PV Bayern - Frankreich zum 1.1.1822 - Briefe hin und her

  • Hallo Emmanuel,

    ich hatte mich auch gewundert ... aber diese Stempel hatte doch nur die Abgabepost (hier: Beaune), oder konnte die jeder auf den Briefen abschlagen? Eigentlich doch nur der, der wusste, ob 1 Dec. zu zahlen war, oder nicht.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    Die Briefe, die für die Stadt, wo ein Postamt liegt müssen mit kein Landzustellgebühr belastet sein. Das Ankunftspostamt belstet die Briefe mit der Landzustellgebühr, wenn sie für eine Landegemeinde bestimmt sind (Schwarz décime)
    Das Abgangspostamt belastet die Briefe mit der Sammelgebühr, wenn sie von eine Landgemeinde kommen (Rote décime).
    Ich denke, daß es sich hier um einen Irrtum des Postamtes Beaune handelt. Es ist wahrscheinlich, daß sich Herr Labaume geweigert hat, dieses Extraporto zu bezahlen. Er war ein großer Weinhändler, er (oder seine Mitarbeiter) kannte also wirklich die Posttarife.

    Viele Grüsse.
    Emmanuel.

  • Hallo Emmanuel,

    schön zu sehen, dass auch mal die Franzosen Fehler machten - sonst kann ich das kaum einmal nachweisen, die Fehler von Bayern sind eher zu finden.

    Vielen Dank und wenn du mal einen findest nach/von Frankreich mit einem weiteren Postfehler, wäre ich entzückt. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    wer kann mir die Besonderheit dieses Briefes aus Frankenthal vom 13.5.1841 nach Wissembourg nennen?

    Wer den Inhalt (kurz) übersetzen kann, wäre mein Held. ;)

  • Hallo Ralph,
    Ein Justizbeamter antwortet auf einen Bürgermeister: dieser Letzte fragte nach Kommunikation eines Geburtsscheines. Er hatte ein Münze im Wert von 2 Franc beigelegt, um die Antwort zu bezahlen! Der Absender lehnt sie ab und legt sie im Versand bei.
    Also ist geschrieben "valeur 2 francs", Wert = 2 francs... die Münze war in dem Brief !

    Laurent  :)

  • Hallo Laurent,

    das ist genau das, was ich erhofft hatte. Das war ein Postbetrug (aber einer, den man auf der Adresse notiert hatte!).

    Der Versand von Geld machte einen Brief zum Gegenstand der Fahrpost - hier ist es aber mit der Briefpost von Frankenthal nach Wissembourg (wunderschöne, kleine Stadt, die ich sehr liebe und jedes Jahr mindestens 2 Mal besuche zum Flammkuchen - Essen an der Lauter) geschickt worden und die Post in Frankenthal hätte ihn nicht so abspedieren dürfen.

    Laurent, ich danke dir! :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Abend
    wen 2 Frank Münze die 10g wiegte in Brief gewesen wehre, sollte man dieses Portobrief x2 (fremdes Porto + Inland) Rechnen. Wie kommt man auf 13 dec?
    LG A

    "Im Grunde sind es doch die Verbindungen mit Menschen, die dem Leben seinen Wert geben."
    W. v Humboldt

  • Liebe Adriana,

    ich überlege gerade, ob der Vermerk "Valeur deux francs", das Gewicht "15" und die Taxe "13" nicht alle von derselben Hand in Wissembourg geschrieben wurden?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Adriana,

    Bayern durfte nichts wiegen und vortaxieren. Daher hat die Taxe und Gewichtsangabe sicher der elsässische Postler in Wissembourg notiert. Das mit den 2 Francs scheint mir dieselbe sepia Tinte zu sein, die er nutzte.

    Muss morgen noch mal drüber schauen, wenn es Zeit gibt (wohl eher nicht).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... leider haben wir keinen Farbvergleich der Tinte von Frankenthal - aber hier denke ich stammt jeder Vermerk von der Abgabepost.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    heute kann ich einen ganz besonderen Brief hier zeigen.

    Geschrieben in München am 12.6.1845, zur Post 2 Tage später, war er adressiert an: "Monsieur Ferd. Schaitler, per Adresse Monsieur Bachmann rue Foubourg montmatre No 61 a Paris".

    Oben hatte man noch beigefügt: "er(ga) Recepis."

    Die Aufgabepost hatte nun den Brief zu wiegen, denn sie war für die Frankatur in Bayern (halblöthiges Gewicht) und Frankreich (7,5g Schritte) zuständig. Siegelseitig sehen wir alsdann 27 Kreuzer für Bayern bis Strasbourg, die zeigen, dass der Brief über 1/2 bis 1 Münchener Loth gewogen haben muss - also über 8,75 bis 17,5g, daher 18 Kr. einfach und 27 Kr. = 1,5fach. Die Recogebühr von 4 Kreuzern verblieb der Aufgabepost und wurde nicht notiert.

    Für Frankreich war aber bei recommandirten Briefen das Doppelte des gewöhnlichen Frankos zu kassieren, hier 1 Gulden 16 Kreuzer. Demnach wäre ein nicht - chargierter Brief mit 38 Kreuzer zu taxieren gewesen. Weil das Porto bzw. Franko in Frankreich degressiv war und nicht mit jeweils 50% mehr je Gewichtsstufe anzurechnen war, also 20 Kr. für die 1. Gewichtsstufe bis 7,5g und 18 Kr. für die 2. Gewichtsstufe über 7,5 bis 15g. Ergo wog der Brief über 8,75 bis 15g.

    Jedoch lese ich oben links vorne in der Tinte der Münchener Aufgabepost 2 Gulden 8 Kreuzer (2 f 8) und das will mir nicht so recht in den Kopf (die Zahl oben rechts ist 837 und war die Reco - Nummer in München). Addiere ich beide Franki, so komme ich auf 1 Gulden 43 Kreuzer und es ergäbe sich eine Differenz von 25 Kreuzern.

    Der Vermerk "er. Recepis" könnte aber auch so gedeutet werden, dass der Absender eine Retour - Recepisse herbeigebracht haben wollte. Dergleichen sah der Postvertrag Bayerns mit Frankreich von 1822 zwar nicht vor, doch habe ich selbst einen Brief, der mit einer Retour - Recepisse lief und noch 2 weitere gesehen, bei denen der Absender dergleichen ebenfalls wünschten und wohl auch bezahlten.

    Die Frage, die sich jetzt stellt, ist: Sind diese imaginären 25 Kreuzer in einen eventuellen Zusammenhang zu bringen mit einer Retour - Recepisse?

    Letzter Aspekt: Beim Eingang in Strasbourg stellte man fest, dass der Brief mit 3 Siegeln verschlossen worden war - und fügte 2 weitere (dunklere) Siegel bei. Könnte es sein, dass diese später erbrochenen Siegel die Retour - Recepisse am Brief fixierten? Ich halte das für sehr wahrscheinlich, denn warum sollte sich Strasbourg die Mühe einer Nachsiegelung mitten auf der Briefrückseite machen, wenn dort der Brief gar keine Öffnung hatte?

    Gerne lese ich eure werten Kommentare hierzu.

  • Hallo Ralph, ein wunderschöner Brief. Deine Beobachtungen hören sich schlüssig an, inhaltlich kann ich aber nichts beisteuern. Nur eine Bemerkung: meines Erachtens haben Briefsiegel ein Wappen oder ähnliches. Farbe dieser 'zweiten Runde von Siegeln ist anders und glaube, haben auch kein Zeichen (Emblem).
    Das würde Deiner These entsprechen dass diese zur Anheftung genutzt wurden (wäre der Siegelbruch auch entsprechend?). Henkel hat den Prittstift ja erst 150 Jahre später erfunden  :)

  • Hallo Andreas,

    danke für dein Feedback - die zwei dunklen Siegel stammen definitiv von der Strasbourger Post - vlt. kann man es am Scan schlecht sehen, aber "live" ist Strasbourg zu sehen.

    Ich finde postalische Nachsiegelungen immer spannend und habe davon vlt. auch ein kanppes Dutzend. Bei der Fahrpost hätte ich wohl eher 100 Briefe, als die paar, die ich als Briefpostler zusammentragen konnte, aber dass ist ja auch ein anderes Thema.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    waere es moeglich auch die anderen Seiten des Briefes zu sehen?

    Am Ende stellt es sich heraus dass dieser Brief (und seine Geschwister) eigentlich auch ganz interessant fuer mich sind. Es hat was mit "Handwerk erlernen" und Handel zu tun in der ersten Haelfte 19. Jhd.

    Stand der Dinge, vielleicht interessiert es Dich:


    Zu Ferdinand Schaitler, Geboren 1825 in Aichach:

    Ferdinand Schaitler absolvierte das Lateinische Gymnasium in Muenchen. Das Zeugnis des Schuljahres 1835/36 zeigt dass er nicht gerade ein Mathegenie war, aber wohl eine kuenstlerische Ader (diese Kombination ist haufig) hatte:

    Schaitler Ferdinand, Alter 10 Jahre 6 Monate, geboren in Aichach, Stand der Eltern: Schneidermeister , Fortgangsplaetze in den einzelnen Faechern (von 65 Schulern):

    Religion 48/65
    Lateinische Sprache 39/65
    Deutsche Sprache 45/65
    Arithmetik 62/65
    Geographie 53/65
    Kalligraphie 13/65

    Des weiteren:
    Ferdinand Schaitler,geb 1835 in Aichach, haelt sich von ca 1845 bis 1847 in Paris auf und macht eine Schneiderausbildung bei Monsieur Graefer (1846-1847), welcher sein Geschaeft in der Passage de l’Opera in Paris hat. Beim Herrn Bachmann war er 1845 entweder in Untermiete, oder aber auch dieser hatte eine Schneiderwerkstatt. Das heisst, Ferdinand war zu diesem Zeitpunt 20 Jahre alt. Demnach handelt es sich sicher um eine “Perfektionierung” des bereits beim Vater erlernten Berufes vielleicht auch um den Meistertitel zu erhalten.

    Ich gehe davon aus, dass der Brief von seinem Vater, (Alois??) Schaitler stammt, an seinen Sohn. Schaitler besitzt in Muenchen zusammen mit Herdy zwei Geschaefte fuer Herrenkleidung,
    und unterzeichnen ihre Werbeinserate mit Schneidermeister.
    Bis mindestens 1842, ist ein Laden in der Kaufingerstrasse 22, der andere im Rufinihaus, Sendlingergasse 1. Beides hervorragende Adressen, wobei das Ruffinihaus (welches heute als Neubau des bekannten Architekten von
    Seidl in der traditionelle Muenchner Form von Geschaeftszellen in EG noch besteht) eine eigene Geschichte hat.
    Ab 1845 (wiederum laut Werbeinserate) sind beide Laeden umgezogen, eines im Goldenen Hahn in der Weinstrasse, das andere am Schrannenplatz 11.

    Bayerische Landbötin: 1842, 1

    Anzeige und Empfehlung
    Wir Unterzeichnete erlauben uns einem sehr geehrten Publikum zur ergebenen Anzeige zu bringen daß bereits unsere beiden Läden von Herrnkleidern mit einer sehr großen Auswahl nach dem neuesten Geschmacke bestens assortirt sind. Beinkleider in allen Farben und Stoffen von 4 bis 13 fl Gilet von 3 bis 8 f feine Tuchröcke von 21 bis 27 f einige hundert Sommerröcke von 6 bis 15 f Schlafrocke von 4 bis 10 f
    Einem recht zahlreichen Zuspruch entgegensehend empfehlen sich Schaitler und Herdy Schneidermeister


    Universal-Handbuch von München, 1845:

    Schaitler und Herdy Fürstenfelderstr Besitzer zweier großer Herrenkleider Magazine eines im goldenen Hahne in der Weinstrasse das andere Schrannenplatz 11 haben stets in diesen beiden Magazinen in großer Auswahl vorräthig Sommer und
    Winteranzüge für Herren nach der neuesten Mode um bekanntlich billige Preise Auch werden alle Bestellungen aufs schnellste effektuirt


    Du wirst Dich wundern, woher das alles kommt. Aus andere Belegen natuerlich, welche ich hoffe bald zeigen zu koennen. Du siehst, das sind die Dinge die mich interessieren  :D

    Alles Gute und einen guten Rutsch!
    Andreas

    Einmal editiert, zuletzt von AndreasCairo (30. Dezember 2017 um 13:07)

  • Hallo Andreas,

    da ich just einen A3 - Scanner/Kopierer/Drucker bekommen habe, war mir dein Wunsch Befehl.

    Es ist sagenhaft, was du da herausgefunden hast, ich bin bass erstaunt! Vielen Dank für diese Fleißarbeit - meine Talente scheinen woanders zu liegen, stelle ich immer wieder fest.

    Guten Rutsch!

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... gern würde ich noch mehr schreiben, aber das Geschäft ruft!

    Ja, das waren schon umtriebige Leute damals, wenn man zu etwas kommen wollte.

    Vielen Dank, Andreas, für deine Mühewaltung und die zahlreichen Bezüge zur Wirtschaftsgeschichte eines Ausgewanderten.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • "eines Ausgewanderten" ...?


    Ohne Pedanterie, aber ich wuerde Ferdinand nicht als "Auswanderer" bezeichnen, sondern nur als Lehrling. Er ging 100% wieder nach Muenchen zurueck nach (hoffentlich) Abschluss der Ausbildung.
    Das habe ich bei Neuner&Hornstein (Mittenwald-Paris) gesehen, bei Krogmann&Wasmuth (Hamburg-Mexico), von Hoesslin (Augsburg-Strassburg-Paris)...


    anders bei dem Uhrenmacher Bornemann aus Dresden ... der ist mit dem Bruder ueber Australien nach Minnesota/USA ausgewandert und das wars ...


    ich liebe Vater-Sohn Briefe ... 8)