Post nach und von den Glashütten in Böhmen, vor allem Kreuzhütte

  • Über eure bemerkenswerte Diskussion stolperte ich eher zufällig beim Surfen im Internet. Da ich als "Spezialist" für das Thema Kreuzhütte, Friedrichshütte, Deffernik etc. gerne mitdiskutieren würde, ließ ich mich anmelden, obgleich mein philatelistisches Interesse weitgehend auf dieses enge Gebiet fokusiert ist. Der Grund: Ich bin ein Ururenkel jenes immer wieder erwähnten Johann Anton Ziegler, Spiegel- und Glasfabrikant u.a. in den genannten böhmischen Glashütten. Da mein familiengeschichtliches Interesse durchaus ausgeprägt ist, sammle ich schon seit vielen Jahren Material zu meinen "gläsernen" Altvorderen. Ich besitze u.a. hunderte Briefe von uns an Johann Anton Ziegler, an die hundert sind komplette Faltbriefe mit Briefmarken, Stempeln etc. Mich persönlich interessieren vor allem die Inhalte der Schreiben. Gedrucktes zu diesen Glashütten gibt es zwar, die meisten Abhandlungen wimmeln allerdings von Fehlern.

  • Hallo laterarius,

    schön, den Nachfahren eines Firmenbesitzers hier zu haben, dessen Unternehmen uns Postgeschichtlern interessante Bestände an Briefen hinterlassen habt. Ich würde mich sehr freuen, deine Briefe nebst Inhalten sehen zu können.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Kreuzhütten-Fans,
    hoffentlich enttäusche ich euch nicht; denn meine Kenntnisse im Bereich der Philatelie sind eher marginal. Auf einschlägige Fragen will ich gerne antworten oder auch Kommentare zu bereits geäßerten Positionen abgeben. So durchforstete ich meine zahlreichen Briefe, die an Johann Anton Ziegler in Kreuzhütte adressiert sind. Die von Maunzerle aufgestellte These erhärtet sich aus meiner Sicht. Denn wahrscheinlich alle meine Briefe aus Bayern zeigen den Stempel von Waldmünchen. Die vielen Briefe aus Österreich und italienischen Staaten zeigen hingegen den Stempel Klentsch.
    Mein Hauptinteresse gilt der Familien- und Firmengeschichte. Bemerkenswert ist schon der Aufstieg des Unternehmens, der maßgeblich von familiären Beziehungen nach Erlangen beeinflusst war; denn mein Ururgroßvater Johann Anton Ziegler heiratete eine Tochter des Erlanger Spiegelfabrikanten Johann Jakob Zephanias Fischer. Etc., etc. Eure und meine Firmenbriefe, die gelegentlich sogar private Informationen preisgeben, verdienen aus wirtschaftsgeschichtlicher Sicht v.a. im Hinblick auf Kundenkontakte unsere besondere Aufmerksankeit. Viele Briefe wurden auch firmenintern verschickt, z.B. von Kreuzhütte oder Deffernik zur Firmenniederlassung in Wien oder umgekehrt. Selten sind m.E. Briefe, die nach Friedrichshütte geschickt wurden. Meine beziehen sich inhaltlich alle nicht auf die Glashütten, sondern die Ziegler'schen Kohlegruben im Pilsner Becken.
    So häufig Briefe an Johann Anton Ziegler angeboten werden, so selten erscheinen solche im Handel , die an seine ebenfalls "gläsernen" Verwandten gerichtet sind. Gemeint sind v.a. sein Bruder Andreas Ziegler (Sophienhütte) und sein Vetter Peter Ziegler (Elisenthal u. Gerlhütte).

  • Hallo laterarius,

    das ist phantastisch, Dich hier zu haben. Auch wenn Du von der Postgeschichte (noch) nicht so beleckt bist, ist Deine Anwesenheit in diesem Forum und speziell in diesem Thread sicher ein große Bereicherung. Herzlich willkommen!

    Viele Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Solche Wilkommensgrüße freuen natürlich.
    Ob ich Korrespondenz nach Kreuzhütte aus anderen Ländern als Bayern und Österreich kenne oder habe? Ich kenne einen weiteren Brief aus Russland, den ich aber nicht besitze. Ebenso kenne ich einen Brief von Krupp in Essen nach Kreuzhütte, besitze ihn aber auch nicht. Diverse Briefe existieren aus italienischen Staaten nach Kreuzhütte: Toscana 1854 und 1855, Parma 1852, 1854 und 1855, Modena 1855, Kirchenstaat 1854 und 1856 sowie natürlich aus der damals noch österreichischen Lombardei. Aus Originalaufzeichnungen der Zeit weiß ich, dass es u.a. sogar Geschäftskontakte bis nach New York gab. Briefe dazu kenne ich freilich keine. Geschäfte mit dem Zarenreich wurden offenbar recht häufig abgewickelt. Denn mein Urgroßvater August Ziegler (Sohn des Johann Anton Ziegler und jüngerer Bruder des Paul Ziegler) war in jungen Jahren geschäftlich sogar persönlich in Odessa.
    Wie ich sehe, besitzen diverse Sammlerfreunde Briefe, die von der Spiegelfabrik in Erlangen nach Kreuzhütte geschickt wurden. Die Familie Fischer in Erlangen war mit Johann Anton Ziegler verwandtschaftlich, wie schon erwähnt, eng verbunden. Nicht nur Johann Anton Ziegler heiratete eine Fischer-Tochter (sie war damals erst 15 Jahre jung). Auch sein Sohn Paul heiratete eine aus der nächsten Generation - eine Cousine also. Die Geschäftsinteressen wogen schwerer als damals noch vorhandene konfessionelle Hürden; denn die Fischers waren evangelisch, die Zieglers katholisch.
    Auch ein Brief an Andreas Ziegler nach Sophienhütte ist vorhanden. Großartig!

    • Offizieller Beitrag

    Ob ich Korrespondenz nach Kreuzhütte aus anderen Ländern als Bayern und Österreich kenne oder habe?

    Hallo laterarius

    Danke für deine Auflistung über Briefe nach Kreuzhütte. Konnte man auch brauchen :)

    Aber meine Frage war eigentlich über Briefe von Kreuzhütte nach andere Länder. Also mit Ziegler als Absender.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Im Laufe der Zeit erwarb ich mehrere Briefe, die von Kreuzhütte nach Bayern (genauer gesagt, nach Fürth) verschickt wurden. Einige weisen die Unterschrift des Johann Anton Ziegler auf. Ansonsten Fehlanzeige. Das hängt allerdings nicht zuletzt mit der Überlieferungswahrscheinlichkeit in meiner Familie zusammen; denn die eingegangenen Auslandsbriefe blieben wohl aufgrund ihrer Ausgefallenheit größtenteils im Familienbesitz, der Rest wurde offenbar irgendwann (aus meiner Sicht leider :thumbdown: , aus eurer Sicht glücklicherweise) "versilbert". Von mir "zurückgekauft" wurden fast nur bayrische und österreichische Briefe nach Kreuzhütte. Auslandsbriefe mögen in einem "Copirbuch" aus den Jahren 1870 bis 1872 zu finden sein. Dieses enthält etwa 400 schwer zu entziffernde Briefe, die Paul Ziegler allerdings überwiegend von Pilsen aus schrieb. Ich konnte mich noch nicht dazu durchringen, sie zu transkribieren.

  • Es ist nicht meine Absicht, so viele Briefe wie möglich "zurückzukaufen". Mich interessieren vor allem die familien- und firmengeschichtlich intessantesten Briefe. Besonderes Augenmerk lege ich auf Geschäftsbriefe, die von Glashütte zu Glashütte verschickt wurden, also im Wesentlichen innerhalb der Familie: Erlangen (Fischer) - Kreuzhütte, Deffernik - Kreuzhütte, Kreuzhütte - Firmenniederlassung in Wien, Nürschan - Friedrichshütte etc. etc. In diesem Zusammenhang erhoffe ich auch irgendwann Hilfe von Forums-Mitgliedern :) ; denn mich interessieren vor allem die Schreiben selbst.
    Vielleicht interessiert es euch, dass die Ziegler-Briefe bereits Eingang in die gedruckte Literatur gefunden haben. Josef Blau zitiert in seinem Buch "Die Glasmacher im Böhmer- und Bayerwald in Volkskunde und Kulturgeschichte", Kallmünz 1954 (ND) Grafenau 1983 auf S. 22f. die nicht publizierte Vierzigmann-Chronik eines Urenkels von Johann Anton Ziegler, Dr. Adolf Vierzigmann. Er beschreibt den Dachboden des Ziegler'schen Herrenhauses in Friedrichshütte u.a. mit folgenden Worten: "Das Interessanteste aber für uns Kinder waren große Kisten, angefüllt mit alten blauen Geschäftsbriefen der Glasfirma aus den Jahren 1840 - 1865, auf denen ganze Briefmarkenreihen, Kirchenstaat, Thurn und Taxis, Parma, Modena, Lombardei, Österreich, Bayern, Sachsen, Preußen, Hamburg klebten. Wir fragten nicht lange, wir plünderten...".

    3 Mal editiert, zuletzt von laterarius (18. September 2013 um 09:58) aus folgendem Grund: Erweiterung

  • Hallo laterarius,

    damit du mal etwas Futter von unsere Seite siehst, zeige ich eine schöne Farbfrankatur aus Pest an Johann A. Ziegler in Kreuzhütte "per Klentsch". Warum man "Taus" schrieb, weiß ich nicht - vlt. war Klentsch nicht so geläufig in Ungarn.

  • Vielen Dank! Schönes "Futter" und großartig, dass ich gleich auch den für die Geschäftsbriefe typischen Briefinhalt mitgeliefert bekomme. Ein Mosaikstein fügt sich zum anderen und viele solcher Steinchen geben irgendwann ein abgerundetes Bild. Ich teile deine Vermutung, dass Taus dazu geschrieben wurde, weil Klentsch zumindest dem Absender in Ungarn nicht bekannt gewesen sein dürfte. Klentsch war und ist eine winzige Gebietskörperschaft.
    Beste Grüße
    Laterarius

  • wahrscheinlich von einer Glashütte (Kreuzhütte) in eine andere Glashütte
    (Deffernik) an Herrn Paul Ziegler, lief dieser Brief, leider ohne Inhalt) von
    Klentsch über Schüttenhofen nach Deffernik.

    Diese Handschrift kenne ich bestens, es ist die von Johann Anton Ziegler. Ich besitze - weil in der Familie erhalten geblieben - eine Textseite (also nicht den kompletten Faltbrief), die allerdings früher geschrieben wurde: am ? Septemb. 1857. Der Brief, den der Vater an seinen Sohn Paul schrieb, hat familiären Charakter. Dies dürfte auch auf deinen zutreffen; denn die Geschäftsbriefe wurden immer von Schreibern geschrieben. Dies trifft auch auf die Anschrift zu.

  • Hallo Sammlerfreunde,

    einen Brief an Andreas Ziegler, Sofienhütte b. Klentsch in Böhmen, möchte ich euch zeigen.

    Der Brief datiert auf den 21.FEB.1863 und ist mit 6 xr. frankiert. Die Strecke von Regensburg nach Klentsch (zuständige Post) beträgt knapp 70 km, also weniger als 10 Meilen. Es hätten für einen einfachen Brief 3 xr genügt. Dieser vollständige Brief wiegt lediglich 7 Gramm. Aus dem Text kann ich nicht ersehen, dass eine Beilage beigefügt war. Entweder war doch etwas beigelgegt, dann war er mit 6 xr für die 2. Gewichtsstufe richtig frankiert, oder er war einfach überfrankiert.

    Interessant ist, dass dieser hier über Taus und Klentsch und nicht wie fast alle anderen aus Bayern über Waldmünchen lief.

    Hat jemand eine Karte, auf der die Sof(ph)ienhütte eingezeichnet ist? Bisher konnte ich dort nur Sophiental finden.

    Gruß
    bayernjäger

  • Hallo bayernjäger,

    sicher hat unser neuestes Mitglied eine Karte von der Sophienhütte, zu der Briefe ja selten sind.

    Von Regensburg nach Taus waren es 76 km = 2. Entfernungsstufe im Postverein = 6x.

    Zu Klentsch waren es 70 km = 1. Entfernungsstufe im Postverein = 3x. Eine spannende Sache also.

    Könntest du den Inhalt abbilden? Vlt. steht doch etwas drin, was auf eine 2. Gewichtsstufe hinweist.

    Mit den Briefe an die Kreuzhütte nach Waldmünchen hatte dieser nichts zu tun, da der Absender ja Böhmen angab und eben nicht den Zielort über Waldmünchen zu erreichen suchte. Hat man ja auch nicht alle Tage ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Zitat

    Hat jemand eine Karte, auf der die Sof(ph)ienhütte eingezeichnet ist? Bisher konnte ich dort nur Sophiental finden.


    Gibt es, gibt es. Einfach mal nach der franziszeischen Landesaufnahme der österreichischen Kronländer 1836/52, Böhmen, Landkartenblatt W 13 VII (1843/44) googeln!

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Neben dem erwähnten "googelbaren" Landkartenblatt kann ich als Literatur grundsätzlich folgendes zweisprachige Buch empfehlen: Z. Procházka, Glasindustrie im Böhmischen Wald. Tauser und Tachauer Land, 3. Aufl. Domazlice (Taus) 2009. Folgende Beiträge zu den Ziegler'schen Glashütten sind von besonderem Interesse: Stankau (S. 63-72), Sophienhütte (S. 88-94), Wittuna (S. 138-140) (alles Andreas Ziegler); Kreuzhütte (S. 77-83), Friedrichshütte (S. 85-87), Haselbach (S. 98-123) (alles Johann Anton Ziegler); Franzbrunnhütte etc. (S. 142-149) (Wolfgang Ziegler, Vater von Andreas und Johann Anton). Alle Beiträge sind mit Karten und Abbildungen versehen. Dieses Buch ist das heute wohl wichtigste zu diesem Thema.
    Die Glashütte von Deffernik (bei Böhmisch Eisenstein) des Johann Anton Ziegler, in der sein Sohn Paul Ziegler wirkte, liegt außerhalb des behandelten Raumes.