Briefe nach dem 2. Posttaxgesetz (1.1.1851 bis 15.4.1852)

  • Hallo zusammen,


    ich habe eine Briefhülle, die wohl dem Gültigkeitszeitraum des 2. Posttaxgesetzes zuzuordnen ist.


    Es handelt sich um eine Frankobriefhülle aus Elmshorn an den Kirchspielvogt Niemann(?) in Büsum. Oben rechts wir den Vermerk "2 Loth / 1 7/8 L.Y.G.(?)" in blauer Tinte (damals höchst ungewöhnlich!)
    Neben dem Frankovermerk steht eine rötel 4.


    Nachdem nach der holsteinischen Meilentabelle von 1853 die Entfernung zwischen Elmshorn und Heide bereits 11 Meilen beträgt, hätte das Porto für einen Doppelbrief zwischen Elmshorn und Büsum 6 Sch. Crt. betragen müssen, mit dem 2. Posttaxgesetz wurden die Entfernungstaxen auf zwei reduziert, demzufolge für den doppelgewichtigen Brief 4 Sch. Crt.
    Der Stempel "Elmshorn 7/2 1-5" dürfte demzufolge 1851 oder 1852 abgeschlagen worden sein. Die Uhrzeit ist recht klar erkennbar, dies ist eher ungewöhnlich. Die Verwendung des Elmshorner Antiqua-Kreisstempels mit Uhrzeit ist vom 2.5.1849 bis zum 7.8.1857 registriert.


    Wie kam der Brief eigentlich vom Postamt Heide nach Büsum. Mit dem Gemeinde- oder Kirchspielboten? Einen Landpostdienst gab es zu der Zeit ja noch nicht in Dithmarschen.


    Viele Grüße
    DKKW

  • Hallo DKKW,


    Elmshorn-Heide ist in der Taxtabelle zum 1.Posttaxgesetz mit 2 Schilling, also noch mit der Entfernung 5-10 Meilen angegeben.
    Da Büsum keine Poststelle hatte, wurde der Brief vermutlich auch nur bis Heide taxiert. In diesem Fall hätten also 4 Schilling für einen doppelt-schweren Brief gereicht. Dann könnte der Brief auch vom 7.2.1850 stammen.


    Wie der Brief nach Büsum kam, ist eine gute Frage. Ich tippe auch auf einen (privaten) Boten ...


    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo DKKW,


    übrigens ist in der "Taxe für die Briefpost im Herzoghthum Holstein" (1852) auch eine Übersicht der Kirchspiele enthalten (Anhang D).
    Dort steht, dass Briefe nach Büsum auf die Postanstalt in Heide zu adressieren sind, "um sich einer directen und sicheren Beförderung zu vergewissern".
    Es gab also anscheinend doch bereits Landbestellbezirke zu dieser Zeit !?


    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo nordlicht,


    genau genommen steht da aber auch, dass die amtliche Feststellung der Bestell-Bezirke jeder Postanstalt noch nicht erolgt ist.


    So und jetzt begebe ich mich in den Bereich der Vermutungen, denn offenbar schlummern die Originalakten noch unpubliziert in den Archiven (Ich hoffe zumindest, dass sie noch existieren).Wilhelm Ahlmann wollte mit Landbriefträgerrouten den ländlichen Raum erschliessen. Erste Landpostrouten waren 1852 eingerichtet (siehe auch Nummernstempel-thread: Blankenese bis Schönwalde). Der "Rest" war noch Projekt und harrte der Umsetzung. Im übrigen tauchen die Landpoststellen nicht bei den Poststationen auf, bei den Kirchspielen sind diejenigen Landposten, die gleichzeitig Kirchspielorte waren, den "richtigen" Postkontoren zugeordnet.


    Um das belegen zu können, bräuchte man den Einblick in die Ministerialvorlagen und Postbestimmungen der provisorischen Regierung. Ich meine mich zu erinnern, dass das Archiv der provisorischen Regierung nach 1852 nach Kopenhagen geschafft worden ist. Demzufolge wäre das Rigsarkiv in Kopenhagen die richtige Anlaufstelle.


    Viele Grüße
    DKKW

  • Hallo zusammen,


    nach langer Zeit habe ich wieder einmal einen Brief bekommen, den ich in diesem Forum präsentieren möchte. Ähnlich wie mein letzter Brief zeigt er, dass es bereits vor der Ahlmann'schen Landpost und der Preussischen Annektion Landpostverbindungen gab, die leider nur nicht erforscht sind.


    Zunächst einmal zum geschichtlichen Hintergrund. Nach der Inthronisation König Frederik VII wurde im Zuge der Verfassungsreform in Dänemark der Versuch unternommen, das bis dato eigenständige Herzogtum Schleswig an das Königreich Dänemark anzuschliessen.


    Dies führte in Schleswig-Holstein zu einem Aufstand der Deutschnationalen, die den Anschluss des Herzogtums Schleswig (zusammen mit dem bereits dem Deutschen Bund angehörenden Herzogtum Holstein) an das Deutsche Reich forderten. Die Aufständischen führten in Schleswig-Holstein eine bürgerlich demokratische Verfassung ein und kämpften mit eigenen Truppen gegen die Dänische Armee. Zunächst wurden sie hierbei von den Preussen unterstützt, dann aber durch den preussischen Separatfrieden mit Dänemark vom Königreich Preussen verraten und im Stich gelassen.


    Nach der Niederlage von Idstedt und dem Desaster von Friedrichstadt brach der Aufstand zusammen. Schleswig war bereits wieder unter dänischer Herrschaft und Holstein wurde von preussischen und österreichischen Truppen besetzt um den letzten Widerstand der Aufständischen zu brechen. Enttäuscht vom Verrat Preussens verliessen viele Schleswig-Holsteiner das Land in Richtung Übersee (insb. USA).


    Die Londoner Protokolle vom 2. August 1850 und 8. Mai 1852 besiegelten die Rückkehr der Herzogtümer unter dänische Herrsschaft.


    Genau in diese Zeit fällt mein Brief, den ein J. D. Thiele am 21. Oktober 1851 an den Baron von Hobe auf Gut Gelting schrieb.


    Der Franco-Brief wurde mit 2 Sch. Crt. austaxiert und wurde dem dem 1 1/2 Kreisstempel Kellinghusen 21.10.1851 gestempelt. Adressiert wurde der Brief nach Schleswig. Der Ort "zu Schleswig" wurde (vermutlich in Schleswig) gestrichen und durch den handschriftlichen Vermerk mit dem Rundhofer Boten ersetzt.


    Gut Rundhof liegt wie Gut Gelting in Angeln und beide gehörten zum Verwaltungsdistrikt "Kappelerharde" Während auf Gelting die Barone von Hobe residierten (und immer noch wohnen), residierte auf Gut Rundhof (und wohnt immer noch) das schleswig-holsteinische Uradelsgeschlecht von Rumohr.


    Eigentlich durfte es dort gar keine Landpostverbindung geben, denn: "Alles Gute brachten uns die Preussen" :D
    Ole Maintz und Kurt Hansen haben in ihrem Buch "Lokal- og distriktsforsendelser i provinsen i 1800-tallet" die frühen Landpostverbindungen im Königreich Dänemark beschrieben. Natürlich gab es so etwas auch in den Herzogtümern vor 1864, es wurde nur nie erforscht, denn: "Alles Gute brachten uns die Preussen"


    Vermutlich handelte es sich um einen Botendienst, den die Familie Rumohr zum Postkontor Schleswig unterhielt. Der Brief an den Baron von Hobe zeigt, dass auch andere diesen Dienst nutzen konnten (sicher gegen Bezahlung). Aus dem Königreich Dänemark sind einzelne Botenverträge aus Archiven bekannt, in Schleswig-Holstein würde sich da ein weites Forschungsgebiet auftun, nur wen interessiert schon die Zeit der dänischen Herrschaft. Also: Wer hat's erfunden (eben nicht die Schweizer).


    Viele Grüße
    DKKW

  • Hallo DKKW,


    schön wieder von dir zu lesen - und zu lernen.


    Interessante Sache und wie so vieles bei AD nicht oder kaum erforscht.


    Danke für den informativen Geschichtsunterricht und das Zeigen des schönen und interessanten Briefes.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo DKKW,


    ein wirklich sehr ungewöhnlicher Brief, vielen Dank fürs Zeigen und die ausführliche Erläuterung!


    Bemerkenswert finde ich, dass der Brief nach Schleswig adressiert ist, weil das doch überhaupt nicht das nächstgelegene Postamt ist (eher Kappeln).
    Und man müsste dann annehmen, dass die Absender von diesem Botendient wussten und daher absichtlich nach Schleswig adressierten, weil es für die Post eigentlich nicht der normale Leitweg gewesen sein dürfte?


    In jedem Falle stimme ich Dir zu, dass sich hier ein interessantes Forschungsgebiet auftut.
    Ich werde die Augen offen halten ...


    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo,


    dieser Brief wurde 1851 in Seester geschrieben und mangels Poststelle im ca. 6 km entfernten Elmshorn aufgegeben - an seine Magnificienz den Herrn Generalsuperintendenten Herzbruch.
    Frankiert mit 1 Schilling für einen einfachen Brief bis 5 Meilen Entfernung nach dem 2.Posttax-Gesetz.
    Gestempelt mit einem Einkreisstempel, den Elmshorn bereits verwendet hatte, bevor in Dänemark und Schleswig Holstein flächendeckend 1 1/2 Kreis-Stempel eingeführt wurden (ausführliche Darstellung siehe hier: Einführung von Poststempeln 1845 ).

    Viele Grüße
    nordlicht

  • Hallo Hermann,

    dieser Brief ist rein dänisch, hat also nichts mit Schleswig-Holstein und dem Posttaxgesetz zu tun. Das Porto kann also auch nicht 1 Schilling gewesen sein, sondern wäre in dänischen Skilling notiert worden (6 zu dieser Zeit). Ich befürchte, das war ein Frankobrief und rechts oben wurde die Marke entfernt !?

    Viele Grüße
    nordlicht

  • ...the date of April 2, 1851 would be interesting, being a second-day letter in Danish philately (Fire RBS, Ferslew print came out April 1st), however, I think both month and year immediately is difficult to confirm...


    Cheers,Ole