Briefe, die die Post nie sah

  • Liebe Freude,


    für Bayern galt das Postregal, in welchem stand, dass alle Briefschaften, die mit einem Siegel verschlossen waren, der Post zur Bestellung zu übergeben waren. Bayern wäre nicht Bayern, wenn sich jeder daran gehalten hätte.


    Hier ein Beispiel vom 21.12.1857 aus Kempten, mit dem man sich 1x Franko bzw. 3x Porto sparte, als man den Brief verschloss, aber nicht der Post, sondern irgend einem anderen zur Beförderung übergab.


    Meines Erachtens sind auch solche Briefe sammelwürdig, auch wenn sie keine postalische Behandlung jemals erfahren haben.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Verehrte Freunde,


    ein interessantes Thema - ich habe hier auch einen Brief, der allem Anschein nach nicht durch die Post befördert wurde.


    Es handelt sich um ein Schreiben des Appellationsgerichts für den Isar- und Salzachkreis an das Landgericht Moosburg vom Oktober 1810, in dem eine Entschließung des Oberappellationsgerichts mitgeteilt und Akten angefordert wurden.
    Der Empfänger musste ein Rezepisse ausstellen (unter Strafandrohung!).
    Auf der Vorderseite sieht man (auf der Höhe der jüngeren handschriftlichen Jahreszahl, die ich nur deshalb noch nicht wegradiert habe) zwei Schlitze, rückseitig sieht man die Reste eines Bandes, mit dem auf der Vorderseite etwas befestigt war. Vermutlich war es das vorbereitete Rezepisse.
    Vorderseitig sind auch Gebühren vermerkt, u.a. "Lieferung 10 x", allerdings kommt man damit nicht auf die 50 x, die vorderseitig und auch innen angeschrieben bzw. quittiert wurden.
    Es gibt keine (seit 1808 vorgeschriebene) Kennzeichnung als Parteisache, die für eine Postbeförderung relevant gewesen wäre.


    Der Generaltarif vom gleichen Jahr, der auch Gebühren für Rekommandation und Retour-Rezepisse festlegte, wurde einen Monat später verkündet.
    Haben wir es hier sozusagen mit einem Vorläufer zu tun, der als Botenbrief abging, weil es keine postalische Entsprechung gab?


    Viele Grüße aus Erding!

  • Lieber Erdinger,


    dergleichen Briefe habe ich schon Dutzende gesehen - und genau so viele, die den Münchener Poststempel trugen - mal mit, mal ohne Postgebühren, je nachdem.


    Ich kann hier nur vermuten, bei einem Laufweg von 55 km, dass ein Fußbote den Brief transportiert hat und dafür entlohnt werden wollte. Es wäre auch möglich, dass man einen Poststempel vergessen hatte, wie recht oft damals, als man noch gerne von der Seite der Absender sicherheitshalber "V. München" auf die Briefe schrieb.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber bayern klassisch,


    danke für die Auskunft. Ich nehme an, du hast dir nicht gemerkt, ob die Briefe mit Poststempel wenigstens Vermerke wie "Csa. Dii" oder "Csa. Partium" aufwiesen?
    Und ob sie mit Rezepisse versandt wurden oder ohne?
    Dergleichen zu erinnern überfordert schon einen Durchschnittssammler wie mich ...


    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Erdinger,


    es gibt beides - Causa Domini mit Post- und ohne Posteinbindung. Dienstbriefe mit Expeditionsnummer und ohne. Eine Logik hier zu erkennen ist schwierig, jedenfalls für mein kleines Hirn.


    Dergleichen Briefe gab es sicher zu Tausenden - aber viele dürften noch in den Archiven liegen und harren ihrer Entdeckung. Ohne eine große Menge davon gesehen zu haben (jedenfalls weit mehr, als ich das Glück hatte) sind alle Aussagen bestenfalls gewagt, leider.


    Lieber VorphilaBayern,


    ein wunderschöner Brief - schade, dass er nicht datierbar ist.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Liebe Sammlerfreunde,


    folgende zwei Briefe von Grönenbach nach Kempten möchte ich zeigen:


    Der erste Brief ist vom 3. März 1807 und der Zweite vom 21. September 1813. Beide wurden einen privaten Boten mitgegeben, der für seinen Bestellgang jeweils 2 Kreuzer Botenlohn beim Empfänger kassierte.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber VorphilaBayern,


    das war clever gemacht - der 2. Brief der Fa. Keller & Kolb wurde von einem Privaten gebracht, dafür kassierte er 2x und was bestellt war sollte man diesem gleich mitgeben. So einfach konnte das sein ...


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Hier werde ich einige Briefe, die keine Merkmale einer postalischen Versandung (Taxzahlen, Stempel, Vermerke, etc.) aufweisen, zeigen.


    Sie sind postgeschichtlich natürlich nicht relevant, da sie wohl meist privat zugestellt wurden (?) - dennoch interessieren sie mich und stellen eine gute Möglichkeit dar, sich auf das reine Ausbauen der Transliteration der Kurrentschrift zu konzentrieren.


    Was kann generell zu diesen Briefen gesagt werden? Welche Beförderungsmöglichkeiten bestanden hier? Unter welchen Umständen waren sie erlaubt (Stichwort Postzwang)? Wurde die Möglichkeit dieser kostenfreien Versandart intensiv genutzt?


    Der erste Brief wird alsbald gezeigt.

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Hallo Don Stefano,


    ad primum finde ich es sehr gut und lobenswert, Briefe ohne (scheinbare) postalische Behandlung zu zeigen und einen Thread hierüber zu eröffnen. Nicht ganz zustimmen kann ich dieser Aussage:


    Zitat

    Sie sind postgeschichtlich natürlich nicht relevant, da sie wohl meist privat zugestellt wurden


    Das ist zu kurz gesprungen und ich will auch versuchen zu erklären, warum.


    1. Ein Schreiber vom flachen Lande muss einen Brief an einen anderen in der Nähe auf dem flachen Lande schicken. Eine Postverbindung gibt es nicht. Was ist zu tun? Das Kommunikationsbedürfnis richtet sich nicht nach bestehenden Postrouten. Daher hat er, wenn er physisch oder zeitlich nicht selbst dazu in der Lage ist, gar keine andere Möglichkeit, als den Postweg zu umgehen, um den Brief anzubringen. Das hat der Post auch nichts ausgemacht, weil sie ja keine Alternative hätte bieten können.


    2. Ein Schreiber aus GB wollte ab 1806 einen Brief nach Hamburg schicken - Kontinentalsperre! Als Mitgabe an einen Reisenden, der die Nordsee überquerte und den Brief dem Empfänger in die Hand drückte, war das aber möglich. Vorsicht: Auch hier gab es franko - Vermerke, aber keine für die Post, sondern für den Empfänger, damit dieser, ehe er den Brief hätte lesen können, wusste, ob der Überbringer schon für seinen Dienst bezahlt worden war, oder nicht! Eine politische Situation konnte also durchaus die Versendung von Poststücken ohne Involvierung der Postverwaltung nach sich ziehen.


    3. Krieg zwischen Land A und B. Auch der Krieg ließ das Kommunikationsbedürfnis nicht sinken, im Gegenteil, oft stieg es an, weil man wissen wollte, wie es dem anderen ergeht. Lehnte die Post, aus verständlichen Gründen, den Transport ab, musste man einen dingen, der zwischen den Fronten die Dienstleistungslücke der Post schloss. Auch hier war Not der Grund für nichtpostalisch gelaufene Briefe.


    Das waren nur 3 Möglichkeiten - es gibt viele mehr. Es ist also bei Vorlage eines solchen Briefes immer auch die Lage zu prüfen, in der sich die Korrespondenten befunden haben.


    Selbstverständlich waren die meisten Briefe ohne Postbezug dem Bedürfnis entsprungen, Geld oder in Ausnahmefällen Zeit zu sparen, das darf man nicht vergessen. Dass hierbei oft Strafen zu gewärtigen gewesen wären, wenn man den sog. Briefeschmuggel aufdeckte, ist klar, denn die Staats- bzw. Lehensposten hatten ja kräftig in den Ausbau ihrer Transportnetze investiert und sahen es verständlicherweise nicht gerne, wenn diese erheblichen Investitionen sich nicht rechneten. Da damals jeder Brief bei der Post Umsatz darstellte und damit prinzipiell auch Gewinn, denn altruistisches Denken war damals ein Fremdwort, war jeder nicht bei der Post aufgegebene Brief der gelungene Versuch, den Staat ärarisch zu schädigen; in den allermeisten Fällen dürfte das auch ohne Ahndung abgelaufen sein. Wenn wir heutige Briefbestände, die ja i. d. R. nur im niedrigen einstelligen Protzentbereich des damals vorhandenen Bestandes liegen dürften, sichten, stellen wir fest, dass es schon einige dieser Fälle von Unterschlagung gegeben hat. Rechnet man das ganze hoch, so waren die Beträge, die den Postverwaltungen verloren gingen, enorm, war doch gerade die Vermeidung von hohen Gebühren (Stichwort Ausland) die hohe Kunst des Postbetruges.


    In diesem Sinne freue ich mich auf deine Briefe und hoffe, dazulernen zu können. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph



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    • Offizieller Beitrag

    Hallo Don Stefano,


    insbesondere bei Geschäftskorrespondenzen kam es auch öfters mal vor, dass Warensendungen (als bspw. Pakete), die üblicherweise mit der Fahrpost befördert worden sind, noch Briefe beigelegt wurden. Habe da glaub ich auch noch ein paar, muss ich bei Gelegenheit mal suchen.


    Viele Grüße


    kreuzer

  • An die wohllöbl. Stadtgerichte zu Pegau


    "Die wohllöbl. Stadtgerichte zu Pegau ersuchen wir andurch zur Hülfe Rechtens die beigesande in Patentform erlassene Subhastationsauflage nebst Leistungen den dort wohnenden haberlandschen Eheleuten unter Zurücklassung der beifolgenden Abschrift legal insinuieren zu lassen und uns sodann das Patent vollzogen zu remittiren, die entstehenden Kosten aber durch Postvorschuss zu erheben. Wir erwiedern diese Rechtswillfährigkeit in vorkommenden Fällen und versichern unserer vollkommensten Hochachtung. Leipzig den 24. April 1832. Das Stadtgericht zu Leipzig. Winter, Stadtrichter."

    Subhastation = Zwangsversteigerung

    Antwort aus Pegau vom 8. May: Bestätigung der Insinuation am 5. May 1832 durch den Gerichtsdiener


    Verwendung von Stempelpapier. Dass dies auf eine gebührenpflichtige behördliche Tätigkeit hinweist, ist mir klar. Wer hat jedoch in diesem Fall die "ZWEY GROSCHEN" zahlen müssen?


    Die Pegauer Stadtverwaltung hat unter ihrem Schreiben zudem eine "Liquidat" aufgeführt, hier werden sämtliche entstandene Kosten genannt. Wie lautet hier der korrekte Endbetrag?
    Neben dem Endbetrag der Vermerk: "sind durch das Postamt Pegau bezahlt."

    Vielleicht macht es Sinn beim Pegauer Museum mal anzufragen, ob etwas über einen Botendienst zwischen dem Pegauer Stadtgericht und anderen Ämtern bekannt ist?

  • Hallo Don Stefano,


    22 Gutegroschen und 6 Pfennige waren total zu zahlen.


    Alle Wertbeträge, die als Stempelgeld anfielen, waren vom Petenten zu zahlen, also dem Auftraggeber, der von der Behörde etwas wollte, brauchte oder haben musste.


    Eine Anfrage ist immer sinnvoll - ob etwas dabei heraus kommt, ist eine andere Frage.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Vielen Dank. Hat man das Stempelpapier im Vorfeld kostenpflichtig erwerben müssen oder wie ist hier der genaue Lauf der Abrechnung mittels Stempelpapier zu verstehen?

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Hallo Don Stefano,


    die Behörde hatte zu prüfen, welches Stempelpapier zu nehmen war (Höhe des Wertstempels) und setzte es auf die "Rechnung" des Petenten. In der Regel hatte dieser zuvor ein Depositum zu hinterlegen, von dem dann die Kosten abgezogen wurden.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Ich versuche es mal auf den vorliegenden Fall zu übertragen: Das Stadtgericht zu Leipzig bittet das Stadtgericht zu Pegau um einen Gefallen. Das Stadtgericht zu Leipzig hat sich im Vorfeld erkundigen müssen, welche Kosten durch den gewünschten behördlichen Vorgang des Stadtgerichts zu Pegau entstehen werden und dementsprechend musste die Anfrage gleich auf das richtige Stempelpapier (hier 2 gGr.) geschrieben werden. Korrekt?

    Beste Grüße,
    Stefan

  • Gefallen ist vlt. nicht der richtige Ausdruck - wenn es in den Verwaltungsvorschriften so erfasst war, dann war es eine Anweisung bzw. die pflichtgemäße Ausführung eines Auftrages, ansonsten stimme ich dir zu.

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Über Vervollständigung der fehlenden Wörter würde ich mich sehr freuen:


    An einen wohllöblichen Stadtrath zu Pegau


    "E. wohllöbl. Stadtrath ersuche andurch ergebenst, von der in 4. Eremplaren hier anliegenden Bekanntmachung in jedem der hiesigen 4. Stadt-Thore eins, durch ihren Rathsdiener gefälligst anschlagen zu lassen. Die hierbei entstehenden Kosten können gegen Liquidation und Quittung sofort hier ausgezahlt werden. Königl. Amts Steuer Einnahme zu Pegau, am 6. April 1834."

    Antwort des Pegauer Stadtrathes:


    "E. wohllöbl. Amts-Steuer-Einnahme remittiren wir beiliegend die uns mittelst Requisition vom 6sten dieses Monats übersendeten die Versteigerung alter ______ (Pappiere?) betreffend Bekanntmachungen mit den darauf gebrachten Aushängen und _______-Bemerkungen und bitten die beiverzeichneten erwiehsenen Kosten an den Herrn Stadtmandant ________ zu berichtigen."



    Pegauer Stadtgeschichte: 1849 - Beginn des Abrisses der vier Stadttore

  • Hallo Don Stefano,


    "E. wohllöbl. Amts-Steuer-Einnahme remittiren wir beiliegend die uns mittelst Requisition vom 6sten dieses Monats übersendeten die Versteigerung alter Pappiere betreffend Bekanntmachungen mit den darauf gebrachten Aushängen und Abnahme-Bemerkungen und bitten die beiverzeichneten erwiehsenen Kosten an den Herrn Stadtmandant Füßl zu berichtigen."

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Merci. ^^


    Alte Papiere wurden wohl als Brennmaterial verwendet nehme ich mal an.


    Wer ist eigentlich zur Abgabe von Amtssteuern verpflichtet gewesen und was genau hat diese Steuerart dargestellt? Laut Enzyklopädie mussten die "Unterthanen von Amtsdörfern" diese Steuer zahlen. Besonders schlau werde ich aus dieser Definition jedoch nicht. :whistling:

    Beste Grüße,
    Stefan