolgt werden, da dieses weniger der Postkarte als Textsortenexemplar gilt, sondern allein der verwendeten Briefmarke und/oder dem Poststempel."
    (Hajo Diekmannshenke (2002) „und meld’ dich mal wieder!“ Kommunizieren mittels Postkarte)


    Daraus noch dies:
    "Als im Jahre 1870 die Postkarte durch den Norddeutschen Bund in Deutschland eingeführt wird, ist sie ursprünglich als reine Schriftkarte vorgesehen. Ihre erste ‚Feuerprobe’ besteht sie gleich zu Beginn in einem wörtlichen Sinn: Im Deutsch-Französischen Krieg der Jahre 1870/71 werden allein innerhalb der ersten fünf Monate 10 Millionen sog. Feldpostkarten von deutschen Soldaten in die Heimat geschickt (Kaufmann 1985). Die Postkarte befördert als Massenmedium neben der Zeitung auch den Krieg ins eigene Heim. Im Ersten Weltkrieg steigt deren Zahl dann auf etwa 10 Milliarden an (Kaufmann Gerhard 1985: Die Postkarte im Spiegel der Kultur und Gesellschaft)."


    10 Milliarden Postkarten - ohne Briefe! Eine riesige Anzahl, was wird davon noch erhalten sein? Zumindest wenn sie in der Korrespondenz bekannter Persönlichkeiten enthalten sind, wie z.B. Paul Johannes Tillich (deutscher und später US-amerikanischer protestantischer Theologe (Dogmatiker) und Religionsphilosoph, Ev.Militärpfarrer im 1. Weltkrieg - siehe Wikipedia).


    Tillich schreibt am 8. Juni 1916 eine Postkarte an seine Familie mit folgenden Text:


    "Herzlichen Gruß aus der Welt von Eisen, Feuer und Blut, aus den Erdhöhlen, unserem liebsten Aufenthalt, und dem Tag und Nacht
    ununterbrochenem Erdbeben .. Nach 5 absolut schlaflosen Tagen und Nächten habe ich jetzt ein paar Tage mit Gier geschlafen und gegessen und fühle mich sehr wohl. In Liebe Dein Paul." (Paul Tillich Ein Lebensbild).
    Diese Erleben und die Folgen schildert er in: http://denkstil.blogspot.de/20…d-religionsphilosoph.html


    Luitpold

    "Heimat ist da, wo ich verstehe und wo ich verstanden werde." (Karl Jaspers. dt. Philosoph).


  • Stelle ich hier nochmal ein:


    „Feldpost eines Badischen Leib-Grenadiers / 1914-1917“
    von Susanne Luise Asoronye


    ein beeindruckendes Beispiel dafür, welche weitreichende Recherchen eine komplett erhaltene Soldaten-Korrespondenz ermöglicht.
    Schon die ersten Seiten des „gewichtigen“ Buches (Kunstdruckseiten!) geben eine vage Ahnung davon, welch enorme (Fleiß-) Arbeit hinter diesem Werk steht. Die rund 350 Briefe und Karten des Grenadiers Hermann Föller ermöglichten nicht nur einen Einblick in das Soldatenleben an der Front, sondern auch in die Arbeitsweise der Feldpost. Wer schon einmal die Handschriften auf den Feldpostkarten zu lesen versuchte, die oftmals eilig im Schützengraben geschrieben wurden, weiß es zu schätzen, dass neben der abgebildeten Feldpostkarte gleich die Transkription steht. So kann man die Schreibweise von Hermann Föller leicht „nachvollziehen", seine Angaben zur Feldpostadresse oder andere diesbezügliche Hinweise. So professionell wie die Gestaltung und Ausstattung des Buches ist die Website mit umfassenden Informationen über das gesamte Projekt.
    www.feldpostbuch.de/index.php/buchbeschreibung


    Luitpold
    Zitat „Den Leser der Feldpostbriefe überfällt zunächst leicht eine betäubende Langeweile *. Auf die Fragen eines Militär-, Politik-, oder auch Sozialhistorikers geben diese Quellen keine direkten Antworten. Vielmehr bieten hunderte von schwer entzifferbaren Blättern endlose Dialoge über eine Unzahl von alltäglichen Banalitäten. So sehr diese anekdotische Berichte über das Wetter, Bekannte, Nahrung und Finanzielles eine Fundgrube für die Alltagsgeschichte sein mögen, so merkwürdig bleibt der Kontrast zwischen dem, was wir über die Materialschlachten des Ersten Weltkriegs wissen, und den vorherrschenden Themen der brieflichen Konversation. Nur sehr selten und völlig unvermittelt stößt man auf Passagen, die daran erinnern, dass diese Briefe von den Schlachtfeldern Flanderns und Nordfrankreichs stammen.
    „Hier ist es in der letzten Zeit sehr schrecklich zugegangen. Tausende sind hingeschlachtet worden und was das für ein Höllenlärm ist, eh so ein Gefecht angeht kannst Du Dir nicht vorstellen.“


    Das Wort Langeweile ist nur auf die immer ähnlichen Texte zu beziehen, die Karten und Briefe ziehen einen einfach mit fort in die Geschehnisse, lassen einen einfach nicht los, man liest bis zur letzten Karte vor dem Tage seines Todes. Dieses Schicksal ergreift einen auch noch nach 99 Jahren!


    In den Mitteilungen von Hermann Föller sind immer wieder Dankesworte für empfangene „Paketchen“, Briefe und Karten enthalten, immer wieder Bitten um und Geld. Die Versorgung in Felde verhnderte zwar ein Verhungern (auch wenn’s nur nur ein Stück Brot war), aber besondere Dinge mussten bei den Marketendern gekauft werden. Und die Preise stiegen je länger der Krieg dauerte.


  • Weiteres zur Feldpost im 1. Weltkrieg:


    Zur Verteilung und Beförderung, System und Organisation der Feldpost im Raum Verdun siehe besonders:


    Jäck, Karl: Die Deutsche Feldpost vor Verdun 1914/18. In Archiv für Postgeschichte in Bayern.
    Herausgegeben von der Gesellschaft zur Erforschung der Postgeschichte in Bayern in Verbindung mit der Reichpostdirektion München. 18. Jahrgang. August 1943. S. 253-266.


    Selbstverständlich unterlag die soldatische Post auch an der Verdun-Front einer strengen Zensur. Die zuständigen Überwachungsstellen der 5. Armee gingen dabei nach einem ausgeklügelten System vor: „Jede neu in den Verband der Armee tretende Division wird sogleich in den ersten Tagen ihres Erscheinens einer außerordentlich starken und wiederholten Prüfung ihrer Feldpost unterzogen. Hierbei finden stets zahlreiche Beanstandungen statt, die oft Bestrafungen der einzelnen Briefschreiber nach sich ziehen. Nach kurzer Zeit hat sich dieses in den Formationen herumgesprochen. Die Leute sind gewarnt und werden jetzt in der Mitteilung militärischer Dinge in die Heimat vorsichtiger sein.“ *. (Zitiert nach: Ullrich, Bernd und Ziemann, Benjamin (Hg): Frontalltag im Ersten Weltkrieg. Wahn und Wirklichkeit. Quellen und Dokumente. Frankfurt am Main 1994 S. 141. – Aus Verdun: Mythos und Alltag einer Schlacht von Matti Münch – Forum Deutsche Geschichte 11.


    * Oftmals waren es allgemeine Beschreibungen, besonders von der psychischen Belastung, die der Kampf und insbesondere das ständige Artilleriefeuer mit sich brachten: „Hier ist auch augenblicklich furchtbares Artilleriefeuer, welche gerade nicht sehr stärkend auf die bereits schwachen Nerven wirkt“. Besonders verhasst war den Soldaten auch die absolute Wehrlosigkeit mit der sie den Granaten gegenüberstanden. Ein gezieltes Ausweichen war unmöglich, das Überleben reine Glückssache. „Die Wehrlosigkeit diesem Ereignis gegenüber wirkte bedrückend.“ (Die Wirklichkeit des Tötens im Ersten Weltkrieg - Cord Gudegast).


    Natürlich kam es auch auf den „Bildungsgrad“ des Soldaten an. So schreibt Franz Marc* z.B. „Die letzte große Offensive der Franzosen, seit dem 16. Dezember auf der ganzen Linie, ist kläglich gescheitert. Vor Verdun sowohl als hier stimmen die amtlichen Berichte genau mit den Tatsachen, das kann ich Euch zur Beruhigung sagen. Im Norden wird es wohl auch so sein. Frankreich kann nicht mehr lange standhalten. Ich glaube, ihr wunder Punkt ist der Argonnenwald; hier wird der deutsche Durchbruch erfolgen; ein Aufrollen der französischen Frontlinie von Norden her scheint unmöglich“. Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989.


    Die Feldküchen waren gleichzeitig die letzte (Verteilungs-) Station der Feldpost. Von dort aus beförderten die Träger, die das Essen an die Front transportierten, Briefe und Pakete. Verwandte und Bekannte aus der Heimat schickten an die Frontkämpfer oft Nahrungsmittel, Urlauber, die an die Front
    zurückkehrten, brachten manchmal Versorgungpakete für Kameraden aus der Heimat mit. Die Urlauber beförderten auch Briefe von der Front (an der ensur vorbei) in die Heimat.


    Luitpold


    * Franz Marc † 4. März 1916 – Sein letzter Brief
    Liebste, denk Dir: heute bekam ich ein Briefchen von meinen Quartierleuten in Maxstadt (Lothr.), das Deinen Geburtstagsbrief enthielt! Die Frau hatte ihn doch, trotz meines damaligen Suchens, in einem der Kartons gefunden! Ich hab mich schon ein bißchen geschämt, aber auch doppelt gefreut, daß ich ihn nun doch habe: Du schreibst so lieb darin; ja, dieses Jahr werde ich auch zurückkommen in mein unversehrtes liebes Heim, zu Dir und zu meiner Arbeit. Zwischen den grenzenlosen schaudervollen Bildern der Zerstörung, zwischen denen ich jetzt lebe, hat dieser Heimkehrgedanke einen Glorienschein, der gar nicht lieblich genug zu beschreiben ist. Behüte nur dies mein Heim und Dich selbst, Deine Seele und Deinen Leib und alles, was mir gehört, zu mir gehört! Momentan hausen wir mit der Kolonne auf einem gänzlich verwüsteten Schloßbesitz, über den die ehemalige französische Frontlinie ging. Als Bett hab ich einen Hasenstall auf den Rücken gelegt, das Gitter weg und mit Heu ausgefüllt und so in ein noch regensicheres Zimmer gestellt! Natürlich hab ich genug Decken und Kissen dabei, so daß sich ganz gut drin schläft. Sorg Dich nicht, ich komm schon durch, auch gesundheit lich. Ich fühl mich gut und geb sehr acht auf mich. Dank viel, vielmal für den lieben Geburtstagsbrief! Küsse Dein Fz.


    Franz Marc ist am selben Tag nachmittags 4 Uhr gefallen. (Quelle Zeno.org - google)

  • Liebe Freunde,


    in zwei Tagen jährt sich der Waffenstillstand zum hundertsten Mal.
    Das Imperial War Museum in London hat nun mithilfe von Dokumenten der zeitgenössischen Sound-Ranging-Technik den Moment akustisch rekonstruiert, in dem das Töten ein Ende fand.
    Ich habe das Soundfile hier gefunden.
    Am 11. November 1918 um 11 Uhr herrschte - abgesehen von ein paar Nachzüglern – Waffenruhe, und an der Moselfront übernahmen wieder die Vögel die Lufthoheit, die man vorher nicht hören konnte.
    Macht schon nachdenklich, oder?


    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Dietmar,


    vielen Dank für alles - macht sehr nachdenklich. Krieg nützt einer Handvoll Unsympathen und tötet zahllose Uninvolvierte - wer Krieg will, darf ihn gerne haben - an einer seiner Fronten, ganz vorne, damit er ihn bis zum Schluß "erleben" darf.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    bei YouTube gibt es nicht nur Katzenvideos, sondern auch ganz hervorragende Symposien und Vorträge von Universitäten und Forschungseinrichtungen. Eine Veranstaltung fand 2014 in Washington statt, sie behandelte den Stellenwert der Geschichtsschreibung über den Ersten Weltkrieg in den USA, Verzerrungen in der Wahrnehmung aufgrund voreingenommener/manipulierter Geschichtsschreibung, welche strategischen Lehren man aus dem Krieg ziehen könnte (oder auch nicht) und einen hochspannenden Vortrag über Österreich-Ungarn.


    Hier der Link:

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    Ich habe die fast zwei Stunden genossen, trotz des hohen sprachlichen Anspruchs und der enorm schnell gesprochenen Vorträge (erstaunlich, wie viel mensch in gut 20 Minuten sagen kann). Manchmal muss man in den Einstellungen die Geschwindigkeit des Videos verlangsamen ...

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Bis zu 150.000 Postsendungen am Tag, wo sind die alle geblieben?

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich


    Das Leben ist zu kurz um sich darüber zu ärgern, was andere über dich denken oder sagen

    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig