• Liebe Freunde,

    ein feiner Portobrief aus München vom 14.12.1855 um 11 Uhr Morgens wurde unfrankiert "An das hochl(löbliche) Rigasche Börsen Comité in Riga Russland" in den Briefkasten eingeworfen, den die Aufgabepost mit 3 Silbergroschen für Bayern korrekt taxierte (Postvertrag Preussen - Russland vom 13.4.1852 für Bayern gültig). Bayern bekam später von Preussen dafür 9 Kreuzer gutgeschrieben.

    Preussen selbst überschrieb (das war üblich) die kaum zu erkennende schwarze, bayerische 3 mit einer deutlicheren, blauen 3 (vorne und hinten!) in Magdeburg, weil der Brief über die Bahnpost Bayerns und Sachsens nach Magdeburg einlangte.

    Das russische Porto betrug 10 Silberkopeken = 3 Silbergroschen, so dass der Empfänger in Riga total 20 Silberkopeken zu zahlen hatte, die etwa 21 Kreuzern entsprachen.

    Mangels kyrillischer Kenntnis kann ich den großen Stempel hinten nicht lesen, weise aber schon auf das Verhältnis des gregorianischen Kalenders zum in Russland geltenen julianischen Kalender hin, der eine Differenz von 12 Tagen ausweist. Preussen bekam hier als Transitleister gar nichts. Im umgekehrten Falle hätte aber Preussen bei einem unfrankierten Brief aus Riga nach München 6 Silbergroschen = 20 Kreuzer von Bayern bekommen, wobei es 11 Kreuzer an Russland zurück zu vergüten hatte (im DÖPV wurden 3 Sgr. nur 9 Kreuzer gerechnet, aber die ausländische Strecke war paritätisch zu verrechnen und da kosteten 3 Sgr. = 10,5 = 11 Kreuzer und 9 und 11 machten nun mal 20 Kreuzer aus).

  • Liebe Freunde,

    habt vielen Dank - hätte eher an einen Ortsstempel von Riga gedacht, aber habe jetzt wieder etwas dazu gelernt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Sammlerfreunde,

    nach einem Brief aus der Kreuzerzeit von Bayern über Österreich nach Russland habe ich nun schon länger gesucht.

    Reichenhall - Odessa vom 26.7.??. Vorne Ankunftstempel Odessa 24. JULI.

    Den Durchgangsstempel auf der Rückseite kann ich leider nicht entziffern. Vielleicht hat hier jemand Kenntnisse über den normalerweise üblichen Laufweg und kann weiterhelfen?

    Nach Postvertrag vom 13.01.1855 kostete der Frankobrief 21 Kreuzer. Aus den Verordnungen konnte ich nur herauslesen, dass Portobriefe ab November 1858 mit 15 Neukreuzer (wie hier mit Blaustift 15) vorzutaxieren waren. Auch nach dem Vertrag vom 22.04.1866 (Franko nur noch 14 Kreuzer) waren 15 Neukreuzer vorzutaxieren. So kann ich leider nicht bestimmen aus welchem Jahr der Brief stammen könnte.

    Mit Rotstift wurde die blaue 15 mit 35 überschrieben und links 30 vermerkt. Ich gehe davon aus, es handelt sich um 30 bzw. 35 Silberkopeken, was das Gesamtporto darstellen soll.

    Die Verordnungslage ist leider recht dürftig, aber evtl. kann hier jemand weitere Auskunft über die Portozusammensetzung und dem Laufweg geben?

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo Sammlerfreunde,

    durch Zufall bin ich eben auf den Artikel von laurent gestoßen:

    aus / nach CONSTANTINOPEL über VARNA

    Dort wird der Laufweg eines Briefes von Constantinopel über Wien nach Genau beschrieben.

    Ich zitiere wie folgt:

    "1867 wurde die Bahnlinie zwischen VARNA und RUSTSCHUK in Betrieb genommen : mit diesen Bahnverbindung entfiel der längerer Schiffsweg durch das Donaudelta, um schließlich den kürzesten Weg von Varna nach Rustschuk zu nehmen. Zur Abkürzung der Beförderungsdauer gab es ein gut abgestimmtes System zwischen...

    der Bahn von Wien nach Baziasch

    der Donau Dampfschiffsfahrt Gesellschaft (DDSG) zwischen Baziasch und Rustschuk,

    der neuen Schwarzmeereisenbahnlinie,

    und dem österreichischen Lloyd von VARNA nach Constantinopel"

    50630-trajet-varna-d-jpg

    Ich gehe davon aus, dass der rückseitige Stempel meines Briefes aus BAZIASCH stammt und der Brief den gleichen Weg bis Baziasch nahm und entweder über die Donau und das Schwarze Meer oder eben auch über Varna bis zum Schwarzen Meer und dann nach Odessa befördert wurde.

    Nimmt man den von laurent vorgestellten Brief, benötigte der Transport von Constantinopel nach Wien 4 Tage. Mein Brief benötigte von Reichenhall nach Odessa 10 Tage. Evtl. wurde er vor 1867, also vor der Fertigstellung der Eisenbahn Rustschuk - Varna von Baziasch über die Donau und das Schwarze Meer mit dem Schiff nach Odessa befördert.


    Vielleicht kann laurent mehr dazu schreiben?

    Gruß

    bayernjäger

  • Lieber Hermann,

    tolles Stück - immer wieder erstaunlich, was du alles auftreibst. :P :P

    Bayern taxierte ihn mit 3 Sgr. (schwarze Tinte) bis zur preussisch-russischen Grenze. Diese 3 Sgr. für Bayern wurden von Preussen korrekt mit 3 in blauer Tinte wiederholt und in 10 Silberkopeken vorne reduziert. Offenbar war der Empfänger in Russland portofrei (sonst wären weitere 10 Silberkopeken ab der Grenze bis zum Zielort addiert worden). Er musste also tatsächlich nur 10 Kopeken bezahlen, womit wir hier einen Teil-Portobrief hätten, den es bei Korrespondenzen nach Russland hier und da gibt, aber sicher keine Massenware waren.

    Vlt. kann unser ausgewiesener Russland-Kenner Michael noch mehr dazu sagen, denn die "8" vorne verstehe ich nicht und kenne sie so auch nicht auf anderen Bayernbriefen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,

    auch wenn Michael angesprochen wurde, möchte ich meine Meinung zu diesem interessanten Brief mitteilen.

    Das Problem bei diesem Brief ist, dass er nicht datiert ist. Der Taxierung zu Folge, muss er zwischen dem 1.7.1850 und 12.4.1852 gelaufen sein. Nachdem der neue Postvertrag zwischen Preußen und Russland erst zum 13.4.1852 in Kraft trat, behielt der Postvertrag von 1843 bis zum 12.4.1852 seine Gültigkeit.

    Entsprechend dem Postvereinsvertrag belastete Bayern den Portobrief mit 3 Sgr. bis zur Postvereins-Grenze.

    Gegenüber Russland senkte Preußen das Porto jedoch nicht und bestand auf Einhaltung des Vertrages von 1843. So wurden Russland weiterhin 10 Sgr. belastet (4 Sgr. fremdes Porto + 6 Sgr. Preußischer Transit). Der Empfänger in St. Petersburg musste daher einschließlich des russischen Inlandportos von 10 Kopeken insgesamt 43 Kopeken bezahlen, die auf der Rückseite in roter Tinte notiert wurden.

    Zu der "8" fällt mir im Moment auch nichts ein.

    Grüße

    Karl

  • Hallo Karl,

    danke für deine Gedanken - gefallen mir besser, als die meinen. Hoffen wir mal, dass der liebe Michael die 8 erklären kann, wenn wir es schon nicht können.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,

    ich habe noch eine Idee zu der "8".

    Das bayerische Porto vor dem Postverein lag ab Schillingsfürst bis zur bayerischen Ausgangsgrenze bei 8 Kr.

    Wenn der Brief vom 9.9.1850 war, dann könnte der Postler noch nicht so mit den neuen Taxierungen vertraut gewesen sein. In Hof oder Nürnberg könnte dann die Berichtigung vollzogen worden sein.

    Grüße

    Karl

  • Hallo Karl,

    ich hatte den gleichen Gedanken, aber dann hätte man doch die falsche 8 streichen müssen, das war ja gerade bei Auslands- bzw. Mehrländerbriefen unumdingbar. Aber andere bayer. Kartierungsämter hätten dann in ihren Farben die falsche 8 streichen müssen (war so Vorschrift). Aber es war eine schwierige Zeit sowieso und mal sehen, ob jemand noch eine Variante ausbrüten kann.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (6. November 2023 um 16:43)