Auslandspost und Zensur nach 1945 - Österreich

  • Verehrte Freunde,


    ein Thema, mit dem man sich auch als Heimatsammler irgendwann beschäftigen muss, ist die Zensur von Briefen und anderen Postbelegen (vorausgesetzt, man erhascht entsprechende Belege).


    Unser Nachbarstaat Österreich musste sich mit dieser behördlichen Maßnahme viel länger auseinandersetzen als die junge Bundesrepublik Deutschland.
    Der Postverkehr aus dem besetzten Deutschland in die benachbarte, ebenfalls besetzte Alpenrepublik war (nach der generellen Wiederaufnahme ins Ausland zum 1. April 1946) seit dem 17. April 1946 möglich.


    In Österreich endete die Inlandszensur früher als in Deutschland, nämlich 1946.
    Dafür bestand die Zensur für Auslandspost wesentlich länger, nämlich bis zum August 1953.


    Einen relativ frühen Brief nach Österreich zeigt das erste Bild, er datiert vom 3. Juni 1946.
    Er zeigt keine Spuren österreichischer Zensur, hatte aber die US-Zensur in München durchlaufen.


    Zwei Monate später, im August 1946 (zweites und drittes Bild) wurde eine Karte von Taufkirchen/Vils nach Wien geschickt.
    Sie trägt keine direkte Spur amerikanischer Zensur (nur einen Abklatsch auf der Rückseite!), dafür einen Stempel der "Österreichischen Zensurstelle".


    Diese Stelle wurde zwar überwiegend auf österreichische Kosten, aber unter Aufsicht und nach Weisungen alliierter Organe betrieben.
    Proteste gegen die Bezeichnung als "österreichische Zensurstelle" fanden erst zum Jahreswechsel 1951/52 Gehör, als der irreführende Name in "Alliierte Zensurstelle" geändert wurde.


    Am 12. August 1953 wurde die Einstellung der Postzensur zunächst in der Sowjetzone bekanntgegeben, am 14. August fiel dann der Beschluss des Alliierten Rats zur Aufhebung in ganz Österreich.
    Der vierte Beleg zeigt den geänderten Stempel und datiert knapp drei Monate vor dem Ende der Maßnahme.


    Als Quelle für die Rahmendaten diente Gerald Stourzh, Um Einheit und Freiheit. Staatsvertrag, Neutralität und das Ende der Ost-West-Besetzung Österreichs 1945-1955, 5. Auflage Wien 2005.


    Viele Grüße aus Erding!

  • Zu diesem spannenden Thema kann ich auch einen Beleg beisteuern.
    Der Brief lief am 04.11.1947 von Heidelberg nach Wien und bekam ebenfalls den Stempel "Österreichische Zensurstelle" mit der Nummer 562.


    Ein Sammlerfreund hat mir einmal ein paar Informationen dazu gegeben. Falls es etwas zu ergänzen gibt, wäre ich für einen Hinweis dankbar.


    Für die sowjetische Besatzungszone gilt, dass dort zunächst keine Zensur stattfand. Erst am 20.März 1946 wurde die Einführung einer Zensur verfügt und die Zone in fünf Zensurbezirke eingeteilt: Wien, Amstetten, Eggenburg, St. Pölten und Wiener Neustadt.
    Für Auslandspost war die Zensurstelle 6 beim Postamt Wien 76 zuständig. Die Stempel tragen die Inschrift „Österreichische Zensurstelle“ oder
    „Alliierte Zensurstelle“ mit dem Zusatz „Z.1“ oder „S.Z“. Die für Inlandspost zuständigen Zensurstellen stempelten mit dem Zusatz des Ortsnamens.

  • Hallo Kontrollratjunkie,


    Zitat

    Für die sowjetische Besatzungszone gilt, dass dort zunächst keine Zensur stattfand. Erst am 20. März 1946 wurde die Einführung einer Zensur verfügt und die Zone in fünf Zensurbezirke eingeteilt: Wien, Amstetten, Eggenburg, St. Pölten und Wiener Neustadt.


    Ja, so ist das - der eine sagt so, der andere sagt so (Einstellung der Inlandszensur 1946) ...
    Da bleibt mir nur (wobei das schon durchaus ein Vergnügen ist), in der Münchner Philabibliothek das Werk von Karl Majörg über die "Nachrichten-Zensur der Alliierten in Österreich 1945–1953" auszuleihen und gründlich zu studieren.


    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Verehrte Freunde,


    jetzt konnte ich das Buch von Karl Majörg endlich einmal durcharbeiten.


    Schon rein äußerlich handelt es sich um ein beeindruckendes Werk: 528 Seiten im Großformat, durchgehend farbig illustriert.
    Beim Aufschlagen zunächst ein leises Gefühl der Enttäuschung: Keine umfangreiche Einleitung mit wichtigen Quellen?


    Kein Grund zur Panik: Das Werk erschließt sich erst bei gründlicher, nicht oberflächlicher Beschäftigung.
    Es ist offenkundig nicht zum schnellen Nachschlagen gedacht.
    Das liegt allerdings auch an den historischen Gegebenheiten, die sich im Aufbau widerspiegeln (Link1).
    Jede Besatzungszone hatte ihre Eigenheiten, Zonengrenzen trennten gewachsene Verwaltungsstrukturen zum Teil noch stärker als in Deutschland, was (Zonenwechselgebiete!) gute geografische Kenntnisse bei Sammlern voraussetzt.
    Die Zensur der Inlandspost endete generell mit dem 7.10.1946 (in der Sowjetischen Zone war sie erst im Frühjahr 1946 eingeführt worden!).
    Die Auslandszensur wurde mit Ausnahme der Post von und nach Deutschland und Japan bereits im November 1947 eingestellt (ausgenommen sowjetische Zone).
    In der britischen Zone endete auch letztere Maßnahme bereits im Februar 1948. In den übrigen Zonen blieb sie bis Mitte August 1953 in Kraft.


    Dazu kam die besondere Situation in Wien, wo eine "österreichische Zensurstelle" unter Aufsicht der Alliierten ausschließlich Auslandspost bearbeitete, und die seit der beschränkten Wiederaufnahme des Auslandspostdienstes am 2.1.1946 tätig war. Post von und nach Deutschland und Japan blieb bis zum 15.8.1953 der Zensur unterworfen!


    Im Mittelpunkt des Buchs stehen ganz klar die Belege und die Abbildungen von Stempeln und Zensurzetteln.
    Anhand von Briefen werden die administrativen Strukturen und Maßnahmen der Zensur beleuchtet.
    Zahlreiche Quellen sind in die jeweiligen Kapitel eingestreut, die auch den Kampf der österreichischen Politik gegen die als entwürdigend und wirtschaftsschädigend empfundene und aus österreichischen Steuermitteln bestrittene Zensur deutlich aufzeigt.


    Wer sich jetzt für das Buch interessiert, der kann sich hier (Link 2) informieren - Weihnachten steht ja noch bevor ...


    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

    Einmal editiert, zuletzt von Erdinger ()

  • Verehrte Freunde,


    jetzt ist mir wieder ein hübscher Zensurbeleg nach Wien zugelaufen, vom 6. Juni 1946, bereits in München zensiert und daher am Zielort offenbar nicht noch einmal geöffnet.
    Eine treffende Marke für das Auslandsbriefporto von 75 Pfennigen gab es zwar bereits seit dem 25. April, aber sie lag wohl in Dorfen nicht vor. (Oder man konnte mit der 45-Pfennig-Marke dort so gut wie nichts anfangen und versuchte sie aufzubrauchen.)


    Viele Grüße aus Erding!

  • Hallo Erdinger
    zu dem gezeigten Brief habe ich Frage. Bei mir sieht es so aus, dass sich der erste Buchstabe "F" der Anrede auf dem Zensurstreifen befindet. Wurde die Anschrift erst mit der Schreibmaschine geschrieben nachdem der Brief von der Zensurstelle geöffnet und mit dem Streifen wieder verschlossen worden war? Das wäre doch ein eigenartiges Verfahren.
    Beste Grüße
    Italienfreund

  • Hallo Italienfreund,


    danke für dein Interesse. Da kann ich Entwarnung geben. Das ist eine scanner-bedingte optische Täuschung - der Buchstabe befindet sich tatsächlich unter dem Zensurstreifen.


    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!


    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hierzu ein (später) Beleg vom 29.05.1951 nach Wien VII. Vorderseitig einige Vermerke. Falls diese tatsächlich von der Zensur stammen eine recht lange Laufzeit. Ich besitze die oben genannte Literatur nicht und wäre hier um Beihilfe zur Erklärung dankbar. Die Rückseite zeigt außer dem Absender nichts.


    PS: Diesen Beleg habe ich von der NAPOSTA in Trier mitgebracht. Es war schon kurz vor 16 Uhr am Samstag und eigentlich stellte sich schon Bierdurst ein. Dann bin ich doch nochmals an einen Händlerstand gegangen und mir eine 1 € Wühlkiste vorgenommen. Nach dem gefühltem 200sten Beleg hatte ich diesen in der Hand. Den Stempel erkenne ich mittlerweile aus einiger Entfernung. PULS hoch :) . Die Rückseite war jedoch noch besser. Absender ist mein Großonkel der an seine Schwester in Wien schreibt und der Inhalt ist noch vorhanden. Den EURO habe ich gerne bezahlt.


    Liebe Grüße

    Harald


    Wein- und Sektstadt Hochheim am Main