Kriegsgefangenenbriefe

  • Lieber Sammlerfreunde,


    ich möchte Euch anhängende Neuerwerbung nicht vorenthalten. Einen ähnlichen Brief mit Briefträgerstempel ("D") habe ich bisher nicht gesehen, und das soll schon etwas heissen.
    Der Brief (der 32. vom 30.1.1871) lief vom Kriegsgefangenlager Erfurt nach Zensur durch die Kommandatur und Abschlag des blauen Stempels "Portofrei lt. Vfg. v. 7.8.70." nach Avallon im deutsch besetzten Departement Yonne. Auf seinem Transport über die Etappenstrassen erhielt er den blauen Leitvermerk "p. Nuits". In Nuits trifft die Linie Dijon-Sens-Paris auf die LInie Toul-Chaumont-Chatillon-s-Seine. Vermutlich übernahm die franz. Post, die von den deutschen Besatzern in strategisch unbedeutenden Landstrichen geduldet wurde, den Brief und beförderte ihn über Noyers-s-Serein nach Avallon.


    Was so ein bischen Papier alles erzählen kann!


    Gruss
    1870/71

  • Lieber 1871/71,


    das Stück hat schon was, erst recht mit deiner wie immer erstklassigen Beschreibung.


    Danke fürs Zeigen und liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo 1870/71 und Andere


    Schaue hier meine Gefangendebrief sendet von Dresden nach Erfurt(?) am 26.2.1876. Porto Frei laut Vfg. 7.8.70. Stempel auf der Siegelseite Kriegsgefangende Depot Dresden und Ausg. No.2 26.2. Der Ansendervermerk sind leider Abgeschnitten. Sind dieser Brief gesendet zwischen zwei Gefangende? Oder warum war der Brief nun in Deutschland geschicht?


    Viele Grüße


    Jørgen

  • Hallo Baldersbrynd,


    dein Brief stammt von einem kriegsgefangenen Franzosen aus dem Lager Dresden, das sich zwischen Uebigau und Kaditz an der Elbe befand. Dass es sich um einen Kgf. handelt, erkennst du an dem Vermerk "Portofrei lt. Vfg. vom 7.8.1870" und an dem rückseitigen blauen Zensurstempel.


    Kgfen-Briefe an Kgfe. sind nicht häufig! Ich schicke dir Morgen einen Scan aus meiner Sammlung, ebenfalls von einem Kgen-Lager ins andere.


    Im Anhang zeige ich dir eine Abbildung vom Lager in Erfurt.


    Gruss
    1870/71

  • Lieber Freunde,


    im Anhang zeige ich euch ein Pedant zu meinem bereits gezeigten Kgf-Brief aus Erfurt mit Briefträgerstempel.


    Das Besondere an diesem Brief ist in diesem Fall, und das ist ganz ungewöhnlich, dass er einen Briefinhalt besitzt. Der Kgf. berichtet von seiner Gefangenennahme infolge der "Katastrophe" von Sedan am 2.9.1870 und, dass seine Kompagnie mit relativ geringen Verlusten aus der Schlacht herausgekommen sei. Nach 5 Tagen in einem Lager in der Nähe von Sedan seien seine Kameraden in verschiedene deutsche Lager abtransportiert worden. Der kommandierende General des Lagers Erfurt wäre unsympatisch zu den Franzosen, die Bevölkerung ebenso unfreundlich und sprächen kein Französisch. Nach einigen erholsamen Tagen wäre das Lagerleben monoton.


    Gruss
    1870/71


  • Hallo 1870/71,


    Ich ich habe auch einen solchen Brief jemals gesehen.
    Geben es Stempeln auf der Rückseite?
    Grüss.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,


    mir ist ebenfalls ein weiterer Brief bekannt, jedoch ohne Briefträgerstempel (45. Potsdamer Los 783).


    Auf der Briefrückseite befindet sich ein Teil des blauen Erfurter Kommandanturstempels, sowie der K1 NOYERS-S-SEREIN 10 FEVR 2E und der K1 AVALLON 11 FEVR 71 1E.


    Kannst du den Briefträgerstempel zuordnen?


    Besten Gruss
    1870/71


  • Hallo 1870/71,


    Noch einmal ist dein Brief sehr interessant.
    Sie ist am 30. Januar 1871 (also nach dem Waffenstillstand) von einem französischen Kriegsgefangenen in oder nah Erfurt geschrieben gewesen. Sie ist vom Zensur des Lagers verbracht, weil sie sich Postamt Erfurt nur am 2. Februar anschließt und weil es die Reste des blauen Stempel des Lagers gibt.


    Man weiß, daß das ein Brief von Kriegsgefangenem dank dem blauen Zeichen ist " Portofrei lt. Vfg v. 7.8.1870". Dieses Zeichen ruft eine Vertrag zwischen Frankreich und Preußen an, die die den Kriegsgefangenen gewährte Postgebührenfreiheit betrifft.


    Abgesehen davon, ist der Brief nach Avallon in Departement Yonne, der teilweise mit diesem Zeitpunkt besetzt ist. Die Erwähnung " p. Nuits " scheint anzuzeigen, daß der Brief den Bahnhof Nuits sous Ravières durchqueren soll, wo sich Feldpostrelais n ° 16 fand.
    Ich denke, daß Nuits von der Linie besetztes Gebiet/unbesetztes Gebiet nicht sehr weit weg ist, weil Avallon nicht besetzt war.


    Ich neige also für einen Brief gebracht von Nuits in französische Seite und in einer ländlichen Gemeinde (Buchstabe D) von Postamt Noyers sur Serein versorgt.


    Der Brief ist dann, bis zu Avallon mit der französischer Post , übernommen gewesen.


    Der Buchstabe "D" ist kein Briefträgerstempel, sondern ein ländlichen Briefkasten Stempel.


    Jede französische ländliche Gemeinde besitzte einen Briefkasten. In jedem Briefkasten fand sich ein Stempel mit einem Buchstaben von A zu Z (ohne W). Jeder in diesen Briefkasten gefundene Brief sollte den Abdruck dieses Stempel tragen.


    Das Brieftägerstempel ist das Stempel "OR" ( Origine Rurale: Ländlicher Ursprung).
    Diese Briefkasten zu lokalisieren, ist das schwer. Die Dörfer, von Noyers sur Serein versorgt, die zwischen Noyers sur Serein und Nuits liegen sind:
    - Passilly
    - Censy


    Grüss.
    Emmanuel.

  • Hallo vals59,


    danke für deinen schönen Beitrag. :)


    Eine Frage hätte ich noch: Der Brief wurde also in den Briefkasten des Ortes mit dem Stempel "D" geworfen. Warum wurde er dann aus dem Briefkasten geholt und mit "D" abgestempelt?


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo bayern klassisch,


    Diese kleine Frage ruft zu einer großen Antwort an.
    Ich schlage dir vor, ob du es willst, darauf in einem anderen post im Teil "Frankreich" antworten.


    Grüss.


    Emmanuel

  • Hallo vals59,


    ich freue mich über eine große Antwort und lerne gerne von dir.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Freunde,


    heute zeige ich 3 Briefe franz. Kriegsgefangener, die das "Glück" hatten, in Bayern einsitzen zu dürfen.


    Der 1. stammt aus Dillingen vom 25.1.1871 und war nach Bourges gerichtet. 3 Abschläge des Dillinger Halbkreisers weisen in ihrer Qualität darauf hin, dass der Inhalt etwas dicklich war und auch das blaue, zierliche Dienstsiegel lässt noch den Inhalt erahnen.


    Der Absender wusste bereits, dass seine Post über die neutrale Schweiz transferiert werden würde und vermerkte "Suisse" oben rechts und das Zielland "France" oben links.


    Siegelseitig sehen wir nur die Stempel der Bahnpost nach Paris und den Ankunftsstempel von Bourges vom 31.1.1871. Der Absender scheint "Gef(reiter) Korons p. sy" (wenn mir das einer genauer sagen könnte?) gewesen zu sein, aber evtl. ist das auch nur phonetisch vermerkt worden.


    Der 2. stammt aus Ingolstadt vom 10.12.1870 und lief nach Buzancy in den Ardennen, damals wohl ca. 100 Einwohner. Auch hier sehen wir frontseitig das Siegel der Kommandantur, die ja die Briefe offen angeliefert bekam, den Inhalt las und, wenn es nichts besonderes festzustellen galt, diese verschloss und abspedierte.


    Die Besonderheit liegt hier aber in der Taxe von 30 Centimes und ich wäre froh, hierfür eine stichhaltige Erklärung zu bekommen. Die Siegelseite (obere Klappe des Kuverts mangelt) ist wenig ergiebig.


    Der 3. stammt aus Freising und lief an eine Militär - Adresse nach Arras an die Atlantikküste (wunderschön dort!!). Leider habe ich zu diesem Lager (oder auch Lazarett) nichts im Netz gefunden. Vlt. kann ja jemand Infos hierüber hier posten.


    Auch hier ist die Siegelseite wenig ergiebig, aber vorenthalten möchte ich sie doch nicht. Weder auf ihr, noch vorne, kann ich ein Datum sicher erkennen. 30.?.187? ist alles, was ich lesen kann. Wer bessere Augen hat, darf sich gerne versuchen (oder man bekommt es über die Anwesenheit der Kriegsgefangenen dort heraus).

  • Hallo bayern klassisch,


    zu dem Kgf-Brief aus Ingolstadt kann ich folgende Erklärung liefern.


    Im deutsch besetzten Departement Ardennen hat man zwar die Portofreiheit des französischen Kriegsgefangenen anerkannt, aber ein französischer Gemeindebote hat für die Zustellung von Stenay (Feldpost-Relais Nr. 24) nach Buzancy 30 Centimes vom Empfänger erhalten, die nicht an die Deutsche Post abgeführt wurden. In Buzancy selbst existierte keine deutsche Postanstalt.


    Viele Grüße
    1870/71

  • Lieber 1870/71,


    vielen Dank für deine Antwort - kannst du mir die anderen Fragen auch beantworten?

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Hallo Ralph und Rudolf,


    Hier sind die weitere Informationen, den ich bringen kann:


    2. Brief (nach Arras) :
    Arras liegt in Departement Pas de Calais, Sie ist die Hauptstadt dieses Departements, also nicht nahe den Atlantikküsten. Der Brief war für den Unteroffozier zuständig für den Postdienst (Vaguemestre) des 44. "Gardes Mobiles" Regimentes bestimmt. Dieses Regiment gehörte zur Armée du Nord die im Oktober 1870 geschaffen wurde.
    Was rückseitig geschrieben ist, scheint mir Deutsch mehr als Französisch zu sein. Unlesbar für mich.
    Bezüglich des datums vermute Ich, daß es 30/01/1871 ist.
    Hier ist, was ich auf dem Kriegsgefangenenlager Freising gefunden habe:
    https://books.google.de/books?…age&q=Freising%20&f=false
    https://books.google.de/books?…nepage&q=freising&f=false


    3. Brief (nach Buzançy):
    In 1870 gaben es mehr als 800 Einwohner in Buzançy (Ardennen). Ein Postamt war dort eingerichtet. Ich weiß nicht, ob dieses Postamt während der Besetzung noch tätig war. Ich weiß auch nicht, ob Buzançy seine Post durch Stenay bekam, aber es ist möglich trotz die 21 Km Entfernung.
    Ich kann nur sagen, daß es ein deutsches Porto zu sein scheint (Blaustift).


    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,


    vielen Dank für diese weiter führenden Infos - klasse! Auch danke für die Links - ist mir nicht gelungen, da etwas heraus zu finden.


    Den Ort Buzancy hatte ich aus einem Lexikon heraus gefunden und es sollte ein ganz kleiner Ort sein - aber diese Daten können täuschen.

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Liebe Sammlerfreunde,


    während der deutschen Besetzung gab es in Buzancy definitiv keine deutsche Posteinrichtung.


    In den besetzten Gebieten (auch nicht in Städten) wurde von deutscher Seite keine Post dem Adressaten zugestellt.
    Die Bestellung lief über die Bürgermeistereien mit ihren Gemeindeboten.


    Viele Grüße
    1870/71

  • Hallo Ralph,


    Den Ort Buzancy hatte ich aus einem Lexikon heraus gefunden und es sollte ein ganz kleiner Ort sein - aber diese Daten können täuschen.


    Es handelt sich um Buzancy in Departement Aisne sicher (Nachbar-Departement die Ardennen). Dieses Dorf ist tatsächlich viel kleiner.


    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Lieber Emmanuel,


    dann hat das Lexikon mit ca. 100 Einwohnern sicher dieses gemeint - bei all den vielen französischen Orten ist die Zuordnung zum richtigen Ort für einen Deutschen sehr schwierig. Andersherum wird es ähnlich sein (und dann kommt noch die alte Schrift hinzu ...).

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.