Italien über Deutschland nach Frankreich

  • Liebe Freunde,

    den folgenden Brief musste ich mir mehrere Minuten bei einem Händler anschauen, um an seine Existenz glauben zu können. Er ist unzweifelhaft in allen Teilen echt und war Teil einer alten Transitsammlung.

    Nun zu den Fakten, so ich sie bestimmen kann.

    Geschrieben wurde der nur 5g leichte Brief (in allen Postgebieten folglich einfachen Gewichts) im Königreich Italien, genauer gesagt in Turin am 16.1.1868. Der Absender war die Fa. J. A. Lachaise et Ferrero, wobei der letztere Name auch heute noch nicht völlig unbekannt sein dürfte bei denen, die weniger auf Kalorien, sondern eher auf leckere Schokolade bedacht sind.

    Empfänger war die Firma des Herrn Louis Lang et fils (= und Söhne) in Schlettstadt (heute: Selestat) im Elsass, zwischen Strasbourg und Colmar gelegen. Der Absender gab mit Bas Rhin = Niederrhein das Departement in Frankreich an und Bas Rhin war damals wie heute mit der Nr. 67 versehen.

    Er frankierte artig 40 + 20 Centesimi = 60 Centesimi, wobei ich nicht weiß, ob dies die Standardrate für einen einfachen Frankobrief zwischen dem Kgr. Italien und dem französischen Kaiserreich war.
    Jedenfalls stempels die Aufgabepost in Turin (Torino) P.D. und war dieser Ansicht.

    Folgende Stempel - alle siegelseitig - scheinen aber Zeugnis davon abzulegen, dass etwas schief gelaufen sein könnte, denn eigentlich hätte es einen direkten Postaustausch zwischen Italien und Frankreich geben sollen, der aus unerfindlichen Gründen nicht stattfand:

    Ital. Bahnpoststempel ...ATANTE N. 2 vom ??.1.1868
    K. Württ. Bahn-Post Zug 10 - 19.1.1868
    K. Württ. Bahn-Post Zug 3 - 19.1.1868
    Heidelberg - Basel Zug 19 - 19.1.1868
    Heidelberg - Basel Zug 14 - 19.1.1868
    Olten - Schaffhausen Bahnpost ??
    Innsbruck 21.1.1868
    Französischer Nummernstempel 2398 (?) vom 22.1.1868 - welcher Ort war das?
    Selestat 23.1.1868.

    Dazu ein großer "F" - Stempel, den ich noch nie gesehen habe und in meiner Literatur auch nicht finden kann.

    Jetzt zu den Taxen: In blau scheint zuerst ein Weiterfranko von 9x gestanden zu haben, welches man strich und eine NULL - Paraphe anzeigte, dass nichts den deutschen Posten zu vergüten war. Die rote 9, in korrekter Farbe des Weiterfrankos, scheint auch obsolet gewesen zu sein.

    Der rötliche Fleck unterhalb der roten 40 Centesimi Marke stammt von einem Einklebefalz, mit dem der Brief weiland in ein Album geklebt worden war (gut, dass es dieser "Technik" heute nicht mehr bedarf).

    Für jedwede weiterführenden Interpretationen oder Lesehilfen bedanke ich mich schon jetzt ganz herzlich.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    Infolge deines Hilfeschreis ;) , kann ich Dir für 2 Stempel helfen:
    - "2598 " Nummerstempel;
    - "F" Stempel.

    Das Nummerstempel ist für "Bureau de passe" geeignet. Es handelt sich um eine Art der Sortierstellen, die in den Städten funktionierten, wo es wichtige Eisenbahnknoten gaben. In 1864 schließt die Postverwaltung mehrere Bahnpost Linien. Sie schafft parallel die "Bureaux de passe" in Großstädten. Diese Sortierstelle waren beauftragt, die Briefkarten von Bahnpostämter anzunehmen, sie zu sortieren und sie anderen Bahnpostämter weiterzugeben.Die Nummer 2598 ist diejenige des Postamtes, der sich in der Stadt findet, wo sich die Sortierstelle findet. Hier 2598 entspricht Nancy. Die "Bureaux de passe" waren dem Publikum nicht geöffnet
    Das "F" Stempel ist ein Bahnpostamt Stempel und besonders ein Brigade (Abteilung) Stempel . Ein rundes Stempel entspricht einer Nachtbrigade. Wenn man ein französisches Bahnpoststempel, kann man den Namen der Linie bemerken, aber man kann unten am Stempel einen Buchstabe sehen. Dieser Buchstabe ist einen Brigade(unterscheindung)buchstabe. Jede Brigade war von einem unterschiedlichen Buchstaben identifiziert. Das Stempel, das sich auf Deinem Brief findet, war nicht normalerweise vorgesehen, sich auf Briefe, sondern lieber auf den Verwaltungspapieren zu finden (für interne Anwendung). Man hat leider hier keinen Namen der Linie, auf der diese Brigade "F" im Dienst war.
    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,

    ich hatte das schon vermutet, dass es mit der franz. Bahnpost in Zusammenhang stehen könnte, aber jetzt weiß ich, wie es sich zugetragen hat. Bei van der Linden fehlt dieser Stempel auch, von daher warst du die letzte Hoffnung, es noch heraus zu bekommen - vielen Dank! :)

    Ich werde den Brief nicht optimal beschreiben können, weil zu viel schief gelaufen ist, aber mit deinen wertvollen Informationen hoffentlich das beste daraus machen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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