Venetien - Kurhessen über Sachsen?

  • Der nachfolgend gezeigte Brief bereitet mir einige Probleme:


    Aufgegeben am 8.2.1851 in Vicenca und nach Solz bei Bebra "über Wien" adressiert.


    Wenige Monate später wäre Spedition über Prag - Bodenbach - Dresden - Leipzig durchgehend mittels Eisenbahntransports möglich gewesen. Zum Versandzeitpunkt war jedoch die Strecke Dresden - Prag noch nicht durchgehend befahrbar.


    Die Taxe von 6 1/2 Sgr würde für eine Leitung durch Sachsen passen: 3 Sgr Postverein + 2 3/4 Sgr. Leipzig - Bebra + 1/2 Sgr. Landzustellung Bebra - Solz. Weder für die "4" in blauer Tinte noch für die gestrichene "3 x/x" finde ich jedoch eine plausible Erklärung.


    Wer kann helfen?


    Beste Grüße


    Altsax

  • Lieber Altsax,


    ich lese als Aufgabeort "VICENZA" im österreichischen Teil Oberitaliens. Was du als 4 interpretierst, ist eine österreichische 12 Kr. Ligatur. Diese 12 Kr. wurden später in 4 Groschen reduziert.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.




  • Lieber bk,


    Venetien war zum Aufgabezeitpunkt über Österreich Mitglied des Postvereins, Kurhessen aber noch nicht. Infolgedessen handelte es sich nicht um einen Postvereinsbrief, die Vereinstaxe war demnach ohne Zuschlag mit 3 Sgr anzusetzen. Hinzu kam dann die Taxe für den taxisschen Bereich. Oder irre ich mich da?


    Liebe Grüße


    Altsax

  • Lieber Altsax,


    von Postverein hatte ich nichts geschrieben, auch nicht von einer Vereinstaxe ohne, oder mit Zuschlag. Basis war der PV zwischen Österreich und TT vom 4.2.1843. Dort waren im Art. I die Landesteile von TT aufgezählt, für diese der Vertrag verbindlich war. Der Zielort gehörte dazu.


    Nach Art. II war demzufolge ein Gemeinschaftsporto bzw. Gemeinschaftsfranko von 12 Kr. CM wie hier für Sendungen vorgesehen, die in gerade Linie über 10 Meilen von einander entfernt lagen, wovon ich hier ausgehe.


    Im Art. V war der Bezug der Transitkosten geregelt, für die die TT - Postkasse allein die Kosten zu tragen hatte, wenn fremdes Terrain transitiert werden musste. Hierbei gab es 3 Klassen:
    Die 1. Klasse zu 4 Kr. CM je Brief, die 2. Klasse zu 8 Kr. CM je Brief und die 3. Klasse zu 12 Kr. CM je Brief bis 1/2 Wiener Loth.


    In der 2. Klasse unter Punkt b) findet sich der Ziel- und Aufgabeort mit 8 Kr. CM genannt. Diese entsprachen 2 3/4 Groschen, wie ausgewiesen. Mit dem Bestellgeld kommen wir dann auf den notierten Gesamtbetrag.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



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  • Lieber bk,


    Dein letzter Beitrag hat mich zu einer näheren Beschäftigung mit den vertraglichen Regelungen des Auslandsverkehrs zu Beginn des Postvereins veranlaßt. Dabei mußte ich einige vermeintlich sichere "Erkenntnisse" über Bord werfen, konnte aber nicht alle Details klären:


    Ausgehend von der Annahme, daß für Korrespondenz zwischen Mitgliedestaaten mit Nichtmitgliedern intern die Postvereinstaxen und für den Auslandsanteil die mit den angrenzenden Staaten vereinbarten gelten, habe ich versucht, diese Regelung explizit im Postvereinsvertrag (Art. XXXIII ff.) zu finden - Fehlanzeige.


    Teilweise fündig wurde ich dann in den sächsischen Ausführungsbestimmungen zum Vertrag, die die erste Überraschung boten: Unterschieden wird zwischen deutschen Nichtmitgliedern und nicht-deutschen. Für Korrespondenz zwischen Postvereinsmitgliedern und deutschen Staaten gelten nicht die internen Verinstaxen zzgl. der Auslandsanteile, sondern - wie Du zu meinem Brief richtig bemerkt hast - die seitherigen Verträge.


    Für Korrespondenz zwischen Postvereinsmitgliedern und nicht-deutschen Staaten gelten für den Postvereinsanteil die internen Postvereisntaxen ohne Zuschläge für Portobriefe. Für den Auslandsanteil gültig sind die mit den Vermittelnden Postverwaltungen geschlossenen Tarife in der Vertragswährung - aber, zu meiner Verblüffung - umgerechnet zu den internen Postvereinssätzen.


    Als Beispiel ist u.a. ein Doppelbrief von Sachsen nach Zürich aufgeführt, für den der Vereinsanteil 6 Ngr und der Fremdanteil 18 Kr. = 6 Ngr. beträgt. Für einen Brief nach Calcutta wird das britische Porto mit 80 Kr. = 26 7/10 angegeben.


    Waren die Sachsen zu dumm, die Bestimmungen richtig zu interpretieren, oder sehe ich irgend etwas falsch?


    Liebe Grüße


    Altsax


    Eine gesonderte Regelung für Portobriefe wird nicht genannt. Folglich müßten sie den gleichen Taxen unterliegen.

  • Lieber Altsax,


    dein Brief hat mit dem Postverein, um alle möglichen Unklarheiten auszuschließen, nichts zu tun. Erst ab dem 1.5.1851 hätte man ihn postvertraglich anders behandeln müssen und nur 12 Kr. für ihn verlangen dürfen (die Hansestädte kamen zwar erst zum 1.1.1852 zum DÖPV, dies galt jedoch nur für Briefe von den Postverwaltungen dort, die nicht zuvor schon dem Postverein beigetreten waren, also nicht TT, Preußen, Hannover usw.).


    Die Franki und Porti bei Briefen von Postvereinsländern über Postvereinsländer in Nicht - Postvereinsländer waren abhängig von der Postverwaltung, die den beiden anderen Vertragspartner war. Kompensierte die im Postverein übliche Regelung mit dem Bezug des Franko bzw. Porto als Aufgabepost die vorherigen Regelungen einigermaßen, dann konnte die Altverträge entsprechend modifiziert werden. Wäre der Verlust bei Aufgabe der Vorteile des Altvertrages als zu hoch angesehen worden, hätte man diesen nicht so bald gekündigt. Nicht unterschätzen darf man auch den Druck im Postverein selbst.


    Bei Sachsen - Bayern - Schweiz z. B. betraf dies Bayern als Bindeglied. Auch nach Eintritt Sachsens und Bayerns in den Postverein wollte Bayern auf seine vertraglich fixierten Transitgebühren nicht verzichten und Sachsens (und der CH) Korrespondenten musste finanziell in den bitteren Apfel beißen. Die Alternative, Baden, war auch problematisch, weil Briefe aus Sachsen über Bayern im geschlossenen Transit via Baden im offenen Transit in die CH ein sächsisch - badisches Gemeinschaftsporto von 19 Kr. kosteten und das war ja satte 10 Kr. mehr, als es im Postverein von der dänischen Grenze bis nach die des Tributfürstentums Rumänien kostete. Aber Sachsen hatte keine Alternativen. Erst als Baden am 1.5.1851 in den Postverein eintrat, konnte neu verhandelt werden.


    Bayern blieb stur und beharrte bis zur Ausführung des neuen Vertrages mit der CH vom 1.10.1852 auf seinem veralteten Standpunkt, denn ab dann kosteten Briefe von Sachsen in die CH über nur noch 9 Kr., zuvor noch 12 Kr. Transitporto mehr, womit bis Sept. 1852 Briefe 12 Kr. plus sächsisches Porto allein für den deutschen Raum kosteten.


    Wenn bei Auslandsbriefen ausländisches Porto anfiel, war die Reduktion prinzipiell paritätisch auszuführen. Am Anfang wurde noch 1 Groschen mit 3 Kr. gleich gesetzt, was für die vermittelnden Südstaaten einen kleinen Währungsgewinn bedeutete. Wollte die CH also 6 Kr. für einen Portobrief aus dem 2. CH - Rayon, setzte Bayern eine 2 Ngr. Forderung der CH an, die ja 7 Kr. rheinisch entsprachen. Umgekehrt erhielt man 2 Ngr. für Briefe in den 2. CH - Rayon, gab aber nur 6 Kr. weiter.


    Nur bei Briefen, die im Transit die CH passierten, wurde weniger bezahlt und zwar nur das, was die süddeutschen Staaten tatsächlich dem Ausland belasteten bzw. von diesem belastet worden waren.


    Gegenüber Baden und Bayern war Sachsen also in unvorteilhafter Position, denn selbst konnte Sachsen keine Auslandskorrespondenzen vermitteln.


    Preußen, in Relation zur CH in gleicher Lage wie Sachsen, war aber ungleich wichtiger für die süddeutschen Staaten, so dass man sofort die günstigen Vereinstarife beanspruchte und gewährt bekam, sobald die involvierten Länder dem DÖPV beigetreten waren und nicht erst bis Oktober 1852 warten musste.


    Etwas off topic - genau das war auch das Problem mit dem auslandsvertragslosen Württemberg, welches sich erst ab Okt. 1852 über diesen neuen Vertrag mit der CH als Transitland allmählich positionieren konnte.


    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph



    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.